„And the legend goes on“…der Adamsfield-Kadaver im Jahre 2023

Lesedauer: etwa 19 Minuten
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Der “Adamsfield-Kadaver” ist ein Klassiker in der mythologischen Narrative des Beutelwolfs.

Und auch das Jahr 2023 wurde nicht müde, neue Details zu dieser nun 33 Jahre alten Geschichte hinzuzufügen. So war der Adamsfield-Kadaver auch dieses Jahr wieder in den kryptozoologischen “Schlagzeilen”. (Siehe hierzu auch unsere Presseschau vom 7. Mai 2023)

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Der Beutelwolf – die umfangreichste deutsche Monographie

Seit 30 Jahren sammelt der Verfasser Daten über den Beutelwolf. In rund 30 Museen Europas, Australiens und der USA fotografierte und vermaß er Präparate, Schädel und Skelette und trug in mehreren Publikationen zum Wissen über die Art bei. In den Archiven von Launceston und Hobart/Tasmanien sichtete er das z. T. unveröffentlichte Bild- und Textmaterial und befragte letzte Augenzeugen; Wissenschaftlern und Hobbyzoologen verdankt er manche wertvollen Hinweise.

Ein Filmdokument aus Hobart wurde in Zusammenarbeit mit dem Göttinger Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) zu einem Unterrichtsfilm gestaltet. Wesentlicher Raum wird dem Beutelwolf als Zootier gewidmet sowie den Fragen, inwieweit er als „typischer Läufer“ gelten kann und welches Ausmaß die Konvergenzen in der Schädelgestalt von Beutelwolf und Wolf erreicht haben. Basierend auf dem zusammengetragenen Daten-, Bild- und Filmmaterial sowie auf mehr als 300 Publikationen entstand die vorliegende Monographie.

Der Beutelwolf: Thylacinus cynocephalus ist trotz des Erscheiungsdatums 1997 die umfangreichste Monographie zum Beutelwolf, die es im deutschsprachigen Bereich gibt. Sie hat 197 Seiten und ist neu sowie antiquarisch verfügbar.

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Damals hatten wir keine Zeit, die neue Entwicklung eingehender darzustellen und die neuen Details zu analysieren. Mit diesem Beitrag wollen wir dazu nun endlich Abhilfe leisten.

Was ist also der Geschichte nach 1990 im tasmanischen Adamsfield passiert? Und wie ging es weiter?

Begehen wir diese Geschichte noch einmal Schritt für Schritt, vor dem Hintergrund der neueren Informationen zu dem Fall, so wie sie am 1. Mai auf der Seite Where Light Meets Dark von Chris Rehberg und Adrian Richardson veröffentlicht wurden:

Beutelwölfe
Beutelwölfe, von Stephen J. Gould gemalt

Die Geschichte des Adamsfield-Kadaver – in ihrer neuesten Version 2023

Erster Akt

Angeblich wird 1990 bei Adamsfield in Tasmanien ein Beutelwolf erschossen. In der ursprünglichen Version waren es noch zwei Männer, die eigentlich Wallabies jagen wollten und auf ein ruhendes Tier trafen. Erst später merken sie, dass es sich dabei um einen „Tiger“ handelte…

Heute ist hingegen eine andere Version im Umlauf. Es ist von einem einzelnen Schützen die Rede: „Rusty“ Morley. Er soll das Tier entweder erschossen oder schon tot aufgefunden haben. So lautet der erste Akt dieser Geschichte nun wie folgt: „Rusty“ entdeckt oder „produziert“ den Kadaver eines Beutelwolfs beim tasmanischen Adamsfield im Jahre 1990.

Die Adams-Falls gehören zur Adamsfield-Gegend

Zweiter Akt

Der mutmaßliche Schütze “Rusty” macht Fotos von dem Kadaver (oder besser: von einer eine Pfote des Kadavers).

Dritter Akt

Schütze Rusty will diese Aufnahmen nicht öffentlich machen – trotzdem werden sie von einer unbekannten Person irgendwann zwischen 1990 und 1996 ins Museum von Victoria gebracht.

