Freitagnacht-Kryptos: „Ein Tier, das die guten Leute von Ohio erschreckt.“

 

Zanesville, Ohio

 

Als William Winters Gebüsch auf der Farm seines Vaters in der Nähe dieses Ortes rodete, wurde seine Aufmerksamkeit auf ein monströs aussehendes Tier oder Reptil gelenkt, das mit weit geöffnetem Maul auf ihn zukam, bis es so nah war, dass die Kiefer etwa 30 cm voneinander entfernt zu sein schienen und eine rote, gegabelte Zunge und bedrohlich aussehende, etwa 4 cm lange Zähne zeigten.

 

Das Tier oder die Schlange, oder was auch immer es war, pfiff und brüllte auf ängstliche Weise und stürzte mit grün glänzenden Augen auf ihn zu , die aus seinem massiven, mindestens 30 cm breiten Kopf hervorstanden. Und mit einem Maul, das groß genug schien, um ihn vollständig verschlingen zu können.

Marschland in Ohio
Marschland in der Nähe von Zanesville/ Ohio (Foto by Dustin M. Ramsey)

Winters erschrak und eilte nach seiner Waffe. Als er diese erreichte, drehte er sich um und feuerte sein Magazin auf das Monster ab, das für einige Momente seine halb schlängelnden, halb springenden Bewegungen unterbrach, bevor es sich umdrehte und eine große Pappel hinauf lief, wo es sich in einer Höhlung verschanzte. Winters eilte nach Hause und informierte nicht nur seine eigene Familie, sondern auch eine Reihe von Nachbarn über den seltsamen, alarmierenden Anblick. Mit einer Gruppe von mit Äxten und Gewehren bewaffneten Männern kehrte er zum Ort des Geschehens zurück.

 

Doch das Tier war bereits geflohen. Mr. Winters beschrieb das Tier oder Reptil als 2,4 bis 3,4 m lang und einen Körper so dick wie ein Telegrafenmast. Es hatte etwa zehn Zentimeter lange Beine, einen braunen, haarlosen Körper und einen Kopf in Form eines Hais.

Die Nachbarschaft ist über dieses seltsame Produkt der Natur sehr beunruhigt.


Quelle: Zeitschrift Mineral Point Tribune vom 21. Juni 1883




Shunka-Wa-rak‘in – vom Hundejäger und Ringdocus

Die Sagen und Erzählungen der amerikanischen Ureinwohner werden von den unwirklichsten Wesen bevölkert. Oft ist es nicht mehr möglich festzustellen, was genau diese Kreaturen sein sollen: Bloße Metaphern? Bekannte Tiere, deren Eigenschaften mystisch umschrieben werden? Oder vielleicht sogar Kryptiden?

Eine solche Frage stellt sich auch beim Shunka-Wa-rak’in, einer Sagengestalt des indigenen Volkes der Iowa. Was ist diese Wolfs-Hyäne, die keine Scheu vor dem Menschen und seinem besten Freund zu haben scheint? Nichts weiter, als ein seltsamer Wolf? Eine bloße Geschichte ohne reellen Hintergrund? Oder eben doch ein Kryptid?

 

Farm in Iowa
Eine Farm im ländlichen Iowa. So wirklich anders hat es 1881 hier auch nicht ausgesehen.

 

Was ist ein Shunka-Wa-rak’in?

Da das Kryptid selbst in der Kryptozoologie eher wenig beachtet wird, sollen im ersten Abschnitt zunächst grundsätzliche Fragen geklärt werden: Was wissen die Iowa über den Shunka-Wa-rak’in zu berichten und was bedeutet der Name eigentlich?

 

Spärliche Informationslage

Der Versuch des Verfassers, traditionelle Erzählungen der Iowa über das Kryptid zu finden, war nicht von Erfolg gekrönt. Zwar gibt es verschiedene Sammlungen mit Geschichten dieses indigenen Volkes – in keiner davon ist aber von diesem Kryptid die Rede. Ansonsten findet sich im Internet lediglich ein einziger Artikel, der angeblich eine Sage über den Shunka-Wa-rak’in wiedergibt. Da sein Autor allerdings keinerlei Quellenangaben macht, soll er auch nicht als Quelle für diesen Artikel dienen.

Zumindest ein Teilerfolg wurde dennoch erzielt: 1995 verfasste der amerikanische Kryptozoologe Loren Coleman einen Artikel über das Kryptid für die „Fortean Times“, ein britisches Magazin über anomale Phänomene. Darin zitiert er auch kurz die Schilderungen eines Iowa namens Lance Foster über das Wesen wieder. Herr Ulrich Magin, einer der Autoren des Netzwerks für Kryptozoologie, hat freundlicherweise seine private Sammlung nach diesem Magazin durchforstet. Daher kann an dieser Stelle auch die Übersetzung des – zugegeben sehr knappen – Berichts wiedergegeben werden:

 

 

„Wir hatten (früher) ein seltsames Tier namens Shunka Warak’in [sic], was „das Hunde davonträgt“ bedeutet. Nachts schlich es sich in die Lager und stahl Hunde. Man sagt, dass es irgendwie so aussah, wie eine Hyäne und wie ein Mensch schrie, als man es tötete. Angeblich hat noch immer irgendjemand sein Fell. In einem kleinen Museum in Idaho soll ein präpariertes Tier ausgestellt werden, das wie eine Mischung aus Wolf und Hyäne aussieht.“

 

 

Viel lässt sich aus dieser Quelle nicht entnehmen. Lediglich ein Gerücht kann aufgeklärt werden: Entgegen anderslautender Berichte sah der Shunka Wa-rak’in wohl eher nicht aus wie ein großer Wolf, sondern hatte hyänenartige Züge.

 

 

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Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer

Aus dem Wigwam: Uralte und neue Märchen und sagen der nordamerikanischen Indianer ist eine Fundgrube für jeden völkerkundlich Interessierten. Der Autor Karl Knortz wanderte 1863 in die USA aus und widmete sich hier dem Lehrerfach. Er war 1866–68 in Detroit (Michigan), darauf bis 1871 in Oshkosh (Wisconsin), später in Cincinnati (Ohio) für die deutsche Sprache und Literatur tätig.

Er arbeitete als Redakteur des „Deutschen Pioniers“ in Cincinnati und der „Indiana Deutschen Zeitung“ in Indianapolis. Knortz starb 1918 in North Tarrytown/ USA.

 

Dieser Nachdruck ist 2012 bei Let Me Print erschienen und hat 242 Seiten. Zusätzlich zum vorgestellten Paperback gibt es eine inhaltsgleiche gebundene Ausgabe.

 

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Zur Namensherkunft

Aufgrund dieser spärlichen Quellenlage ist es sinnvoll, zu überprüfen, ob „Shunka-Wa-rak’in“ denn wörtlich übersetzt tatsächlich „der Hunde wegträgt“ bedeutet. Zu diesem Zwecke hat der Verfasser ein Online-Wörterbuch befragt, das Begriffe aus Baxoje – diese Sprache wird mit minimalen Abwandlungen von den Iowa sowie zwei weiteren Völkern gesprochen – ins Englische übersetzt und umgekehrt. Dabei stellte sich heraus, dass der Name ein aus drei Begriffen zusammengesetztes Wort ist:

 

Iowa Volk
Mitglieder des Volkes der Iowa, auf einer „Völkerschau“ 1844 in London.

 

Der erste dieser Begriffe lautet „shunkéne“ und bedeutet übersetzt Hund. Nun wirken die Wörter „Shunka“ und „shunkéne“ nicht identisch. Wenn die Hypothese, dass das Wesen der ist, „der Hunde wegträgt“, korrekt ist, dürfte „shunkéne“ aber nicht im Nominativ Singular stehen. Diese Vermutung wird umso plausibler, wenn man das zweite Element des zusammengesetzten Wortes betrachtet:

Der Begriff Warak‘in existiert nicht als eigenständiges Wort. Allerdings existiert im Baxoje sehr wohl das Präfix Wa-. Dieses wird an sich nicht übersetzt. Viel mehr zeigt es an, dass das darauffolgende Verb nominalisiert wird.

Kommen wir nun zum dritten und letzten Element des Namens: rak’in. Dieses Wort bedeutet übersetzt „zusammenpacken, tragen“. Wenn man nun das Präfix Wa- vor das Verb setzt, bedeutet es folglich „Träger“.

Man hat es hier also mit einem Namen zu tun, in dem die Begriffe „Träger“ sowie „Hund“ (in einem unbekannten Kasus, allerdings nicht im Nominativ Singular) vorkommen. Dass „Shunka-Wa-rak’in“ also in der Tat „Träger des Hundes“ oder „der Hunde wegträgt“ bedeutet, liegt nahe.

