„Lebende Beutelwölfe fotografiert“? Update 2

Heute kam das Video, in dem Neil Walters von der Thylacine Awareness Group of Australia seine Fotos präsentiert. Leider waren die Fotos nur kurz am Stück zu sehen, der Rest ist vom Laptopbildschirm abgefilmt.

Eine echte Analyse ist damit kaum möglich, man ist mehr oder weniger gezwungen, Neil Waters Analyse zu glauben. Seht selbst:

 

Ich für meinen Teil habe große Zweifel.

  • Das erste Bild zeigt außer zwei reflektierenden Augen und einem Ohr so gut wie nichts. Wie nahezu immer wäre ein Größenvergleich nett gewesen. Die Stelle des Tieres ist bekannt, die Stelle und Art des Fotoapparates auch. Da wäre es ein Leichtes gewesen, mit einem Zollstock einen Größenvergleich zu fotografieren.
  • Das zweite Tier, auf das Waters seine größte Hoffnung setzt, ist seltsam. Das Hinterteil wirkt sehr rund, während die bekannten Aufnahmen von Beutelwölfen eher schmale, schlanke Tiere zeigen. In wie weit die Tiere aus dem Beaumaris-Zoo in Hobart schlecht ernährt sind, ist eine Frage. Aber auch Jagdopfer sind eher dünn.
    Selbst wenn (!) die Rundlichkeit durch zwei nach vorne geschlagene Beine entsteht, passen die Proportionen nicht.
  • Das Fell des zweiten Tieres ist zottig. Waters argumentiert, Jungtiere hätten ein zottigeres Fell als ausgewachsene Beutelwölfe. Dennoch wirkt es zu zottig, selbst wenn man es mit den wenigen präparierten Jungtieren vergleicht.
  • Die Farbe des Fells wirkt auf den ersten Blick beige, aber insgesamt grauer, als in der Situation von einem Beutelwolf erwartet wäre. Die Streifen wirken nicht wie Teile des Fells, sondern wie Schatten der Grashalme und -blätter über dem Tier.

Insgesamt mal wieder mehr Wunschdenken, als Realität. Wie viel kommerzielles Interesse bzw. kommerzieller Erfolg da drin steht, ist eine andere Frage. Gut laufende Youtube-Filme bringen dem Einsteller zumindest einen kleinen Anteil am Umsatz. Dazu hat er die ganze Thylacine Awareness Group of Australia, Sektion Tasmania bekannt gemacht, immerhin ist er deren Präsident (vermutlich nicht mehr lange). Das steigert die Chance auf Spenden. Andererseits hat Waters nicht versucht, die Bilder zunächst in der (kostenpflichtigen) Sektion gezeigt.

 

Genauer gesagt: die Bilder sind immernoch nirgendwo ungefiltert zu sehen.

 

Daher eine ganz spezielle Anzeige heute:

 

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„Lebende Beutelwölfe fotografiert?“ Update 1

Die Thylacine Awareness Group of Australia hat am 22.2.2021 in einem YouTube-Video bekannt gegeben, drei lebende Beutelwölfe fotografiert zu haben. Neil Waters, Vorsitzender der Gruppe erzählt in diesem Video, dass sie derzeit Fotos auswerten. Auf den Fotos sollen drei Tiere zu sehen sein. Waters and the community” glaubt, es handele sich um Beutelwölfe, genauer zunächst die Mutter, dann ein kleines Jungtier und auf dem letzten Bild ein Männchen, mutmaßlich der Vater. Die beiden erwachsenen Tiere seien etwas zweifelhaft („ambiguous“), während das Baby Streifen und einen steifen Schwanz hat und damit eindeutig als Beutelwolf zu identifizieren sei, so Waters weiter.

 

 

 

Soweit der Stand gestern.

 

Irgend etwas hatte mich an der Beobachtung irritiert, es war aber nicht direkt greifbar. Heute ist es anders: Mich stört die Angabe, dass die Trail-Cam ausgerechnet eine „kleine Familie“, wie sie sich ein romantisches Kind vorstellt, aufgenommen hat. Zum Einen, weil es dem menschlichen Stereotyp entspricht („Mutter, Vater, Kind“ spielen die Kids schon im Kindergarten). Wichtiger ist aber, dass mir weder von Beutelwölfen noch von anderen, besser erforschten Beuteltieren ein Familiensinn bekannt ist.
Dies bedeutet nicht, dass so etwas nicht sein kann. Der Beutelwolf war auch unter Beuteltieren etwas ungewöhnliches. Nur weil drei Individuen, eines davon kleiner, aufgenommen wurden, muss das keine Familie sein. Es kann Zufall sein oder ein Männchen folgt einem Weibchen, das läufig ist, weil das größte Junge den Beutel verlässt. Alles möglich, dennoch stört es mich.

Laute Gegenstimmen

Erwartungsgemäß haben sich heute die ersten und lauten Gegenstimmen formiert. Der im Video erwähnte Nick Mooney vom „Museum in Hobart“ hat das Tasmanian Museum and Art Gallery ein Statement veröffentlichen lassen. Mooney ist „honorary curator of vertebrate zoology at the Tasmanian Museum and Art Gallery“ (TMAG).  (Auf Deutsch etwa: „Ehrenamtlicher Kurator für Wirbeltierzoologie am Tasmanischen Museum und Kunstgalerie“*). Das TMAG verbreitete heute ein Statement:

 

 

“concluded that based on the physical characteristics shown in the photos provided, the animals are very unlikely to be thylacines, and most likely Tasmanian pademelons”

 

„(Wir) schließen aus den physischen Charakteristika, die auf den vorliegenden Fotos zu sehen sind, die Tiere wahrscheinlich keine Beutelwölfe sind, sondern Rotbauchfilander“.