Vierter Akt

Im Museum vergleicht man die Aufnahmen der Pfoten des geschossenen Kadavers mit den Beutelwolf-Pfoten eines Museumspräparats. Man legt dabei die Pfote eines Museumspräparates über das Foto der Pfote des Adamsfield-Kadavers. Und davon macht man nun ebenfalls Fotos. Solche Aktionen sollen laut Chris Rehberg in den 1990er Jahren im hiesigen Museum problemlos möglich gewesen sein.

Aufnahmen um den Adamsfield-Kadaver
Hier sehen wir das Foto B um den Adamsfield-Kadaver mit Erklärungen von Chris Rehberg. Man betrachte das Vergleichsfoto im Hintergrund.

Fünfter Akt

Dem Beutelwolf-Enthusiasten und Naturforscher Col Bailey gelingt es 1996, ein Treffen mit dem vermeintlichen Schützen, Rusty, zu arrangieren. Dieser zeigt dem Forscher dann tatsächlich auch eine Serie Fotos von den Pfoten. Col Bailey macht nun Fotos von den Fotos, kann aber nur zwei Aufnahmen machen. Daraufhin zieht Schütze Rusty seine Bilder umgehend zurück und gestattet nun keine weiteren Aufnahmen. Col Bailey habe einen Vertrauensbruch begangen – Rusty glaube nicht, dass Bailey die Sache nun noch, wie besprochen, diskret behandeln werde.

Sechster Akt

In der Tat zeigt Forscher Col Bailey 1998 die Fotos in der Serie X Creatures: Beyond the Jaws of Extinction in einem Interview mit Chris Packham. Darüber hinaus bespricht Bailey die Aufnahmen noch in seinem 2013 erschienenen Buch „In the Shadow of the Thylacine“.

In der Dokumentation vertritt Forscher Bailey die Ansicht, die Pfoten im Vordergrund auf den beiden Fotos stammten direkt vom Adamsfield-Tier. So ist diese Version erstmal Common Sense. Ferner gibt er das Jahr 1991 als das Datum des erschossenen Beutelwolfs an.

Hütte
Hütte am Overland-Track, einem bekannten Wanderweg Tasmaniens, mitten im Beutelwolfgebiet.

“Richo” kommt ins Spiel

Beide Informationen sollen sich nun nachträglich als nicht korrekt herausstellen – diese Erkenntnis verdanken wir auch einem dritten Manne im Bunde, “Richo” (eigentlich Adrian Richardson). “Richo” war nach eigener Aussage 20 Jahre bei der Australischen Armee und Friedensrichter (Justice of the Peace) in New South Wales. Darüber hinaus soll er über 33 Jahre nach dem Beutelwolf gesucht haben. Hierbei kam er 1996 auch mit Col Bailey in Kontakt. Zwischen 1996 und 2006 arbeiten die beiden Enthusiasten bei ihrer Suche nach dem Beutelwolf Seite an Seite.

“Richo´s” Fotos von den Fotos – und Klarstellung des Datums

Und “Richo” arbeitet 1996 dann auch mit Col Bailey in Sachen Adamsfield-Kadaver zusammen.

So besaß Richo auch hochauflösende Kopien der Fotos, die sein ehemaliger Kumpane Bailey dereinst beim Treffen mit dem Schützen Rusty machte. Und auf einem dieser Fotos, dem berühmten Foto B, kann man eben sehen, dass hinter der Pfote des Beutelwolfs im Vordergrund noch ein weiteres Foto liegt, das ebenfalls eine Pfote zeigt. Und bei der Pfote im Vordergrund soll es sich indessen um das Museumspräparat C3149 des Victoria Museums handeln. Das belegt der aufwändige Vergleich von Gipsabgüssen und Videoaufnahmen des Präparats mit der Pfote auf Foto A und der im Vordergrund auf Foto B zu sehenden Pfote. Die Pfote auf dem Foto B im Hintergrund zeige, so die neueste Interpretation, hingegen tatsächlich den Lauf des Adamsfield-Kadavers.

Und es soll 1990 (nicht 1991) erlegt worden sein.

