Freitagnacht-Kryptos: Ein Einhorn

Viele Väter hatte das Einhorn – Gazellen, Nashörner, altem perspektivisch ungenaue Darstellung zweihörniger Tiere, später die Zähne von Narwalen. Aber noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein erwarteten Zoologen, in Afrika auf noch lebende Exemplare des Einhorns zu treffen (heute sucht man nach überlebende Dinosauriern).

 

Historische Einhorndarstellung
Das Einhorn von Conrad Gessner, 1551.

 

Bei dem Tier, von dem das „Crefelder Wochenblatt“ am 12. September 1821 auf Seite 3 berichtet, könnte man zunächst an ein Nashorn denken, doch das wird im Vergleich zum Einhorn aufgeführt. Geht es etwa um den Vergleich von Breitmaul- und Spitzmaulnashorn?

 

 

„Der Engländer Campbel hat von seiner Reise nach Süd-Afrika den Kopf eines Einhorns mitgebracht, welches die Hottentotten dort erlegten. Das Thier ist größer als das größte Rhinozeros, das Campbell gefangen, und welches vom Kopf bis zum Schweif 11 Fuß [3,30 m] Länge maß. – Das Horn ist 3 Fuß lang [90 cm], und fast ganz schwarz; es steht auf der Stirn 9–10 Zoll über der Nase. Von der Nase bis zu den Ohren ist des Einhorns Stirn 3 Fuß lang Dicht unter dem großen Horn ist noch ein kleines von 8 Zoll. Das Thier hat weder Wolle noch Haare und ist braun gefleckt.“

 

 

Breitmaulnashorn Kruger Nationalpark
Breitmaulnashorn im Krüger-Nationalpark




Freitagnacht-Kryptos: Zum Thema „Das Unbekannte Thier“ aus der Breslauer Zeitung.

Mit großem Vergnügen und Interesse habe ich in den „Freitagnacht-Kryptos“ auf der Homepage des Netzwerks für Kryptozoologie den Aufsatz über das „Scorpionartige Thier“ gelesen, das 1851 in einem naturgeschichtlichen Museum in Krementschuk aufbewahrt worden wäre.[1]

Ist eine Art Propaganda beteiligt?

Der Beitrag hat schon eine wegbereitende Arbeit zu diesem Stoff geleistet, die in anderen Gebieten als in dem Bereich mysteriöser Tiere Überraschungen enthüllen könnte. In der Tat könnte auch der historisch geographische Kontext von Bedeutung sein. Weshalb kommt der erste Artikel aus Breslau? Warum gerade Schlesien? Und nur zwei Jahre trennen das Erscheinungsdatum der Information (1851) von dem Anfang des Krimkriegs. Dass die Protagonisten der Geschichte Russen sein sollen, spielt womöglich eine Rolle in der vermutlichen Begebenheit. Es bleibt also noch vieles zu tun, um das Verwickelte an dieser zugleich merkwürdigen und sensationellen Geschichte zu entwirren.

 

SChwarzmeer-Kosaken-Soldaten 1854-55
Soldaten aus einem Regiment russischer Schwarzmeer-Kosaken 1854 oder 1855 im Krim-Krieg

 

Wie es sich gerade trifft, hatte ich mich zuvor mit dem, was sich als eine literarische Fortsetzung dieser Information erweist, beschäftigt. In diesem Sinn scheint mir die Notiz schon fruchtbar gewesen zu sein, doch mehr in der fiktionalen Kreativität als im Bereich der Kryptozoologie. Tatsächlich wurde so eine der Quellen einer wichtigen Fiktion gefunden, die drei Jahre nach dem Artikel aus der Breslauer Zeitung erschien.

 

Es handelt sich um die Kurzgeschichte „Furia Infernalis“, die in der Sammlung Hexengeschichten (1854) veröffentlicht wurde. Der Autor, Ludwig Bechstein (1801–1860) war der Neffe und Adoptivsohn von Johann Matthäus Bechstein (1757–1828), dem genialen Pionier der Naturgeschichte. Während Johann als der „Vater der deutschen Vogelkunde“ gilt, erinnert man sich vor allem an seinen Neffen als den Autor des Märchenbuch (1865). Jedoch war Ludwig auch noch Archivar, was ihm ermöglichte, die in Meiningen aufbewahrten Hexenprozesse zu untersuchen. Von den Unterdrückungsakten und weiteren Dokumenten ausgehend hat Ludwig Bechstein das Handlungsgerüst von seinen fiktionalen Hexengeschichten gebaut.

 

Furia Infernalis

„Furia Infernalis“ zeigt aber auch das Interesse des thüringischen Schriftstellers für Zoologie, insbesondere für die Untersuchung der wirbellosen Tiere. So hat Ludwig Bechstein mehrere Abhandlungen zu Sagen, die sich um Insekten drehen, geschrieben.

 

Postkarte von Kremenchuk
Eine alte Postkarte von Krementschuk, Ukraine, ca. 1900

 

Und da kommen wir zum Breslauer Zeitungsartikel zurück! In seiner Kurzgeschichte hat Bechstein eine Hexengestalt, die Tartarin Mataphka, erfunden, die bei einer magischen Zeremonie im Wald ein außergewöhnliches Wesen, die „Furia Infernalis“ [Höllenbestie], beschwört, um ihren Sohn zu rächen. Dieses kleine Monster wird durch seinen tödlichen Stich den männlichen Stamm seines Gegners vernichten. Bechstein hat den dramatischen, in der Breslauer Zeitung beschriebenen Handlungsrahmen, nämlich das „unheilbringende Zimmer“ in dem „gastlichen Schloss“, wo die Gäste sterben, weggelassen. Dafür hat er die letzte Episode, in der das gefährliche zerquetschte Tier in der geballten Faust des Opfers entdeckt wird, behalten. Hier stehen die letzten Zeilen von Bechsteins Märchen:

 

 

„Aber im naturhistorischen Museum zu Krementschuk zeigt man noch das unbekannte, unbeschriebene, unbestimmte Tier in Spiritus, wagt jedoch nicht, es beim wahren Namen zu nennen“

(Ludwig Bechstein: Hexengeschichten, Hanau, Müller und Kiepenheuer, 1987, S. 210).

 

 

 

Als Liebhaber der Naturkunde bemüht sich doch Bechstein, das kleine Monster einzustufen.

 

Geißelskorpion
Als Spinnentier neben den Spinnen, Skorpionen und den Pfeilschwanzkrebsen sind die Geißelskorpione einzuordnen

 

Er sieht in ihm eine Mischung aus einer Spinne, einem Skorpion und Stachelpfeilkrebs (Bechstein, op. cit., S. 210). Um dieses bunte Geschöpf zu schildern, hat sich der Autor mit Absicht ein Wesen ausgesucht, das 1854 – und zwar trotz Linnés Autorität – als unwahrscheinlich betrachtet wurde, nämlich den fliegenden Wurm bzw. die „Höllenfurie“. 2023 wird dieses wirbellose Tier für mythisch gehalten. Bechstein hat es mit einem exotischen Wesen, dem Pfeilschwanzkrebs, verbunden.