Shunka-Wa-rak’in = Ringdocus?

Wer nun unter diesem Namen im Internet Berichte über dieses Wesen sucht, findet nicht allzu viele. In einigen davon wird allerdings erwähnt, dass der Begriff „Ringdocus“ ein Synonym für den Namen dieses Kryptids sei. Dieser Alternativname werde vor allem in Montana verwendet.

Wer genau den Begriff geprägt hat, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen. Sicher ist, dass der amerikanische Zoologe Ross E. Hutchins diesen Namen 1977 in seinem Buch „Trails to Nature‘s Mysteries“ verwendete. Darin beschrieb er ein Kryptid aus Montana, dass dem Shunka-Wa-rak’in in seinen Eigenschaften verblüffend ähnlich war. Ob der Begriff auch früher schon gebräuchlich war, konnte durch den Verfasser nicht ermittelt werden.

Ebenso ist die Bedeutung des Namens „Ringdocus“ unbekannt. Er hat allerdings – durch die Endung bedingt – einen lateinischen Klang. Um ein bekanntes lateinisches Wort handelt es sich höchstwahrscheinlich nicht. Jedenfalls ist es aber nicht geläufig genug, um Aufnahme in ein Wörterbuch gefunden zu haben. So liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine Verballhornung aus zwei Wörtern handeln könnte. In Frage kämen etwa „ringi“ und „doctus“.

Ringdocus Shunka Warakin
Das als Ringdocus ausgezeichnete Präparat, historische Aufnahme

„Ringi“ (Wortstamm ring-) ist die Infinitivform eines Deponens, d.h. eines Verbs, das ausschließlich im Passiv konjugiert wird, allerdings zugleich stets eine aktive Bedeutung hat. Dieses Verb bedeutet „grinsen“ oder „die Zähne zeigen“ bzw. auch „wütend sein“.

„Doctus“ wiederum ist das PPP (Partizip Perfekt Passiv) des Verbs docere (Wortstamm doc-]. Das PPP drückt eine passive Vorzeitigkeit aus. Docere bedeutet „lehren“ bzw. „unterrichten“. „Doctus (est)“ bedeutet demnach „(er ist) gelehrt (worden)“.

Der Ringidoctus oder Ringdocus wäre folglich sinngemäß der, „der gelehrt worden ist, die Zähne zu zeigen“. Auf den ersten Blick klingt diese Herleitung schon… nun sehr weit hergeholt. Vor dem Hintergrund eines Präparates, das angeblich vom Shunka-Wa-rak’in bzw. Ringdocus stammt, wird die Theorie allerdings wieder plausibler:

 

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Die Indianer Nordamerikas. Die kompletten Portfolios: Die vollständigen Werke von Edward S. Curtis

Über 30 Jahre lang reiste der Fotograf Edward Sheriff Curtis (1868–1952) durch Nordamerika, um festzuhalten, was der Vernichtungskrieg der europäischen Einwanderer, Verelendung und Assimilation von der Kultur der indigenen Völker Nordamerikas zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch übrig gelassen hatten. Seine Reisen waren ein Wettlauf gegen die Zeit und führten ihn von der Grenze zu Mexiko bis hoch in den Norden an die Küsten der Beringsee. Er dokumentierte die Sitten und Gebräuche von rund 80 autochthonen Völkern…

 

Die Indianer Nordamerikas. Die kompletten Portfolios: Die vollständigen Werke von Edward S. Curtis hat als gebundenes Werk 768 üppig illustrierte Seiten und ist 2018 im Taschen-Verlag erschienen.

 

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Das Biest von Madison Valley – Die undurchsichtige Geschichte eines Präparates

Das zuvor genannte Präparat stellt die absolute Ausnahme unter den kryptozoologischen Funden dar. Das angebliche Kryptid wurde nach seinem Ableben nicht nur konserviert – nein, das Präparat ist sogar heute noch in einem Museum zu sehen.

Im Folgenden soll nun die Geschichte dieses faszinierenden Präparates chronologisch nacherzählt werden.

 

Kuriosität einer Kleinstadt

Berichten zufolge erschoss der Landwirt Israel Hutchins die Kreatur in den 1880er Jahren auf seiner Ranch im Madison River Valley. Diese war nördlich der Stadt Ennis im US-Bundesstaat Montana gelegen. Diese Beschreibung deckt sich mit einer Aufschrift an der Vitrine des Präparates. Diese besagt „Killed by [vermutlich Initialen des Vornamens] Hutchins, 1881“.

 

Madison River Valley, Heimat des Ringdocus
Landschaft im Madison River Valley, kommt hier der Shunka-wa-rak’in vor?

 

Der Landwirt behielt seine Jagdbeute allerdings nicht, sondern verkaufte die Kreatur an einen Herrn Sherwood. Der betrieb in der Nähe des „Henry Lake“ im benachbarten Bundesstaat Idaho einen Einzelhandel, an den auch ein Museum angeschlossen war. Dort wurde das Präparat ausgestellt.

 

Historisches Bild des Ringdocus
Historisches Foto des Präparates, das zunächst als „Rocky Mountain Hyena“ bezeichnet wurde, dann als „Guyasticutus“ und schließlich als „Ringdocus“.

 

Offenbar bewarb Sherwood seine neue Attraktion aber zumindest anfangs noch nicht unter dem Namen „Ringdocus“, geschweige denn „Shunka-Wa-rak’in“. Vielmehr bezeichnete er sie als „Rocky Mountain Hyena“ und gab ihr noch einen weiteren, seltsameren Namen: „Guyasticutus“.

Ist „Guyasticutus“ denn nun ein zweites Synonym für „Shunka-Wa-rak’in“ oder „Ringdocus“– und was soll das für eine Sprache sein? Durch eine eher ungewöhnliche Quelle lassen sich beide Fragen leicht beantworten: „Guyasticutus“ kann alles und nichts bedeuten, denn es handelt sich um ein reines Fantasiewort. Dieses wurde ursprünglich von Schaustellern erdacht, um so ihre angeblichen Wunder pseudowissenschaftlich bewerben zu können.

So wurde 1886 in einer Werbeannonce des „Saint Paul Daily Globe“ ebenfalls ein solches Wesen angepriesen. Dem Werbebild nach handelte es sich hierbei um einen dunkelhäutigen Mann mit unproportional kurzen Gliedmaßen, der eine Art Badeanzug im Leopardenlook trug. Angepriesen wurde er allerdings als Relikt aus grauer Vorzeit. Man sollte also nicht davon ausgehen, dass der Name „Guyasticutus“ nur Exponate eines ähnlichen Typs bezeichnete.

 

Vererbt und (fast) vergessen

Als Sherwood starb, vererbte er seine Präparatensammlung an das „Idaho Museum of Natural History“. Auch das Präparat des möglichen Shunka-Wa-rak’in war dabei. Die im Museum tätigen Wissenschaftler maßen ihm allerdings keine besondere Bedeutung bei. Daher wurde es lediglich in die Sammlung eingegliedert, jedoch nicht weiter untersucht und auch nicht ausgestellt.

Auf diese Art geriet der Standort des Präparates schnell in Vergessenheit. Selbst Ross E. Hutchins, ein Enkel des Mannes, der das Kryptid erlegte, wusste anscheinend nichts davon. Jedenfalls erwähnt der Zoologe in seinem Buch „Trails of Natures Mysteries“ nichts Gegenteiliges. Immerhin fügte er seinem Bericht über das Kryptid eine Postkarte bei. Diese bildete das Kryptid ab und war zu Lebzeiten Sherwoods wohl als Souvenir an Besucher verkauft worden.

Es ist natürlich verwunderlich, dass ausgerechnet ein Enkel des älteren Hutchins der erste Zoologe war, der dieser seltsamen Fotografie größere Beachtung schenkte. Fast entsteht so der Eindruck, dass das Präparat – wenn es auch zweifellos existiert – in erster Linie Teil der persönlichen Familien-Sage der Hutchins-Familie ist.

In Hutchins‘ Buch wird die Kreatur auch erstmals als „Ringdocus“ bezeichnet. Das Maul des Präparates steht weit offen, sodass es zu lachen scheint. Die zuvor vorgeschlagene Namenserklärung wäre also ein akademischer Scherz: Er war gelehrt worden, zu grinsen…

Angeregt durch Hutchins‘ Buch befassten sich nun auch Kryptozoologen mit diesem seltsamen Wesen. Der erste von ihnen war der US-Amerikaner Loren Coleman. Er war es auch, der die These aufstellte, dass der Ringdocus und der Shunka-Wa-rak’in ein und dasselbe Kryptid seien. Zu diesem Schluss kam er, nachdem er Erzählungen der Iowa über den Shunka-Wa-rak’in gehört hatte. Diese – zugegeben eher vagen – Beschreibungen glich er mit dem von Hutchins veröffentlichtem Foto ab.