Thylacine Pfote
Beutelwolf-Pfote. Repro des Bildes A aus Baileys Buch. Foto: unbekannt

Nicht 1991 – und nicht direkt die Pfote des Adamsfield-Kadavers

Also nochmal: Die Pfote im Vordergrund auf den zwei Fotos zeigt also nicht den Adamfield-Beutelwolf, sondern ein Museumspräparat. Wie gesagt: die Pfote des Adamsfield-Kadavers soll, wenn, dann auf dem Foto hinter der abgebildeten Pfote zu sehen sein.. Die Identifikation der Pfoten im Vordergrund als Museumspräparat C3149 haben Chris Rehberg, der Betreiber der Seite Where Light Meets Dark und Richard Adamson in ihrem Artikel von 2018 detailreich und konsistent aufgezeigt. Auf dem „Schlüssel-Foto“ im Hintergrund von Foto B wollen die Interpreten auch so etwas wie Eukalyptus-Blätter erkennen („gum leaves„), die in er tasmansichen Wildnis zu finden sind. Das sieht man als eine Bestätigung, dass die Pfote tatsächlich an Ort und Stelle (will sagen: Adamsfield) fotografiert worden ist.

Der letzte Beutelwolf?
Der letzte bekannte Beutelwolf 1932.

Siebenter Akt

Richo trifft sich 1997 selbst auch noch einmal mit dem Schützen Rusty. Zwar hat Rusty zu dem Treffen eingewilligt, verweigert aber ein abermaliges Zeigen der Fotos. Das Vertrauen sei ja bereits zerstört. Beim Treffen bestätigt er jedoch abermals, dass er 1990 einen Beutelwolf bei Adamsfield geschossen habe.

Rustys widersprüchliche Angaben zum Tod des Beutelwolfs

Das widerspricht dem, was Rusty später 2013 der Thylacine Research Unit mitteilt:  “Ich habe einer Person gesagt, was ich gefunden [nicht geschossen, Anmerkung des Verfassers] habe und ihr eine kleine Fotografie gegeben, einen Teil von ihr, weißt du – aber, hmm … er machte da seine eigene Geschichte daraus, weißt du.”

 

Es wird spekuliert, dass es sich bei dieser „Person“ um den Beutelwolf-Enthusiasten Col Bailey gehandelt hat, von dem eingangs die Rede war. Doch da weder Rusty noch Col Bailey heute noch am Leben sind, kann diese Version nur noch schwer verifiziert werden.

Und wie gesagt: “Rusty” gegenüber der Thylacine Research Unit im selben Interview an, dass er den Kadaver bereits tot vorgefunden hat:

Ich bin zu den Felsen hoch…und da war der Kadaver eines Tigers. Es war ein Kleiner, weißt du, aber gestreift; du konntest immer noch die Streifen und alles sehen. Aber, hm … ich machte ein paar Fot-… ich denke ein Foto von dem ganzen Tier, in Sektionen.”

auf den Hinterbeinen
Interaktion eines Beutelwolfes mit einem Pfleger im Beaumaris‘ Zoo

Aus kurzer Distanz in den Kopf geschossen

Rusty behauptete 1997 gegenüber Richo hingegen, dass er dem Tiger aus kurzer Distanz in den Kopf geschossen habe. Denn: Sein Jagdhund war geduckt zu ihm zurückgekommen. Das habe der Hund vorher noch nie gemacht. Rusty ging daraufhin nach vorne und benutzte dabei die Laufmündung seines Gewehres, um Blattwerk an die Seite zu schieben. Und da legte er einen darunter liegenden, schlafenden Tiger frei. Er drückte sofort ab.

Jetzt könnte man natürlich dem verführerischen Wunschdenken freien Lauf lassen: Hat Rusty also in einem vertraulichen, persönlichen Gespräch die Wahrheit gesagt?…nämlich dass er ein geschütztes Tier illegal geschossen hatte…?…

Achter Akt

Wie bereits angedeutet, stammen alle diese Informationen von der Seite Where Light Meets Dark, die vom Beutelwolf-Enthusiasten Chris Rehberg betrieben wird und sich mitunter auch mit dem Beutelwolf beschäftigt.
Am 1. Mai 2023 hat er hier auch diese neuerlichen Details zum Adamsfield-Kadaver gepostet.

Fake Sichtung eines Beutelwolf
Man stelle sich vor, in so einer Szene trabt ein Beutelwolf über die Straße. Dramatischer geht es kaum. (Leider eine Fotomontage)

Denn Chris Rehberg lernte den vermeintlichen Schützen Rusty wohl auch auf eigenem Wege persönlich kennen. Chris betrieb nämlich im Jahre 2010 einen Laden für Fotofallen und Rusty war einer seiner ersten Kunden. In dieser Zeit war der Adamsfield-Vorfall Chris nicht so geläufig. Dennoch kam er mit Rusty ins Gespräch über die Möglichkeit, dass der Beutelwolf in der Wildnis Tasmaniens bis heute überlebt haben könnte.