 

 

Bei den genannten Rotbauchfilandern (Thylogale billardierii) handelt es sich um eine kleine Känguruart. Sie ist auf Tasmanien sehr häufig, auf dem Festland jedoch ausgestorben. Rotbauchfilander wiegen etwa vier bis sieben Kilogramm, sind grau und nachtaktiv. Wie man sie mit den größeren Beutelwölfen verwechselt werden kann, muss mir aber erst einmal jemand erklären.

 

Kann man Beutelwölfe und Rotbauchfilander verwechseln?
Ein Rotbauchfilander. Wie groß ist die Verwechslungsgefahr mit einem Beutelwolf? (Foto by: JJ Harrison)

 

Hohn und Spott in den sozialen Netzwerken

Nach diesem Statement des TMAG haben die Nutzer der Sozialen Netzwerke jede Menge Hohn und Spott über Neil Waters ausgeschüttet. Ein drei Jahre altes Radio-Interview mit Nick Mooney wurde geteilt, in dem er sich kritisch über ein Beutelwolf-Foto äußert. Es könnte sich um diese „Sichtung“ eines räudigen Dingos oder Fuchses bei Perth handeln: Express.co.uk vom 24. Januar 2017

 

In der Sammlung der letzten Beutelwolfsichtungen, die der australische Staat unter dem „Right to Information Act“ veröffentlichte, war nur eine Sichtung 2017 auf Tasmanien enthalten. Eine zweite fand am 26.12.2016 statt, wurde aber erst eine Woche später gemeldet, so dass sie oft als „1. Sichtung 2017“ gezählt wird. Wir haben die offiziell gemeldeten Sichtungen zwischen 2016 und 2019 hier aufgelistet.

 

Dabei übersehen die Spötter zwei Tatsachen:

1. Neil Waters gehört vermutlich zu den Leuten, die sich im tasmanischen Busch sehr gut auskennen und hat die Erfahrung, Tiere auf den Fotos von Wildkameras zu identifizieren. Jeder Kritiker, der ihm vorwirft, Fuchsspuren als Beutelwolfspuren zu verkaufen, scheint nicht einmal zu wissen, dass es auf Tasmanien keine oder nahezu keine Füchse gibt.

2. Im Gegensatz zu Neil Waters hat keiner der Kritiker die Fotos gesehen. Nur weil Nick Mooney anderer Meinung ist, bedeutet das nicht, dass er Recht haben muss. Bevor ich mich festlege, insbesondere in einer öffentlichen Diskussion, möchte ich die Bilder wenigstens gesehen haben.

 

Im Moment ist nur eines sicher: so lange niemand die Fotos gesehen hat, gackert das Netz über ungelegte Eier. Ich bin aber zuversichtlich, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir Neues vom Beutelwolf zu verkünden wissen.




Breaking News: Lebende Beutelwölfe fotografiert?

Die Thylacine Awareness Group of Australia hat gestern in einem YouTube-Video bekannt gegeben, drei lebende Beutelwölfe fotografiert zu haben. Neil Waters, Vorsitzender der Gruppe erzählt in diesem Video, dass sie derzeit Fotos auswerten. Auf den Fotos sollen drei Tiere zu sehen sein. Waters and the community” glaubt, es handele sich um Beutelwölfe, genauer zunächst die Mutter, dann ein kleines Jungtier und auf dem letzten Bild ein Männchen, mutmaßlich der Vater. Die beiden erwachsenen Tiere seien etwas zweifelhaft („ambiguous“), während das Baby Streifen und einen steifen Schwanz hat und damit eindeutig als Beutelwolf zu identifizieren sei, so Waters weiter.

 

Bevor sie die Bilder veröffentlichen wollen, werden sie von „Nick Moony“ (oder ähnlich) vom Museum in Hobart sowie ein paar externen Experten untersucht. Waters nennt Hunde-Experten, Katzen-Experten, ein Tierarzt sowie weitere Leute vom Museum.

 

Er rechnet damit, die Bilder am oder um den 1.3. zu veröffentlichen.

 

 

Als ich gestern Nachmittag (MEZ) das Video sah, hatte es etwa 1300 Zugriffe. Gegen 23 Uhr waren es bereits fast 35.000 Aufrufe. Es wird in den Sozialen Medien gehyped und bei den Leuten scheint echtes Interesse zu bestehen.

 

Kommentar: Was ist, wenn die Beutelwölfe überlebt haben?

Hier kommt die nächste, quasi passende Meldung zum Beutelwolf. Vor wenigen Tagen wurde eine Studie veröffentlicht, die eine Überlebenswahrscheinlichkeit des Beutelwolfes bis heute bei etwa 20% sieht. In der Studie werden auch mehrere Orte genannt, wo die Überlebenswahrscheinlichkeit am höchsten ist. Einer davon ist tatsächlich der Nordosten Tasmaniens, wo die Fotos entstanden sein sollen.

Ich hoffe, wir bekommen alle drei Fotos zu sehen und können uns dazu selbst ein Bild machen. Natürlich sollte man im Hinterkopf behalten, dass im Zeitalter von Photoshop kein Bild ohne genaue Untersuchung Beweiskraft erlangen kann. Ich bin in der Sache mit dem Halifax-Panther einem Fake aufgesessen und werde deswegen besonders kritisch hinsehen.

 

Tasmanien: Lebensraum der Beutelwölfe
Waldweg in Tasmanien, im Lebensraum der Beutelwölfe

 

Nate Brislin und Tyler Greenfield warnen davor, die Sache zu ernst zu nehmen. Greenfield merkt an, dass Waters in der Vergangenheit Fußspuren von Hunden und Füchsen als Beutelwolf-Spuren interpretiert habe. Zum Thema Füchse in Tasmanien hat Peter Ehret recherchiert und kann nicht sicher sagen, ob Füchse überhaupt in Tasmanien vorkommen. Wenn ja, sind sie extrem selten.

Wie es mit verwilderten Hunden in der Wildnis Tasmaniens aussieht, ist weitgehend unbekannt.


