Zur Genese von Seeschlangen 1: Attersee

Vor mehreren Jahren veröffentlichte ich – zunächst in der Zeitschrift „Bipedia“ und dann als Kapitel in meinem Buch „Investigating The Impossible“ – eine Studie über das erste Lebensjahr des Ungeheuers von Loch Ness. Dabei stellte sich heraus, dass zunächst Beobachtungen, die wenig gemeinsam hatten, kollektiv als „das Ungeheuer“ wahrgenommen wurden, dann meldeten sich vereinzelt :Leute, die behaupteten, bereits vor dem derzeitigen Erscheinen eines Monsters so etwas gesehen zu haben, schließlich kamen Schwindler und Trittbrettfahrer hinzu. So ähnlich geht es an praktisch allen Seen, bevor ein stereotypisches Monster etabliert ist, dessen imaginäres Phantomporträt dann künftigen Zeugen als Vorlage für ihre Wahrnehmung dient. Loch Ness hatte Glück, denn erst die Londoner, dann die amerikanische Presse nahm die lokalen Berichte wahr und verbreitete sie von dort in die Welt.

Das ganze hätte bereits 1902 geschehen können, und zwar am Attersee in Österreich, wo sich genau dasselbe ereignete, quasi wie eine Blaupause für das, was dann 30 Jahre später in Schottland passierte.

 

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Der See

Der Attersee liegt im Salzkammergut, im Bezirk Vöcklabruck von Oberösterreich. Ihm entströmt die Ager, die in die Traun fließt und damit in die Donau. Er liegt auf 469 m ü. M., ein großes Tier, das aus dem Meer in ihn gelangt, ist somit ziemlich unwahrscheinlich (anders als z.B. beim Loch Ness, der regelmäßig von Seehunden und evtl. sogar Kleinwalen aufgesucht wird). Er ist rund 18 km lang und dreieinhalb km breit, seine Wasserfläche misst 46 km², seine Tiefe beträgt 169 Meter – damit ist er der dritttiefste See in Österreich. Er ist seit der Jungsteinzeit besiedelt und gilt heute als Top-Tourist-Destination in Österreich. Sollte er einen gewaltigen Bewohner haben, so könnte dieser nicht lange unbeobachtet bleiben. Zudem existiert das Gewässer erst seit der Eiszeit – ein Ungeheuer müsste also eine lokale Entwicklung sein, entstanden aus einem kleineren Fisch.

 

Attersee
Der Attersee liegt umgeben von Bergen

 

Die Sichtungswelle

Was im Sommer 1902 am Attersee geschah, soll zunächst einmal nur durch den Bick der zeitgenössischen Presse betrachtet werden [die Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von mir]. Die erste Meldung, die mir vorliegt, stammt aus dem „Grazer Volksblatt“ vom 26. August 1902. Dort liest man auf Seite 8:

 

„Eine rätselhafte Erscheinung am Attersee.

Aus Weyregg am Attersee wird dem ‚N. Wr. Tagblatt‘ [Neues Wiener Tagblatt] geschrieben [von Herrn v. Wunschheim]: ‚Gestatten Sie, daß ich von einem sehr merkwürdigen Naturereignis Mitteilung mache, in der Hoffnung, daß durch die Verbreitung in Ihrem vielgelesenen Blatte vielleicht eine Erklärung desselben sich finden läßt. Heute um dreiviertel 12 Uhr, vom Balkon meiner Wohnung, von welchem man eine ungehinderte Aussicht auf einen großen Teil des Attersees hat, bemerkte ich hinter der Landzunge von Weyregg in der Entfernung von ungefähr anderthalb Kilometer einen Gegenstand mit einer unglaublichen Geschwindigkeit schnurgerade gegen Süden im Wasser dahineilen. Rasch zum Glase greifend, verfolgten wir die völlig rätselhafte Erscheinung, die sich mit unverminderter Schnelligkeit quer vor uns über den See zog, und konnten deutlich unterscheiden, daß die Erscheinung eine ungefähre Länge von vier bis fünf Meter hatte, zirka einen Fuß aus dem Wasser emporragte und zwei in gleicher Entfernung voneinander bleibende, ungefähr einen halben Meter hohe Höcker aufwies, die den Eindruck von Flossen machten. In der Höhe zwischen Nußdorf und Parschell verschwand die Erscheinung, hinterließ aber ein Kielwasser, das man noch eine Viertelstunde lang als dunkle schnurgerade Linie in dem eben leicht bewegten Wasser verfolgen konnte. Die durchmessene Strecke war nach der Karte ungefähr fünf Kilometer, die Zeit, innerhalb welcher die Erscheinung diese Entfernung durchmaß, anderthalb bis höchstens zwei Minuten. Die Schnelligkeit betrug aber mindestens zwei Kilometer in der Minute.

 

 

 

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Bei der Lektüre der Berichte wird klar, dass der Tatzelwurm ein wandelbares Geschöpf ist mal hat er den Kopf einer Schlange, mal den einer Katze, mal zwei, dann mehr Füße, mal hat er Flügel, mal keine, mal ist die Haut glatt, dann wieder schuppig. Er kann scheu oder aggressiv und giftig sein; manche empfehlen sogar seinen Genuss.

 

Der Tatzelwurm: Porträt eines Alpenphantoms ist im Juli 2020 bei Edition Raetia erschienen und hat 232 Seiten

 

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und weiter:

Im ersten Moment dachten wir au ein Gebilde aus Menschenhand, das zu unbekannten Versuchszwecken über den See lanciert wurde, aber bald sahen wir ein, daß ein solches, es hätte sich nur um einen Torpedo handeln können, eine derartige unglaubliche Schnelligkeit auf eine so große schnurgerade Distanz unmöglich hätte entwickeln können. Als einzige Erklärung blieb uns nur die Annahme, daß ein für ein Binnenwasser enormer Fisch aus unbekannten Gründen diese blitzschnelle Reise an der Oberfläche des Wassers unternahm.

 

Es wäre sehr zu wünschen, daß diese Erscheinung auch von anderen Seiten und vielleicht aus größerer Nähe beobachtet wurde, vielleicht veranlassen diese Zeilen einschlägige Mitteilungen an Ihr geschätztes Blatt.‘ –: Na also! Die berühmte Seeschlange ist endlich aufgetaucht. Die Sauregurkenzeit hat nun offiziell begonnen.“

 

 

Bald darauf wurde eine zweite ungewöhnliche Beobachtung gemeldet. Das „Linzer Volksblatt“ vom 29. August 1902 berichtete auf Seite 5:

 

„Ein Fischkoloß im Attersee.

Vom Attersee wird uns geschrieben: Als der von Unterach abgehende Frühdampfer am letzten Sonntage [24.8.1902] über Parschall [heute: Nussdorf-Parschall] hinaus auf die Höhe nächst Zell gekommen war, bemerkte der in der Kabine eben beschäftigte Unter-Kapitän Ludwig Souvent eine geraume Strecke vom Schiffe ein starkes Bloch?! [so im Original, inkl.?!, offenbar ist ein treibender Baumstamm gemeint] Da er bei weiter beibehaltenem Kurse einen Zusammenstoß befürchtete, machte er durch Ruf und Zeichen den Steuermann oben aufmerksam, einem solchen Karambol auszuweichen. Neugierig beugte sich der Obgenannte über die Schiffswandung und sieht bald nicht einen Holzkoloß, sondern ein Fischungeheuer, graublau, den Rücken mehr als halbe Manneshöhe aus dem Wasser ragend und darüber eine Flosse von gut einem halben Meter. Als das Ungetüm, an dem er weder Kopf noch Schwanz entdecken konnte, näher an das wirbelnde Schaufelrad geriet, verschwand es im Momente in den Tiefen. Schon vor mehreren Jahren begegnete ein solcher Fischkoloß dem Stockwinkler Mühlburschen auf der Heimkehr von Steinbach. Man hielt seine Schilderung damals für eine – Ente, die-ihm den Spottnamens eines Jonas von Stockwinkl eintrug. (A. d. R.: Im „N. Wr. Tagblatt“ schilderte vor einigen Tagen ein Herr v. Wunschheim, der den großen Fisch von seiner Villa ans bemerkt hatte, das Erscheinen desselben in so, drastischer Weise, daß Viele den Fisch wohl für eine — Seeschlange genommen haben.)“

 

Ruhig liegt der Attersee
Ist der Attersee wirklich Heimat eines Monsters?

 

Ein identischer Bericht wurde in der „Salzkammergut-Zeitung“ am 31. August 1902 (S. 5) abgedruckt. Es wird also nicht nur eine zweite, unabhängige Sichtung des Ungeheuers gemeldet, sondern man erinnert sich daran, dass bereits „vor mehreren Jahren“ ein „Fischkoloß“ gesehen wurde. Damals, weil der Bericht alleinstehend war, fand er keinen Glauben, sondern Spott.

 

Schwäne auf dem Attersee
Zwei Schwäne auf dem Attersee, waren sie Auslöser der Presse-Ente?

 

Doch gespottet wurde auch über die neuen Meldungen. So konnte es die „Freie Stimmen“ vom 30. August 1902 nicht lassen, die Meldung als „Seeschlange“ damals der Ausdruck für Presseente, zu bezeichnen:

 

 

„Im Zeichen der Hundstage tauchen in den Blättern allerlei wunderliche Erscheinungen, wie alljährlich, auf, der älteste Mann, der wüthende Hund, das kinderfressende Schwein und der Haifisch von Fiume [heute Rijeka in Kroatien]; letzterer ist diesmal, fünf Meter lang, eingefangen worden. Ein Wiener Blatt hat sogar einen unheimlichen großen Fisch im Attersee entdeckt, einen Ableger der guten, alten Seeschlange und leitartikelt über Denselben.“

 

 

Auch das „Grazer Volksblatt“ spottete am 13. August 1902 (Seite 8) kurz über das Ungeheuer und führt es gemeinsam mit anderen belanglosen Aufregerthemen des Sommers auf (wobei die „Meeraugen“ Seen an der Grenze von Österreich zu Galizien waren, der zu Grenzstreitigkeiten führten):

 

 

„Von der Woche. […] Der ‚Sauregurkensommer‘ geht schon zu Ende, und nebst dem Affentheater sind auch die beiden Musentempel wieder aufgeschlossen. Heuer war nur einmal die bekannte Seeschlange mit dem obligaten Buckel ‚im Attersee‘ gesehen worden und wurde die Frage über deren Existenz durch die für die ganze Welt so wichtige Frage ‚Wem gehörn die Meeraugen‘ in den Hintergrund gedrängt.“

 

Attersee
Braucht ein See in einer solchen Landschaft überhaupt ein Ungeheuer?