Eine ganze Reihe von Beutelwolf-Begegnungen

Und hierbei erzählte Rusty, dass er im Laufe seines Lebens im tasmanischen Busch schon eine ganze Reihe von Begegnungen mit Tasmanischen Tigern gehabt hatte (die erste als Teenager, in seinem gesamten Leben jedoch insgesamt bis zu fünf oder sechs). Er selbst hat diese 2003 auch in einer Doku-Serie Killer Instinct mit Rob Bredl mitgeteilt. Rusty zeigte Chris schließlich auch weitere Gipsabdrücke von der selben Spur eines “Tigers”, deren Abdrücke er auch schon in der Doku gezeigt hatte…

Wie verwunschen wirkt der Wald im zentralen Westen der Insel.

Ein erfahrener Tracker in Tasmanischen Nationalparks

Um die Glaubwürdigkeit zu unterstützen, betont Chris Rehberg, dass Rusty von der Regierung zum Aufspüren und Töten von Hauskatzen in Nationalparks beauftragt worden ist. Und beim Militär habe er eine Ausbildung als “tracker” erhalten. Auch will er den Tasmanischen Busch von Adamsfield zur Westküste in sechs Wochen nur mit einem Jagdmesser bewaffnet durchquert haben. So trügen die Clark and Morley Hütten bei Adamsfield die Namen des erfahrenen Trackers. Kurzum: Rusty sei ein sehr, sehr erfahrener Buschmann, der sich in der tasmanischen Wildnis bestens auskenne …

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Kein Interesse an der Erbringung des ultimativen Beweises für den Beutelwolf

… und laut Chris Rehberg habe Rusty kein Interesse daran, dass “Leute durch den Busch stapfen, um den Tiger zu suchen und mit ihm zu interferieren.“ Doch im Laufe seiner Arbeit wäre Rusty mehrmals über Beweise für die fortdauernde Existenz des „Tigers“ im Busch gestolpert, „auch wenn die Erbringung des ultimativen Beweises für ihn nie ein Thema war.”

 

 

Verlassen wir nun einmal die verwunschenen Winkel der Seite Where Light meets Dark und betreten den nüchternen Asphalt der kritischen Reflexion. Wie soll man also diese Geschichte in Anbetracht der neuen Details bewerten?

 

Die Schwierigkeit einer Bewertung

Um ganz ehrlich zu sein: mich überzeugt diese Geschichte heute noch genauso wenig wie vor zwei Jahren, als der Adamsfield-Kadaver schon einmal in den Medien war und ich mich gezwungen sah, mich kurz dazu in dem Artikel zu den Neuigkeiten zum Beutelwolf im Jahre 2021 zu äußern.

Die neuen “Erkenntnisse” kritisch bewertet

Und um noch ehrlicher zu sein: Die zwei primären Gründe, warum ich mich nun doch eindringlicher mit dem Adamsfield-Kadaver auseinandergesetzt habe, lassen sich allein auf “Pflichtbewusstsein” zurückführen. Erstens: Tobias Möser hat eine eingehendere Bearbeitung durch uns angekündigt. Zweitens: 2021 hatte ich den Adamsfield-Kadaver abgelehnt. Und wenn man so etwas tut, so muss man (auch wenn einem die Geschichte nicht überzeugt) die Neuigkeiten dann auch überprüfen, wenn es welche gibt … für den Fall, dass die neuen relevanten Informationen gestatten, das ursprüngliche ablehnende Statement zu revidieren.

 

Tun sie das?

 

Die ganze Geschichte lässt sich de facto auf den folgenden Gehalt reduzieren: “Ich kenne jemanden, der einen kannte, der wiederum einen kannte” und der Kontakt der letzten Beiden brachte uns “ein Foto von einem Foto mit einem Foto im Hintergrund.” Ferner bleibt der ganze Erzählstrang jetzt allein vom Tracker Rusty abhängig. Es gibt trotz der Fotos keine unabhängigen verifizierbaren Quellen, die in irgendeiner Weise belegen können, dass das Foto auf dem Foto die Pfote eines 1990 geschossenen Beutelwolfs bei Adamsfield zeigt.