Falls die Fotos echt sind, könnten wir die einmalige Chance haben, ein ausgerottet geglaubtes Tier doch erhalten zu haben. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass er nicht trotzdem bald aussterben kann. Unterhalb einer gewissen Größe ist eine Population kaum überlebensfähig, die Individuen sind möglicherweise zu weit verteilt und zu nahe verwandt. Dazu kommt, dass bei weitem nicht alle Tasmanier eine Wiederentdeckung des Beutelwolfes begrüßen würden. Zu viele leben von nicht nachhaltiger Holzwirtschaft, die sich in die verzauberten Wälder der Insel frisst und nichts als Kahlschlagflächen zurücklässt.

 

Gäbe es Beweise für den Fortbestand der Beutelwölfe, könnte diese Praxis stark eingeschränkt werden, große Waldgebiete könnten unter Schutz gestellt werden.




Neues vom Beutelwolf (2021)

In den letzten Tagen gab es drei heiße Nachrichten zum Beutelwolf. Wie kann es Neues von einem Tier geben, das seit fast 85 Jahren ausgestorben ist? Doch lest selbst:

Der letzte Beutelwolf?
„Benjamin“, der letzte bekannte Beutelwolf 1932.

Neue Studie lässt das Aussterben des Beutelwolfes später erscheinen

Offiziell ist der Beutelwolf 1936 ausgestorben. Endling Benjamin starb am 7. September 1936 im Beaumaris Zoo in Hobart, Tasmanien und damit, wie man erst später feststellte, das letzte bekannte Exemplar einer bemerkenswerten Tierart.
Ein wirkliches Interesse an dieser Art, das über die „Schädlingsbekämpfung“ hinaus ging, entstand erst nach der Jahrhundertwende, als die Populationen zusammengebrochen waren. Eine ältere Studie berechnete ein Überleben der Art bis in die 1950er-Jahre (Sleightholme & Campbell, 2016).

 

An der aktuellen Studie sind die beiden Autoren Sleightholme und Campbell wieder beteiligt. Sie können zurecht als die beiden bekanntesten Beutelwolf-Fachleute gelten. Cameron R. Campbell betreibt das virtuelle Thylacine Museum, Stephen R. Sleightholme ist Projekt Director der International Thylacine Specimen Database.

 

Dennoch ist die Studie noch mit Vorsicht zu genießen. Sie ist bisher nur als Preprint veröffentlicht, sie muss noch den Peer-Review-Prozess durchlaufen!

Elektrisierende Neuigkeiten

Bereits im 2. Absatz der Studie elektrisieren die Autoren mit dem Satz „Wir zeigen mit einer einmaligen und robusten Raum-Zeit-Kartierung und Modellrechnung, unterlegt mit der weltweit ersten Sichtungsdatenbank, dass der Beutelwolf vermutlich bis ins späte 20. Jahrhundert überlebt hat, mit einiger Wahrscheinlichkeit noch heute lebt.“

 

Tasmanien
Waldweg in Tasmanien, im Lebensraum der Beutelwölfe

 

Doch was genau bedeutet das? Hier muss ich leider ein wenig ausholen. „Robust“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nicht einfach irgendwelche Daten übernommen wurden, sondern die Qualität der Daten überprüft und bewertet wurden. Dazu hat Steven Smith 1981 eine Skala entwickelt, mit der die Qualität einer Sichtung bewertet werden kann:

(Bewertungsskala für Beutelwolf-Sichtungen als pdf-Dokument)

 

Hinzu kommt, dass die Autoren durch jahrzehntelange Erfahrung mit dem Beutelwolf auf eine sehr umfangreiche Beutelwolf-Datenbank zurückgreifen können: 1237 Einträge zwischen 1910 und 2019, darunter 99 physische Nachweise, 429 Sichtungen durch Experten (ehemalige Beutelwolfjäger, Buschleute), 226 Einträge gelten als nicht verifiziert.

 

Der Fragebogen in Action

 

Eine Animation einer Karte von Sichtungen zwischen 1900 und 1940 findet sich auf den Seiten des Thylacine Museums. Sie kann aus rechtlichen Gründen hier nicht wiedergegeben werden, ist aber zu eindrucksvoll, um sie hier nicht zu erwähnen.

 

Aus den Sichtungsberichten entwickelten die Autoren ein Modell der Populationsentwicklung, nicht nur für ganz Tasmanien, sondern kleinräumig. Die einzelnen, berechneten Elemente sind 1 x 1 Bogenminuten groß, das entspricht im Norden Tasmaniens etwa 1,62 km², im Süden etwas weniger. So konnten sie einzelne Hotspots identifizieren und die Populationsentwicklung auch speziell für diese berechnen.

 

Unerwartetes Ergebnis

Erwähnenswerte „Spikes“, also Ausreißer mit hoher Zahl der Sichtungen waren 1937 – und 1970. Letztere ist vermutlich auf eine medial stark beachtete, aber letztlich erfolglose Expedition zurück zu führen. Insgesamt waren die Sichtungszahlen zwischen 1940 und 1999 ziemlich konstant, fielen aber seit dem Jahr 2000 substanziell ab: Zahl und Qualität der Sichtungsberichte sanken gleichermaßen.

 

 

Die Abbildung zeigt das berechnete räumliche Aussterbemuster für den Beutelwolf in Tasmanien. Die Farben der Karte zeigen das abgeleitete Jahre der lokalen Ausrottung. Die Ergebnisse wurden durch Anpassen eines neu gerechneten Extinktionsdatum-Schätzermodells erzeugt. In diesem Modell wurde das Aussterbedatum durch die Sichtungsunsicherheit und Entfernung vom Zielpixel gewichtet

Abb. A. mittlere Extinktionszeit (MTE) und Abb. B. oberes Konfidenzintervall (UCI = optimistischste, realistische Abschätzung) für Aufzeichnungen zwischen 1910 und 1937 (eine Mischung aus verifizierten und unsicheren Aufzeichnungen, n = 258). C, D wie A, B, außer dass nur Aufzeichnungen ab 1938 verwendet werden (alle unsicheren Aufzeichnungen, n = 979).