Einige Tage später wurde das Geschehen von der „Salzburger Chronik für Stadt und Land“ am 2. September 1902 noch einmal rekapituliert:

 

 

 

„Strobl, 1. September. (Kleine Nachrichten aus dem Salzkammergute.) Im Attersee wurde jetzt schon wiederholt ein Fischungeheuer von vier bis fünf Meter Länge bemerkt. Die Schnelligkeit dieses Fischkolosses betrug mindestens zwei Kilometer in der Minute. Zuerst glaubte der Unterkapitän Souvent eine geraume Strecke vom Dampfschiffe entfernt ein starkes Bloch zu sehen. Diese Erscheinung machte in der Umgebung großes Aufsehen und wurde einer genaueren Beobachtung unterzogen.–“

 

Im Winter wurde es wieder ruhig um das Monster vom Attersee
Im Winter war es um das Monster vom Attersee wieder ruhig. Kein Loch Ness des Salzkammergutes

 

Und dann erstarben die Berichte in den Blättern. Aus diesen Vorgaben hätte ein Nessie-Phänomen werden können, und 1933 wäre dann der Loch Ness zum „schottischen Attersee“ geworden. Allein, das geschah nicht, denn die Weltpresse sprang auf diese Meldungen nicht an. In der deutschen digitalen Bibliothek habe ich keine einzige Meldung gefunden, ebenso wenig bei Papers Past mit allen neuseeländischen Zeitungen. Der See kreiste und erzeugte ein Lebewesen, das noch nicht lebensfähig war.

Dabei hätte man durchaus auf Traditionen rekurrieren können. Die „Salzkammergut-Zeitung“ berichtete am 1. Juni 1930 über lokale Sagen. Auf Seite 4 erscheint:

 

„Das Seeungeheuer.

Nach uralter Ueberlieferung hält sich in den Tiefen des Attersees ein Ungetüm auf, das ganz unwahrscheinliche Ausmaße hat. Gewöhnlich liegt es unbeweglich im Grunde des Sees, bisweilen aber regt es sich ein wenig, dann schäumt der See wild auf und wirft große Wellen, ohne daß auch nur ein säuselnder Wind zu bemerken wäre. (P. Amand Baumgarten: Aus der volksmäßigen Ueberlieferung der Heimat, S. 35) Das Seeungeheuer taucht alle zwanzig bis dreißig Jahre an die Oberfläche. Zuletzt will der alte Briefträger Thomas den Riesenfisch gesehen haben, der gut zwanzig Meter aus dem See herausragte. Die Fischer müssen dann vorsichtig sein und rechtzeitig ihre großen Segennetze einziehen. Heute freilich sind die Riesennetze verschwunden. Aber vor Jahren fischten der Morganhof, der Hiaslbauer in Buchberg und der Besitzer des in den See versunkenen Schlosses zu Burgau mit riesigen Segennetzen, die wegen ihrer Kostspieligkeit längst abgekommen sind. Unter Seigen verstand man Schleppnetze, ein Segenfischer wird von dem Angelfischer unterschieden. (Erwin Volkmann: Die deutsche Stadt im Spiegel alter Gassennamen, S. 85.)“

 


 

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Ein paar Anmerkungen

Eindeutig sind die Beobachtungen (ein treibender Baumstamm, ein Riesenfisch, ein Höcker mit Flossen) nicht ausreichend, um sich ein Bild des Geschöpfes zu machen. Das traf auch im Sommer 1933 auf den Loch Ness zu, wo wir tatsächlich ähnlich divergierende Beschreibungen finden (treibender Baumstamm, Boot kieloben, Krokodil, ein bis zwanzig Höcker, Riesenfisch). Offenbar haben Augenzeugen die Tendenz, ganz unterschiedliche Phänomene einer einzigen Ursache zuzuschreiben, und die finden sie oft genug in der traditionellen Vorstellung, dass im Wasser große Fische hausen. Was dann jeweils die Meldung auslöste, lässt sich im Nachhinein schwer vorstellen.

Aber ein Ungeheuer im Attersee, besonders ein so eindrucksvolles, hätte man eigentlich, wenn nicht früher, dann wenigsten danach, noch einmal sehen sollen. Demnach spricht vieles dafür, dass es sich nicht um ein reales Lebewesen gehandelt hat.

 

Hinterland
Auch aus dem Hinterland, dem Salzkammergut ist einiges an Sagen bekannt, aber ein Seeungeheuer ist nicht dabei.

 

Einzig die Beobachtung aus Weyregg, mit der die Episode begann, könnte eine Erklärung finden. Im Attersee gibt es, wie in vielen Seen vergleichbarer Größe, interne Seiche-Wellen. Sie können manches Mal die Oberfläche erreichen. Dramatisch zeigte sich diese Erscheinung am 24. Juli 1930 zwischen 16.00 und 18.00 Uhr. Damals berichtete die „Kleine Volks-Zeitung“ am 26. Juli 1930 auf Seite 6:

 

 

„Ebbe und Flut am Attersee.

Das Wasser um mehr als zehn Meter zurückgetreten. – Ein seltsames Naturphänomen

Das Wasser des Attersees ist, wie uns aus Schörfling, 25. d., gemeldet wird, Donnerstag in der Zeit von 1L5 bis 5 Uhr nachmittags an den seichten Stellen plötzlich über zehn Meter zurückgetreten. Das Wasser des Agerflusses, der vom See abfließt, strömte Plötzlich in den See zurück, und es hatte den Anschein, als würde die Ager in den See münden. Die Fahrzeuge, die sich in der Ager befanden, gerieten auf Grund. Ein kleiner, flußabwärts fahrender Trauner mußte die größten Anstrengungen machen, um nicht mit dem plötzlich flußaufwärts strömenden Wasser gegen den See zurückgetriebcn zu werden. Auch gestern ebbte der Seespiegel an den seichten Stellen in gewissen Zwischenräumen noch ab und flutete dann zurück.

 

Der ganze Vorgang erweckt den Anschein einer plötzlich eingetretenen Ebbe und Flut am Attersee; er wurde nur in der Gegend Kammer-Seewalchen beobachtet, in Unterach wurde dieses Phänomen bis jetzt nicht wahrgenommen. Weitere Nachrichten besagen, daß die Schwankungsdauer vorgestern etwa eine Viertelstunde betragen hat; gestern ist die Schwingungshöhe des Wasserspiegels schon viel geringer gewesen. Hiezu wird von der hydrographischen Landesabteilung mitgeteilt, daß es sich offenbar um sogenannte ‚stehende Wellen‘ handelt.

 

Heckwelle eines Schiffes
Deutlich sichtbare Heckwelle eines Schiffes, die sich durch unterschiedliche Strömungsgebiete fortsetzt.

‚Stehende Wellen.‘

Mitteilungen von Oberbaurat Dr. Rosenauer, Hydrographische Landesabteilung Linz.

 

 

Oberbaurat Rosenauer von der Hydrographischen Landesabteilung Linz machte einem unsrer Mitarbeiter über das Phänomen, das von Laien mit dem italienischen Erdbeben in Zusammenhang gebracht wurde, folgende Mitteilungen:

Die sogenannten ‚stehenden Wellen‘ sind zuerst am Genfer See beobachtet und von Professor Forel genau untersucht worden. Dort werden sie 1 bis 1’70 Meter hoch. Diese Erscheinung entsteht durch eine rasche Aenderung des Luftdruckes oder durch böige Winde, die auf die Seefläche niederstürzen, jedenfalls nicht durch Erdbeben. Denkt man sich die Seeoberfläche etwa als ein Schaukelbrett und stellt sich vor, daß auf die eine Seite dieses Brettes plötzlich ein starker Druck ausgeübt wird, während auf der andern Seite keine Veränderung vor sich geht, dann hat man ungefähr die Vorstellung dessen, was die Wissenschaft als ‚stehende Welle‘ bezeichnet. Durch die Einwirkung des Luftdruckes wird der im Gleichgewicht befindliche Seespiegel aus seiner Lage gebracht und schwingt nun ähnlich wie das Schaukelbrett oder ein Wagebalken auf und ab, bis nach einer gewissen Zeit, oft erst nach Tagen, wieder Ruhe eintritt. Die anscheinend ruhige Oberfläche der Seen ist konstant in einer solchen schaukelnden Bewegung, ähnlich wie Wasser in einem flachen Becken, auch wenn das Becken ruhig steht, hin und her schwingt.

 

Im allgemeinen sind aber die Schwingungen der Seen so geringfügig, daß sie kaum bemerkt werden. Die Dauer der Schwingungen ist bei jedem See eine ganz bestimmte, wie bei einem Pendel, und kann genau ausgerechnet werden. Sie beträgt beim Attersee rund 21 Minuten, da sich aber auch Schwingungsknoten bilden können, ist auch ein Vielfaches dieser Schwingungsdauer denkbar. Es ist natürlich auch möglich, daß Querschwingungen eintreten, die aber eins andre Schwingungsdauer haben. Diese beträgt beim Attersee dreieinhalb Stunden. Verbindungen von Längs- und Querschichtungen sind, wenn sie auftreten, sehr kompliziert zu berechnen. Die Höhe einer solchen Seespiegelschwankung ist an den Enden meist am größten. Sie betrug am Attersee bisher kaum mehr als zehn Zentimeter. Donnerstag wurde aber eine ausnahmsweise hohe Schwingung beobachtet, deren Ausmaß noch nicht genau festgestellt ist, die aber insgesamt zwanzig bis dreißig Zentimeter nicht überstiegen haben dürfte. An flach abfallenden Uferstellen kann sich diese Niveausenkung ohne weiteres in der Weise bemerkbar gemacht haben, daß das Wasser plötzlich meterweit zurückwich. Die Schwingungsdauer der donnerstägigen Erscheinung war die dem Attersee zugeordnete, die zu sehen gewesene Ebbe ist also nichts Unnatürliches. Die Luftdruckverteilung und rasche Aenderung des Luftdruckes waren derart, daß das sonst normale Phänomen übersteigert wurde und etwas größere Dimensionen annahm.“

 

 

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Diese Erscheinung machte weltweit Schlagzeilen – so berichtete die „Lewiston Daily Sun” am 25. Juli 1930:

 

 

„UNGLAUBLICH, ABER WAHR. EIN FLUSS FLIESST BERGAUF.

Linz, Österreich, 25. Juli – (AP) – Das erstaunliche Schauspiel eines Flusses, der bergauf floss, wurde gestern von Urlaubern hier gesehen.

Das Wasser des Attersees zog sich zurück, und das seltsame Phänomen brachte den Fluss Ager, der im See entspringt, dazu, rückwärts zu fließen.