Beutelwolf in Wien
Das Wiener Exemplar des Beutelwolfes. Bisher (?) bleiben nur Museumsexemplare

Unabhängige Bestätigungen für den Adamsfield-Kadaver?

Man könnte hier noch einmal kurz innehalten und Chris Rehberg Einspruch gewähren: Denn dieser spricht nämlich schon von vielen unabhängigen Leuten, die den Abschuss eines Beutelwolfs bei Adamsfield im Jahre 1990 bestätigigen.

Die Coomber-Fotos

Und damit meint er wohl zum einen den Zeitungsherausgeber Colin Coomber: Dieser will 1992 eine Serie von 9 oder 10 Fotos mit einem erschossenen Beutelwolf zu sehen bekommen haben. Auch eine Verletzung durch eine Kugel soll dabei sichtbar gewesen sein. So stünde es in einem Internetartikel. Der Link hierzu wird in einem älteren Artikel von Chris Rehberg angegeben, funktioniert aber nicht mehr. Nun denn: Wie eine persönliche Befragung durch Chris Rehberg ergab, glaubte Coomber selbst allerdings nicht, dass sich das fragliche Hintergrund-Foto unter der Fotoserie befand, die ihm seinerzeit gezeigt worden waren. Chris Rehberg hält es hingegen für wahrscheinlich, dass beide Fotoserien sehr wohl den Adamsfield-Kadaver zeigen. Denn beide Ereignisse datierten auf den Anfang der 1990er Jahre und in beiden Fällen gäbe es Anzeichen, dass das Tier draussen fotografiert wurde: im Falle des Hintergrund-Fotos sollen ja Eukalyptus-Blätter zu sehen sein. Und Coomber erinnerte sich an Grasbüschel („tussocky grass“). Beide Pflanzenarten seien auch in der Gegend um Adamsfield zu finden. Und zu guter Letzt: beide Geschichten stammen aus Tasmanien. Ich weiss nicht, was der Leser denkt. Doch für mich liegt diesen Schlussfolgerungen eine etwas zu „breitmaschige“ Assoziierung zugrunde.

Tasmanien
Tasmanien ohne seinen Beutelwolf – das ist nicht das selbe!

Eine anonyme Quelle?

Abgesehen von Coomber erwähnt Chris Rehberg allerdings noch eine anonyme Quelle aus dem Jahre 2017. In einer privaten Mitteilung an Chris habe diese nämlich bestätigt, dasselbe Fotoset ebenfalls zu Gesicht bekommen zu haben.

Fazit: Keine unabhängigen Quellen

Fragen wir uns also nochmal? Gibt es also doch noch von „Rusty“ unabhängige Quellen, die den Tod eines Beutelwolfs im Jahre 1990 bei Adamsfield bestätigen? Ironischerweise können wir hier mit einem Statement von Chris Rehberg antworten: Weder Coombers Aussage noch der Gehalt der anynymen Quelle könnten verifizert werden, so resümiert der Autor vollkommen richtig. Doch wo sind dann die „vielen unabhängigen Leute“, die den Abschuss eines Beutelwolfs 1990 bei Adamsfield bestätigen? Ich sehe sie nicht. Und so bleibt es dabei: es gibt keine „vielen unabhängigen“ Zeugen, die den Abschuss eines Beutelwolfs im Jahre 1990 bestätigen. Einspruch abgelehnt.

Analyse mit wenig gehaltvoller Aussagekraft

Kein Hund, keine Katze, kein Fuchs, kein Teufel?…

Natürlich vergleicht Chris Rehberg die Pfote auf dem Hintergrundfoto mit Pfoten von anderen Tieren. Genau genommen mit denen einer Katze, eines Hundes, Fuchses und Tasmanischen Teufels. Und dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Pfote einen Beutelwolf, und keinen der anderen Vertreter zeigt. Seine Argumentation lautet dabei wie folgt: 1) Es sei keine Katze, da bei der Pfote auf dem Hintergrundfoto Krallen zu sehen seien 2) die Anordnung der Zehen würden nicht zu einem Caniden passen 3) Ausserdem sei das triangulare Sohlenkissen auch nicht bei einem Hund oder einer Katze, geschweige denn bei einem Fuchs oder Tasmanischen Teufel zu finden; 4) die Farbe der Pfote auf dem Hintergrundfoto sei schwarz, so wie bei der Beutelwolf-Pfote auf dem Vordergrund und allen anderen dem Autoren bekannten Fotos von Beutelwolfpräparaten. So könne es sich wohl nur um einen Beutelwolf handeln.