 

Die Wiederentdeckung des Ringdocus

Das Präparat verblieb dagegen unbemerkt in der Museums-Sammlung – bis Jack Kirby, ein weiterer Enkel Hutchins‘ zufällig einen Zeitungsartikel über das Kryptid las. Er beschloss daraufhin, nach dem Präparat zu suchen. Dazu sei noch angemerkt, dass Jack Kirby lediglich durch seine Jagd nach dem Präparat lokale Berühmtheit erlangte. Mit dem gleichnamigen Comic-Zeichner ist er nicht identisch.

Wie genau er dabei vorging, ist nicht überliefert. Sicher ist dagegen, dass er im Jahr 2007 schließlich im „Idaho Museum of Natural History“ fündig wurde. Der zuständige Kurator erklärte sich bereit, das Präparat an Kirby zu verleihen. Einen Ausstellungsort musste dieser allerdings selbst finden.

 

History Museum von Madison Valley, Home of the Ringdocus
Das Museum der Madison Valley Historiy Association besteht aus einem alten Krankenhausbau und einer historischen Schmiede (Foto; MVHA)

 

Kirby entschloss sich, die Kreatur nach Ennis zurück zu transportieren. Sie sollte seinen Wünschen zufolge möglichst nahe am Wohnort seines Großvaters ausgestellt werden. Als einziges Museum kam das „Madison Valley History Museum“ in Frage. Dieses von Freiwilligen geführte Museum befasst sich mit der lokalen Geschichte, wovon das Kryptid ja ein Teil war.

In der Folgezeit wurde es zur Hauptattraktion des Museums. Dort wird das Präparat noch heute ausgestellt. Reich werden die Betreiber allerdings nicht damit werden: Der Eintritt zum Museum ist frei. Es werden lediglich Spenden erbeten und – wieder einmal – Postkarten mit Fotografien des Kryptids verkauft.

 

Ein Kryptid wechselt den Eigentümer

Ganz im Gegensatz zum Ausstellungsort soll der Eigentümer des Präparates seit der „Wiederentdeckung“ gewechselt haben. Und damit beginnt der undurchsichtige, man könnte auch sagen: dubiose Teil der Geschichte:

 

Jack Kirby und der Ringdocus
Jack Kirby mit dem Präparat des Tieres, das sein Großvater geschossen hat und dessen Flinte. (MVHA)

Loren Coleman hatte 2009 einen Artikel über das Kryptid für die Kryptozoologie-Website „Cryptomundo“ verfasst. 2012 meldete sich über die Kommentarfunktion der Website ein Mann bei ihm, der behauptete, Richard S. White, ein ehemaliger Direktor des „Idaho Natural History Museum“ zu sein. Weiterhin gab er an, dass das Museum das fragliche Präparat inzwischen aus der Sammlung ausgegliedert und Herrn Kirby geschenkt habe.

 

Zugegeben: Kein Museum hat unendliche Lagerkapazitäten und es ist besser, die überschüssigen Teile einer Sammlung zu verschenken oder zu verkaufen, als sie wegzuwerfen. Warum aber sollte ein Naturkundemuseum ausgerechnet ein Präparat fortgeben, das möglicherweise von einer wissenschaftlich noch unbeschriebenen Tierart stammt? Schließlich wurde es nie durch Fachleute untersucht, geschweige denn eine DNA-Probe vorgenommen.

 

Was letztere betrifft, erweist sich auch Jack Kirby als unkooperativ. Er gibt an, das Geheimnis der Kreatur erhalten zu wollen. Ob man durch eine DNA-Analyse möglicherweise zoologisch wichtige Erkenntnisse gewinnen kann, interessiert ihn deswegen nicht. Ebenso wie seinem Bruder bzw. Cousin Ross E. Hutchins scheint ihm also vor allem daran gelegen zu sein, die Familiensage lebendig zu halten.

 

Nun könnte man beinahe meinen, dass Kirby mehr weiß, als er zu wissen vorgibt – und dass das aktuell ausgestellte Präparat allen Ähnlichkeiten zum Trotz gar nicht das Original ist. Was aber hätte Kirby von diesem Betrug? Er hat – auch wenn es auf den Verfasser zunächst den Anschein erweckt hat – nie versucht, das Präparat gewinnbringend zu vermieten. Stattdessen überlässt er es nach wie vor einem reichlich unbedeutenden Museum, das ihn gewiss nicht reich entlohnen kann. Würde es sich dann wirklich lohnen, eine aufwändige Lügengeschichte um die Herkunft des Exponates zu spinnen?


 

Der 2. Teil dieses Beitrages erscheint am 27. August an dieser Stelle.

 

Das Literaturverzeichnis zum Shunka wa-rak’in / Ringdocus steht im 2. Teil zum Download bereit.




Medienmittwoch: Die letzten ihrer Art

Der englische Schriftsteller Douglas Adams ist vor allem für hintersinnig lustige Science Fiction und sarkastischen Cyber-Punk bekannt. Mit „Per Anhalter durch die Galaxis“ wurde er zum Identifikationskeim einer ganzen Generation von Nerds. Ausgerechnet den Nerds, denen man als erste in großer Zahl Computer in die Hand gab. In diesem Buch macht er sich aber nicht auf den Weg in „unendliche Weiten“. Er reist mit dem Zoologen und Fotografen Mark Carwardine fast rund um die Erde zu vom Aussterben bedrohten Tierarten.

Das letzte Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben
Das letzte nördliche Breitmaulnashprn, Sudan, im Ol Pejeta Nationalpark, 2010. Foto by Legani101, CC 3.0

In fünf Episoden berichtet Adams von mehreren Reisen zwischen 1985 und 1989. Sie führten die beiden Autoren nach Madagaskar, Indonesien, Neuseeland, Zaire, die Volksrepublik China und Mauritius. Hier gingen sie auf Suche nach den am stärksten bedrohten Tierarten der Welt.

Die Arbeitsaufteilung zwischen beiden beschreibt Douglas Adams wie folgt:

 

 

Mark ist ein ungemein erfahrener und bewanderter Zoologe, der damals für den World Wildlife Fund arbeitete und dessen Aufgabe im wesentlichen darin bestand, von allem eine Ahnung zu haben. Meine Aufgabe – eine, für die ich absolut qualifiziert bin – bestand darin, ein ungemein unwissender Nicht-Zoologe zu sein, für den alles wie aus heiterem Himmel zu kommen hatte.

 

 

Adams selbst bezeichnete es als das Buch, das für ihn die größte Befriedigung war.

 

Ein Buch über Tiere, Beobachtungen, Aussterben: etwas Road-Movie und viele kleine Probleme

Dieses Buch ist ein Buch über Tiere, aber es ist kein Tierbuch. Es ist weit mehr. Douglas Adams ist ein hervorragender Beobachter, nicht nur seiner Umgebung, sondern auch seiner selbst. Ähnlich wie in einem Road-Movie sind in nahezu allen Kapiteln die Reise und ihre Strapazen wichtiger als das Ziel. Entsprechend seiner Rolle beginnt seine Beobachtung zunächst zurückhaltend. Der erste Kontakt mit dem Fingertier, einer der Arten, die Carwardine ausgesucht hat, bleibt eher abwartend distanziert. Beim zweiten Kontakt, diesmal mit dem Komodo-Waran zwingen ihnen die Tiere, sich mit ihnen zu befassen: Schließlich gelten sie als Menschenfresser und er muss mit ihnen eine Insel teilen.

 

Wirklich warm wird Douglas Adams aber erst mit den Kakapos, den „größten und fettesten Papageien“ der Welt, deren Tragik er auch darin sieht, „ein Vogel zu sein, aber nicht fliegen zu können.“ Der Besuch bei der Kakapo-Schutzgruppe ist auch mein persönlicher Höhepunkt des Buches.

 

Der Versuch, den damals bereits extrem seltenen Baji oder Yangtse-Delfin zu finden, scheitert tragisch, nicht ohne komische europäisch-chinesische Missverständnisse.

 

Ein Buch über das Aussterben: Die letzten Ihrer Art

Ist Aussterben zum Lachen? Wenn Douglas Adams es beobachtet, bekommt auch die Tragik etwas Humor.