 

Aus dem Mischwesen wird eine Spinne

In Bezug auf die Spinne liefert er seine Quelle: Die Sammlung des Volkskundlers Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Märchen und Sagen, Leipzig, Brockhaus, 1845, S. 497, Nr. 369: „Die Bösen Spinnen“.
Wolf wurde diese Sage in Belgien mündlich vermittelt. Der Volkskundler beschreibt den Handlungsrahmen, der in der Breslauer Zeitung von 1851 wieder zu finden ist: die „Kammer“ in einem „Wirtshaus“, hier in Gent, in der die Gäste den Tod finden. Ein „kühner Kerl“ legt auf das Zimmerbett eine „Strohpuppe“ und versteckt sich. Gegen Mitternacht sieht er, wie „2 faustgroße Spinnen“ aus ihrem Versteck herauskriechen, um die Puppe zu stechen. Da zerquetscht sie der Wächter.

 

Spinne

 

Nun veröffentlicht Collin de Plancy 1845 – im selben Jahr, als Wolf seine Sammlung herausbringt – eine neue Ausgabe von seinem berühmten Dictionnaire Infernal (Höllisches Wörterbuch). Bei der Definition „Spinne“ ist eine Variante der Geschichte im verhängnisvollen Wirtshaus zu lesen. Hier lässt sich Marschall Moritz von Sachsen (Maurice de Saxe) (1696–1750) mit seinem Diener in einem Gasthauszimmer nieder, wo vorige Gäste tot vorgefunden wurden. Der Diener rettet seinem Herrn das Leben, als er entdeckt, dass „eine scheußliche Spinne […] ihm die linke Brust“ saugte.

 

In einer Fiktion aus dem späten Jahr 1918 versetzt Amédée Gros das Wirtshaus der Spinne nach Avignon. Der Romanautor versichert, das Missgeschick sei 1691 erfolgt. Seine Erzählung greift das Motiv der Puppe als Köder wieder auf: hier eine „Puppe“ für Maler, die Wolf im Jahre 1845 als erster heraufbeschwört hatte.

 

Erzählmotiv ohne literarisches Vorbild?

Zusammenfassend darf folgendes behauptet werden: 1845 erscheinen Wolfs und Collins de Plancy Bücher. Bei beiden ist eine Erzählung zu lesen, die bis heute kein literarisches Vorbild zu haben scheint. Die würde ich „Das Wirtshaus der Spinne“ betiteln. Wolf erklärt, er habe sie selbst gehört. Es handelt sich also um eine Sage aus Gent. Sechs Jahre später wird in der Breslauer Zeitung eine andere Anekdote herausgebracht. Dieses schlesische Dokument gibt sich als ein „Augenzeugenbericht“ aus, aber es nimmt den Rahmen von dem volkskundlichen Motiv des „Wirtshaus der Spinne“ wieder auf, wobei die Spinne durch ein „unbekanntes Thier“ ersetzt wird. Folglich hätte man es hier mit einer „Zeitungssage“, mit einer neuen Fassung der Erzählungsart „Wirtshaus der Spinne“, zu tun.

 

Puppe und Bett
Kann man sich den Köder, die Puppe auf dem Bett so vorstellen?

 

Aber warum Krementschuk?

Aus welchem Grund hat der Autor das imaginäre Missgeschick in die Ukraine verlegt? Und warum gerade nach Krementschuk? Vielleicht könnten eingehende Recherchen über diese Lokalisierung mehr Angaben zu Tage fördern.

 

Seine Leidenschaft für wirbellose Tiere hat Bechstein sicherlich angeregt, sich nach der Verlässlichkeit der Information zu fragen. „Xiphonura“ ist eine der Identitäten, die er dem sonderbaren Wesen gibt. Diese Bezeichnung, die auf einen Druckfehler zurückzuführen ist, steht eigentlich für „Xiphosura“, eine Ordnung, in die der „Pfeilschwanzkrebs“ (Limulus) gehört.[2]

 

Sollte man spekulativ die Entstehung und Entwicklung der möglichen „Zeitungssage“ aus der Breslauer Zeitung nachvollziehen, dann könnte man vielleicht annehmen, dass ein im Alkohol aufbewahrtes Exemplar des „Pfeilschwanzkrebses“ (so Bechstein) eine Variante der Erzählung zu dem Wirtshaus der Spinne bildet.

 

Wissenschaftliches Präparat eines Pfeilschwanzkrebses (University of Rennes, Frankreich, UR 993), auch so ein spannendes Tier
Alkoholpräparat eines Pfeilschwanzkrebses. Man kann sich vorstellen, was ein solches Präparat – gut präsentiert – für Aufsehen erregte. Uni Rennes, UR 993, Édouard Hue & Pymouss, CC-BY-SA 4.0

 

Dennoch bleibt so eine Interpretation derzeit recht hypothetisch. Tiefgreifende Recherchen zu der Erzählung von 1851 erweisen sich als nötig. Zum provisorischen Schluss kann man jedenfalls meinen, Bechsteins „Furia Infernalis“ ist – literarisch gesehen – ein wichtiger Text in der deutschen Fantastik wie auch ein Beitrag zu der im Entstehen begriffenen Gattung der Kryptofiktion.

 


[1] siehe: https://netzwerk-kryptozoologie.de/freitagnacht-kryptos-das-ukrainische-todes-thier/

[2]. Siehe zur Bechsteins „Furia Infernalis“ Michel Meurger: „Gravissons le Brocken Ensemble“ (Lasst uns den Brocken zusammen klettern!), in: Le Visage Vert, No 16, juin 2009, S. 167–169, 186




Halloween-Special: Peter Stump – der Werwolf von Bedburg

Hinrichtung des Peter Stump
Die Hinrichtung des Peter Stump. Kolorierter Kupferstich, der als Flugblatt weite Verbreitung fand.

 

Halloween hat sich in Deutschland ja zu einer Art Grusel-Karneval entwickelt. Auch die Kryptozoologie hat viel mit gruseligen Gestalten zu tun. Eine der Gruseligsten ist sicher der Werwolf, ein Mann (nur selten gibt es Werwölfinnen), der sich unter gewissen Umständen in einen Wolf verwandeln kann. Nicht nur in einen normalen Wolf, sondern in einen, der sich schlimmer benimmt, als ein tollwütiges Tier. Vor allem scheint er daran interessiert zu sein, möglichst viele Menschen umzubringen.

 

Das Rheinland zwischen Bonn und Duisburg ist eine der Zentren der Werwolf-Mythen. Hier gibt es nicht nur den klassischen Wolf-Mann, sondern auch andere Formen, wie den „Aufsitzer“, der Reisenden Kraft raubt, oder den Stüpp.