 

Die Kreise in jedem Diagramm zeigen individuelle Sichtungen, deren Größe auf der Grundlage ihrer Nennqualität erfolgt: 5 (höchste Qualität) für die größten Kreise bis 1 (niedrigste) für die kleinsten.

 

Hieraus berechneten die Autoren ein wahrscheinliches Datum des Aussterbens und eine kumulative Wahrscheinlichkeit, dass die Art noch existiert. Sie nutzten hierzu ein Szenario, bei dem Sichtungen mit niedriger Punktzahl besonders niedrig in die Berechnungen einflossen, um die Auswirkung falsch-positiver Meldungen zu minimieren. Daraus ergab sich ein wahrscheinliches Aussterben um das Jahr 2007 (Abb. A)

 

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Art noch „irgendwo da draußen“ ist, lag nach Berechnung der Autoren bis in die 1980er bei nahezu 100% (Abb. B).  Danach fiel sie stark ab, etwa 2007 lag sie nur noch bei 50% und fiel weiter. Um das Jahr 2020 flachte die Kurve etwas ab, so dass sie bei etwa 17% lag. Erst gegen 2045 soll sie sich der Null annähern.

 

Anmerkung: Auch wenn es verlockend aussieht: Abb. B zeigt nicht den Populationsverlauf der Beutelwölfe. Abb. C ist hier intuitiver: Sie zeigt die Wahrscheinlichkeit, wann das letzte Exemplar gestorben sein kann.

Literatur:

Barry W. Brook, Stephen R. Sleightholme, Cameron R. Campbell, Ivan Jarić, Jessie C. Buettel: Extinction of the Thylacine; bioRxiv 2021.01.18.427214;
doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.18.427214

 

Der Artikel ist als Volltext-Artikel verfügbar.

 


Bestiarium: Zeugnisse ausgestorbener Tierarten

Mammut, Dodo, Höhlenbär und Beutelwolf waren einst weit verbreitet und regen heute nur noch als Fabeltiere unsere Fantasie an. Über Jahrtausende haben Menschen Tiere bis zur Ausrottung gejagt, ihre Habitate zerstört und empfindliche Ökosysteme erheblich beeinträchtigt. Warum ist ein so großes Raubtier wie der Java-Tiger ausgestorben? Was geschah mit dem Lachkauz? Und wie konnten Nilbarsche im Victoriasee ein ökologisches Desaster auslösen? Das «Bestiarium» gibt Antworten auf diese und viele weitere Fragen. Im Zentrum dieses reich bebilderten Werkes steht das Schicksal von 69 Tierarten, die in den letzten 50 000 Jahren wegen uns Menschen verschwunden sind.

 

Bestiarium: Zeugnisse ausgestorbener Tierarten ist als großformatig gebundenes Buch mit 168 Seiten im Haupt-Verlag 2014 erschienen.

 

Beutelwolfforschung könnte den Weg für die Wiederschaffung ausgestorbener Tiere bereiten

Als Prof. Michael Archer, damals Direktor des Australian Museums in Sydney das Beutelwolf-Klon-Projekt ins Leben rief, galt es als extrem ambitioniert. Auf die Fachwelt und noch mehr auf die Medien wirkte es, als wolle jemand Jurassic Park nachbauen.

Archer stand damals ein Jungtier zur Verfügung, das mehr als 100 Jahre vorher in Alkohol präpariert war – eine hervorragende Art, DNA zu konservieren. Dennoch ist die DNA in den meisten Präparaten nach etwa 5 Jahren so weit fragmentiert, dass man nur selten etwas damit anfangen kann. Doch das Museum hatte noch einen Trumpf im Ärmel bzw. Beutelwolf im Archiv: Ein Skelett, aus dessen Zähnen tatsächlich noch DNA gewonnen werden konnte.

Beutelwolf in Wien
Das Wiener Exemplar, leider sind bei solchen Dermoplastiken kaum Chancen, DNA gewinnen zu können.

Bereits 2002, nach nur zwei Jahren gelang es, individuelle Beutelwolfgene mit der PCR-Methode zu vervielfältigen – alleine: man konnte damit nicht viel mehr anfangen, als sie mit anderen Tieren zu vergleichen. Für einen erfolgreichen Klon reichte es leider noch nicht.

Künstliche Chromosomen?

Um die DNA so aufzuteilen, dass man aus den unzähligen Fragmenten ein tatsächliches Genom zusammenstellen kann, müssen die Wissenschaftler sie zu künstlichen Chromosomen ordnen. Bis vor Kurzem galt das als völlig unmöglich. Doch die Vorarbeit war bereits getan, ein Team um Huntington Willard aus Cleveland (Ohio, USA) kündigte bereits 1997 das erste künstliche menschliche Chromosom an. Mit diesem Wissen schufen die Wissenschaftler tatsächlich künstliche Chromosomen und injizierten sie in entkernte Eizellen des Tasmanischen Teufels und des Riesenbeutelmarders. Sie sind die nächsten lebenden Verwandten des Beutelwolfs.

Dasyurus maculatus
Der Riesenbeutelmarder Dasyurus maculatus. Foto: Arnd Bergmann CC 4.0, aufgehellt.

Ein Problem ist, dass der Beutelwolf so einzigartig ist, dass die „nächsten lebenden Verwandten“ einen gemeinsamen Vorfahren mit ihm teilen, der seit mindestens 30 Millionen Jahren ausgestorben ist. Die Eizellen enthalten trotz der Entkeimung noch die mitochondriale DNA des Spenders. Diese muss mit der Kern-DNA in vielen Fällen erfolgreich interagieren. Diese aber stammt von künstlichen Chromosomen und einer eher entfernt verwandten Spezies. Das macht einen Vorgang, der in der Nutz- und Versuchstierzucht Routine ist, einzigartig kompliziert.