Humor und Artensterben – aber kein Galgenhumor oder Zynismus

In vielen Details der oft komplizierten Anreisen, aber auch bei der Begegnung mit den Tieren findet Adams die ihm eigene Komik. Er schafft es immer wieder, die Tücke des Objektes zu zeigen, völlig korrekt zu beschreiben und ganz unschuldig ihren Witz herauszuarbeiten.

 

Man stelle sich vor, wie eine Gruppe aus sechs (mehr oder weniger) erwachsenen Männern in 30 cm Abstand und Gleichschritt hinter einander durch die Savanne Ostafrikas marschiert, um einem Nashorn ein großes und damit nicht bedrohliches Tier vorzugaukeln. Genauso stelle man sich den Blick des Teams vor, als es in China Kondome kaufen wollte, um ein Mikrofon wasserfest zu verpacken – und Anti-Baby-Pillen angeboten bekam. Fast immer schafft es Adams, den besonderen Status des Tieres auch vor dem Hintergrund der regionalen oder lokalen Besonderheiten darzustellen.

Aber je mehr bedrohte Tiere er und Carwardine besuchen um so mehr merkt man, wie ihm der Humor im Halse stecken bleibt. Das Aussterben von Arten sind nicht mehr abstrakt, die Nöte der Yangtse-Flußdelfine oder des Mauritiusfalken lernt Douglas Adams sehr persönlich kennen.

 

Fünf Kakapo-Küken verbeißen sich mit ihren Schnäbeln an einer offen gehaltenen Hand.
Kakapo-Küken verbeißen sich an der Hand eines Pflegers. Dieses Jahr sind über 70 Jungtiere geschlüpft.
Foto: NZ Department od Conservation, CC 2.0

Dieses Buch ist kein flammendes Plädoyer gegen das Artensterben. Es kommt ohne große Worte wie Ökosystem, Biodiversität oder „Leben im Netzwerk“ aus. Man spürt, wie die Situation vieler Tierarten den Autor immer persönlicher trifft und ihn immer schwerer belastet.


Was ist seit dem passiert?

„Die letzten ihrer Art“ ist 1992 erschienen. In den seit dem vergangenen 28 Jahren ist eine Menge passiert.

Douglas Adams ist 2001 verstorben.

 

Einige der besuchten Arten konnten sich erholen, vor allem dem Schutz des Kakapos hat dieses Buch enorm genutzt. Es spülte viel Geld und viel Aufmerksamkeit in das Projekt. Die damals auf ein Minimum gesunkene Kakapo-Population ist inzwischen auf das fünffache angewachsen. Die Kakapo-Inseln werden nun als Beispiel für ganz Neuseeland genutzt. Der Inselstaat will sich in einer riesigen Aktion von invasiven Arten befreien.

 

Anderen Arten erging es schlechter. Den Yangtse-Süßwasserdelfin konnten Adams und Carwardine damals schon nicht finden. Seit 2006 gilt er als ausgestorben. Das selbe Schicksal teilt das Nördliche Breitmaulnashorn, 2018 wurde das letzte Tier eingeschläfert.

 

 

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Die letzten ihrer Art

Die Letzten ihrer Art: eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde ist 1992 erschienen. Es ist als Paperback, Audio CD und Hörbuchdownload verfügbar. Als Taschenbuch hat es 272 Seiten.

 

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Die Rhinogradentier, eine klassische Gruppe der Kryptozoologie

 

Auf seinen Nasen schreitet
Einher das Nasobem,
Von seinem Kind begleitet.
Es steht noch nicht im Brehm,

 

Es steht noch nicht im Meyer
Und auch im Brockhaus nicht.
Es trat aus meiner Leyer
Das erste Mal ans Licht.

 

Auf seinen Nasen schreitet,
Wie schon gesagt – seitdem
Von seinem Kind begleitet
Einher das Nasobem.

 

Christian Morgenstern

 

 

Dies ist die erste Beschreibung eines Nasenschreitlings überhaupt. Wie Christian Morgenstern an ein Exemplar gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr lückenlos klären. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er ein verdriftetes Exemplar von einem Matrosen erhalten. Zeitlich passt diese Vermutung, da sich Morgenstern 1895 und 96 unter anderem auf Sylt und Helgoland aufhielt, das Gedicht aber erst 1905 in seinen Galgenliedern erschien.

 

Die Frage der „Leyer“, aus der das Nasobem das erste Mal ans Licht tritt, ist seit über 100 Jahren ein Streitfall der Forschung. Ein gewisser Konsens bezieht sich auf eine Holzkiste, in der das Nasobem transportiert wurde, möglicherweise auch beim Dichter gelebt hat. Die Firma Leyer GmbH belieferte um 1890 geschweißte Ersatzteile aus Metall für den Schiffsbedarf in Holzkisten, die mit dem Schriftzug „Leyer“ gekennzeichnet waren (meist eingebrannte Schrift, teilweise auch aufgeklebte, bedruckte Etiketten).

Herkunft der Morgenstern’schen Nasobeme

Da Morgenstern seine Nasobeme vermutlich von einem Seemann erhalten hat, ist nicht mehr feststellbar, welchen Weg die Tiere genommen haben. 1895 gab es im ostasiatischen Bereich mehrere Kriege, an denen u.a. China, Russland und Japan beteiligt waren. Deutsche Schiffe wurden zwar kaum behelligt. Aber an den dortigen Umschlaghäfen dürften auch Seeleute in großer Zahl gestrandet sein, weil ihren Schiffen die Weiterfahrt verwehrt wurde. Aus purer Not verkauften sie ihr Hab und Gut, so dass die Nasobeme auf diesem Weg an einen deutschen Seemann gerieten. Dieser hat sie auf Helgoland oder Sylt, noch wahrscheinlicher aber in Hamburg an Morgenstern weiter verkauft.

Sicher hingegen ist die zoologische Einordnung. Das Nasobem gehört zur Familie der Nasobemidae, die zu den Rhinogradentiern gehören, die wiederum plazentale Säugetiere sind.

Forschungsgeschichte der Rhinogradentier

  • 1914  sollen Senner im oberen Lötschtal ein Nasobema ferox beobachtet haben. Die Tiere waren damals in den Hochalpen allgemein bekannt und wurden geduldet, da sie sich hauptsächlich von Nektar ernährten und so weder Konkurrent noch Feind der Weidewirtschaft waren. Sie galten 1914 als extrem selten, „in früheren Generationen waren sie allgegenwärtig“ berichtet ein Greis dem Tiroler Anzeiger.
  • 1921 entstand das einzige bekannte Foto eines lebenden Rhinogradentiers. Es zeigt ein Großes Morgenstern-Nasobem Nasobema lyricum auf der Insel Haidadaifi auf dem Hi-Iay-Archipel (Heieiei-Inseln, ehemals deutsches Protektorat).

    Nasobema lyricum, das einzige Bild eines Rhinogradentier
    Das einzig bekannte Foto aus dem Jahre 1921 eines lebenden Nasobems: Nasobema lyricum in seiner natürlichen Umgebung.

     

  • 1939 erwähnt der Zoologe Ernst Ahl vom Naturkundemuseum Berin einen „Nasling“ in einer inoffiziellen Liste abzuarbeitender Neuzugänge. Ahl schreibt hierzu: „Neuzugänge: (…) Nasling aus Südd.?. s. Etikett, fast 50 cm hoch, sehr ungewöhnl. EtOH-Präp. Vorsammlung, Eingang verg. Montg. 21. August 1939.
    Die Vorsammlung, also Tiere, die noch nicht offiziell in die Sammlung des Hauses aufgenommen wurden, wurden im Ostflügel des Berliner Naturkundemuseums Museums gelagert. Ahl wurde kurz nach Eingang des Tieres am 27.08.39 zur Wehrmacht eingezogen und kam vermutlich am 14.02.45 in Jugoslawien ums Leben. Kaum zwei Wochen vorher, war der Ostflügel von einer Bombe getroffen worden und brannte vollständig aus.

Nach dem Krieg: Die Nachweise schwinden

  • 1957 drückte eine geologische Verschiebung den Hi-Iay-Archipel unter die Wasseroberfläche. Alle der Wissenschaft bekannten Arten der Rhinogradentier starben aus.
  • 1982 publizierte der US-Amerikaner Steffen Woas in der carolinea einen Artikel über die Flugfähigkeit von Aurivolans propulsator,. In einem Nebensatz erwähnt er eine Population an einem See im Chequamegon National Forest in Wisconsin, USA. Alle Nachsuchen blieben erfolglos.
  • 1995 entdeckten französische Geologen im Karst bei Le Havre ein unvollständiges Skelett mit Schädel eines noch nicht bestimmten Rhinogradentiers. Angeblich soll das Team sogar ein Foto eines rezenten Doliconasus spec. angefertigt haben. Das Foto ist nicht auffindbar.
  • 2005 wurde bei Bauarbeiten nahe der Bundesautobahn 9 im Rippachtal ein rezenter Nasobemschädel freigelegt.