Viele Boote auf dem See und an der Flussmündung strandeten. Das hydrographische Institut sagte, der Vorfall habe keinen Zusammenhang mit dem italienischen Erdbeben.“

 

 

Die identische Agenturmeldung findet sich auch in der „New York Times” am 26. Juli 1930, S. 30 (Austrian River in Reverse Leaves Many Boats Stranded) und im Hartford Courant vom 26. Juli 1930 (River Flows Up Hill As Visitors Gape).

 

Im See selbst dürfte eine solche Seiche eine mehr oder weniger geraden Wellenkamm zeigen, der die Oberfläche entlangrast – genau das, was auch von Weyregg aus beobachtet wurde. Auch die Sage, dass sich im See ein großer Fisch wälzt, „dann schäumt der See wild auf und wirft große Wellen, ohne daß auch nur ein säuselnder Wind zu bemerken wäre“ deutet auf Seiche-Erscheinungen hin. (Auch vom schottischen Loch Tay schrieb man in der frühen Neuzeit, er erzeuge „Wellen ohne Wind“.)

 

 




Wie das Ungeheuer von Loch Ness entstand (Teil 2)

Im Herbst 1933 kamen die ersten Touristen nach Presseberichten in England an den See, und sprunghaft stieg die Zahl der Monstersichtungen. Man kann davon ausgehen, dass viele Beobachtungen auf im See treibende Öltonnen und Baumstämme vom Straßenbau zurückgingen, auch auf Stimuli, die den Einheimischen wohl bekannt waren: Otter, Lachse, das Kielwasser von Booten. Zudem hielten sich zu der Zeit (und im gesamten Winter 1933/34) Seehunde im See auf (Northern Chronicle, 6. September, S. 5).

 

Mehrere Seehunde ruhen auf einem kleinen Felsen
Seehunde sind an der schottischen Küste allgegenwärtig und wandern auch regelmäßig in den Loch Ness ein

 

Einzelne Seeanrainer begannen nun, von Sichtungen zu erzählen, die sie vor 1930 gemacht haben wollten, aber jedes Mal reagierte die Gemeinschaft am Loch Ness mit Dementis. Die Anwesenheit eines Ungeheuers war mittlerweile zwar akzeptiert, aber es wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es erst seit April 1933 im See war. (Inverness Courier, 3. Oktober 3, S. 5)

 

Loch Ness – Krimiserie

Als am Fuße des Carn Mohr Mountain eine Leiche entdeckt wird, wird Detective Redford mit ihrem ersten Mordfall konfrontiert. Als dann ein menschliches Herz am Ufer des Sees gefunden wurde, bekommt sie fachliche Unterstützung.

 

Die sechsteilige Serie zeigt nicht nur typisch britische Charaktere, die wunderbare Laura Fraser brilliert in einer traumhaften Kulisse in diesem sechsteiligen Krimi von 2016.

 

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Als ein Leserbrief im Courier am 10. Oktober, S. 4, behauptete, das Monster sei seit 50 Jahren bekannt, müssen diese Behauptungen die Einwohner am Loch Ness amüsiert, vielleicht sogar erbost haben. Sie wussten, dass es vor Alex Campbells Artikel im Mai 1933 (und seinem früheren Versuch 1930) am See kein Gerede um ein Monster gegeben hatte. Der Inverness Courier brachte am 20. Oktober 1933, S. 6, einen Leserbrief, in dem festgestellt wurde, die Nonnen im Kloster von Fort Augustus würden schon seit 50 Jahren von dem Ungeheuer sprechen. Natürlich war den Einheimischen klar, dass das eine Parodie auf die Leute sein sollte, die „frühere“ Monster meldeten, denn in Fort Augustus gibt es nur Mönche.

Campbells Sichtung

Alex Campbell
Alex Campbell (Alter des Fotos unbekannt), ein stetiger Beobachter am Loch Ness

Endlich hatte auch Alex Campbell eine Sichtung: Am 17. Oktober 1933 berichtete The Scotsman, Campbell sei „ein Skeptiker“, der glaube, das Monster sei nur ein Seehund. „Nun berichtet er, er habe vor nicht langer Zeit eines Nachmittags ein Tier gesehen, das seinen Kopf und Körper aus dem See hob, dann stillhielt, dann seinen Kopf von der einen zur anderen Seite bewegte – einen kleinen Kopf auf einem langen Hals –, weil es offenbar dem Geräusch von zwei Kuttern lauschte, die von Kaledonischen Kanal herkamen. Dann erschrak es und tauchte unter. Das Tier war mindestens 9 m lang.“ (Binns, S. 77)

 

Campbell schilderte seine Sichtung auch seinem Arbeitgeber, der Fischereibehörde des Loch Ness. Das Monster sei wenige Tage später noch einmal erschienen, doch „nun war das Licht besser, und in nur wenigen Sekunden konnte ich erkennen, dass das, was ich für das Monster gehalten hatte, nur ein paar Kormorane waren.“ (Binns, S. 77)

 

Campbells Sichtung taucht dann auch in dem ersten Buch, das je über Nessie geschrieben wurde, Rupert Goulds The Loch Ness Monster vor – als ein typisches Beispiel dafür, wie sich Augenzeugen täuschen können!

Campbell war kein Skeptiker!

Doch Campbell, der keinesfalls ein Skeptiker war, sondern bis dahin einer der wenigen, wenn nicht gar der einzige, der überhaupt an ein Loch Ness Monster glaubte, änderte danach seine Geschichte und beeindruckte damit alle Monsterjäger. War seine Sichtung bislang auf den 7. September (in der Zeitung) oder auf den Oktober 1933 (bei Gould) oder gar auf den Oktober 1933 datiert, erzählte er Constance Whyte 1957, sie habe sich am 22. September ereignet. Das Monster sei 9 m lang gewesen, kein Zweifel.

 

Tim Dinsdale erzählte er 1960, die Sichtung habe sich im Mai 1934 ereignet, das Monster sei „mindestens 9 m lang gewesen“. (LNM, S. 97)

 

Auch gegenüber Nicholas Witchell (S. 80) bekräftigte er das Datum Mai 1934 und die 9 m.

 

Noch im Sommer 1976 gab er gegenüber National Geographic an, er habe das Monster dutzende Male gesehen. Es gibt keinen Zweifel, das Campbell – wenn nicht gleich der Erfinder – so doch der Motor der ganzen Sache in den Jahren 1933 und 1934 war.

 

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1933 gibt es die ersten einheimischen Zeugen

Andererseits kamen nun, gegen Ende 1933, die ersten einheimischen Zeugen, die das Monster vor 1933 schon gesehen haben wollten.

Eine Mrs MacDonald erinnerte sich, sie habe im Februar 1932 ein seltsames Wesen im Fluss Ness bei Holme Mills gesehen (das ist fast noch im Stadtgebiet der am Meer liegenden Stadt Inverness). Voneinander abweichende Versionen ihrer spektakulären Sichtung erschienen in vielen Zeitungen (Glasgow Herald, 13. Dezember 1933, Inverness Courier, 12. Januar 1934, S. 5 und 13. September 1935, S. 5, London Times, 15. Dezember 1933, S. 14) Sowohl der Herald wie die Times berichten falsch, die Beobachtung sei erst 1933 gemacht worden und das Wesen sei 3,6 bis 4,5 m lang gewesen und habe Stoßzähne gehabt.

Tatsächlich erinnerte sich Mrs MacDonald an ein „Krokodil“, 1,8 bis 2,4 m lang, mit einem sehr kurzen Hals und langen, mit Zähnen bewehrten Kiefern, wie sie der Daily Mail (29. Dezember 1933) und Gould (S. 38–39) versicherte. Dieses Wesen, was immer es war, hat offensichtlich wenig mit der langhalsigen Nessie zu tun.

 

ein mittelgroßer Fluss im Wald mit einer bewachsenen Insel in der Mitte
Der Ness etwas stromaufwärts von Inverness Zentrum. Hier sollen regelmäßig Seehunde vorkommen

 

Am 12. November 1933 wurde auch das erste Foto von Nessie aufgenommen, das Bild zeigt einen unförmigen grauen Blubb vor Wellenrippeln. Kein Nessie-Experte stimmt mit einem anderen darüber überein, was es zeigt – eine Flosse, den Rücken, den Hals? Da man durch das Monster hindurch die Wellen sehen kann, bin ich sicher, dass der Fotograf, Hugh Gray, eine Doppelbelichtung angefertigt hat.

 

Das erste Foto von Nessie stammt von Hugh Gray
Das erste Foto von Nessie stammt von Hugh Gray

 

Am 9. Dezember beginnt die tägliche Berichterstattung über Nessie in der Londoner Times, der wichtigsten und seriösesten Zeitung des Landes. Ohne Ironie, aber mit viel Liebe zum Detail, werden die jeweils neu gemeldeten Sichtungen aufgeführt.

Die Londoner Presse berichtet

Ganz besonders des Themas Nessie angenommen hatte sich die große Londoner Zeitung Daily Mail. Im Dezember schickte sie einen berühmten Großwildjäger, Marmaduke Wetherall, an den See. Wetherall befragte Zeugen, befuhr den See und fand schließlich innerhalb einer Woche den endgültigen Beweis für Nessies Realität: Fußspuren des Monsters am Ufer.

 

 

 

„Das Ungeheuer von Loch Ness ist eine Tatsache, keine Legende“ lautete am 21. Dezember 1933 die Schlagzeile der Daily Mail. Einen Monat später aber verkündete das Britische Museum in London, dass eine Untersuchung der Tappser gezeigt hatte, dass sie alle vom rechten Hinterfuß eines Nilpferdes stammten – sie waren mit einem Schirmständer angefertigt worden. Obwohl immer wieder geäußert wurde, Wetherall habe die Spuren selbst angefertigt, gibt es dafür keinen Beweis.

 

Dass die Spuren gefälscht waren, war allerdings längst noch nicht bekannt, als der nächsten klassischen Bericht gemeldet wurde, der wie eine Kombination aus dem Schwindel der Daily Mail, und dem zweifelhaften Spicer-Bericht scheint. Beide Male ist angeblich ein Lamm das Opfer der Exkursion, beide Male werden die Fußstapfen am Ufer berichtet.