Die Sache mit dem Beutel

Vermutlich handelt es sich hierbei um die zentrale Hürde. Das Austragen des Embryos wird durch die spezielle Reproduktionsmethode der Beuteltiere erleichtert. Beuteltiere kommen schon in einem extrem frühen Stadium lebend auf die Welt, wandern dann in den Beutel und saugen sich an einer Zitze fest, die im Maul des Embryos anschwillt, so dass dieser nicht verloren gehen kann. Das ermöglicht es, den Embryo eines 16 kg schweren Beutelwolfes von einem etwa ein Drittel so schweren Beutelteufel austragen zu lassen. Wenn dann der junge Beutelwolf geboren wird, ist er so groß wie ein Gummibärchen. Dann wird es nicht schwer, ihn auf dem Weg in den Beutel aufzufangen und an ein größeres Beuteltier weiter zu geben.

 

Känguru Baby
Känguru Baby im Beutel. Foto: Geoff Shaw CC 3.0

 

Hier kommt dann Professor Andrew Pask von der Uni Melbourne ins Spiel. Er hat die DNA des Beutelwolfes mittlerweile komplett „gemapt“, also eine Art Landkarte erstellt, wo und auf welchem Chromosom welches Gen liegt. So liegt dem Bau künstlicher Chromosomen nichts mehr im Weg.

Nicht mehr nur Science-Fiction

Nichts mehr, als der Versuch, das theoretische Wissen in praktische Technik umzuwandeln. Oder anders ausgedrückt: Pask und sein Team wissen, wo sie stehen, sie wissen, wo sie hin wollen und sie haben alle notwendigen Werkzeuge dazu. Sie wissen „nur“ nicht, wie es geht: „Es ist nicht mehr nur Science-Fiction. Wir haben die Werkzeuge, es würde nur sehr lange dauern.“, so Pask.

Nach Pask’s Schätzung wird es Jahrzehnte dauern und mehrere Milliarden Dollar kosten, um diesen Weg zu finden, würde man es heute versuchen. Bisher hat sich die Biotechnologie oft schneller entwickelt, als man zu einem bestimmten Zeitpunkt erwartet hat. Viele Projekte in diesem Bereich sind deswegen schneller und billiger abgeschlossen worden, als zu dem Zeitpunkt geschätzt.

 

Pask sagt hierzu sehr weise: „Wollen wir das Geld und die Zeit wirklich dafür verwenden? Offensichtlich ist es besser, das Geld in den Schutz der Beuteltiere zu investieren, die wir (noch) haben.“

Etwas schlitzohrig ist die Aussage schon: Ein Team in den USA arbeitet an einem ähnlichen Projekt, um das Wollhaarmammut zu klonen. Pask und sein Team könnten dann aus deren Erfahrungen lernen.

 


Der Beutelwolf Thylacinus cynocephalus

Seit 30 Jahren sammelt der Verfasser Daten über den Beutelwolf. In rund 30 Museen Europas, Australiens und der USA fotografierte und vermaß er Präparate, Schädel und Skelette und trug in mehreren Publikationen zum Wissen über die Art bei. In den Archiven von Launceston und Hobart/Tasmanien sichtete er das z. T. unveröffentlichte Bild- und Textmaterial und befragte letzte Augenzeugen; Wissenschaftlern und Hobbyzoologen verdankt er manche wertvollen Hinweise.

 

Der Beutelwolf: Thylacinus cynocephalus gilt auch 20 Jahre nach der Publikation immer noch als das deutschsprachige Standardwerk zum Beutelwolf. Es ist 1997 bei der VerlagsKG Wolf als Paperback erschienen und hat 196 Seiten.

Neue Beutelwolfsichtung 2021

21.01.2021, Adelaide Hills

Am 21.1.2021 sah ein Beobachter einen Beutelwolf in den Adelaide Hills, dem Hinterland von Adelaide auf dem australischen Festland. Hier ist die Übersetzung des Sichtungsberichtes:

 

 

Beutelwolf-Sichtung 21/01/21:

„Um etwa 6 Uhr früh, südaustralischer Zeit vor zwei Tagen verließ ein Mann sein Haus und erstarrte vor Ehrfurcht. Er sah im vorderen Teil seines Besitzes in den Adelaide Hills etwas, das er nur als weiblichen Beutelwolf mit zwei Jungen beschreiben kann. Die Jungen spielten um das Weibchen, etwa 6 bis 10 m entfernt. Er hatte kein Telefon dabei und war einfach nur überrascht.
Seine Frau hatte dem Zeugen von einem großen Tier erzählt, das sie vor drei Jahren an einem kleinen Damm auf seinem Land gesehen habe. Er hatte ihr nicht geglaubt.“

 

 

Neil Waters, Gründer und Kopf der „Thylacine Awareness Group of Australia (TAGOA)“ gilt als einer der bekanntesten Beutelwolf-Tracker. Er hatte diesen Augenzeugenbericht in den sozialen Medien verbreitet. Waters kontaktierte den Beobachter und fragte nach weiteren Informationen. Unter anderem berichtete der Zeuge von sich wiederholenden „seltsamen“ Rufen. Genau dieses Geräusch habe das Muttertier während der Beobachtung gemacht.

 

Beutelwölfe
Beutelwölfe, von Stephen J. Gould gemalt

 

Unsere Bewertung der Sichtung: Sichtungen auf dem australischen Festland sind nahezu ausgeschlossen, auch wenn sie in der letzten Zeit häufiger vorkommen. Dort hatte der Dingo – anders als auf Tasmanien – mehrere 1000 Jahre Zeit, den Beutelwolf gründlich und nachhaltig zu verdrängen.

Von den „klassischen“ Festland-Sichtungen, die teilweise durch Filme oder Fotos unterstützt wurden, hat sich keine als auch als Kandidat für eine erfolgversprechende Untersuchung erwiesen. Wieso es ausgerechnet jetzt in einem der Ballungsräume des Kontinentes zu einer solchen Sichtung kommt, ist unklar. Corona? Die Australier haben einen langen, sehr restriktiven Lockdown hinter sich, während dem sich die Natur von Besuchern erholen konnte.