Eine einzige systematische Untersuchung

Die einzige systematische Untersuchung der Rhinogradentier stammt von Harald Stümpke aus den Jahren 1938 bis 1955. Er besuchte 1938 den Hi-Iay-Archipel und begann, die dort in großer Individuen- und Artenzahl vorkommenden Rhinogradentier zu untersuchen. Da der 1939 ausgebrochene Weltkrieg ihn an der Rückkehr nach Deutschland hinderte (und Deutschland nach 1945 in Trümmern lag, während Hi-Iay nicht betroffen war), nutzte Stümpke die Zeit und erforschte die Nasenschreitlinge sehr intensiv. Hierbei beschrieb er 186 Arten (drei waren schon vorher bekannt, unter ihnen das Große Morgenstern-Nasobem, Nasobema lyricum, dann Nasobema ferox aus den Hochtälern der Alpen und Archirrhinus heckelii, der Ur-Nasling). Für die ungeheure Artenzahl stellte er zwei Unterfamilien und 14 Gattungen auf.

Bemerkenswert lebendige Beschreibung

Die Rhinogradentier haben Stümpke stark beeindruckt. So beschreibt er die Jagd des des einzigen carnivoren Nasenschreitlings auf das Große Morgenstern-Nasobem wie folgt:

 

 

Tyrannonasus imperator ist aus zwei Gründen besonders bemerkenswert: Das Tier ist, wie alle polyrrhinen Arten, nicht besonders schnell zu Nase, immerhin aber ein hurtigerer Schreiter als die Nasobemoiden. Da nun alle polyrrhinen Arten infolge ihres intranasalen pneumatischen Apparates während des Gehens ein pfeifendes Fauchen vernehmen lassen, das weithin zu hören ist, kann sich Tyrannonasus imperator nicht an seine Opfer anschleichen, sondern muß ihnen – da sie schon von weitem fliehen – zunächst still auflauern und dann nachschreiten.

Bei diesem Flucht- und Verfolgevorgang, der auf den Beobachter zunächst wegen des lärmenden Aufwandes und der doch so bescheidenen Geschwindigkeit einen komischen Eindruck macht, muß Tyrannonasus das angestrebte Opfer oft stundenlang verfolgen, um es einzuholen, da Nasobema seinen Lassoschwanz auch zur Flucht verwendet, indem es ihn hochstellt, um Zweige ringelt und sich so über Gräben oder kleine Gewässer hinwegpendeln läßt. Auch dann, wenn der Räuber dem verfolgten Tier schon ganz nah aufgerückt ist, so daß dies ihm durch gewöhnliche Flucht zu Nase nicht mehr entrinnen kann, benutzt Nasobema dieses letzte Mittel oft noch mit Erfolg, indem es – mit dem Schwanz an einem Ast hängend – dicht über dem Boden im Kreise oder in weiten Pendelschwingungen hin- und herschwingt, bis der Räuber bei seinen dauernden Versuchen, die Beute zu haschen, schließlich schwindelig wird und sich erbricht. In diesem Augenblick der Desorientierung des Räubers entweicht dann oftmals das Nasobema.“

 

Leider sind alle Rhinogradentier ausgestorben

Leider starben die Nasenschreitlinge Mitte des vergangenen Jahrhunderts aus. Der High-Iay-Archipel versank 1957. Die geologischen Prozesse, die vermutlich von einer unterirdischen Atomexplosion ausgelöst wurden. Mit dem Absinken gingen auch alle bekannten Rhinogradentier verloren.

 

 

Unklar ist, ob Stümpke das Rhinogradentier-Exemplar, das Ernst Ahl 1939 in Händen hielt, per Post ans Naturkundemuseum in Berlin schickte. Stümpke hatte das Wissen und die Möglichkeit, 1938 Nasspräparate auch von größeren Tieren herzustellen und postfest zu verpacken. Für ihn als Biologen und Deutschen war das Berliner Museum mit Sicherheit die erste Adresse, an die er ein ungewöhnliches, „neues“ Tier verschickt hätte.

 

Ergänzend ist Ahl nicht unbedingt als korrekter Dokumentar und sorgfältiger Sammlungsverwalter bekannt. Im werden zahlreiche Fehler in den Sammlungsbüchern und falsch eingeordnete Probenbehälter zugeschrieben. So könnte sich auch der Zusatz „aus Südd.?“ auf seiner Arbeitsliste erklären: Stümpke stammt aus der Karlsruher Gegend, für den Berliner Ahl sicherlich „Süddeutschland“.

Was ist auf Low-Iay?

Der Nachbar-Archipel Low-Iay existierte im Jahr 2004 noch. Reisen dorthin sind allerdings aufgrund der abgelegenen Lage praktisch unmöglich. Hierzu kommt eine extrem protektionistische Außenpolitik des Gebietes: Privatyachten dürfen die Dreimeilenzone der Insel nicht verletzen und werden bei den Versuchen regelmäßig von einer gut ausgerüsteten Küstenwache abgefangen. Versorgungsschiffe müssen 1 sm vor dem Hafen der östlichsten Insel auf Rede gehen und Güter auf Landungsboote umladen. Offiziell gilt dies dem Schutz vor Schädlingen, in erster Linie Ratten und Katzen.

Bis auf wenige Ausnahmen wird Ausländern verwehrt, das Schiff zu verlassen. Alle Formalitäten, z.B. bei der Einfuhr von Waren, werden an Bord des Schiffes erledigt. Selbst medizinische Notfällen werden immer an Bord des Schiffes behandelt.

 

Im Gegenzug dazu verlassen nur wenige Einwohner von Low-Iay ihre Heimat. Sie sprechen von einer technisch hoch entwickelten Gesellschaft, vergleichbar der in Mitteleuropa. So wurden fossile Brennstoffe bereits in den 1980-ern durch Biokraftstoff und Power-to-Liquid ersetzt. Dies machte das Land unabhängig vom Welthandel und ließ es unter den Horizont der Bedeutungslosigkeit sinken. Die zahlreichen kleinen Inseln bedingen eine moderne Dorfgesellschaft, die hauptsächlich von Gartenbau, Subsistenzfischerei und gegenseitigen Dienstleistungen lebt. Der Archipel betreibt Außenhandel nur in geringem Maße. Die wichtigsten Importprodukte sind Farben, Medikamente, medizinische Geräte und Musikinstrumente. Die einzigen Ausfuhrprodukte sind Platin und Iridium. Die Inselbewohner gewinnen diese Metalle in einem kleinen Steinbruch in Lesearbeit.

 

Von auf Low-Iay lebenden Tieren ist so gut wie nichts bekannt. Gerüchten zufolge soll es einige primitive Rhinogradentier dort geben.

 

 

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Leben und Bau der Rhinogradentier

Naslinge sehen nicht nur eigenartig aus. Sie zeigen auch Verhaltensweisen, die im Tierreich sonst nicht bekannt sind. (…) Leider ist diese interessante Tiergruppe bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts ausgestorben – lange, bevor alle Details ihrer Biologie erforscht waren. Das Südsee-Archipel Heieiei, auf dessen Inseln die Naslinge lebten, versank in Folge atomarer Sprengversuche im Meer.

 

Bau und Leben der Rhinogradentia ist im Spektrum Akademischer Verlag erschienen. Die erste Auflage ist von 1961, die aktuelle Auflage hat 100 Seiten im Taschenbuchformat und ist nur noch antiquarisch zu bekommen. Es ist eines der wenigen naturwissenschaftlichen Fachbücher, die zunächst auf Deutsch erschienen sind.




Kryptozoologische Presseschau 33/2020

Liebe Leserinnen und Leser,

 

wie immer montags herzlich Willkommen zur kryptozoologischen Presseschau.

 

Nachdem rund um die Redaktion in NRW die Schulferien zu Ende gegangen sind, sollte eigentlich ein wenig Normalität in den Alltag eintreten. Doch weit gefehlt, Neben Covid 19 ist natürlich die Hitze und Trockenheit ein großes Thema. Kryptozoologisch und paläontologisch ist der kleine Oculudentavis DAS Thema der Woche gewesen. Das zweite Fossil ist beschrieben worden, eine internationale Arbeitsgruppe ohne die Beteiligung chinesischer Institute hat sich diesen vermeintlichen Therpopden / Vogel / Avial angenommen. In einer Vorveröffentlichung (die noch nicht das Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat) haben sie ein vollständigeres, zweites Exemplar untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass Oculudentavis eine ungewöhnliche, „bizarre“ Echse ist, deren phyllogenetische Stellung noch nicht feststehe.