Eine mehr oder weniger bekannte Überlieferung ist die Geschichte von Peter Stump. Er wurde tatsächlich einem Prozess unterzogen und grausam hingerichtet. Bevor wir hier die ganze Geschichte wiederholen, zapfen wir einfach den Podcast von „Mord im Pott“ an. Hört selbst:

 

 

 

 

 

Ein berühmter Prozess

Peter Stump wurde 1525 geboren und am 31. Oktober 1589 in Bedburg hingerichtet. Sein Prozess wurde wegen der unglaublich erscheinenden Vorwürfe berühmt. Er soll in 25 Jahren in Gestalt eines Werwolfes mindestens 16 Menschen umgebracht haben. Weiter hat man ihm Vergewaltigung, Kannibalismus, Inzest, Zauberei und Zusammenleben mit einer Teufelin vorgeworfen.

 

 

Am 28. Oktober 1589 hat man den 64-jährigen Peter Stump grausam hingerichtet. Er wurde zunächst „aufs Rad geflochten“. Dabei wurde der Delinquent auf ein Wagenrad gefesselt. Ein Henker brach ihm mit einer Eisenstange alle Gliedmaßen, oft mehrmals. Diese wurden dann durch die Speichen gezogen, was extrem schmerzhaft war. In der Regel tötete der Henker den Delinquenten dabei kurz nach Beginn der unwürdigen Prozedur mit einem gezielten Schlag auf das Herz, so dass er die Schmerzen nicht ertragen musste. Peter Stump blieb diese Gnade verwehrt. Er sollte im Anschluss noch bei lebendigem Leib enthauptet und seine Überreste dann auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden.

 

 

Doch warum diese grausame Strafe? Die Vorwürfe, 16 Morde, Vergewaltigung und Kannibalismus sind schwer. Ob der Vorwurf, sich in einen Wolf verwandeln zu können, noch schwerer wog? Wölfe waren damals eine ständige Bedrohung der Viehhaltung, auch Menschen hatten Angst vor ihnen, fielen ihnen aber selten zum Opfer (vgl. Bestie des Gevaudan). Da man so etwas wie Ökologie nicht verstand, galten sie einfach nur als gnadenlose Räuberbande, mit der man nicht verhandeln konnte.

 

Aber wieso warf man das ausgerechnet Peter Stump vor? Am Ende bleibt es unbekannt. Ein überschießendes Geständnis unter der Folter ließ dann auch keine Fragen unbeantwortet. Zu den möglichen Hintergründen, hört einfach in den Podcast hinein, es wird hochpolitisch. Immerhin war der Prozess so bekannt, dass man Flugblätter hierzu druckte und sie weit verbreitete.

 

Die Folgen des Werwolfprozesses gegen Peter Stump

Der ganze Prozess und die in der Folge verbreiteten Flugblätter war auf Abschreckung ausgerichtet. Wieso das Ganze passierte, ist heute nicht mehr abschließend zu klären. Die Folgen sind jedoch bemerkenswert. In der Gegend um Köln wird heute eine der Werwolf-Erscheinungen als Stüpp bezeichnet. Er lauert Reisenden an einem Kreuzweg, einer Friedhofsmauer oder einer Furt auf, springt sie von hinten an und lässt sich von ihnen ein Stück tragen. Dabei scheint er immer schwerer zu werden.
Der Name „Stüpp“ ist eine Abwandlung von Stump, der damals auch als Stubbe-Peter (rheinisch: „Stübbe-Pitter“) bezeichnet wurde. In unterschiedlichen Varianten ist er immer noch in dieser Gegend regelmäßig vertreten.

 

Insgesamt etwa 250 Werwolf-Prozesse sind zwischen 1423 und 1720 belegt. Die Kunde des Falls von Peter Stump gelangte sogar in die benachbarten Niederlande, mit denen reichlicher Austausch bestand. Aber auch in Dänemark und England fand er Beachtung, vermutlich weil hierhin Drucke der Flugblätter gelangten.

 

Er ist heute noch in der lokalen Mythologie präsent. Die Stadt Bedburg hat einen Werwolf-Wanderweg geschaffen, auf dem sie auf 7 Stationen entlang der Erft vom Leben Peter Stumps berichtet.

Der Stüpp wiederum hat seinen Einzug in die rheinischen Spukgestalten gefunden. Er wurde teilweise mit dem Aachener Bahkauv (Bachkalb) gleichgesetzt, das sich ebenfalls von Reisenden herumtragen lässt.

 

Der Stüpp scheint jedenfalls mit der Zeit immer kleiner und weniger mächtig zu werden. Bald wurde er von einem Werwolf zu einem großen, schwarzen Hund mit glühenden Augen. Im 19. Jahrhundert verlor er sich aus der Welt der realen Wesen und wurde zu einem gespenstischen, harmlosen, gleichwohl lästigen Quälgeist.
Im 21. Jahrhundert schließlich tritt er als „Hackestüpp“ in der TV-Serie „Mord mit Aussicht“ der ARD auf.

 

Es scheint, dass31 Peter Stumps Zorn über seinen Prozess und seine sehr ausführliche Hinrichtung verflogen ist …

 




Freitagnacht-Kryptos: Die vier Seeungeheuer des Hans Hass

Am 16. Juni 2023 war der 10. Todestag des Meeresforschers Hans Hass.

 

Seit meiner Jugend liebe ich Hans Hass. Sein nüchternes Buch über Haie fesselte mich, seine Abenteuer in der Karibik und im Roten Meer sorgten für kurzweilige Lesestunden. Und am besten war – in regelmäßigen Abständen stieß ich auf kryptozoologische Passagen.

Hans Hass
Hans Hass, Foto: Michael Jung

Leider habe ich keinen Zugang mehr zu den Leihbüchereien meiner Kindheit. Und so sammelte ich im Laufe der Zeit alles, was ich von Hans Hass in die Hände bekam. Das war nicht einfach: Jedes Buch von ihm mehrmals aufgelegt, oft umgeschrieben, die Inhalte neu gemischt, die Titel verändert (und neue Inhalte unter einem bereits verwendeten Titel veröffentlicht).

Aber nach und nach stieß ich auf das, was ich gesucht hatte: die vier Seeungeheuer des Hans Hass. Hass war sein Leben lang ein Verfechter der Existenz der Seeschlange (sein Buch „Welt unter Wasser“ hat ein ganzes Kapitel dazu), und er selbst streifte vier Mal Kryptiden des Meeres.