 

Für die Richtigkeit der Sichtung spricht, dass Beutelwölfe, soweit man weiß, im Südsommers (Dezember bis März) auf die Welt kamen, zunächst drei Monate im Beutel verbrachten und dann noch etwa 9 Monate bei der Mutter blieben. Ein Wurf umfasste vermutlich meist zwischen einem und drei Jungen. Zu dieser Jahreszeit sind also größere Jungtiere zu erwarten, die schon selbstständig, wenn auch noch sehr verspielt sind.

 

 


Quellen:

Harrington, J. J., van Bokkelen, G., Mays, R. W., Gustashaw, K. & Willard, H. F., 1997. Formation of de novo centromeres and construction of first-generation human artificial microchromosomes. Nature Genetics. 15(4): 345-55.

 

Powell, S. 2021: University of Melbourne professor Andrew Pask says Tasmanian tiger research may pave way for recreating species; the Examiner vom 20. Januar 2021: Link: https://www.examiner.com.au/story/7093442/de-extincting-tasmanian-tigers-no-longer-science-fiction/

 

Stephen R. Sleightholme, Cameron R. Campbell; A retrospective assessment of 20th century thylacine populations. Australian Zoologist 1 January 2016; 38 (1): 102–129. doi: https://doi.org/10.7882/AZ.2015.023




Medienmittwoch: „The Lost Wolves of Japan“

Der kleine Japanische Wolf (Canis lupus hodophilax) mag so etwas wie ein „Geheimtipp“ für Kryptozoologen sein. Offiziell wurde das letzte Exemplar 1905 auf der Südinsel Honshu geschossen. Doch seine kryptide Legende reicht bis in die jüngste Zeit hinein. Es gibt Fotos, Spurenfunde, Leute, die ihn suchen. Der sozio-kulturelle Hintergrund reicht über die biologische Realität weit hinaus. Tatsächlich müsste der Japanische Wolf eigentlich in der „ersten Liga der Kryptiden“ mitspielen. In der „klassischen“ kryptozoologischen Literatur „des Westens“ wird er aber weniger rezitiert.

Honshu-Wolf im Ueno Zoo
Der kleine Japanische Wolf Canis lupus hodophilax als eines der wenigen Präparate (Foto; Katuuya CC 1.2)

Dabei kann uns die Legende um den Japanischen Wolf so viel sagen. Gut, eigentlich müsste man hier seinen grösseren Vetter auf der Nordinsel Hokkaidō, Canis lupus hattai, auch noch mit einbeziehen. Er wurde schon rund 25 Jahre vor dem kleinen Japanischen Wolf ausgerottet. Er scheint in der kryptiden Legendenbildung weniger eine Rolle zu spielen. Doch er ist für die Beziehung von Japans Bewohnern mit ihrer Natur von zentraler Bedeutung.

Ein komplexes Verhältnis mit der Bevölkerung

Der Historiker Brett L. Walker zeigt uns Japans kompliziertes Verhältnis zu seinen Wolf anschaulich und detailreich auf. Von ihrer Erscheinung als mythologische Wesen und Gottheiten, ihre vielseitige Wahrnehmung in der lokalen Kultur, die so oft so gar nicht zum europäischen „Rotkäppchenkomplex“ zu passen scheint, aber auch ihr Niedergang, der mit der Modernisierung Japans kam. Auch die Bedeutung ökologischer Faktoren (das moderne Japan brauchte mehr Platz und verdrängte die Wölfe, doch diese wehrten sich) zeigt der Autor aufschlussreich auf.

Wolfsstatue am Mitsumine Schrein
Die Rolle des Wolfes ist in der japanischen Kultur wesentlich komplexer als in Europa und Nordamerika. Er gilt unter anderem als Schutzgeist (traveljapan.co)

Es hilft zu verstehen, wieso die Fotos vermeintlicher überlebender Wölfe in Japan eine so große wissenschaftliche Debatte nach sich ziehen. Das geschah „erst kürzlich“, im Jahre 2000, nachdem der Schuldirektor Nishida Satoshi einen wolfsähnlichen Caniden am 8. Juli in der Fukuoaka Präfektur fotografiert. Nur dann versteht man die Denkmäler, Schreine vergangener Zeiten, aber auch die Apathie, mit der das moderne Japan seiner lokalen Tier- und Umwelt heute gegenübersteht. Abgesehen von den wichtigen historischen Daten zu der Situation des Wolfes in Japan und sein Gang durch die moderne Geschichte des Landes, liegt die eigentliche Stärke des Buchs jedoch bei dem philosophischen Ansatz.

Der japanische Wolf in der lokalen Kultur

Walker diskutiert kulturelle Klassifizierungen der lokalen Bevölkerung und die moderne Einordnung in das Linne´sche System. Er sieht die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, partikulare Besonderheiten einer Spezies einem universellen Klassifizierungssystem anzupassen. Wie schwierig das gerade bei Japans kleinem Canis lupus hodophilax ist, zeigen nicht zuletzt die taxonomischen Debatten. Sie sind bis in die heutige Zeit nicht verstummt, im Gegenteil: man forscht immer noch an der phylogenetischen Position des Japanischen Wolfs, mit teils überraschenden Resultaten (wir berichteten).

 

Kasten: Der japanische Wolf

Peter Ehret beschäftigt sich schon eine ganze Weile mit dem Japanischen Wolf. Ein Produkt seiner Arbeit ist ein dreiteiliger Artikel über das kryptozoologisch hoch interessante Tier, der im letzten Jahr auf netzwerk-kryptozoologie.de erschienen ist:

 

 

 

 

 

„Wann ist ein Wolf ein Wolf?“

So könnte man die Leitfrage des Buches auch formulieren. Dabei bringt die „fachfremde“ Perspektive eines Historikers sehr frischen Wind in die Debatte. Carl von Linné, die zoologische Systematik und Taxonomie, die Industrialisierung. Diesen Phänomenen legt Walker ein einziges geistiges Paradigma zugrunde: die Nation. Sie war es, die Wölfe „schuf“, indem sie die Vielfalt der Natur in die Linné’schen Schubladen zwängte.