…und trotzdem nicht viel gewonnen

Das ist ja alles schön und gut. Doch ist es halt leider mit ein oder zwei „Kontrollfotos“ der anderen Kandidaten aus dem Internet nicht getan. Und Chris Rehbergs engagierte Arbeit zum Hintergrund von den Adamsfield-Fotos in allen Ehren – er ist und bleibt wie ich ein Laie. Zwar legt seine Seite in der Information zum Autor ein angefangenes (doch nicht zu Ende geführtes) Umweltbiologiestudium offen. Doch selbst ein Biologieabschluss berechtigte noch nicht zur angemessenen Einordnung von Fußabdrücken. Und ganz abgesehen davon: selbst wenn die Pfote von dem Foto auf dem Foto einen Beutelwolf zeigte. Die Geschichte wird deswegen nicht wahrer.

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Noch immer: Zu viele offene Fragen

Chris Rehberg räumt selber ein, dass es noch sehr viele offene Fragen gibt: Wer machte den Vergleich der Fotos des Adamsfield-Kadavers mit den Präparaten im Museum in Victoria? Warum machte Rusty widersprüchliche Angaben zu dem Auffinden des Beutelwolfs (als Kadaver, oder als schlafendes, lebendes Tier)?

Klarstellungen auf der Facebook-Seite – helfen sie wirklich?

Da bringen auch die vielen, vermeintlichen Klarstellungen, mit denen Chris Rehberg auf die Fragen der Nutzer seiner Facebook-Seite antwortet, keine wirklichen neuen Details ans Licht. Vor allem, weil eine, wenn nicht die, grundsätzliche Frage nämlich außen vor bleibt: Wenn Rusty daran interessiert war, dass die Leute nicht mit dem Tasmanischen Tiger interferieren, wieso schießt er einem dann kurzerhand aus kurzer Distanz in den Kopf? Sein Jagdhund war doch schon in Sicherheit.

Eines ist klar – der Mythos Beutelwolf lebt!

Die Facebook-Diskussion beweist hier mal wieder nur eines: 2023 funktioniert die Beutelwolf-Romantik, mit “coolen Typen” und schrägen Stories aus dem Busch, auf der Suche nach Tasmaniens mysteriösen “Tigern”, noch immer einwandfrei. Und hat auch 30 Jahre danach nichts an ihrer verführerischen Anziehungskraft eingebüßt. Das zeigt das rege Interesse der Facebook-Nutzer ohne Zweifel. Der Mythos Beutelwolf lebt auch im virtuellen Zeitalter ungebremst.

Abschließendes Fazit. Kryptid Beutelwolf als Problem. Oder: Brauchen wir hier die Geschichte vom Adamsfield-Kadaver?

Doch bei alledem darf man nicht vergessen: Wir als Kryptozoologen haben leider oft nichts Anderes.

Wenn wir also akzeptieren, anekdotische Indizien als Anlass für eine eingehendere Suche nach offiziell nicht (mehr) existierenden Tieren zu nehmen, dann müssen wir uns zwangsläufig auch mit solchen Geschichten auseinandersetzen. Und wenn die Lektüre durch Seiten wie Where Lights Meets Dark die rationale Schmerzgrenze an einigen paar Stellen ganz schön strapaziert. Wir haben wie gesagt derzeit fast nichts Anderes. Und müssen daher froh sein um jedes Detail, das aus dem virtuellen Äther aus dem tasmanischen Busch zu uns strömt.

Und deswegen werden wir euch auch weiterhin zum Adamsfield-Kadaver auf dem Laufenden halten, selbst wenn momentan, so unsere Einschätzung, alles nach einer Räuberpistole aussieht.