Die Vorab-Veröffentlichung ist am Montag erschienen. Auch die Redaktion hat es getroffen. Wir haben darüber und wegen der Hitze tatsächlich vergessen, den Beitrag für Dienstag freizuschalten und es erst am Mittwoch gemerkt. Bitte entschuldigt, wir reichen ihn sobald wie möglich nach.

 

In den letzten Wochen war die Zahl der Neubeschreibungen von auffälligen Tieren erstaunlich gering. Das hat sich in der vergangenen Woche geändert, man hat beinahe das Gefühl, die Redaktionen kommen aus dem Urlaub zurück und hauen die Erstbeschreibungen raus. Aber auch auf anderer Seite ist viel Neues passiert.

 

 

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen und bleibt gesund!

 

Eurer / Ihr

 

Tobias Möser


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Zum Schulstart: Populäre Physik!

Sie möchten mit Wirbelringen zum Star im Schwimmbad werden, einen Feuertornado im Papierkorb entfesseln oder mit Ihren Kindern Raketen bauen, die jedes Gartenfest rocken? Kein Problem!

Judith und Marcus Weber liefern zahlreiche zündende Ideen zum Nachmachen. Sie erzählen humorvoll vom Alltag voller verrückter naturwissenschaftlicher Phänomene, bieten einfache Versuchsanleitungen und erklären verständlich die Wissenschaft dahinter. Die verblüffenden Experimente der Physikanten – jetzt endlich zum Selbermachen!

 

Physik ist, wenn’s knallt ist broschiert mit 224 Seiten oder als Kindle-Ebook erschienen und seit August 2019 auf dem Markt.

 

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2. Exemplar von Oculudentavis khangraae veröffentlicht: eindeutig eine Echse

Oculudentavis 2
Das zweite Exemplar von Oculudentavis. Abb. aus der Beschreibung des Fundes.

 

Der kleine Schädel, der vor 100 Millionen Jahren in Harz fixiert und vor wenigen Monaten als burmesischer Bernstein gefunden und veröffentlicht wurde, hat dieses Jahr schon für viele Diskussionen gesorgt. Die Erstbeschreibung, die ihm den Namen Oculudentavis khangraae verlieh und stellte seinen Träger als kleinsten bekannten fossilen Avial  in die unmittelbare Nähe der Vögel. Schon am Tag nach der Veröffentlichung der Arbeit gab es fundierte Kritik aus berufenen Mündern, Dies führte am Ende dazu, dass die Autoren einen Teil der Arbeit zurückgezogen. Ein einmaliger Vorgang.

 

Die neue Vorab-Veröffentlichung des zweiten Exemplars stellt klar, dass es sich um eine „bizarre Echse unklarer Abstammung“ handelt. Die Tiere zeigen zahlreiche typische Echsenmerkmale, u.a. die Bezahnung oder den Bau des Unterkiefers. Die neue Einordnung als Echse beleuchtet damit einen seltenen Fall der konvergenten Evolution, die bei Reptilien kaum auftritt.

 

Der Preprint kann unter https://doi.org/10.1101/2020.08.09.243048 herunter geladen werden.


Das Huhn oder die Eidechse ist noch nicht gerupft!

Kommentar von Tobias Möser

Dass es ein zweites Exemplar von Oculudentavis gibt, war spätestens seit dem letztjährigen Meeting der Society of Vertebrate Paläontology, also dem 12.10.2019 bekannt. Das Paper wurde (und wird) erwartet, denn bisher ist nur eine Vorveröffentlichung erschienen, die noch durch den Review-Prozess muss. Selbst wenn das Paper genauso positiv aufgenommen wird, wie die Vorveröffentlichung, ist das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen.

 

Die burmanischen Bernsteinminen sind, auch aufgrund der Ablehnung anderer Länder, sich mit den Strukturen dort einzulassen, Chinas Hinterhof. Da kein chinesischer Wissenschaftler und keine chinesische Arbeitsgruppe beteiligt waren, wird es von chinesischer Seite vermutlich eine Konkurrenzarbeit geben. China wird das kaum auf sich sitzen lassen wollen und versuchen, die Deutungshoheit zurück zu erlangen.

 

So lange es sich bei der Arbeit nur um eine Vorveröffentlichung handelt, besteht sogar theoretisch die Möglichkeit, eine eigene Veröffentlichung in einem Journal mit schnellerem Peer-Review noch vorher zu landen.

 

Hier dürfte noch einiges zu erwarten sein.

 


Eine neue Bigfoot-Statistik

Auch in den USA zwingt Covid 19 die Menschen, mehr Zeit zuhause zu verbringen. So kam Bigfoot-Forscher Trevor Wheelwright auf die Idee, festzustellen, wo man die beste Chance habe, einen Bigfoot zu treffen.

US-Bigfoot-Sichtungen (absolut) bis 2008.

Statistiken über die Sichtungen gibt es seit langem. Hier stehen traditionell fünf US-Bundesstaaten oben:

  • Washington mit 676 Sichtungen auf 7,6 Mio Einwohner
  • Kalifornien mit 445 Sichtungen auf 39,5 Mio Einwohner
  • Florida mit 328 Sichtungen auf 21,5 Mio Einwohner
  • Ohio mit 302 Sichtungen auf 11,7 Mio Einwohner
  • Illinois mit 296 Sichtungen 12,7 Mio Einwohner
  • Oregon mit 254 Sichtungen auf 4,2 Mio Einwohner

Wheelwright hat nun einfach die Zahl der Sichtungen pro 100.000 Einwohner berechnet und kommt auf ein ganz anderes Bild:

  • Washington bleibt Nr. 1 mit 8,9 Sichtungen pro 100.000 Einwohner
  • Orgeon hat 6 Sichtungen pro 100.000 Einwohner
  • West Virginia hat 5,8 Sichtungen pro 100.000 Einwohner
  • Idaho hat 5,2 Sichtungen pro 100.000 Einwohner
  • Montana hat 4,9 Sichtungen pro 100.000 Einwohner
  • Wyoming hat 4,8 Sichtungen pro 100.000 Einwohner
  • Kalifornien hat nur 1,1 Sichtungen pro 100.000 Einwohner

Bemerkenswert ist, dass die traditionellen Bigfoot-Staaten des pazifischen Nordwestens und anderen kühlgemäßigten Waldregionen in der relativen Sichtungshäufigkeit ganz oben stehen. Kalifornien müsste man hier differenziert betrachten, der trockene Süden und das Central Valley bieten heute einem Wesen wie dem Bigfoot kaum adäquate Lebensräume, wohl aber der pazifische Norden. Hinzu kommen noch die gut besuchten Nationalparks in Kalifornien, in denen Millionen von Touristen Sichtungen tätigen (könnten). Siehe auch unten.


Social Distancing im Tierreich

Social Distancing ist für viele Menschen etwas völlig neues, das die Corona-Krise ausmacht. Dabei ist diese Form des Selbstschutzes nicht nur in der Menschheitsgeschichte weit verbreitet, sondern auch im Tierreich.

Social Distancing?

Staateninsekten wie Ameisen oder Bienen praktizieren ein „Quarantining“, bei dem infizierte Tiere die Kolonie verlassen und draußen sterben. Bei Mandrills haben Forscher festgestellt, dass parasitierte Tiere von der Gruppe gemieden werden, bis ihre Parasiten behandelt wurden.
Dies geht teilweise so weit, dass die Tiere ihre eigene Sicherheit aufs Spiel setzen, um sich von Pathogenen zu entfernen.

 

Lucy Hicks interviewte hierzu Andrea Townsend (Ökologin) und Dana Hawley (Verhaltensforscherin).

 

Plants & Animals doi:10.1126/science.abe3200


Elefantensterben in Botswana: kein Toxine!

In Botsuana wird seit einigen Monaten ein mysteriöses Massensterben von Elefanten beobachtet. Seit Anfang des Jahres haben die Behörden 281 tote Elefanten im Okavango-Delta gezählt, Tierschützer sprechen von mehr als 350 Kadavern. Wir berichteten bereits mehrfach.

Wilderei wird ausgeschlossen, da die Tiere in der Regel mit intakten Stoßzähnen gefunden werden. Jetzt konnten die Behörden auch eine Vergiftung durch Pestizide, andere Agrarchemikalien und natürlich vorkommende Toxine ausschließen. Jetzt wird über eine Infektion spekuliert.