Dabei wurden lokale Faktoren außer Acht gelassen: Kreuzungen mit Hunden zum Beispiel. Viel mag das „wolfuntypische“ Verhalten von Japans Wölfen zu ihren Lebzeiten erklären, zum Beispiel die geringe Scheu. Die kulturellen Begriffe waren da schneller als das imperative Korrektiv der nationalen Wissenschaften. Schnell wurden Wölfe in den lokalen Begriffen zu Hunden, dann zu „wilden Hunden“, „großen Hunden“, je nachdem, wie sie sich verhielten.

Der japanische Wolf als Statue
Statue des Honshu-Wolfes in der Präfektur Nara. Foto by Katuuya CC 1.2

Der japanische Wolf und der Totalitätsanspruch der Nation – Artensterben wird politisch

Mit all diesen kulturellen Faktoren muss auch der Kryptozoolge rechnen, wenn er sich auf Spurensuche nach überlebenden japanischen Wölfen begibt… Ja, und Walker setzt der Kritik in seinem Werk noch die Krone auf, indem er den „Vernichtungskrieg“ gegen die Wölfe als Ausdruck des Totalitätsanspruchs der Nation auf alle Elemente seiner Umwelt interpretiert. Kurzum: auch die Naturwissenschaften (und Umweltwissenschaften) sind nicht gefeit von „Glaubenssystemen“ und kulturellen „Denkfiguren“, auch wenn diese im Mantel der modernen Rationalität daherkommen.

Das ist ein Plädoyer für die Natur und die Akzeptanz ihrer Vielfalt. Aus der Feder eines Experten, der weiss, wovon er spricht: Walker war Volontär bei einer Studie an Wölfen im Yellowstone-Nationalpark. Mit der erfolgreichen Wiederansiedlung der Wölfe dort konnte aller Welt so ihre ökologische Wichtigkeit demonstriert werden.

Manchmal scheint der Autor überfordert

Schade ist nur, dass die schriftstellerischen Fähigkeiten des Autors der Tiefe der Materie nicht immer gewachsen sind, auch wenn man in Betracht zieht, dass es sich hierbei um eine akademische Monographie handelt. Viele Aussagen werden unnötig in unwichtigen Details verschachtelt. Der Leser verliert sich zuweilen in den japanischen Begriffen und der rote Faden verblasst ein wenig in der Datenmenge. Das macht die Lektüre des Werkes zuweilen etwas mühsam (….aber nicht nur: bei den spannenden Berichten zu den Tollwut-Angriffen erstarrt einem regelrecht das Blut in den Adern und man kontrolliert danach panisch den Impfpass...)

 

Der ausgestorbene Japanische Wolf ist Thema des Buches von Brett Walker

Mein Fazit

Wer sich mit dem Japanischen Wolf – sei es als biologische reales Tier oder kryptide Legende – ernsthaft auseinandersetzten will, der kommt an diesem Standartwerk nicht vorbei. Auch Umweltwissenschaftlern, ja sogar ökologisch Interessierten und Naturfreunden kann ich Walkers Abhandlung über „Japans verlorene Wölfe“ nur wärmstens empfehlen.


Das Buch

„The Lost Wolves of Japan“ ist 2008 bei der „University of Washington Press“ erschienen. Es liegt als gebundenes Buch, Paperback oder für den Kindle vor, hier auch mit Vorlesemodus. In Deutschland ist es nur als US-Import zu bekommen, daher schwanken die Preise stark.

 

Die Taschenbuch-Ausgabe hat 360 Seiten, liegt in englischer Sprache vor und ist etwas größer als Din A5.

 

Die ISBN13 ist 978-0295988146, es kann jedoch auch über den unten stehenden Link geordert werden. Mit dem Kauf über diesen Link wird der Betrieb der Webseite unterstützt.

 

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Zoo Duisburg trauert um seinen letzten Amazonas-Delfin

Zoo Duisburg trauert um einzigartigen Flussdelfin. Mit „Baby“ stirbt ein Flaggschifftier für den Artenschutz. Er erreichte ein außergewöhnlich hohes Alter von über 46 Jahren.

Am Ende war es das Alter

In den vergangenen Tagen veränderte sich der Gesundheitszustand von Flussdelfin „Orinoko“, welcher von uns allen nur liebevoll „Baby“ genannt wurde. Er reagierte zunehmend verhalten und nahm sein Futter teilweise nicht an. Im hinteren Bereich der Anlage Rio Negro konnte „Baby“ zeitnah abgetrennt und von den anwesenden Tierärztinnen und Tierpflegern untersucht werden. Aufgrund seines hohen Alters und einer diagnostizierten Wundinfektion wurde „Baby“ mit einem Antibiotikum versorgt. Um ein Dehydrieren zu verhindern entschied sich das Zoo-Team zusätzlich zur Eingabe von Wasser. Anschließend wurde unser Senior engmaschig überwacht. Zu unserem großen Bedauern verschlechterte sich sein Zustand trotz der ergriffenen Maßnahmen. Nach gründlicher Abwägung aller Umstände und Rücksprache mit zahlreichen Experten zu dieser Tierart entschieden wir uns daher, „Baby“ heute Morgen gehen zu lassen – eine Entscheidung, die uns allen nicht leicht gefallen ist und unglaublich schmerzt.