 

Der Turm von Urquhart Castle, hier soll sich Nessie am häufigsten rumtreiben
Der Turm von Urquhart Castle, hier soll sich Nessie am häufigsten rumtreiben

Arthur Grants Sichtung

Am 5. Januar 1934 fuhr Arthur Grant um 2 Uhr morgens auf der Uferstraße bei Abriachan, als er ein großes Etwas von der Nordseite der Straße herkommend sehen konnte. Es sei so mondhell gewesen, das man „eine Zeitung hätte lesen können“. In mehreren Sätzen überquert das Monster die Straße und verschwindet im Loch Ness. Grant schildert es als Tier mit langem Hals, langem Schwanz, zwei Höckern, den Vorderfüßen einer Robbe und Krokodilbeinen, 4,5 bis 6 Meter lang. Es sei „gewatschelt wie ein Seelöwe“ (Lange, S. 98), „seine Kiefer könnten bequem ein Lamm fassen“

 

Skizze des Monsters von Arthur Grant

 

Mehrere Studenten aus Edinburgh untersuchten den Sichtungsort einen Tag nach der Begegnung und fanden zahlreiche „Abdrücke von Flossen“, sowie am Ufer „Schafswolle und das Skelett einer Ziege“. (Costello, S. 50)

 

Vielleicht war die ganze Angelegenheit ein Schwindel, der Elemente aus Spicer und den neuentdeckten Spuren verband, vielleicht auch eine Fehldeutung, die von der Daily-Mail-Sensation beeinflusst war. Interessanterweise hielten sich damals eine oder mehrere Seehunde im Loch Ness auf – dass 1933 und 1934 alteingesessene Fischer von Seehunden im See berichteten, wird bis heute in den Nessie-Büchern verschwiegen! (Der Inverness Courier, 16.1.34, S. 4 & 5, berichtet, am 13.1.sei ein Seehund im River Ness, am 15.1. bei Fort Augustus gesichtet worden.)

 

Die Zahl der Beobachtungen explodiert

Mittlerweile lassen sich die Ereignisse nicht mehr einfach schildern. Im Schnitt wurde spätestens jeden zweiten Tag eine Beobachtung gemeldet, von Einheimischen wie von Touristen. Zahlreiche dieser Sichtungen sind definitiv Fehldeutungen (so wurde während eines Schneetreibens ein mehrhöckeriges Monster gesichtet, dessen einzelne Höcker miteinander verschmolzen; eine vielhöckerige Nessie folgte einem Trawler, dessen Besatzung nichts merkte ­ alles typische Kielwellensichtungen), häufig dauerten sie mehrere Minuten, manchmal Stunden. Eine solche Dauer ist seither nie mehr gemeldet worden.

 

Die nächste klassische Sichtung erfolgte am 1. April 1934. Der Londoner Gynäkologe R. K. Wilson befand sich bei Invermorriston, als er etwas Seltsames sah, er nahm mehrere Fotos auf, von denen zwei deutlich genug waren: die berühmten „Surgeon’s pictures“. Wilson weigerte sich stets, Details seiner Sichtung zu berichten (angeblich war er mit einer Geliebten am See gewesen und wollte sie nicht kompromittieren), er weigerte sich auch stets zuzugeben, dass seine Bilder Nessie zeigten.

 

eine ruhige Wasserfläche mit wenigen Wellen, in der Mitte ein Gegenstand unbestimmbarer Größe, aus dem ein langer Fortsatz in einem flachen Bogen nach oben geht und dort wie abgeknickt wirkt
Das als „Surgeon’s Picture“ bekannte Bild vom 1. April 1934.

 

Er wusste, warum. Erst 1994 kam heraus, dass es ein Modell war, und dass der Drahtzieher hinter dem Schwindel Wetherall gewesen war, der sich an der Daily Mail rächen wollte. Obwohl es heute noch Hardliner gibt, die den Schwindel nicht akzeptieren, etwa Coleman, so steht er doch einwandfrei fest.

 

Der Plesiosaurier als Archetyp

Mit dem Bild des Chirurgen gab es ein Archetyp, wie Nessie aussehen musste – vorher wichen die Berichte oft voneinander ab. Nun war Monster endgültig etabliert, der Mythos beeinflusste die Art und Weise, wie Augenzeugen Kielwellen, treibende Baumstämme, Seehunde, Otter und schwimmendes Wild wahrnahmen.

 

… Und Nessie ist seither nicht mehr von unserer Seite gewichen.


Mythen und Schlussfolgerungen

Es zeigt sich durch diese Analyse der zeitgenössischen Quellen, dass viele lieb gewonnenen Klischees, die sich in praktisch jedem Buch über das Ungeheuer von Loch Ness finden lassen, nachweislich falsch sind.

 

1)        Es wurde 1933 keine neue Straße am Loch Ness gebaut.

 

2)        Das Ungeheuer wurde nicht „seit Jahrhunderten“ schon beobachtet. Wir haben schon gesehen, dass sich 1933 alle Seeanrainer einig waren, dass sie noch nie etwas von einem Loch Ness Monster gehört hatten. Wohl meldeten bereits im Spätjahr 1933 manche Zeugen Sichtungen vor 1930, doch wurde das generell von der Bevölkerung bezweifelt. Erst Constance Whyte schuf die Legende von der Nessie-Tradition 1957 in ihrem Buch More Than A Legend. Natürlich erschien eine Besprechung auch im Inverness Courier (12. April 1957, S. 3)Das Buch habe nur einen schweren Fehler, meinte der Journalist von Loch Ness, es sei falsch, dass es eine Monstertradition gebe.

Der Volksglauben entstand erst 1957

Bis 1957 war das eine anerkannte Tatsache, seither glauben selbst die Menschen am Loch Ness, man habe schon immer von dem Ungeheuer gemunkelt. Als Gould 1934 sein The Loch Ness Monster schrieb, hatte er keinen Zweifel dass, „was immer X [sein Name für Nessie] ist, es kam ursprünglich aus dem Meer.“ (S. 165) Um zu beurteilen, was die Augenzeugen gesehen hätten, sei es nötig, herauszufinden, ob „ein Meerestier den Loch erreichen könnte.“ (S. 6) Er akzeptierte Berichte von 1871, 1903 und 1908 (S. 25; eine dieser Sichtungen beschreibt eindeutig einen Otter, andere sind sehr vage, keine wurde damals der Zeitung gemeldet), schrieb aber andererseits: „Es gibt kein Indiz dafür, dass es mehr als ein Tier im See gibt.“ (S. 34)

 

 

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Dinosaurier: Die großartigste Paläoart

In „Dinosaur Art“ lässt Herausgeber Steve White zehn der besten zeitgenössischen Paläoartists zu ihren Techniken und Stil zu Wort kommen. Die atemberaubenden Bilder dieser Künstler sind ein Schatz für Liebhaber von Dinosauriern, Kunstfreunden und Illustratoren.

 

Dinosaur Art“ ist 2012 bei Titan Books erschienen und hat 188 großformatige Seiten. Das gebundene Buch ist nur noch antiquarisch zu bekommen, für gute Exemplare zahlt man etwa € 40,-.

 

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Der große holländische Zoologe Dr. A. C. Oudemans, Autor des Klassikers The Great Sea-Serpent (1892) schrieb 1934 das Büchlein The Loch Ness Animal. In diesem Buch geht er davon aus, Nessie erst vor kurzer Zeit in den Loch Ness gekommen war, wohl im Frühjahr 1933, als der River Ness Hochwasser hatte.

Da Oudemans Goulds Buch kannte, in dem dieser Ende 1933 gesammelte frühere Sichtungen von Nessie erwähnte (etwa Mrs MacDonalds Bericht, und den Bericht von Ian Milne), meint er: „nicht zum ersten Mal hat Loch Ness die Ehre, Besuch von einer Seeschlange zu erhalten. … Jedes Mal blieb die Seeschlange nur kurze Zeit; sie verließ den Loch, vermutlich auf die gleiche Weise, wie sie hineingekommen war.“ (S. 6) Oudemans wies darauf hin, dass „Commander Gould annimmt, dass das Tier während eines Hochwassers des River Ness in den Loch gekommen sei“. (S. 8) Oudemans war sich sicher, das sei im März 1933 gewesen. „Eines Tages wird es den See wieder verlassen wollen.“ (S. 15)

Warum wird nicht vom Ungeheuer berichtet?

3)        Es wird generell argumentiert, die Bevölkerung habe mit dem Ungeheuer so viel Aberglauben verbunden, dass die Schotten Sichtungen nicht gemeldet hätten. Doch waren einerseits die Zeitungen von Inverness voller Berichte über Seeschlangen und überlebende Dinosaurier in anderen Teilen der Welt, andererseits berichteten sie über Begegnungen mit unerklärlichen Lichtern über dem Loch, de zumindest ähnlich abergläubisch konnotiert waren. Zudem war Loch Ness seit 1850 ein beliebtes Reiseziel, unter anderem verbrachten Charles Darwin, Königin Victoria, der englische Dichter Dr. Johnson sowie der bekannte Magier A. Crowley Urlaube dort ­ und auch sie berichteten nichts von einem Ungeheuer. (Vgl. dazu meinen Aufsatz in Fortean Studies 7)

 

4)        Das Jahr 1933 und die Geburt Nessies wird in den pro-Büchern stets grob verzerrt, absichtlich oft sogar falsch, dargestellt.

Besondere Verzerrungen sind bei den formativen Sichtungen festzustellen: der Landsichtung der Spicers, Campbells Riesenmonster oder dem „surgeon’s photo“.

 

Die Berichte nähern sich mit der Zeit einander an

Zudem waren die Berichte damals extrem unterschiedlich: Die Mackay sahen etwas undefinierbares, Mrs McDonell ein Krokodil, die Spicers ein otter-artiges Etwas, Arthur Grant eine Art Seelöwe, andere berichteten von saurierartigen Wesen. Die Sichtungen haben wenig Gemeinsamkeiten; der Spicer- und der Grant-Landbericht, beide höchst dubios, haben dann aber das Bild des langhalsiger, vielhöckrigen, saurierartigen Monsters etabliert, dem seither alle Sichtungen folgen. Hätten wir nur das Jahr 1933, könnten wir uns überhaupt kein Bild des Monsters machen, zu unterschiedlich sind die Geschichten. Jeder dieser Seen kann eines Tages, wenn die Umstände dem gewogen sind, zu einem klassischen Monstersee werden.

 

5)        Wie bei Ufos (Kenneth Arnold, Ray Palmer), Bigfoot (Wallace) und dem Bermuda-Dreieck (Ivan T. Sanderson und Vincent Gaddis) steht auch am Loch Ness eine einzige Person mit ihrem Glauben an das Phänomen am Anfang der Legende, die sich erst mit der Zeit entfaltet und vervollständigt.

 

Loch Ness mit Bergketten an beiden Ufern und der Sonne hinter Wolken am gegenüberliegenden Ende
Wie verschlossen liegt Loch Ness an diesem Abend da. Noch birgt es seine Geheimnisse.