Fell des letzten Beutelwolfes
Fell des letzten bekannten Beutelwolfes, präpariert 1936/37. Foto: TMAG

Nachtrag:

Manch ein Leser mag zurecht bemängeln, dass in diesem Review vom Adamsfield-Kadaver eine eingehendere Analyse der Fotos fehlt. Und tatsächlich habe ich überlegt, eine solche zu präsentieren. Doch habe ich mich schließlich dazu entschieden, das nicht zu tun. Und zwar aus folgenden Gründen: Erstens habe ich nicht die fachliche Kompetenz, solch eine Analyse selbst vorzunehmen. Wir haben in der Redaktion aber jemanden, der diese hat, und der ist Tobias Möser. Und nach Rücksprache mit ihm kann ich das nur wiederholen, was mein Instinkt mir schon 2021 sagte. Oder zweitens: Die Fotos sind einfach zu schlecht, um zu einem eindeutigen Ergebnis zu gelangen. Aus diesem Grund sehen wir hier von einer Analyse ab. Das soll Chris Rehbergs gesamte Arbeit an dem Adamsfield Kadaver jedoch nicht diskreditieren. Vor allem seine Recherche zur Aufdeckung der Pfoten im Vordergrund als Museumspräparat ist sauber, tiefgängig und nachvollziehbar dargestellt. Die Identifikation der Pfote im Hintergrundfoto ist jedoch ein ganz anderes Kaliber. Hier könnten wir den Ergebnis Chris Rehbergs vertrauen und es in diesem Sinne offenlassen, in dem wir sagen, dass man nicht widerlegen kann, dass es sich bei den Fotos um einen Beutelwolf handelt. Von einem solchen Urteil sehe ich als Laie jedoch ab. Denn im schlimmsten Fall trüge ich hier dazu bei, in blindem Vertrauen auf den Schlussfolgerungen eines Anderen, dass ein kryptider Mythos weitergesponnen wird anstatt (wie es angebracht wäre) die Fotos selbst einer kritischen Analyse aus der fachlichen Perspektive heraus zu unterziehen. Und Ersteres entspräche nicht dem kryptozoologisch-arbeitsethischen Selbstverständnis dieser Seite, sondern nur Zweites.

Wenn es unter den Lesern jedoch eine Person gibt, die diese fachliche Kompetenz hat und Analysen dieser Art durchführen kann, die sei herzlich dazu eingeladen, sich bei uns zu melden und so mit ihrer wichtigen Arbeit zu der Aufklärung von Fällen wie diesem hier (gut, vielleicht auch nicht unbedingt ganz so diffus wie sich dieser hier momentan darstellt) beizutragen.


Zum Weiterlesen:

Alle Informationen stammen von Chris Rehbergs und Adrian Richardsons (Richo´s) Artikel zum Adamsfield-Kadaver auf der Seite Where Light Meets Dark vom 1. Mai 2023:

http://www.wherelightmeetsdark.com.au/examining-the-evidence/tasmanian-tiger-(thylacine)/adamsfield-thylacine/adamsfield-thylacine-further-evidence/ (letzter Zugriff: 25. Juni 2023)

Lediglich der Abschnitt zu den Facebook-Kommentaren sowie das Detail, dass über die Leichtigkeit berichtet, mit der man offenbar im Victoria Museum in den 1990er Jahren Beutelwolf-präparate unbeaufsichtigt untersuchen konnte, stammt von dem Artikel, der die Fragen und Antworten auf der Facebook-Seite zusammenfasst. Er wurde ebenfalls am 1. Mai 2023 bei Where Light Meets Dark veröffentlicht:

http://www.wherelightmeetsdark.com.au/examining-the-evidence/tasmanian-tiger-(thylacine)/adamsfield-thylacine/adamsfield-thylacine-questions-and-answers/ (letzter Zugriff: 25. Juni 2023)

Und nachträglich wurden auch noch einige Informationen aus dem früheren Artikel von Rehberg und Richardson aus dem Jahre 2018 ergänzt, so zum Beispiel die Geschichte mit den „Coomber-Fotos“ und der anynymen Quelle, die diese bestätigte, sowie die Details zur Bestimmung der Pfote im Vordergrund der zwei „Adamsfield-Fotos“ als Museumspräparat:

http://www.wherelightmeetsdark.com.au/examining-the-evidence/tasmanian-tiger-(thylacine)/adamsfield-thylacine/adamsfield-thylacine-identified/#Adamsfieldthylacineidentified-Coomber’saccount (letzter Zugriff: 26. Juni 2023)

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