 

Amazonas-Flussdelfin "Baby"
Der letzte Amazonas-Flussdelfin außerhalb Südamerikas, „Baby“ ist am 21.12.2020 gestorben (Foto: Zoo Duisburg, J. Tegge)

Ein Botschafter für den Regenwald

„Baby“ war ein Charaktertier unseres Zoos. Der Verlust trifft Mitarbeiter und Besucher gleichermaßen und macht uns sehr traurig. Viele Menschen kannten ihn bereits von Klein an, sind mit ihm aufgewachsen und teilweise auch alt geworden. Mit „Baby“ haben wir ein Symboltier verloren, das stellvertretend für seine stark gefährdeten Artgenossen in Südamerika sowie das Schwinden des tropischen Regenwaldes stand. Mit seinen über 46 Jahren erreichte der letzte Amazonas-Flussdelfin in einem Zoo außerhalb Südamerikas ein außergewöhnlich hohes Alter – die Lebenserwartung im ursprünglichen Lebensraum liegt bei nur rund 20 Jahren. Er lebte 45 Jahre und 9 Monate im Zoo Duisburg, mit großem Abstand die längste Haltung eines Vertreters dieser Art in Menschenobhut.

Amazonas-Delfine leben oft alleine

Flussdelfine leben in den seichten, trüben Gewässern des südamerikanischen Regenwaldes. Anders als andere Delfinarten leben sie meist einzelgängerisch und nicht in großen Familienverbänden. Die Artenschutzorganisation Yaqu Pacha e.V. schätzt, dass es in den Fluss-Systemen des Amazonas und des Orinokos noch etwa 35.000 Tiere dieser Art gibt. Die Zahlen beruhen auf Hochrechnungen der Forscher, da die Tiere im ursprünglichen Lebensraum schwer zu beobachten und zu erforschen sind.

Durch zahlreiche Gefahren bedroht

Der Bau von Staudämmen, die Verschmutzung des Wassers und die Jagd setzen dieser außergewöhnlichen Tierart immer weiter zu. Ihr Fleisch wird als Angelköder genutzt, ihre Zähne im Schamanismus eingesetzt. Zahnenden Kindern wird traditionell eine Kette mit einem Flussdelfinzahn um den Hals gehängt. Dies soll die Schmerzen der kleinen Kinder lindern – ein tödlicher Aberglaube. Ein unsichtbarer Feind der Flussdelfine ist Quecksilber, welches beim Abbau von Gold eingesetzt und in die Flüsse geleitet wird. Da Flussdelfine am Ende der Nahrungskette stehen, sammelt sich im Laufe ihres Lebens besonders viel schädliches Quecksilber durch ihre Nahrung im Fettgewebe an und führt zu schleichenden Vergiftungen.

Daher wird der Amazonas-Flussdelfin auf der sogenannten Roten Liste der gefährdeten Tierarten als „stark gefährdet“ geführt. Zum Schutz des Lebensraums unterstützen wir bereits seit Jahren die Artenschutzorganisation YAQU PACHA e.V., welche sich für südamerikanische Säugetiere einsetzt. Forschungsprojekte und Aufklärung der Bevölkerung im Rahmen von Bildungsprojekten zählen ebenso zu den Maßnahmen, wie Populationszählungen.

Um das Leben von Flussdelfinen besser verstehen zu können, bekam „Baby“ mehrfach Besuch von Forschern aus aller Welt. In 2019 erforschte beispielsweise Prof. Marie Trone von der University of Florida die Lautäußerungen unseres Flussdelfins. Die bei uns gesammelten Daten werden im ursprünglichen Lebensraum von Forscherteams zur Ortung von Flussdelfinen eingesetzt, denn im trüben Wasser sind die Tiere nicht zu sehen und auch über Wasser nur schwer zu lokalisieren.

Trauer, nicht nur in Duisburg

Im Moment überwiegt die Trauer, einen unserer einzigartigen Schützlinge verloren zu haben, die das Zoo-Team erst einmal verarbeiten muss. Zu gegebener Zeit wird über die zukünftige Nutzung des großzügigen Wasserareals in der Tropenhalle Rio Negro entschieden, das zwischenzeitlich von einer Reihe südamerikanischer Fischarten bevölkert wird, die „Baby“ schon zu Lebzeiten Gesellschaft geleistet haben.

 

(Pressemittelung des Zoos Duisburg)


Kommentar:

Ich kenne „Baby“, seit ich den Duisburger Zoo kenne. Als Grundschüler war ich das erste Mal dort und habe ihn und ein anderes Männchen, das „Apure“ hieß, in einem winzigen, flachen und kaum strukturierten Becken schwimmen sehen. Erst viele Jahre später kamen die beiden in ein angemessenes Aquarium, mit einer zwölf Meter langen, gewölbten Scheibe, zwei Inseln und einragenden Wurzeln. Sie teilten dieses Gehege mit zahlreichen großen und kleineren südamerikanischen Fischen, von denen mehr als einer auch als Delfinfutter herhalten musste.

Seit 2006 ist „Baby“, der lange Zeit „Butu“ hieß, alleine in seinem Becken. So hart, wie es klingt, ist es vermutlich nicht gewesen: anders als die „echten“ Delfine aus den Meeren leben Amazonasdelfine nicht gesellig, gerade ältere Männchen haben gerne ihre Ruhe. Eigentlich war mir immer klar, dass beide Tiere (später dann nur ein Tier) sehr alt waren. Jeder Besuch im Zoo Duisburg konnte der letzte sein und damit auch die letzte Chance auf ein Foto dieser Tierart. Dennoch ist mir -auch wegen der dicken Scheibe- nie ein gutes Foto der Tiere gelungen.

 

Doch Amazonas-Delfinen werden auch gänzlich andere Aktivtäten nachgesagt. So erzählen sich die Indios im Amazonasbecken, dass die Delfine immer da sind, wenn irgendwo ein Fest gefeiert wird. Sie kämen dann als attraktive junge Männer mit grauem Mantel und Hut (um das Blasloch auf dem Kopf zu verbergen) und würden mitfeiern. Da sie gut aussähen und hervorragend tanzen könnten, käme es mehr als einmal zu einem engeren Kontakt mit jungen Damen. Die daraus hervorgehenden Kinder werden als Delfinkinder bezeichnet.

 

So, wie Apure und Butu drauf waren, haben die es bestimmt im Pulp, Stahlwerk oder Mudia so richtig krachen lassen.


Webseite des Zoo Duisburg mit der Meldung