Afrikanische Elefanten
In Botswana gibt es eine ungewöhnliche Häufung unbekannter Todesfälle bei Elefanten.

Die Redaktion vermutet etwas anderes. In Botswana gibt es eine Elefantenpolulation von etwa 130.000 Tieren, die quasi nicht bejagt werden. Die Lebenserwartung von Kühen liegt unter diesen Umständen bei 54 Jahren und 39 Jahren für Bullen. Bei einer Geschlechtsverteilung von 2:1 ergibt das eine durchschnittliche Lebenserwartung von 49 Jahren. Das bedeutet, dass man mit etwa 2650 toten Elefanten im Jahr durch natürliche Ursachen rechnen muss.
Die Frage ist möglicherweise eher, wieso jetzt so viele Kadaver anfallen. Wurden Raubtiere und Aasfresser dezimiert?


Australien: Fisch tötet Angler!

Caranx melampygus
Caranx melampygus, diese oder eine ähnliche Art könnte für den Vorfall verantwortlich sein.

In einem Boot vor der australischen Stadt Darwin hat ein Fisch zu einer außergewöhnlichen Form der Selbstverteidigung gegriffen und einen Angler getötet. Der Fisch, mutmaßlich eine etwa 18 kg schwere Stachelmakrele sprang aus dem Wasser und kollidierte mit der Brust des Anglers. Vermutlich durch den Schlag setzte das Herz des 56-jährigen aus.

 

Eine sofortige Herzdruckmassage an Land blieb erfolglos.

Der Fisch konnte unerkannt entkommen.

 


Mit dem Railbike zum Bigfoot

Ein privater Anbieter vermietet Fahrrad-Draisinen in Fort Bragg, Kalifornien. Die alte Skunk-Strecke entlang des bildschönen Pudding-Creeks windet sich zwischen majestätischen Baumriesen und über Holzfachwerkbrücken. Entlang der Strecke wurden schon öfters Bigfoots gesehen, und auch wer so ein Wesen nicht trifft, hat mit der etwa 2 h langen Tour ein einmaliges Naturerlebnis. Einmalig, auch weil der ganze Spaß selbst für amerikanische Verhältnisse sehr teuer ist.

Railbike in den Redwood-Wäldern

Trotzdem gibt es einen Link zum Skunktrain.


Krefeld: Feuer im Zoo geht vor Gericht

Orang-Utan Bunjo
Auch der Borneo-Orang-Utan Bunjo kam bei dem Feuer ums Leben. (Foto: Zoo Krefeld)

In der Silvesternacht auf den 1.1.2020 hat ein verheerendes Feuer das Affentropenhaus im Krefelder Zoo komplett vernichtet, mehrere Menschenaffen sind an den Folgen gestorben. Die mutmaßlich Verantwortlichen, eine Mutter mit zwei erwachsenen Töchtern, hatten sich schnell bei der Polizei gemeldet. Die Staatsanwaltschaft hat ihnen Strafbefehle zukommen lassen, sicher auch um eine langwierige, teure und öffentlichkeistswirksame Hauptverhandlung zu vermeiden. Die drei Beschuldigten haben Einspruch gegen ihre Strafbefehle und eine damit verbundene „beträchtlichen Geldstrafe“ eingelegt. Damit werde es nun wohl zu einer Gerichtsverhandlung wegen fahrlässiger Brandstiftung kommen, teilte die Krefelder Staatsanwaltschaft mit.

 

Über die genaue Höhe der Strafbefehle ist der Redaktion nichts bekannt. Unterschiedliche Medien berichten von „einer hohen Geldstrafe“, einer „empfindlichen Strafe“ oder Strafe „in beträchtlicher Höhe“. Schön wäre, wenn diese zusätzlich zum Schadenersatz dem Zoo zugute kommt.

 

Wir bleiben am Ball.


Acht unbekannte Kaiserpinguin-Kolonien entdeckt

Die Bilder des Copernicus-2-Satelliten ermöglichten es den Mitarbeitern des British Antarctic Surveys acht bisher unbekannte Kaiserpinguin-Kolonien zu entdecken, ohne einen Fuß aus dem Büro zu setzen. Drei davon waren vorher schon als Ansammlungen bekannt, aber Bruten hatte noch niemand dort beobachtet.

 

Das hebt die Zahl der Brut-Kolonien auf der Antarktis und den vorgelagerten Inseln auf insgesamt 61. Einmalig ist bisher, dass eine Kolonie 180 km offshore auf Meereis liegt. Das war bisher nicht bekannt.

 

Zum gesamten Report: Sci-News


Neu beschrieben:

Schistomitra joelmineti, eine der diese Woche neu beschriebenen Arten. Abb. aus der Erstbeschreibung

Bei den Neubeschreibungen ist diese Woche richtig was los gewesen. Aber lest selbst:

  • Bei den tropischen Gottesanbeterinnen gibt es eine neue Gattung. Titanodula heißt sie und gehört in die Familie Hierodulinae. Näheres hier als pdf.
  • In China ist ein Schmetterling aus der Gattung Schistomitra beschrieben worden (siehe Bild), die erste Art der Gattung in China. Näheres in der Zookeys
  • Auf Sri Lanka wurde eine bisher unbekannte Karpfenfischart der bekannten Gattung Rasbora beschrieben. Rasbora adisi gehört zu den schlanken Fischen der Gattung und könnte auch als Aquarienfisch Karriere machen. Leider konnte ich die Erstbeschreibung nicht finden.
  • Zu den kleinsten Wirbeltieren überhaupt zählen die Sattelkröten aus Südamerika. Viele Arten erreichen nicht einmal 1 cm Kopf-Rumpflänge und haben entsprechende Anpassung an die Miniaturisierung. Die Art Brachycephalus bufonoides galt lange als ausgestorben und ist jetzt wieder entdeckt worden. Auch hier weiß die Zootaxa mehr.
  • Ebenfalls ein Froschlurch, aber ein Ruderfrosch der Familie Rhacophoridae ist aus Vietnam beschrieben worden. Zhangixalus franki heißt er und die Erstbeschreibung ist hier.
  • Der dritte Froschlurch diese Woche ist Atelopus manauensis, eine Harlekinkröte aus der Familie Bufonidae und aus Zentralamazonien. Das Tier sieht so aus, wie es heißt: bunt. Die Erstbeschreibung kann man hier nachsehen.
  • Der Nasenlappen-Hundshai Scylliogaleus quecketti ist das erste Mal seit seiner Erstbeschreibung 1902 wieder aufgetaucht. Genau da, wo man ihn erwartet hat: Vor den Küsten Südafrikas.

 

 

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Der Herzschlag der Bäume oder haben Pflanzen ein Bewusstsein?

Wie sehr sind wir überhaupt noch mit der Natur verbunden? Peter Wohlleben ist überzeugt: Das Band zwischen Mensch und Natur ist bis heute stark und intakt, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind: Unser Blutdruck normalisiert sich in der Umgebung von Bäumen, die Farbe Grün beruhigt uns, der Wald schärft unsere Sinne, er lehrt uns zu riechen, hören, fühlen und zu sehen. Umgekehrt reagieren aber auch Pflanzen positiv auf menschliche Berührung. Anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und seiner eigenen jahrzehntelangen Beobachtungen öffnet uns Peter Wohlleben die Augen für das verborgene Zusammenspiel von Mensch und Natur.

 

Das geheime Band zwischen Mensch und Natur ist 2019 bei Ludwig erschienen, hat als gebundenes Buch 240 Seiten und ist zusätzlich als Kindle erhältlich.

 

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Kurz gemeldet:

Rezent

  • In Cambridge, England ist mal wieder eine Savannah-Katzenhybride fotografiert und gefilmt worden. Die Cambridge-News weiß mehr.
  • Das National Maritime Museum in Cornwall zeigt eine Ausstellung namens „Monsters of the Deep“, in der ausdrücklich auch auf Kryptide wie gewaltige Haie oder Kraken mit zwei Meilen langen Fangarmen eingegangen wird. Wer wegen Corona nicht nach England reisen möchte, hat noch mindestens bis Januar 2022 Zeit, die Ausstellung zu besuchen.
  • Wissenschaftler haben das Schwarm-Pheromon der Wanderheuschrecken entschlüsselt. Es sorgt dafür, dass die eigentlich solitär lebenden Heuschrecken Schwärme bilden und wie die buchstäblichen Heuschrecken über das Land ziehen. Mit diesem Wissen kann in Zukunft möglicherweise die Schwarmbildung verhindert werden.
  • Das Presseportal der Polizei meldet in der vergangenen Woche vier (!) Einsätze wegen Ringelnattern, einen Einsatz wegen einer Boa constrictor in Schwalmstadt und einen wegen eines entlaufenen Lamas in Soltau. Alle Tiere sind wohlauf.
  • Die Wildschwein-Bache, die letzte Woche am Teufelssee in Berlin einen Beutel mit Laptop klaute, soll im Herbst geschossen werden. Die Gefahr, dass sich das Tier zu sehr an Menschen gewöhnt und dann selbst zur Gefahr wird, ist recht groß.