 

6)        Zu guter Letzt die einzigen beiden „authentischen“ Berichten von Seeungeheuern im Loch Ness, die vor 1930 auch in zeitgenössischen Medien erschienen:

 

Der erste zeitgenössische Bericht

Den ersten hat Ulrich Magin im Inverness Courier vom 1. Juli 1852, S. 3b, entdeckt:

 

 

„Ein Vorfall bei Lochend

An einem Tag in der letzten Woche, als der Loch Ness völlig ruhig ohne einen Kräusel an der Oberfläche dalag, wurden die Bewohner von Lochend plötzlich in den Zustand höchster Aufregung versetzt, als zwei große Körper erschienen, die gleichmäßig von Aldourie zum gegenüber liegenden Nordufer des Sees schwammen. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind lief herbei, um das ungewöhnliche Schauspiel zu beobachten. Unzählbar die vielerlei Spekulationen, welcher Art diese Tiere angehören könnten; einige dachten, es sei die Meerschlange, die sich dort entlang schlängelte, und andere vermuteten ein Paar Wale oder große Seehunde. Als sich die unheimlichen Objekte dem Ufer näherten, holte man die verschiedensten Waffen herbei, um sie anzugreifen. Die Männer waren mit Beilen in der Art der antiken Kriegsäxte von Lochaber bewaffnet, die jungen Burschen hatten Sensen und die Frauen Mistgabeln …

Zum, Schluss kam ein ehrwürdiger Patriarch zu dem Schluss, das es sich um zwei Hirsche handelte, und lief davon, um seinen alten ‚Niccoiseam‘ (eine Flinte) zu holen, die offenbar seit dem Unglückstag von Blar-nam-magal nicht mehr benutzt worden war. Als die angeblichen Hirsche nahe genug gekommen waren, und unser Held sie gerade ins Visier nahm, und eben feuern wollte, warf er die Flinte plötzlich zu Boden und rief in der wahren Sprache der Berge: ‚Dia Mu’n cuairt duinn, ’s iad na h’eich-uisg a th-ann!‘ [Gott, beschütze uns – das Wasserpferd!] Obwohl sie nicht gerade echte Furcht erregende ‚Kelpies‘ waren, stellten sie sich doch als wertvolles Paar Ponys heraus, die nach Aldourie gehörten, und die möglicherweise um der großen Hitze des Tages zu entgehen Gefallen daran gefunden hatten, sich in die kühlen Gewässer des Loch Ness zu stürzen.

Der Loch ist an dieser Stelle fast eine Meile breit.“

 

 

Da lange Zeit beratschlagt wurde, um was es sich handle, und weil es mit einem Meeresungeheuer, nicht einer einheimischen Seeschlange verglichen wurde, wissen wir durch diesen Bericht, dass es auch im 19. Jahrhundert keine Nessie-Tradition gab.

 

Flussmonster?
Auch so kann aus einem Baumstamm ein Flussmonster werden. Ausgerechnet da, wo man sowieso ein solches erwartet: Auf einer Insel im Ness bei Inverness.

 

Der zweite authentische Zeitungsbericht vor 1930 aus dem Inverness Courier (8. Oktober 1868) wurde von dem Schweizer Forscher Andreas Trottmann entdeckt:

 

 

„Ein fremdartiger Fisch im Loch Ness

Vor einigen Tagen strandete ein großer Fisch am Ufer des Loch Ness etwa zwei Meilen westlich vom Lochend Inn. Weder Name noch Spezies des fremdartigen Besuchers konnten zufriedenstellend geklärt werden, und große Mengen von Landbewohnern gingen hin, um ihn selbst zu sehen und zu untersuchen, aber sie zogen unverrichteter Dinge wieder ab, weil sie nicht herauszufinden vermochten, ob das Monster nun aus dem Wasser kam, ob es amphibisch war oder vom Land. Die Leichtgläubigsten versicherten, dass so ein großer Fisch schon einmal vor vielen Jahren hin und wieder bei seinen Sprüngen im Loch gesehen worden sei, und sie erklärten entschlossen, das Erscheinen seines toten Körpers am Ufer bedeute nichts gutes für die Bewohner – tatsächlich sage seine Anwesenheit Seuchen oder Hungersnöte voraus, vielleicht beides. Zu guter Letzt aber kam ein Herr herbei, der in der Wissenschaft der Ichtyologie bewandert war, und er stellte sicher, dass der fremdartige Besucher nichts anderes war als ein Tümmler von etwa 1,8 m Länge. Wie nun ein Bewohner des Ozeans ausgerechnet im Loch Ness an Land gespült worden war, war die nächste Frage, doch auch sie wurde bald geklärt, denn es stellte sich heraus, dass die Fettschicht fehlte! Der Fisch war natürlich im Meer gefangen und im Loch Ness über Bord geworfen worden. Damit wollte ein Scherzbold wohl die primitiven Bewohner von Abriachan und dem umliegenden Distrikt erschrecken. Der Plan war von vollem Erfolg gekrönt.“

 

 

Beide Berichte haben nicht nur eine natürliche Erklärung, sie belegen beide eindeutig, dass es damals noch keine Nessie-Tradition gab, denn sie spielen nicht darauf an, sondern bezeichnen die gesichteten Untiere als „Besucher“.

 

 

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Rätsel und Mysterien der Eifel

Die Eifel steckt voller Geheimnisse: Da erzählt man sich von brüllenden Maaren, versunkenen Städten und geheimen Regierungsbunkern, wundert sich über ungewöhnliche Gesteinsformationen oder nächtliche Leuchterscheinungen. Manch einer will gar UFOs, Kugelblitze oder Phantomkatzen gesehen haben! Ulrich Magin hat recherchiert und geht anhand von Augenzeugenberichten und rätselhaften Funden den Bruchstellen auf den Grund, an denen unsere gewohnte Alltagswelt jäh ins Unheimliche abgleiten kann. Aber während einige der Eifel-Rätsel sich zumindest theoretisch erklären lassen, bleiben andere wohl für immer ein Mysterium…

 

Rätsel und Mysterien der Eifel ist von unserem Autor Ulrich Magin. Es ist 2021 im Eifelbildverlag erschienen und hat 308 Seiten.

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Der erste Teil des Beitrages ist am 20. April 2023 erschienen.


Literatur

BAUER, Henry H.: The Enigma of Loch Ness. Urbana: University of Illinois Press 1986

BINNS, Ronald: The Loch Ness Mystery Solved. Shepton Mallet: Open Books 1983

COSTELLO, Peter: In Search of Lake Monsters. London: Garnstone Press 1974

DINSDALE, Tim: The Leviathans. London: Futura 1976

DINSDALE, Tim: Loch Ness Monster. Forth Edition. London: RKP 1982

FRERE, Richard: Loch Ness. London: John Murray 1988

GOULD, Rupert T.: Loch Ness Monster. London: Geoffrey Bles 1934

MACKAL, Roy P.: The Monsters of Loch Ness. London: Futura 1976

MAGIN, Ulrich: Waves without Wind – Historical accounts of the Loch Ness Monster. Fortean Studies 7, 2001, S. 95-115

OUDEMANS, A. C.: The Great Sea Serpent. Leyden: Brill, Luzac & Co 1892

OUDEMANS, A. C.: The Loch Ness Animal. Leyden: E. J. Brill 1934

THOMAS, Charles: The ‘Monster’ Episode in Adomnan’s Life of St. Columbus, Cryptozoology 7, 1988, S. 38–45

WHYTE, Constance: More Than A Legend. London: Hamish Hamilton 1957

WILLIAMSON, Dr Gordon R.: Seals in Loch Ness. Scientific Report of the Whale Research Institute, No. 39, March 1988: 151–157, Tokyo

WITCHELL, Nicholas: The Loch Ness Story. Lavenham: Terence Dalton 1976

 




Wie das Ungeheuer von Loch Ness entstand (Teil 1)

Das Ungeheuer von Loch Ness wurde zweimal geboren. Zum ersten Mal 1930, nur um kurze Zeit später schon wieder in Vergessenheit zu geraten. Das zweite Mal 1933, um seither nie mehr aus den Zeitungen und aus dem Bewusstsein der Menschen zu verschwinden.

 

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Lage von Loch Ness und den umliegenden Orten

 

Es hört sich kurios an, und fast alle Nessie-Bücher behaupten das Gegenteil: Aber vor 1933 wusste niemand, weder in der Welt noch am Loch Ness, dass es in dem See ein Ungeheuer gab. Als 1998 der Inverness Courier Father Andrew MacKillop interviewte, der 90 Jahre alt geworden war und 78 davon direkt am Ufer des Loch Ness verbrachte, erzählte der Pater, ein Nessie-Gläubiger, „das Außergewöhnlichste von allem ist dass, als ich noch ein kleiner Junge war [1920], niemand das Monster auch nur vermutet hätte, bis es dann ganz viele Leute in den frühen 30er-Jahren zu sehen begannen.“ (Inverness Courier, 20. März 1998).

Und Richard Frere (S. 167), früher Gläubiger, nun Nessie-Skeptiker, schrieb über seine 80 Jahre Leben am Loch Ness, „sollten die Einheimischen etwas über ein seltsames Tier gewusst haben, dann hüteten sie es bis 1933 wie das beste Geheimnis.“ Selbst Henry Bauer (S. 159), einer der profiliertesten akademischen Nessie-Anhänger, gibt zu, dass „nichts, was vor 1933 geschrieben wurde, … große, nicht-mythische Tiere im Loch Ness erwähnt.“

 

Loch Ness mit Bergketten an beiden Ufern und der Sonne hinter Wolken am gegenüberliegenden Ende
Wie verschlossen liegt Loch Ness an diesem Abend da, kaum eine Welle, und selbst das Licht wirkt bleiern. Noch immer birgt er seine Geheimnisse.

 

Auch eine Tradition hat einen Anfang

Um zu verstehen, warum heute jeder von einer Monster-Tradition spricht, die es vor 1933 nicht gab, um zu sehen, wie das, was wir heute über Nessie zu wissen glauben, Gestalt annahm, müssen wir uns in den Sommer 1930 begeben.

 

Alex Campbell
Alex Campbell (Alter des Fotos unbekannt)

Am 21. Juli 1930 sah Ian Milne, ein Seeanwohner, mit zwei Freunden in einem Boot bei Tor Point, als sie etwas Seltsames sahen. Er erzählte Alex Campbell davon, einem Freund, der für die Lokalzeitung Inverness Courier als Korrespondent tätig war.