 

1) Die Seeschlangen-Sichtung

1939 reiste Hans hass mit zwei Freunden nach Curacao und Bonaire auf die niederländischen Antillen, um dort in damals noch unberührten Gewässern zu tauchen. Am 110. Tag der Expedition, vermutlich 1940. machte Hass eine ungewöhnliche Beobachtung: Er erblickte im tiefen Meer „eine merkwürdige dreispitzige Rückenflosse, die fast bewegungslos über den Wellen stand“. Das verblüffte ihn, denn er hatte noch nie zuvor von einem Meerestier mit einer solchen Rückenflosse gehört. Und die wildesten Vermutungen schossen ihm durch den Kopf – war es der „gezackte Rückenkamm einer riesigen Echse – die Seeschlange vielleicht?“

Hass schwamm unter Wasser zu der Erscheinung hin. Bis sich die Seeschlange als etwas ganz anderes entpuppte:

 

 

„Ich starrte voraus – dort schwamm ja nicht nur ein dreispitziges Tier, sondern außerdem noch zwei weitere, die völlig unter Wasser waren! Und jedes von ihnen hatte außer der dreispitzige Rückenflosse auch eine dreispitzige Flosse am Schwanz!“

 

Es waren, das fand er heraus, Gruppen von je drei Tieren, die dichtaneinandergedrängt ruhten. Drei Delfine also statt einer Riesenmeeresechse. (Hans Hass: 3 Jäger auf dem Meeresgrund. Bertelsmann Lesering 1958, S. 251, eine ausführliche Variante der Geschichte findet sich in: Hans Hass: Unter Korallen und Haien. Bertelsmann 1977, S. 181)

Immer wieder wurden – so zum Beispiel von der „Osborne“ oder der „Poona“ – Seeschlangen gemeldet, die eine lange Reihe von dreieckigen Rückenflossen hinter sich herschleppten – waren das eventuell auch nur schlafende Delfine? Bernard Heuvelmans machte daraus seine „Many-Finned-Seeschlange“, die Seeschlange mit den vielen Flossen, einen Wal mit Schildkrötenpanzer und Flossensaum.

 

historischer Kupferstich einer Seeschlange, die ein Segelschiff angreift und einen Seemann im Maul trägt
Olaus Magnus‘ Seeschlange von 1555

 

2) Der Seeschlangen-Kadaver

Am 28. Juli 1939 befand sich Hass am Lac an der Ostküste Bonaires. Er sah eine tote Seeschlange mit eigenen Augen – aber um was es sich bei dem Kadaver handelte, geht aus seiner kurzen Beschreibung leider nicht hervor.

 

Mondfisch
Mondfische werden gelegentlich aufgrund ihrer Form als schwimmende Köpfe bezeichnet. Ist das die Lösung für den ungewöhnlichen, stinkenden Kopf?

 

Der Tierarzt Dr. Diemont hatte den jungen Tauchern von dem gewaltigen Kopf eines „unbekannten Meerestieres“ berichtet, der in der Nähe eines Fischerdorfs angespült worden war.

 

 

„Nach den Beschreibungen Dr. Diemonts waren wir uns darüber einig, daß es sich hier nur um den Kopf der sagenhaften Seeschlange handeln konnte, nicht einig waren wir dagegen in der frage, wem dieser Kopf gehören sollte. Ich plädierte für das Naturhistorische Museum, demgegenüber wir uns sowieso hinsichtlich der versprochenen Sammlungen noch sehr im Rückstand befanden, Jörg und Alfred wollten den Kopf mindestens teilweise für sich haben.“

 

 

Als sie zu dem nahen Fischerdorf kamen, bemerkten sie schnell den „mörderischen Gestank“ des Kadavers.

 

 

„Dr. Diemont hatte nicht übertrieben: der Kopf war in der Tat sehr groß und sehr merkwürdig. Wenn wir nicht genau gewußt hätten, daß es sich hier um den Kopf der Seeschlange handeln konnte, hätten wir ihn vielleicht als den einer ungewöhnlich großen Seekuh angesprochen. Wir bissen die Zähne zusammen und machten uns daran, das faulende Fleisch von den Knochen zu entfernen. Als wir aber mit großer Mühe endlich an einer Stelle ein Loch durch die steinharte Elefantenhaut gebohrt hatten, strömte daraus eine so furchtbare Pestillenz, daß wir uns fluchtartig wieder zurückzogen. Mochte die Seeschlange auch weiterhin unentdeckt bleiben, wir wollten mit diesem Kopf nichts mehr zu tun haben.“

 

 

Und dabei blieb es – es existieren nicht einmal Fotos des Rätselkadavers.

 

(Hans Hass: 3 Jäger auf dem Meeresgrund. Bertelsmann Lesering 1958, S. 193; wortidentisch in: Hans Hass: Jäger auf dem Meeresgrund. Südwest-Verlag o.J., S. 171f.)

 

3) Die körperlose Seeschlange

Kalmar-Laichballen
Eier des Kalmars Thysanoteuthis rhombus, Foto: Escanez A, Riera R, González A, Sierra A, CC-BY-3.0

 

Wir befinden uns immer noch auf Curacao, um 1939.

 

 

„Am Tag nach unserem Langustenschmaus folgten wir der Küste in östlicher Richtung und schwammen bis zum Leuchtturm am Kap der Caracasbay, wo Alfred [von Wurzian?] einen großen gallertigen Körper entdeckte, der knapp unter der Wasseroberfläche trieb. Er war gut eineinhalb Meter lang und fünfzig Zentimeter dick und hatte die Form einer gedrallten Röhre. Das Gebilde war so durchsichtig, daß man es nur im Gegenlicht sehen konnte. Von Organen irgendwelcher Art war nicht die Spur.“

 

 

(Hans Hass: 3 Jäger auf dem Meeresgrund. Bertelsmann Lesering 1958, S. 165, mit Foto)

Das Foto, das Hass aufnehmen konnte, zeigt, dass es sich bei dem Gebilde möglicherweise um eine Kolonie von Salpen gehandelt hat. Am wahrscheinlichsten aber ist, dass Hans Hass auf das Gelege eines Kalmars stieß. Fotos solcher Kalmargelege sind praktisch identisch mit dem Foto, das Hans Hass schoss.

 

4) Die Seejungfrau

Auch eine moderne Odysseus-Geschichte hält Hass für uns bereit. Wir befinden uns in Bonaire. Der mit den drei Tauchern bekannte Einheimische Leonardo erzählte ihnen von dem „Mamparia Kutu“, einem großen schwarzen Felsen, der dort am Ufer unvermittelt aufragt.

 

 

„Hier, so erzählen die Fischer, sitzt in manchen mondhellen Nächten eine wunderschöne Nixe, die seit vielen Jahrzehnten die Fischer bezaubert. Der wunderbare Gesang und die Schönheit dieses Meerweibes, so behauptet Leonardo, hätten schon viele Fischer ins Meer gelockt, die dann nie mehr gesehen worden seien. Erst vor zwei Monaten [Juni oder Juli 1939] habe ein Mann sie wieder auf dem Mamparia Kutu sitzen sehen, doch er sei so schnell wie möglich weitergesegelt und habe sich aus Angst Augen und Ohren zugehalten.. Am nächsten Morgen kehrte er mit anderen Fischern an diese Stelle zurück, und sie haben zwar nicht die Nixe, aber zwischen Stein und Wasser im Sand schlangenartige Spuren entdeckt.“

 

(Hass, Hans: Unter Korallen und Haien. Ullstein; Berlin 1950, S. 150, ebenfalls in: Hans Hass: Unter Korallen und Haien. Bertelsmann 1977, S. 119)

 

Der Seejungfrau-Mythos ist eindeutig aus Europa importiert – aber welches Tier, wenn überhaupt, sah der Fischer?