Ausgestorben

Nachdem Markus Kretschmer diese Woche seinen Jahresurlaub verbringt und daher das „Wort zum Sonntag“ anders ausgefallen ist, haben wir dann doch ein paar Kurzmeldungen:

  • Auf der Isle of Wright wurde eine bisher unbekannte Tyrannosaurier-Art gefunden. Auch wenn schon ein Name veröffentlicht ist, ist der nur hypothetisch, da noch keine offizielle Erstbeschreibung publiziert wurde. Markus Kretschmer schreibt hierzu:

    Noch ist das Paper zu dem Tier zwar noch nicht offiziell draußen und deshalb gibt es hier bei mir auch noch keinen offiziellen Artikel dazu, aber ihr findet die Nachricht bestimmt trotzdem spannend: auf der Isle of Wight wurde ein neuer Dinosaurier entdeckt, offenbar ein früher Verwandter des Tyrannosaurus rex!
    Einen Namen hat der Fleischfresser aus der unteren Kreidezeit auch schon: Vectaerovenator inopinatus! Bereits letztes Jahr fanden Fossilienjäger die ersten Überreste des Tieres. Neben zwei Einzelfunden wurden auch die Knochen mehrerer Individuen geborgen, was darauf schließen lässt, dass der Theropoden in Gruppen gelebt und gejagt haben könnte.

     

 

  • Protororqualus wilfriedneesi, ist eine neue Bartenwalart aus dem Tertiär von Antwerpen, Belgien. Peer J. 
  • Auch zu den spektakulären Langhals-Echsen der Gattung Tanystropheus gibt es Neues: Current Biology
  • Der Kurier weiß, dass Forscher des Naturhistorischen Museums Wien in den Kalkalpen bei Steyr Zähne und „Schuppen“ von einer bisher unbekannten, 138 Millionen Jahre alten Haiart entdeckt haben.
  • Wollnashörner starben wohl an den Folgen des posteiszeitlichen Klimawandels aus. Wissenschaftler haben 14 Genome von unterschiedlichen Tieren unterschiedlichen Alters sequenziert und fanden eine große, gleichbleibende Diversität – bis sie wenige tausend Jahre vor dem Aussterben zusammenbrach. DOI: 10.1016/j.cub.2020.07.046

Strandfunde

  • Das CSIP meldet eine Lebendstrandung: Am 3. Juli ist in Filey in North Yorkshire, England ein 4,54 m langer, männlicher Riesenhai gestrandet und kurz danach verendet. Die Untersuchung in Scarborogh dauern noch an.
  • Ebenfalls in Großbritannien, aber im Moray Firth im Nordosten Schottlands ist ein Glattrochen Dipturus batis tot gestrandet. Dieses früher weit verbreitete Tier ist wegen Überfischung fast ausgestorben.

 


Feld-Ornithologisches

Neu in der vergangenen Woche

  • In Seddin am Seddiner See hat sich am Mittwoch ein Dreifarbenglanzstar sehen lassen. Vermutlich handelt es sich um einen Gefangenschaftsflüchtling, denn die hübschen Vögel stammen aus Ostafrika. Auf dem Foto sind jedoch keine Ringe zu erkennen.
  • In Krummhörn ist ein Rosenstar beobachtet worden, vermutlich ein diesjähriges Tier. Er ist mit buchstäblich hunderten anderer „normaler“ Stare unterwegs und daher schlecht zu identifizieren.
  • Ab Donnerstag waren auch auf Helgoland wieder einige Rosenstare, bis zu drei diesjährige Tiere wurden gleichzeitig gezählt.
  • Etwas größer und noch ungewöhnlicher: Bei der Heuneburg in Herbertingen (LK Sigmaringen, Schwaben) saß am Donnerstag ein ausgewachsener Würgfalke (Falco cherrug) auf einem Acker. Er trug kein Geschüh oder Fesseln.
  • Am unteren Knappensee bei Gießen ist ein Terekwasserläufer (Xenus cinereus) unterwegs.
  • Im Saarland, bei Wincheringen konnte ein Vogelfreund am Freitagvormittag einen männlichen Gleitaar fotografieren.
  • Ebenfalls am Freitag, diesmal vor Sylt wurde ein Balearensturmtaucher  (Puffinus mauretanicus) gezählt. Vermutlich ist seit einiger Zeit das selbe Tier über der Nordsee unterwegs.
  • In den Rieselfeldern von Münster hat sich am Samstag ein Graubrust-Strandläufer (Calidris melanotos) blicken lassen.

 

Die „immer noch da“-Meldungen:

  • Die Berliner Sperlingsbande, bestehend aus einem Italiensperling und einem Italien- x Haussperlings-Hybriden ist immernoch in Treptow am Ausflugsschiffanleger.
  • Der Nonnensteinschmätzer von Belgern hält die Stellung.

 

Kryptozoologische Exkursion möglich!

Liebe Leserinnen und Leser,

 

da sitzen mitten in Berlin zwei ungewöhnliche Sperlinge an einem touristischen Hotspot, am See. Es ist tolles Wetter, vor Ort gibt es Eis, Kuchen und Kaltgetränke, vermutlich muss man nur warten, bis die Jungs unter oder sogar auf den Tisch gehoppst kommen, um Krümel zu suchen.

 

Vielleicht kommt jemand von euch auf die Idee, nach Treptow zu fahren, die Lage zu checken und ein paar Fotos zu machen. Eine kryptozoologische Exkursionsmöglichkeit vor der Haustüre bietet sich selten, wenn man in einer Millionenstadt lebt!

[googlemaps https://www.google.com/maps/embed?pb=!1m18!1m12!1m3!1d1214.591318622257!2d13.462738971973277!3d52.49393346965775!2m3!1f0!2f0!3f0!3m2!1i1024!2i768!4f13.1!3m3!1m2!1s0x47a84fdd72237675%3A0x9de9a1bd9e4b0410!2sSpreewein!5e0!3m2!1sde!2sde!4v1597507398953!5m2!1sde!2sde&w=400&h=300]Ungefährer Standort der letzten Beobachtungen: „Treptow, beim Anleger vor der Räucherei“


Zu guter Letzt:

Nach dem „Wildsauangriff am Teufelssee“ letzte Woche, kommt diesmal ein Wildschwein aus der Ostsee in Schönhagen an den vollbesetzten Strand. Wenn ein Wildschwein aus dem Meer kommt, ist es dann ein Meerschwein?

 

 




Freitagnacht-Kryptos: Seeungeheuer in Neu-Südwales

Es berichtete der „Wanganui Herald“ am 2. Februar 1883:

Der offene Pazifik bei Manly Beach

 

„Ein außergewöhnlich aussehendes Seeungeheuer mit einer Länge von 3,40 Metern wurde kürzlich vor Long Reef, sechs Meilen unterhalb von Manly (New South Wales), gefangen. Es hatte Haare auf dem Kopf, die denen eines einheimischen Hundes sehr ähnelten, und eine beeindruckende Anzahl von Zähnen. Es wurde lebend gefangen, aber später getötet, um es ins Museum zu schicken. Eine Seeschlange (Conger-Aal?) mit einer Länge von ungefähr 6 Metern wurde vor einigen Wochen in der Nähe derselben Stelle gefangen.“

 

 

Der Zusatz Conger-Aal stammt aus dem Zeitungsbericht. Manly ist heute ein Stadtteil von Sydney. Was damals gefangen wurde, ist zu vage beschrieben, um identifiziert werden zu können. Auch eine Überprüfung der australischen Zeitungen ergab keine Ergebnis: Zwar berichtete auch der „Geelong Advertiser“ am Mittwoch, dem 10. Januar 1883 von dem Fang (auf S. 3), aber in denselben Worten wie die neuseeländische Zeitung.

Manly Beach
Manly ist neben Bondi einer der beiden weltbekannten Surf-Strände Sydneys. Doch auch da scheint nicht immer die Sonne.

Quelle:

https://paperspast.natlib.govt.nz/newspapers/WH18830202.2.8