Blau, blau, blau sind alle meine Kleider… auch vor 48 Millionen Jahren war blau schon schick!

Über die Farben fossiler Tiere wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Man versuchte, die Färbung aller möglichen Tiere analog zu rezenten Tieren zu rekonstruieren. Mit dieser „Aktualismus“ genannten Methode kann man logisch auf Farben und Farbmuster schließen (und auf alles mögliche andere im Leben eines fossilen Tieres). Sie gilt als recht erfolgreich, auch wenn es bisher fast unmöglich ist, die Ergebnisse zu beweisen. So wird auch ein historisches Freiwassertier einen dunklen Rücken und hellen Bauch getragen haben, Ornamente wie Federn, Haarbüschel oder Hornstrukturen waren nicht nur auffällige Formen, sondern sicher auch bunt gefärbt. Alleine es fehlt: Der Beweis.

Bunte Federn aus der Vergangenheit

Kleiner, braun gestreifeter Dino am Bodem
Sinosaropteryx prima, C: Nobu Tamura

2010 veröffentlichten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature, dass beim gefiederten Dinosaurier Sinosauropteryx prima Protofedern gefunden wurden. Doch nicht nur das, die Wissenschaftler um den britischen Wirbeltierpaläontologen Michael Benton und Fucheng Zhang fanden auch Melanosomen. Diese Körperchen geben den Federn heutiger Vögel Farben. Sie konnten sogar die unterschiedliche Verteilung von Melanosomen eine Bänderung des Schwanzes nachweisen. Sinosauropteryx hatte offenbar eine rotbraune Grundfarbe, sein Schwanz war heller und dunkler gebändert. Sein Körper war am Rücken heller als am Bauch und er trug eine dunkle Gesichtsmaske.

Bei Archaeopteryx lithographica hat man nach diesem Fund ziemlich bald nachgeforscht und zahlreiche Melanosomen, also dunkle Federn festgestellt. Möglicherweise war der Urvogel nicht nur so groß wie eine Krähe, sondern zumindest teilweise so gefärbt. Der bekannte Gleitflieger Microraptor gui trug schwarze Federn mit bläulichem Schimmer an.

Völlig anders hingegen bei… nein, man versetze sich einfach 48 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit:

Somewhere over the rainbow

Auch vor 48 Millionen Jahren erzeugte die Sonne einen Regenbogen, als ihre Strahlen an diesem Abend durch den Sprühnebel eines vergangen Gewitters fielen. Es ist unklar, ob der kleine, blaue Vogel ihn als Symbol für besseres Wetter interpretierte und ob er ihn überhaupt wahrnahm. Vom Gewitter überrascht hatte er im dichten Wald Zuflucht gesucht. Der Regen hatte ihn beinahe verschont, die paar Spritzer, die er im Geäst des großblättigen Baumes abbekommen hatte, waren von seinem Gefieder abgeperlt, wie nichts. Den Insekten hingegen hatten die Tropfen übel mitgespielt. Viele von ihnen hatte das Wetter zu Boden gerissen, nicht wenige waren verletzt. Eine einfache Mahlzeit für so einen cleveren Vogel wie Eocoracias brachyptera. Mit ein paar Flügelschlägen landete er am Boden und fing an, in der Streuschicht nach verletzten oder desorientierten Insekten zu stöbern. Lange musste er nicht suchen, und schon bald war er satt. Doch irgendwas fühlte sich anders an, ihm wurde immer wieder schwindelig. Doch kaum hatte er sich in die Luft erhoben und war einige Meter über den Waldsee geflogen, stieg unter ihm eine Blase auf, dem kleinen blauen Vogel wurde wieder schummerig, er stürzte in den See …

Blau ist und bleibt selten!