 

Seejungfrau
Moderne Darstellung einer Seejungfrau




Überlebende Dinosaurier Afrikas

Überlebende Dinosaurier werden in Afrika seit der späten Kolonialzeit überall vermutet – besonders im Flusssystem des Kongo (davon ist, durch einen Zufall, fast nur noch der Lac Tele übriggeblieben, obwohl sich der Großteil der Berichte auf die Flusssysteme des Likoula und Sangha bezieht) und in Südamerika (der sogenannte patagonische Plesiosaurus, obwohl das natürlich kein Dinosaurier war).

Im September 1911 berichteten fast alle deutschen Zeitungen regelmäßig über die Ergebnisse der Dinosaurierexpedition, die fossile Funde in Deutsch-Ostafrika barg, dem heutigen Tansania.

 

 

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Baby – Das Geheimnis einer verlorenen Legende

Durch Zufall stoßen die junge Wissenschaftlerin Susan (SEAN YOUNG) und ihr Mann Georg Matthew-Loomis (WILLIAM KATT) inmitten des unerforschten afrikanischen Dschungels in Afrika auf eine Dinosaurier-Familie, die hier sensationeller Weise überlebt hat. Die Saurier – allen voran ein niedliches Riesen-Baby – erobern ihr Herz und sorgen für unglaublich spannende Erlebnisse. Wird es den beiden gelingen, mit ihrer großen Tierliebe die riesigen Urzeitwesen vor der Profitgier verbrecherischer Wissenschaftler zu schützen? Ein phantastisches Abenteuer, das vor 10 Millionen Jahren begann und die Legende Wirklichkeit werden lässt.

Dieser Film war es, der die Legende vom Mokele Mbembe für große Teile der Kinobesucher bekannt gemacht hat

 

Baby – Das Geheimnis der verlorenen Legende wird nicht mehr produziert und ist daher schwer zu bekommen. Der Film läuft etwa 89 Minuten und ist für Kinder ab 12 Jahren freigegeben.

 

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Hat in Südamerika etwas überlebt?

Über überlebende Exemplare spekulierte man hierzulande ab 1924. Wir lesen im „Vorwärts“ vom 19. November 1924:

 

 

Die Jagd nach dem lebenden Dinosaurier. Eine Expedition nach Südamerika wird von einem australischen Forscher, Gayne Dexter, unternommen, um den „lebenden Dinosaurier“ zu finden, der verschiedentlich in dem Esguel-See [Lago Esquel, Provinz Chubut] in den Anden gesehen worden sein soll. Der Direktor des Zoologischen Gartens von Buenos Aires, Clemence Onelli, hatte bereits vor zwei Jahren eine mißglückte Jagd nach diesem fabelhaften Untier unternommen. Dexter hofft nun, das Tier zu finden, über dessen Dasein bereits zwölf Zeugnisse vorliegen und dessen Spuren man in der Umgebung des Sees gefunden hat. Die Expedition führt Leuchtraketen mit, um den See bei Nacht zu erleuchten, da das Untier sich nur in der Dunkelheit zeigt. Große Fallen und ein Lastkraftwagen werden ebenfalls mitgeführt, um das merkwürdige Ungeheuer fangen und transportieren zu können. Hoffentlich verbietet der zuständige Staat dem allzu unternehmungslustigen Freibeuter, dieses „fabelhafte Untier“ wegzuschaffen. Er soll es in seinem Milieu lassen und dort studieren.

 

Flussinsel in Gambia, Afrika
Flussinsel in Gambia

 

Dinos in Afrika – Einigkeit in der Presse?

Dieselbe Meldung ist auch im „Wochenblatt für Zschopau und Umgegend“ (22. November 1924) und in der Morgenausgabe der „Berliner Börsen-Zeitung“ (23. November 1924) zu finden. Die Morgenausgabe der „Berliner Börsen-Zeitung“ berichtet zwei Jahre später, am 25. November 1926, wiederum über „Die letzten lebenden Dinosaurier“, der Bericht handelt aber vom Komodo-Waran.

 

Komodo-Waran
Komodo-Warane in einem Dorf auf Komodo

 

Erneut „Vorwärts“ druckte am 18. Februar 1926 einen Artikel des bekannten Autors Willy Ley über mögliche „Nachkommen der alten Dinosaurier“ ab, dessen Material später in sein Buch „Drachen Riesen Rätseltiere“ aufgenommen wurde. Anlass für seine Zusammenstellung englischer und deutscher Zeugenaussagen war der Film „Die vergessene Welt“ nach Arthur Conan Doyle, der damals in die Kinos kam. Ley war ein Pionier der Kryptozoologie in Deutschland und seine Texte sind immer noch schön zu lesen.

 

Das Okapi ist eines der letztentdeckten Großtiere aus Afrika
Okapi im Zoo

 

Das „Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung“ (Morgen-Ausgabe, 26. Oktober 1927, Seite 5) brachte einen Artikel eines mir bislang noch nicht bekannten frühen Kryptozoologen, dem Direktor des Zoos Berlin.

 

 

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Reptilia – Roman über ein alternatives Mokele Mbembe

Die größte Legende Afrikas. Das gefährlichste Tier, dem je ein Mensch gegenüberstand. 80 Millionen Jahre blieb es unentdeckt. Bis heute. Als der junge Genforscher David Astbury gebeten wird, an einer Expedition in den Kongo teilzunehmen, ahnt er nicht, dass er in das Abenteuer seines Lebens gerät. Ausgerüstet mit modernster Technik, reist ein Forscherteam zu einem sagenumwobenen See mitten im Dschungel, um dort ein Wesen zu bezwingen, das unbesiegbar scheint. Doch als Preis winkt der Schlüssel zur Unsterblichkeit…

 

Reptilia ist 2005 bei Knaur erschienen und hat als gebundenes Buch 400 Seiten.

 

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Unter der Überschrift „Gibt es noch unbekannte Vierfüßler? / Funde im Kongo und auf Sundainseln. / ‚Es spukt noch eine Sage / … im innersten Afrika …‘“ berichtet Professor Dr. Ludwig Heck, der Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin, über jüngste Tierentdeckungen – den Komodo-Waran und das Okapi. Ganz zum Schluss verweist er noch auf potenziell überlebende Dinosaurier in Afrika:

 

 

Um die Seen und Sümpfe des innersten Afrika spukt auch noch die Sage von einem riesigen Reptil, in dem kräftige und unerschrockene Phantasie schon einen lebenden Ueberrest der allbekannten Saurier ans dem Mittelalter der Erde erkennen wollte. Das ist aber doch wohl etwas zu viel verlangt, selbst von dem sogenannten „dunklen“ Erdteil, der übrigens heute vielleicht heller erforscht ist als manche andere Gegend der Erde. Denn da müßte sich ein Riesentier unbekannt, unversehrt und unverfolgt, Hunderttausende oder gar Millionen von Jahren forterhalten haben. Und doch: ein australischer Fisch (Ceratodus) hat in diesem Sinne noch mehr geleistet: er lebt seit den ältesten Erdperioden unverändert bis heute fort.