Der schrieb einen kleinen Artikel darüber: „Wir hörten ein furchtbares Geräusch auf dem Wasser, und als wir uns umblickten, sahen wir in einer Entfernung von etwa 600 Metern eine große Turbulenz. Der Schaum spritze überall hoch. Dann kam der Fisch – oder was immer das war – auf uns zu … wir sahen einen schlängelnde Bewegung, aber das war schon alles.“ Alexander Campbell fügte hinzu, das sei nicht die erste kuriose Sichtung, die ihm berichtet worden sei: „Vor einigen Jahren sah ein Anrainer des Loch Ness ein ähnliches Phänomen. … Er sah den Fisch – was immer er ist – in der Mitte des Sees entlangkommen, und erklärte später, er sei von dunkler Farbe gewesen und habe in Form und Größe einem gekenterten Boot geglichen.“

Zwei Zeugen mit fast dem gleichen Wortlaut?

Dass zwei Zeugen sich fast identischer Worte bedienen, lässt vermuten, dass Campbell die Berichte stark umgeschrieben hat. Zum Ende seines Artikels bat Campbell die Leser um weitere Sichtungen. (Northern Chronicle, 27. August 1930, S. 5; Inverness Courier, 29. August 1930, S. 5; Mackal, S. 224, Observations nr. 12 und 13; Costello, S. 24; Witchell, S. 46; Binns, S. 12 – Varianten dieser Zeitungsmeldungen erreichten sogar die Vereinigten Staaten und Neuseeland, wo zum ersten Mal das Wort Monster im Zusammenhang mit Loch Ness auftaucht).

 

Die Reaktion war erstaunlich: Er erhielt eine größere Zahl an Zuschriften von Einheimischen, die vermuteten, Ian Milne habe einen Seehund oder einen Otter gesehen. Keiner der Schreiber verband Loch Ness mit einem Monster – außer offenbar Alex Campbell.

 

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Monster der Tiefe

Der bekannte Tierfilmer Nigel Marven macht uns in einer Reihe von „Begegnungen“ mit der prähistorischen Welt bekannt. Er taucht tief in die Vergangenheit ein und schwimmt mit ungewöhnlichen Meerestieren um die Wette. Durch seine Augen erhalten wir Einblicke in die Unterwasserwelt und lernen die seltsamen und faszinierenden Geschöpfe kennen, die dort zu Hause sind. Vielfach sind sie größer und aggressiver als die Dinosaurier. So beherbergen die gefährlichen Gewässer der Vorzeit mit dem starken, Furcht erregenden Jäger Lioleurodon das vielleicht größte Raubtier aller Zeiten, außerdem den merkwürdigen Dunkleosteus mit seinem Panzerkopf und den rasiermesserscharfen Schneidezähnen sowie den schlangengleichen Wal Basilosaurus.
Sie alle werden wieder lebendig, wenn Nigel ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht.

Monster der Tiefe ist als DVD in zwei identischen Ausgaben von 2004 und 2007 erhältlich. Die spannende Doku ist durch die Faxen, die Marven macht, nicht ohne Humor, jedoch wegen der teilweise bedrohlichen Situationen nicht für zu kleine Kinder geeignet. Sie läuft etwa 90 Minuten.

 

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Das erste Monster?

Nur ein Leser – anonym zudem – meldete eine weitere Sichtung: Der Northern Chronicle (3. September 1930, S. 5) druckte seinen Brief ab, in dem behauptet wurde, dass „vor etwa 40 Jahren der Skipper und die Crew eines Dampfers im [Caledonian] Canal im Loch Ness ein Monstertier oder Fisch sahen. Es schwamm auf seinem Rücken und hatte Beine und einen pelzigen Körper. So jedenfalls hat man mir das erzählt.“ (Binns, S. 13).

Da der Loch Ness nur von Fort Augustus aus vom Kanal aus einsehbar ist, und Alex Campbell dort lebte, handelt es sich entweder um einen weiteren Bericht aus seiner Feder, oder um einen Nachbarn, der Campbells Monsterspleen kannte und sich über ihn lustig machte.

 

Abguss eines riesigen Lachses
Rekordlachs aus dem Jahr 1922 im Inverness-Museum. Das Tier war sagenhafte 137 cm lang

 

 

Denn schon 1930 glaubte Campbell an ein Monster, von dem sonst niemand wusste. In seinem zweiten Artikel über das Monster, der im Mai 1933 erschien, bezog sich Campbell ausdrücklich auf die Sichtung von Milne, um seine Behauptung zu stützen, es gebe am Loch Ness eine Tradition. Auch in seinem Bericht über Milne hatte er ja – wir sahen es – „frühere“ Sichtungen angeführt. Die Quelle all dieser Berichte ist aber immer nur er selbst. Niemand am Loch Ness wollte etwas von einem Ungeheuer wissen – und mitten drin saß Alex Campbell und lauerte darauf, dass seine Freunde ihm von einer Turbulenz im Wasser berichteten, die er zum Monster umdichten konnte!

 

Der Beginn der Moderne sorgt für das Monster

Zwischen 1930 und 1933 geschah viel am Loch Ness – die gesamte Infrastruktur änderte sich. Es ist die Zeit, in der der motorisierte Individualverkehr immer stärker an Bedeutung gewinnt: Zwar verkehren nach wie vor mehrere Dampfer auf dem See, die Eisenbahnlinie Glasgow-Fort Augustus aber wird stillgelegt und die seit 300 Jahren bestehende Straße am Nordufer des Sees wird verbreitert. Durch diese Baumaßnahmen ist der Uferwald teilweise abgeholzt, Öltonnen und Baumstämme treiben im Wasser.

 

Seehund
Schwimmender Seehund

 

1933 gewinnt Nessie an Gestalt

Nachdem der erste Bericht von 1930 im Keim erstickt worden war, kam 1933 der Artikel, der alles endgültig starte: Am 2. Mai 1933, S. 5 erschien im Inverness Courier (und in der assoziierten Zeitung Northern Chronicle am 3. Mai, S. 5) der erste schottische Artikel, der von einem Ungeheuer im Loch Ness sprach. Der Inverness Courier, Ende des 18. Jahrhunderts gegründet, war mehr als 130 Jahre lang erschienen, ohne eine Meldung über Nessie zu bringen. Verfasser war – wieder – Alex Campbell! Campbell berichtete in recht sensationellen Worten von einer Beobachtung, die Mr und Mrs Mackay, Hotelbesitzer in Drumnadrochit, gemacht hatten:

 

 

„Seltsames Schauspiel auf dem Loch Ness – Was war es? – (Von unserem Korrespondenten)

 

Seit Generationen gilt Loch Ness als Heim eines Furcht erregend aussehenden Ungeheuers, aber, so scheint es, galt dieser ‚Wasser-Kelpie‘, wie das Fabeltier genannt wird, stets als Mythos, wenn nicht gar als Scherz. Nun kommt jedoch die Nachricht, dass das Ungeheuer erneut gesichtet wurde. Am letzten Freitag fuhr ein bekannter Geschäftsmann, der bei Inverness wohnt, mit seiner Frau (die einen Universitätsabschluss hat) mit dem Auto am Nordufer des Sees entlang, als beide verblüfft unweit von Abriachan eine gewaltige Aufwallung im Loch sahen. Dieser war nur kurz zuvor so still wie der sprichwörtliche Mühlteich gewesen.

 

Die Frau sah die Turbulenz als erste, die ganze dreiviertel Meile vom Ufer geschah, und ihr plötzlicher Schrei, er solle anhalten, lenkte die Aufmerksamkeit ihres Gatten auf das Wasser.

 

Dort zeigte sich das Tier, es rollte und platschte eine ganze Minute lang, und sein Körper glich dem eines Wals. Das Wasser sprudelte an ihm herunter wie ein Wasserfall, das Wasser kochte wie ein Kessel. Bald darauf verschwand das Tier in einer kochenden Masse aus Gischt. Beide Zuschauer gaben an, das ganze sei etwas unheimlich gewesen, denn sie waren sich sicher, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Seebewohner gehandelt hatte. Nicht nur aufgrund der gewaltigen Größe, das Tier sandte auch, als es endlich untertauchte, gewaltige Wellen aus, die denen eines Dampfers glichen.

 

Die Betrachter warteten mindestens eine halbe Stunde in der Hoffnung, das Monster (wenn es ein solches gewesen sein sollte) könnte erneut auftauchen, aber sie sahen es nicht mehr. Als sie nach der Länge des Ungeheuers befragt wurde, meinte die Dame, nach dem Zustand des Wassers in dem betroffenen Gebiet zu schätzen, sei es wohl viele Fuß lang gewesen.

 

Man wird sich erinnern, dass vor einigen wenigen Jahren eine Gruppe von Anglern aus Inverness berichtete, [hier beruft sich Campbell auf seinen Bericht von 1930] sie hätte, als sie den See in einem Ruderboot überquerte, ein unbekanntes Tier gesichtet, dessen Masse, Bewegungen und die Menge von Wasser, die es verdrängte, darauf hindeuteten, dass es entweder ein sehr großer Seehund war, ein Tümmler, oder gar das Monster selbst! Aber damals erregte die Geschichte, als sie in der Presse erschien, kaum Aufmerksamkeit. Im Gegenteil, die meisten Leute, die sich dazu äußerten, tasten es mit der äußersten Portion Skepsis.

 

Es sollte noch angemerkt werden, dass, so weit man weiß, weder Seehunde noch Tümmler je im Loch Ness gesehen worden sind. Im Falle der letzteren wäre dies auch völlig unmöglich, und, was Seehunde angeht, so sind sie wohl in seltenen Fällen im Fluss Ness beobachtet worden, aber ihre Anwesenheit im Loch Ness wurde nie eindeutig bewiesen.“

 

 

Der Artikel von Campbell strotzt vor dem Wunsch, man möge das Ungeheuer endlich anerkennen, von dem eigentlich nur er berichtet. Die Mackays gaben später auf Befragung des Senders BBC (3. April 1983) an, Frau Mackay habe zuerst geglaubt, „die Wasserturbulenzen stammten von zwei miteinander kämpfenden Enten. Ihr Ehemann, der mit dem Auto entlang der Uferstraße fuhr, habe angehalten und lediglich bewegtes Wasser und Wellen gesehen, die ans Ufer schwappten.“ (Dash, S. 650; Harrison: Encyclopaedia, S. 126) Auch habe sich Campbell im Datum geirrt, die Sichtung sei im März, nicht im April 1933 erfolgt.

 

Der Originalbericht der Mackays klingt also wesentlich nüchterner als Campbells aufgebauschte Version. Wie reagierten nun die Seeanrainer auf Campbells zweiten Versuch, über ein Ungeheuer im Loch Ness zu schreiben?