… und kam erst 48 Millionen Jahre später wieder ans Tageslicht, denn zum Glück war Eocoracias brachyptera fossiliert. Der Vogel gilt als Verwandter der modernen Racken. Mit ihm konservierte der berühmteste fossile See der Weltgeschichte auch den ältesten Beweis für blaue Federn. Der Messelsee war vor 48 Millionen Jahren eine Art vulkanischer See ohne Ablauf, vergleichbar den Eifelmaaren. Wie bei ihnen trat aus dem Untergrund vulkanisches Kohlendioxid an die Oberfläche. Anders als bei den Maaren geschah das in Messel nicht kontinuierlich, sondern in unterschiedlichen Abständen, dann aber mit sehr großen Mengen. Ein Gewitter könnte also eine solche Gasblase im Untergrund des Sees gelöst haben, die dann den Vogel aus dem Himmel holte.

Blauracke auf einer Singwarte
Hier sitzt eine Blauracke auf einem Busch. Blaue Vögel sind selten und daher bei Birdwatchern begehrt.

Die Forscher konnten auf die blaue Farbe von E. brachyptera nur schließen, weil sie das Fossil mit seinen modernen Verwandten, den Raken, vergleichen konnten. Winzige Strukturen, die in den versteinerten Federn erhalten sind, ähneln jenen, die modernen Vögeln je nach ihrer Anordnung entweder blaue oder graue Farbtöne verleihen. Blaue Federn sind generell ungewöhnlich: Von den 61 Linien lebender Vögel haben nur 10 Linien blaue Federn entwickelt.

Da moderne Rackenvögel jedoch blaue und keine graue Federn aufweisen, folgern die Forscher, dass der alte Vogel tiefblau war. Es ist das erste Mal, dass Wissenschaftler eine solche Federfarbe aus dem Fossilienbestand rekonstruieren konnten.
Die modernen Rackenvögel (Coraciiformes) umschließen einige der buntesten Familien der Vögel überhaupt, darunter die Eisvögel und die Bienenfresser. Die eigentlichen Racken sind heute von Südeuropa bis Australien in warmen und tropischen Gebieten verbreitet. Die Blauracke war in Deutschland in der Mini-Warmzeit zwischen 1774–1824 weit verbreitet und ein regelmäßiger Brutvogel. Danach nahmen die Bestände sukzessive ab, 1990 erlosch das letzte Brutvorkommen in der Lausitz, 1994 gab es die letzte erfolgreiche Brut in Baden-Württemberg. Seit dem gilt sie nicht mehr als Brutvogel in Deutschland.

Neue Antworten – neue Fragen

Aufgrund der Unsicherheit im Bezug auf blaue und graue Farbe, sinkt die Genauigkeit der Vorhersagemodelle für fossile Farben von 82% auf 61,9%. Bisher war man davon ausgegangen, dass die bekannten Strukturen für blau und grau nur grau hervorgebracht haben. Jetzt muss man davon ausgehen, dass sie grau oder blau hervorgebracht haben könnten. Die sinkende Genauigkeit klingt wie ein Rückschritt, ist aber für das Verständnis der Tiere ein Fortschritt.

„Ich sehe das Paper so, dass ich eine sehr kleine, direkte Anwendung bemerke, wohl aber eine breite indirekte Anwendung.“, sagt Ryan Carney, ein Paläontologe der Universität von Südflorida, der den Urvogel Archaeopteryx einschließlich seiner Färbung untersucht.

Mal wieder: eine bunte Revolution

Nicht nur die oben bereits erwähnten Melanosomen sind für die bunten Farben verantwortlich, sondern auch Strukturfarben. Auch das Strukturpotein Keratin kann das Licht so streuen, dass nur bestimmte Farben zurückgeworfen werden. So kommen die herrlichen Glanzfarben auf dem Gefieder eines Pfaues, aber auch eines Stares und eines Aras zustande.

Im tropischen Dschungel um den Messel-See war Blau wohl ebenfalls zu sehen.

Quelle: Nationalgeographic mit einem wunderschönen Bild