Alles in allem also: Gibt es noch unbekannte Tiere? Kann es noch solche geben? Auf kitzlige, verfängliche Fragen hat man in meiner Darmstädter Heimat eine orakelhafte Antwort: „Wer’s waaß, wird’s wisse.“ — Das ist aber in diesem Falle nur der liebe Gott.

 

Drakensberg mit See in Süden von Afrika
Drakensberg mit See in Südafrika. Schon der Name deutet auf Dinosaurier hin, oder?

Dr. Wilhelm Prenner

Ein weiterer kryptozoologischer Autor scheint Dr. Wilhelm Prenner gewesen zu sein. In der österreichischen Zeitschrift „Mocca“ berichtet er in der Augustausgabe 1937, S. 60 – 62, unter der Überschrift „Wir kennen noch nicht alle Tiere“ über Rätseltiere. Er erwähnt unter anderem Zwergflusspferd, Moa, Waitioreki, Tazzelwurm, das Ungeheuer von Loch Ness sowie das Mokele-Mbebe [sic]. Er schreibt darüber auf S. 61:

 

Das „Mokele-Mbebe“

Im Kongogebiet jagen seit einer Reihe von Jahren viele Jäger, Beamte des Kongogebietes und Abenteurer einem Tier nach, das von vielen Schwarzen gesehen und beobachtet wurde. Unter den Augenzeugen befinden sich Leute, die Glauben verdienen. So auch zwei altgediente Askaris und ein schwarzer Missionär. Seit man das Okapi und das Zwerg-Flußpferd entdeckte, glaubt man sicher an die Existenz dieses sagenhaften Tieres, das die Eingeborenen von ganz Zentralafrika einfach Mokele-Mbebe nennen. Der schwarze Missionär sah das Tier eines Abends in der Nähe eines Tümpels – mitten im Urwald. Er sagte: Es kam langsam aus dem Busch, trank und entfernte sich wieder ganz langsam; es schien keine Angst zu haben. Sein Körper gleicht vollkommen dem eines Flußpferdes; auch die Beine sind die gleichen wie die Beine eines Flußpferdes. Aber – es hat einen langen Hals – wie eine Giraffe; der Hals hat geringeltes Mähnenhaar. Der Kopf ist ein Giraffenkopf — hat aber auf der Nase ein Horn – ein langes und nach rückwärts gebogenes Horn. Die Ohren sind rund und ab­stehend.“

Ein Tier mit Giraffenkopf, Horn und Beinen eines Flusspferdes?

Genau so beschrieben das Tier die beiden Askaris – ohne etwas von der Erzählung des Missionärs zu wissen. Auch einige Stammeshäuptlinge entlang des Kongo sahen dieses Tier und beschrieben es haargenau so. Man brachte auch in Erfahrung, daß dieses seltsame Tier Wasser liebe – ohne ein Wasserpferd zu sein – und daß es sehr wild werden könne, wenn man es angreifen würde. Als sich Hans Schomburgk, einer der kühnsten neuen Forscher, am Bangweolo-See aufhielt, fiel ihm auf, daß es in diesem See keine Flußpferde gab. Er forschte nach und erfuhr, daß die Flußpferde den See verlassen hätten, da sich ein Mokele-Mbebe dort angesiedelt hätte. Das Mokele-Mbebe vertrage keine Flußpferde und hätte sie alle vertrieben.

Auch die deutsche Kongo-Likuala-Expedition hörte von diesem seltsamen Tier. Freiherr von Stein kam im Jahre 1914 an einen See, an dessen Ufer man ihm Spuren des Mokele-Mbebe zeigte. Nach diesen Spuren zu urteilen, muß es sich um ein gigantisches Tier handeln.

 

 

Freiherr von Stein, der auch die Lieblingspflanze dieses sagenhaften Tieres sah, erklärte später — man könne heute die Existenz dieses Tieres nicht mehr bezweifeln; seiner Ansicht nach handelt es sich um einen kleinen Saurier, der irgendwie aus dem Diluvium in die Neuzeit herübergerettet wurde.

 

 

Flussufer im Kongo, Afrika
Mokele Mbembe soll sich vor allem in Flüssen aufhalten

 

Wer dieser „Missionär“ war, kann ich im Moment nicht bestimmen – die Beschreibung klingt eher nach dem Drachen mushrushu (früher Sirrush) am Ischtar-Tor in Babylon als nach einem der bekannten Augenzeugenberichte.

 

Dinosaurier im 20. Jahrhundert?

Den Anschluss macht ein Bericht der „Badischen neuesten Nachrichten“ vom 25. März 1948, S. 3, überschrieben mit „Dinosaurier im 20. Jahrhundert“. Er liegt mir nur fragmentarisch vor, aus dem Inhaltstrümmern schließe ich, dass es sich um eine Zusammenfassung von Ivan T. Sandersons Beitrag „There Could Be Dinosaurs“ handelt, der im Januar 1948 in der „Saturday Evening Post“ erschien.

 

 

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Der Tatzelwurm, das Alpen-Kryptid

Heute kaum mehr als eine folkloristische Reminiszenz, war der Tatzelwurm früher eine echte Gefahr: Das Reptil stürzte sich auf Menschen und spie sie mit seinem giftigen Atem an. Für dieses Buch hat der Autor über 430 Augenzeugenberichte gesammelt und analysiert. Das Ergebnis ist eine aufregende zoologische Schnitzeljagd und zugleich eine spannende Traditionsgeschichte des gesamten Alpenraums. Bei der Lektüre der Berichte wird klar, dass der Tatzelwurm ein wandelbares Geschöpf ist mal hat er den Kopf einer Schlange, mal den einer Katze, mal zwei, dann mehr Füße, mal hat er Flügel, mal keine, mal ist die Haut glatt, dann wieder schuppig. Er kann scheu oder aggressiv und giftig sein; manche empfehlen sogar seinen Genuss.