 

ein mittelgroßer Fluss im Wald mit einer bewachsenen Insel in der Mitte
Der Ness etwas stromaufwärts von Inverness Zentrum. Hier sollen regelmäßig Seehunde vorkommen

 

Die Anwohner sind skeptisch

Schon am 12. Mai brachte der Inverness Courier (S. 5) einen Leserbrief von Captain John Macdonald, der 50 Jahre lang die Aufsicht über alle Linien- und Touristendampfer im Loch Ness innegehabt hatte. Macdonald war der Ansicht, das Ehepaar hätte wahrscheinlich „springende Lachse“ gesehen, die – wie er aus eigener Anschauung wisse – für ziemliche Turbulenzen im sonst ruhigen Loch führen konnten. Und er fügte an: „Außerdem höre ich zum ersten Mal, dass – wie ihr Korrespondent schreibt – der Loch Ness ’seit Generationen… als Heim eines Furcht erregend aussehenden Ungeheuers gilt.‘ Ich habe 50 Jahre lang den Loch Ness befahren, und in all dieser Zeit nicht weniger als 20,000 Trips den See auf und ab gemacht. In diesem halben Jahrhundert, in dem ich fast täglich auf dem Loch Ness war, habe ich nie so ein ‚Monster‘ gesehen, wie Ihr Korrespondent es beschreibt.“

 

Erst am 23. Mai (S. 4) erschien der nächste Bericht im Courier. In einer nur einen Absatz langen Notiz hieß es, alle befragten Seeanrainer stimmten mit Macdonalds Ansicht überein, dass es kein Monster im See gebe. „Einige denken, es sei ein großer Otter, andere ein großer Aal, und wieder andere sind der Ansicht, dass die beobachtete Turbulenz von seismoskopischer Natur gewesen sei. Viele denken auch, dass Captain John Macdonald Recht hat.“

 

Fischotter
Fischotter sind schnelle, geschmeidige Jäger – sie kommen regelmäßig in Loch Ness vor

 

Campbell liefert nach

Auch in den folgenden Wochen bis etwa Juni lieferte Alex Campbell Monsterberichte an den Inverness Courier – darunter auch Augenzeugenberichte, die er anonym schrieb (Harrison, S. 39) –, allein, jeder einzelne davon wurde von Leserbriefen entzaubert:

 

Mit einer Ausnahme (ein Brief an den Courier, 30. Mai, S. 4, der auf den angeblichen Monsterbericht in der Heiligenvita von St. Columba hinwies) schilderten alle Leserbriefe, die nicht von Campbell stammten, keine weiteren Sichtungen, sondern nur „rationale“ Erklärungen. Im Northern Chronicle, 21. Juni, wurde u.a. ein Hai, ein Mondfisch, ein Stör (den ein F. Sutherland gerade bei Fort Augustus gesichtet hatte) vorgeschlagen – aber niemand dachte bei Berichten über ein Ungeheuer im Loch Ness an das Ungeheuer von Loch Ness. Einen Stör als Erklärung schlug auch ein weiterer Brief im Northern Chronicle, 16. August, S. 5 vor.

 

 

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Seeungeheuer – Mythen, Fabeln, Fakten

Meeresbiologe Richard Ellis hat in diesem Werk zahlreiche bekannte Seeungeheuer – Sichtungen zusammengefasst und analysiert. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der klassischen Seeschlange, deren Interpretation einen Großteil des Buches einnimmt – ohne je langweilig zu werden.

 

Seeungeheuer – Mythen, Fabeln und Fakten ist DAS Standardwerk zum Thema Seeungeheuer. Obwohl es ein wenig in die Jahre gekommen ist, lohnt sich die Lektüre immer noch. Kryptozoologisch, spannend, ohne je den Weg der Wissenschaft zu verlassen. Das Buch ist 1997 bei Birkhäuser in deutscher Übersetzung erschienen und hat als gebundenes Buch etwa 390 Seiten. Für sehr gute Exemplare zahlt man 10 bis 15 €.

 

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Rationale Erklärungen werden weniger – Zeit der Spekulation

Doch die Zeit der rationalen Erklärungen war endgültig vorbei, als im August ein sensationeller Bericht von Touristen erschien. Es ist insgesamt – zählt man Milnes Sichtung mit – erst die vierte oder fünfte Sichtung eines „ungewöhnlichen Tieres“ im Loch Ness überhaupt. Der Inverness Courier druckte am 4. August 1933 einen Leserbrief von Mr Spicer aus London, der kurze Zeit zuvor zwischen Dores und Foyers am Südufer des Sees entlanggefahren war:

 

 

„Da sah ich die näheste Annährung an einen Drachen oder ein prä-historisches Tier, die ich je gesehen habe. Es überquerte etwa 50 Meter vor mir die Straße und schien ein kleines Lamm oder ähnliches Tier zu tragen. Es schien einen langen Hals zu haben, der sich auf- und abbewegte wie eine Achterbahn, und sein Körper war ziemlich dick, mit einem hohen Rücken; sollte es aber Füße gehabt haben, so sicher mit Schwimmhäuten, und ob es einen Schwanz hatte weiß ich nicht, da es sich so schnell bewegte, und als wir an dem Punkt angelangt waren, war es vermutlich bereits im See verschwunden. Es war zwischen 6 bis 8 Fuß (1,8 und 2,4 Meter) lang und sehr hässlich.

 

Ich frage mich, ob Sie über dieses Tier etwas wissen, und ich lege einen frankierten Umschlag bei und erwarte Ihre Antwort.

Was immer es ist, und es könnte sowohl ein Land- wie ein Wassertier sein, ich denke, man sollte es töten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich, wäre ich ihm näher gewesen, mit ihm fertiggeworden wäre. Es ist schwierig, eine bessere Beschreibung zu liefern, da es sich so schnell bewegte, und alles so rasch vorbei war. Es existiert aber zweifellos.“

 

 

 

Screenshot des neuen Loch Ness Videos
Moderne „Nessie-Sichtung“.

Die überregionalen Medien greifen Nessie auf

Die Reaktion der Einheimischen auf Spicers Bericht können wir uns schon vorstellen: Ein Leserbrief im Inverness Courier befand kurz und bündig: „Von Mr Spicers Beschreibung des Tieres weiß jeder, der sich mit Ottern auskennt, dass es sich zweifellos um einen Otter gehandelt hat, der einen jungen Otter in seinem Maul trug.“ Aber – so skeptisch die Einheimischen blieben, die nach wie vor überzeugt waren, es gebe in ihrem See kein Monster, jetzt kamen die ersten Reporter der überregionalen schottischen und englischen Zeitungen und griffen die Meldung auf. „Ein ungeheuer großer Fisch“ habe sich ins Loch Ness verirrt, so die bescheidenen Kurzmeldungen der Glasgower Zeitungen. Campbell und Spicer waren natürlich die ersten Ansprechpartner.

 

Spicer hat daraufhin seine Geschichte geändert. Gegenüber Constance Whyte beschwerte er sich 1957, man habe sich über ihn lustig gemacht: „Da gab es Berichte, dass das Ungeheuer mit ‚einem Lamm in seinem Maul‘ gesichtet worden sei; diese und andere verzerrte Berichte waren damals üblich und ärgerten Mr und Mrs Spicer außerordentlich.“ (Binns, S. 90). Gegenüber Mrs Whyte sagten sie nun, „es muss sich um das Ende des Schwanzes gehandelt haben.“

 

Nessie wächst

Auch die Größe des Tieres blieb nicht mehr bei knappen zwei Metern. In einem Interview mit Tim Dinsdale gaben die Spicers 1960 die Länge des Ungeheuers mit 25 Fuß (7,5 Meter) an. Nick Witchell gibt Mitte der 1970er Jahre dann sogar 30 Fuß (9 Meter) an.

 

Arthur Grants Skizze
Arthur Grants Skizze, die die Sichtung von 1930 beschreiben soll, in der Version von 1941 aus dem San Antonio Light (5.Okt.1941)

 

Wenn es sich nicht um einen Schwindel handelte, der auf dem Gerücht vom Monster basierte, ist ein 1,8 Meter langes, sich in Sprüngen über die Straße bewegendes Tier natürlich schnell als Otter identifiziert. Spicer hat seine Geschichte stets verändert. Die Größe des Tieres hat er auf das 5-fache gestreckt und peinliche Details (das Lamm) anderen, bösen Menschen zugeschrieben. Aber sein erfundener oder aufgebauschter Bericht war über alle Maßen einflussreich. Wir werden sehen, dass die zweite berühmte Landsichtung, die von Arthur Grant, völlig auf dem Bericht der Spicers beruht.

 

 

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Der Tatzelwurm, das Alpen-Kryptid

Heute kaum mehr als eine folkloristische Reminiszenz, war der Tatzelwurm früher eine echte Gefahr. Das Reptil stürzte sich auf Menschen und spie sie mit seinem giftigen Atem an. Für dieses Buch hat der Autor über 430 Augenzeugenberichte gesammelt und analysiert. Das Ergebnis ist eine aufregende zoologische Schnitzeljagd und zugleich eine spannende Traditionsgeschichte des gesamten Alpenraums. Bei der Lektüre der Berichte wird klar, dass der Tatzelwurm ein wandelbares Geschöpf ist. Mal hat er den Kopf einer Schlange, mal den einer Katze. Einmal hat er zwei, dann mehr Füße. Mal hat er Flügel, mal keine, mal ist die Haut glatt, dann wieder schuppig. Er kann scheu oder aggressiv und giftig sein; manche empfehlen sogar seinen Genuss.

 

Der Tatzelwurm: Porträt eines Alpenphantoms ist im Juli 2020 bei Edition Raetia erschienen und hat 232 Seiten

 

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Der Inverness Courier reagiert

Mittlerweile regte sich am Loch Ness wohl Kritik, dass der Inverness Courier Alex Campbells Monsterberichten so viel Beachtung schenkte. Zumindest druckte die Zeitung am 15. August 1933, S. 6, ein imaginäres „Interview mit dem Monster“:

 

 

„Es ist sehr schön, sie zu treffen, sagte Mr. Otterschlangedrachenplesiosaurus und winkte mit einer seiner Flossen [genau das hatte ein von Campbell gelieferter anonymer Zeugenbericht in der Vorwoche beschrieben]. ‚Ich habe den Courier in mein Herz geschlossen, schließlich war es ja der Gentlemen, der ihre Berichte aus Fort Augustus schreibt, der mich aus meiner Höhle gezerrt und mich mitten ins Publikum gesetzt hat. Ich sehe, dass man sogar in London über mich spricht, ich bin jetzt reich.“ Der Courier lässt also Nessie selbst sagen, dass sie von Campbell „erschaffen“ wurde. (Binns, S. 22)

 

 

Das Interview führte übrigens nur zu einem Leserbrief – am 18. August, S. 5, druckte die Zeitung den Brief eines Einheimischen, der meinte, es sei kein Plesiosaurus, sondern ein Otter oder eine Schildkröte. Aber diese Versuche der Zeitung, das Monster bequem zu begraben, gelangen nicht. Englische Massenblätter druckten den Bericht der Spicers, Schaulustige begannen, an den See zu pilgern. Neben den Nachbarn und Freunden von Alex Campbell meldeten nun auch englische Touristen, die den See kaum kannten, Begegnungen mit dem Monster, die der Inverness Courier abdruckte.