 

Der Tatzelwurm: Porträt eines Alpenphantoms ist im Juli 2020 bei Edition Raetia erschienen und hat 232 Seiten

 

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Der Autor (vieles ähnelt erneut Willy Ley) erklärt, es gebe so viele Geschichten aus „so verschiedenen Gegenden Afrikas, daß ich zu einer strengen Auswahl gezwungen bin.“

 

Auch Schomburgk bricht nach Afrika auf

Er geht auf einen deutschen Tierfänger ein, wohl Schomburgk, der ausgeschickt worden sei „mit dem ausschließlichen Auftrag, einen Dinosaurier zu fangen. Veranlassung dazu waren Berichte aus Inner-Rhodesien, nach denen dort in den großen Sümpfen“ noch Saurier lebten. „… es gibt genug Beweismaterial dafür, daß diese Tiere – wenn auch nur in einigen Exemplaren – im Innern Afrikas noch existieren können. Denn wenn Krokodile und Schildkröten, [.. bis in unsere.] Tage hinein fortgepflanzt haben, ist eigentlich nicht einzusehen. warum nicht auch Dinosaurier, die teilweise einer viel weniger primitiven Gruppe angehören, zur Zeit noch leben sollten. […] den letzten Beweis für das Noch-Vorhandensein eines Dinosaurus zu erhalten, ist, jedem Großwildjäger für seine Jagd in Afrika kräftig ,,Waidmannsheil“ zu wünschen. Er sollte nur eine Büchse mit großem Kaliber […]“

 

Fluss in Südafrika

 

Der Autor geht, wie Sanderson und Ley, auf das Ischtar-Tor ein: „Ischtar-Tores verwendet worden waren, fanden. Man weiß, daß die Sumerer einen regen Seehandel mit der Ostküste Afrikas betrieben haben. Also ist sehr gut möglich, sogar ziemlich sicher, daß ein Dino- […]“

 

In Deutschland folgen mehrere Artikel über überlebende Dinosaurier in Afrika im Heft „Kosmos“, Willy Leys Buch in den 1950ern und dann Peter Kolosimo mit „Viel Dinge zwischen Himmel und Erde“, der praktisch 1 zu 1 den Artikel von Sanderson nachdruckt.

 

Kivu-See
Der Kivu-See im Abendrot


 




Loch Ness – Das Quest-Weekend

Dieses Wochenende ist es soweit. Seit Samstagmorgen, dem 26. August läuft die größte Jagd auf das Monster von Loch Ness seit Jahren. Neben Fachleuten mit fliegenden Drohnen, Infrarotkameras und Hydrophonen sind jede Menge private Monsterjäger und Nessie-Fans aufgerufen, an der Suche teilzunehmen.

 

 

Das Loch Ness Center in Drumnadrochit bietet gemeinsam mit der Loch Ness Exploration’s (LNE) zahlreiche Rahmenveranstaltungen um die eigentliche Suche an. Auf der Website kann man einen Live-Stream von der Suche verfolgen, dazu kommen natürlich die zahlreichen Webcams, die dauerhaft um Loch Ness installiert sind.

 

Nessie-Törns

Für Fans, die Nessie noch dichter auf den Pelz rücken wollen, gibt es Boots-Turns auf dem See. Sie finden am Samstag und Sonntag statt und dauern je 90 Minuten. Neben dem – auf den Touristenbooten auf Loch Ness üblichen – Sonar wird hier noch ein 20-Fuß-Hydrophon genutzt, das die Geräusche im See hörbar macht.

 

Spirit of Loch Ness
Die „Spirit of Loch Ness“ ist ein Boot der Touristenflotte auf dem See

 

Expertentalk

Einzigartig wird der Expert-Talk am Samstagabend zwischen 18 und 20 Uhr sein.

Die Experten sind:

  • Steve Feltham, Fulltime-Nessie-Jäger, der seit 1991 dabei ist. Er betreibt die Nessie-Jagd hauptsächlich aus seinem Van am Dores-Beach.
  • Alan McKenna, Chef der Loch Ness Exploration, einer privaten Organisation, die sich mit der Erforschung von Loch Ness und seinen Phänomenen befasst.
  • Roland Watson, einem Autor, der sich seit langem mit den Legenden und Beweisen rund um das Loch Ness Monster befasst.

 

Skurriler Minibus mit einem Verkaufsstand
Der Beobachtungsstand des Nessie Hunters Steve Feltham

 

Die Jedermann-Beteiligung

Zentraler Teil der Aktion wird aber die gemeinsame Suche nach Nessie sein. Nessie-Fans und Monsterjäger sollen an möglichst vielen Stellen über das Wochenende den See beobachten und alles, was ihnen seltsam erscheint, fotografieren oder filmen.

Wer etwas auf den Chip gebannt hat, was er oder sie nicht identifizieren kann, füllt dann bitte einen Fragebogen aus und schickt die Aufnahmen zusammen mit dem Fragebogen an das Loch Ness Center (LNC). Das LNE sammelt die Aufnahmen, identifiziert sie, soweit möglich und sortiert alles aus, was sicher nicht Nessie ist. Wer weiß, ob nicht DAS Foto dabei ist?


 

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Kalender „Ausgestorbene Tiere – 2024“

Gemeinsam mit dem Sequoia Verlag haben wir den Monatskalender „Ausgestorbene Tiere – 2024“ entwickelt. Er zeigt in 13 wunderschönen Aquarellen aus alten Zoologiebüchern Tiere, die in den letzten 200 Jahren ausgestorben sind. Einige „alte Bekannte“, wie der Riesenalk und das Quagga sind dabei, aber auch unbekannte Arten wie der Wolterstorff-Molch und die Schopfgans.

 

Der Kalender hat 14 Blätter, ist im Din A4-Querformat auf 250er Qualitätspapier mit Mattfinish gedruckt. Alle „Early-Birds“, die den Kalender bis 31.10. bestellen, zahlen € 10,-, danach kostet er € 15, alles incl. P&P.

Bei jedem Kauf fließt € 1,- in die Kasse des Netzwerkes für Kryptozoologie.

 

Zum Webshop des Sequoia Verlages mit weiteren Infos

 

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Bewertung:

Fliegende Drohnen, Wärmebildkameras, Sonar, Hydrophone und Experten, das klingt nach einer aufwändigen Suche, die auch noch öffentlich begleitet werden soll. Sieht man sich die Sache genauer an, wirkt es aber nur so.

 

 

 

Drohnen?

Fliegende Drohnen, das hört sich toll an. Als erhöhter Beobachtungsstand sind sie super, klein, leicht, schnell einsetzbar und wesentlich billiger als ein Helikopter. Aber „Drohne“ kann alles oder nichts sein. Vom Quadcopter mit Geländeerfassungslaser, hochauflösenden Kameras für Infrarot, Ultraviolett und sichtbares Licht und zahlreichen weiteren Sensoren bis zur der 49-Euro-Kameradrohne, die auch bei Feinkost-Albrecht verkauft wird.

Welche Fähigkeiten die Drohnen haben sollen, wird nicht veröffentlicht.

 

 

Infrarot?

Infrarot und Wasser sind keine sehr gute Kombination, wenn man im Wasser etwas suchen möchte. Dies hat mehrere Gründe. Anders als an der Luft nimmt Wasser die Körperwärme von Tieren sehr schnell auf und kühlt die Oberfläche. Wale beispielsweise sind erst dann per Infrarot zu sehen, wenn sie auftauchen oder atmen.

Auch bei aktiven Systemen (also solche, die Infrarot ausstrahlen und die Reflexion aufnehmen) ist Wasser ein großes Hindernis. Da Wassermoleküle in sich sehr gut schwingungsfähig sind, absorbieren sie IR-Strahlung sehr stark. Technisch nutzen wir es nahezu täglich, da die Strahlen der Mikrowelle ebenfalls zum (sehr weiten) IR gehören. Sie werden vom Wasser in den Speisen und Getränken absorbiert, die sich dadurch erwärmen.
Sicher, ein heißer Kaffee bzw. in Schottland eher Tee gehören zu einer anständigen Monsterjagd dazu, aber … naja.

 

Infrarotaufnahme Vier Enten auf einem See
Infrarotaufnahme von vier Enten auf einem Teich. Das Bild verdeutlicht, wie stark die Wasseroberfläche Infrarotstrahlung reflektiert.

 

Hydrophone

Auch Hydrophone sind eine tolle Sache. Im Meer nehmen sie jede Menge Geräusche auf (externer Link), von singenden Walen über furzende Heringe (externer Link) und trommelnde Adlerfische bis hin zu Knack- und Knallgeräuschen unzähliger Krebstiere.

Wasser leitet Schall sehr viel besser, schneller und weiter als Luft. Militärs weltweit nutzen um Schiffe zu verfolgen. Wie weit das tatsächlich möglich ist, veröffentlichen sie natürlich nicht, aber die mehr oder weniger genaue Ortung eines Schiffes ist unter günstigen Umständen über mehrere 100 km möglich (wenn man über mindestens zwei Mikrofone in einigem Abstand zu einander verfügt).

Doch die tolle Leitfähigkeit für Geräusche hat auch Nachteile: Nicht nur das Militär hört Schiffe auf riesige Entfernungen. Bei der Suche nach Nessie sind sicher zahlreiche Boote auf dem Loch, deren Motoren und Schiffsschrauben jede Menge Geräusche machen. Zieht ein Boot ein Hydrophon hinter sich her, hört es zunächst vor allem die Geräusche der eigenen Schraube(n) und des Motors. Anders als im offenen Ozean kommt in Loch Ness noch ein weiterer, behindernder Faktor dazu: Der See hat Ufer, teilweise aus hartem Fels. Diese reflektieren den Lärm der Boote, so dass er multiple Echos bzw. einen Hall nach sich zieht.

Hier braucht es also Experten, die diese Geräusche herausfiltern können und hören, wenn sich Nessie äußert. Eins der Probleme ist, dass niemand weiß, wie sich Nessie anhört – falls sie überhaupt etwas erzählen will.

 

Sonar

Nahezu jedes Boot, das auf Loch Ness für Touristenfahrten genutzt wird, hat ein Sonar an Bord. Ein großer Bildschirm zeigt ein Sonarbild von dem, was unter dem Boot ist. Gelegentlich ist auch etwas sichtbar.

Das Problem bei der Sache ist: Kaum jemand kann Sonar wirklich lesen. Man denke in diesem Zusammenhang an Ultraschallbilder von werdenden Kindern im Mutterleib: Wirklich erkennen kann man kaum etwas. Dies hängt mit der Art des Bilderstellung zusammen: Der Schall wird von einem Punkt ausgestrahlt, er breitet sich fächerförmig aus. Dabei werden die Schallwellen an Oberflächenübergängen (z.B. beim Übergang vom Wasser zu Festgewebe oder einer Gasblase) reflektiert. Diese Reflexionen werden dann von einem Mikrofon registriert. Aus dem Zeitraum zwischen Schallabgabe und Empfang berechnet ein Computer die Entfernung zum Mikrofon. Dies führt zu verzerrten Bildern, ebener, glatter Boden wird wie die Außenseite einer Halbkugel dargestellt. Die Interpretation ist also schwierig.

 

Nessie Sonar
Sonarbild von Loch Ness mit einer Anomalie, die Nessie zeigen soll (Foto: Peter Jolly)

 

Natürlich gibt es heute Bildprozessoren, die diese Bilder glätten können und damit für den Laien interpretierbar machen. Ebenso gibt es Programme, die aus den Daten mehrerer Sonar-Sensoren unterschiedlicher Standorte ein 3D-Bild eines Objektes erzeugen können. Aber auch das ist keine 100%ige Lösung. Das gewünschte, rauschfreie, saubere Bild, das alle größeren Objekte unter Wasser erkennbar darstellt, kann vermutlich nur die Navy erstellen – aber die nimmt nicht teil.

 

Vor kurzem wurde sogar einmal ein Sonarbild einer Touristenfahrt veröffentlicht, das vermeintlich das Monster zeigen soll.

 

Wer sich näher damit befassen möchte, dem sei der Wikipedia-Artikel zur Sonographie ans Herz gelegt.

 

Stele mit der Bezeichnung "Loch Ness", der See im Hintergrund
Loch Ness, ohne Nessie. Ob das Monster gerade Urlaub hat?

 

Was ist das nun für eine Aktion?

Spezial-Bootsturns im 90-Minuten-Takt, Expertengespräche, beide für relativ viel Geld, dann die Einbindung privater Nessie-Fans bei der Monsterjagd? Das Ganze findet zufällig einige Wochen nach der Eröffnung einer neuen Ausstellung im Loch Ness Center in Drumnadrochit statt.
Honni soit qui mal y pense – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 

Eine koordinierte Sonar-Suche gab es bereits zweimal:

  • 2003 ließ die BBC in der Operation Deep Scan (externer Link) eine Kette von Booten parallel durch Loch Ness fahren, jedes mit einem Sonargerät, insgesamt 600 Sonarstrahlen. Man zeichnete damals ein sehr detailliertes Bild vom Seeboden.
  • 2016 vermaß die Firma Kongsberg Maritime den Seeboden mit Sonar und fand eine Nessie-Attrappe, die bei einem Filmdreh 1970 verloren ging (damals wurde „Das Privatleben des Sherlock Holmes“ von Billy Wilder gedreht).

 

Loch Ness wird rund um die Uhr von Webcams überwacht. Sie decken den überwiegenden Teil der Seeoberfläche ab. Dort, wo sie nicht hinblicken können (z.B. hinter kleinere Felsen am Ufer oder unter überhängende Bäume), wird sich Nessie kaum verstecken können.

 

Die Umwelt-DNA-Analyse eines neuseeländischen Teams um Neil Gemmell hat einiges gefunden, aber keine Monster-DNA und keine unerwarteten Großtiere im See.

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Aktion etwas entdeckt wird, das nicht schon bekannt ist, ist also nicht sehr groß. Andere, wesentlich qualifiziertere Suchaktionen in Loch Ness brachten nur negative Ergebnisse. Natürlich kann ein Zufallsfund die Sache dann doch noch zu einem Erfolg bringen – doch so unter uns: Wäre dieser tolle See nicht viel interessanter, würde er sein Geheimnis noch länger bewahren?

 

Loch Ness mit Bergketten an beiden Ufern und der Sonne hinter Wolken am gegenüberliegenden Ende
Wie verschlossen liegt Loch Ness an diesem Abend da, kaum eine Welle, und selbst das Licht wirkt bleiern. Noch birgt es seine Geheimnisse.