 


 

Zum zweiten und letzte Teil des Artikels.




Freitagnacht-Kryptos: Der Seetiger oder Seemönch

Menschen früherer Zeiten bekamen exotische Tiere nicht in Fernsehreportagen, sondern auf dem Rummel in Schaubuden zu sehen. Über ein seltsames Meerestier, das 1822 in Köln ausgestellt wurde, lesen wir in der „Kölnischen Zeitung“ vom Samstag, dem 12. Oktober 1822 auf Seite 4:

 

Kegelrobbe
Handelte es sich bei dem See-Mönch oder See-Tiger um eine Kegelrobbe?

 

Natur=Seltenheit.

Den Freunden der Naturgeschichte wird sich durch die Menagerie, die Madame Philadelphia auf dem Augustinerplatz ausstellen wird, ein seltener Genuß darbieten; vorzüglich wird sich ein hier noch nie gesehener großer

 

See=Tyger, oder See=Mönch

 

genannt, besonders auszeichnen. Dieses merkwürdige Thier ist so interesant, daß der Eigenthümerinn die allerhöchste Gnade zu Theil wurde, solches Sr. Majestät dem Kaiser von Oestreich und der Allerhöchsten kaiserl. Familie sowohl, als auch Sr Majestät dem Könige von Baiern und der Allerhöchsten königlichen Familie vorzeigen zu können, welche darüber ihr Allerhöchstes Wohlgefallen zu erkennen geruhten. Man sieht dieses Ungeheuer in der Länge von 9 Fuß [2,70 m] und im Umfange von 7 Fuß [2,10 m], zu dem Angesichte seiner Gebieterinn sich wenden, ihr mit seinen großen Augen folgend, um das zu errathen, was sie befehlen will. Dieses Thier macht auch sonst noch viele Künste, worüber der Anschlagzettel Mehreres sagen soll. Da Madame Philadelphia das Glück hatte, mit ihrem See=Tyger in so vielen großen und bedeutenden Städten Europa’s den größten Beifall einzuernten, so schmeichelt sie sich auch, von den edeln Bewohnern dieser Stadt, welche gewiß Natur und Kunst zu schätzen wissen, mit einem zahlreichen Besuch beehrt zu werden.

 

Die Bude wird am Sonntag eröffnet werden

 

 

Was war das wohl? Nach seiner Gelehrsamkeit wohl eine Robbe, vielleicht auch nur ein Mensch im Kostüm.

 

 

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Monster der Tiefe

Der bekannte Tierfilmer Nigel Marven macht uns in einer Reihe von „Begegnungen“ mit der prähistorischen Welt bekannt: Er taucht tief in die Vergangenheit ein und schwimmt mit ungewöhnlichen Meerestieren um die Wette. Durch seine Augen erhalten wir Einblicke in die Unterwasserwelt und lernen die seltsamen und faszinierenden Geschöpfe kennen, die dort zu Hause sind. Vielfach sind sie größer und aggressiver als die Dinosaurier: So beherbergen die gefährlichen Gewässer der Vorzeit mit dem starken, Furcht erregenden Jäger Liopleurodon das vielleicht größte Raubtier aller Zeiten, außerdem den merkwürdigen Dunkleosteus mit seinem Panzerkopf und den rasiermesserscharfen Schneidezähnen sowie den schlangengleichen Wal Basilosaurus.
Sie alle werden wieder lebendig, wenn Nigel ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht.

Monster der Tiefe ist als DVD in zwei identischen Ausgaben von 2004 und 2007 erhältlich. Die spannende Doku ist durch die Faxen, die Marven macht, nicht ohne Humor, jedoch wegen der teilweise bedrohlichen Situationen nicht für zu kleine Kinder geeignet. Sie läuft etwa 90 Minuten.

 

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Die Patagonischen Riesen (2/3)

Wer sind diese Patagonier überhaupt?

Patagonier und spanischer Soldat, 1602
Abbildung eines patagonischen Riesen und eines spanischen Soldaten von 1602.

Wie groß die Patagonier oder „patagonische Riesen“ denn nun tatsächlich waren, kann nur spekuliert werden. Hierfür ist zu einem späteren Zeitpunkt noch Gelegenheit genug.

 

Wenn man aber irgendwelche Untersuchungen anstellen will, sollte man zunächst einmal die betreffende Personengruppe identifizieren. Sicher, „Patagonier“ oder auch „Patagonische Riesen“ wurden sie genannt. Doch dieser Name ist willkürlich gewählt.

So stellt sich die Frage, ob man diese Gruppe nicht durch einen etwas objektiveren Oberbegriff beschreiben kann. Sei sie nun ein Stamm, ein Volk oder irgendetwas dazwischen – irgendwelche nachweisbaren Gemeinsamkeiten müssen die Patagonier habe. Sonst kann man die weitere Suche gleich aufgeben.

 

Patagonier? Kommt mir spanisch vor…

Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass der Begriff des „Patagoniers“ für sich genommen nichtssagend ist. Pigafetta hatte ihn schlicht erfunden.

 

Zwar handelt es sich um kein reines Fantasiewort. Würde man den Namen übersetzen, käme allerdings „Bigfoot“ heraus. So nämlich nannten die Spanier die Einheimischen, die ihre Füße mit einer Art Schuh aus Guanako-Leder vor der Kälte schützten. Durch diese Fußbekleidung wurden die Fußabdrücke stark vergrößert und erschienen riesenhaft.

 

Die Patagonier: Zeremonie der Tehuelche: 4 Personen tanzen um ein Lagerfeuer, andere sitzen drum herum
Szene einer Tehuelche-Zeremonie bei der Geburt eines Kindes. Aus „At home with the Patagonians“ von Georg Chaworth Musters, 1871

 

Andere Quellen geben an, dass die Patagonier wohl nach Patagon benannt waren. Dieser Riese war eine Figur aus dem Roman Primaleón. Vielleicht erinnerten die angeblich riesigen Patagonier Pigafetta ja an seine Lektüre.

 

Es gibt auch gar keinen Grund, warum nicht beide Ansätze zugleich wahr sein könnten. So wird auch der Verfasser des Primaleón den Namen seines Riesen nicht ganz aus der Luft gegriffen haben. Ein sprechender Name, der sich auf dessen große Füße bezieht, erscheint schon realistischer.

 

Fest steht aber, dass der Begriff des Patagoniers nur eine sehr kleine Gruppe von Menschen bezeichnet – nämlich den Stamm, zu dem die Spanier Kontakt aufnahmen. Dieser Stamm wird – wenn er denn existierte – aber nicht völlig für sich gestanden haben. Diese Erkenntnis ist wichtig, denn ein kleines Grüppchen von Menschen dürfte nach vielen hundert Jahren kaum mehr eindeutig zu identifizieren sein. Bei einem ganzen Volk verhält es sich dagegen schon anders.

 

Bloß bietet der Name „Patagonier“ alleine eben keinen Anhaltspunkt, wie sich dieses Volk oder zumindest diese „größere Gruppe“ definiert.

 

vom Wind gebeugte Bäume: Der Lebensraum vieler Patagonier kann nur als "ungemütlich" bezeichnet werden
Die Ebenen Patagoniens gelten als sturmerprobt

 

Sind die Patagonier mit der Sprachgruppe der Tehuelche gleichzusetzen?

Das Spanische taugt also nicht dazu, die Patagonier zu identifizieren. Wie aber verhält es sich mit der Sprache der Einheimischen selbst? Ist sie gleich oder zumindest ähnlich, kann man daraus eine kulturelle Verwandtschaft ihrer Sprecher folgern.

 

Glücklicherweise war bereits Pigafetta auf die Idee gekommen, seinen patagonischen Gefangenen nach einigen Worten in dessen Sprache zu befragen. Dreihundert Jahre später hatte es d’Orbigny zwar nicht mehr nötig, seine Gesprächspartner anzuketten, doch auch er zeichnete Wörter der patagonischen Sprache auf. So bestätigte er sich überhaupt erst, dass er tatsächlich mit Patagoniern sprach – die Beschreibungen Pigafettas konnte er ohnehin nicht wiedererkennen.

Hutchinson schließlich identifizierte diese Sprache als Tehuelche. Dafür bediente er sich auch der Vorarbeit Pigafettas und d’Orbignys.

Diese Erkenntnisse sollen nachfolgend zwecks besserer Nachvollziehbarkeit tabellarisch dargestellt werden. Dabei sollen die Aufzeichnungen Pigafettas und d‘Orbignys zusätzlich noch mit dem deutlich aktuelleren Tehuelche-Wörterbuch der “Intercontinental Dictionary Series“ abgeglichen werden:

 

Bedeutung Patagonisch laut Pigafetta Patagonisch laut d‘Orbigny Tehuelche laut dem IDS
Kind bzw. Jugendlicher Calemi Caclem tˀaleʔnk
Auge Oter Guter ‚otl
Nase Or Ho ‚or
Mund Chian Ihum ‚kˀonkˀn
Zahn For Jor ‚or
Ohr Sané Jené ’šān
Rücken Hoii Hoi ‚ok
Hand Chéné Chémé ‚čˀen

Eigene Darstellung nach Hutchinson (1869) & Intercontinental Dictionary Series (o.D.)

 

Patagonische Riesen
Eine Gruppe – offenbar schlecht gelaunter oder misstrauischer – „Paragonischer Riesen“, der Tehuelche, die 1904 für das Missouri History Museum fotografiert wurden. Foto: Jessie Tarbox Beals

 

Ist das Ähnlichkeit genug?

Wenn man diese Liste betrachtet, findet man bei etlichen Begriffen eine klare Ähnlichkeit. „Hand“ und „Nase“ wirken in der vorliegenden Pseudo-Lautschrift ähnlich, oder etwa auch „Zahn“. Bei anderen Begriffen fällt es dagegen zumindest auf den ersten Blick schwer: Wer kann ohne weiteres einen gemeinsamen Wortstamm vom „Chian“, „Ihum“ und „’kˀonkˀn“ ausmachen?

 

Für die unterschiedlichen Schreibweisen kann es aber gute Gründe geben. Nicht zwingend muss dieser Grund darin liegen, dass Angehörige des „falschen“ Volkes befragt wurden.

 

Zunächst einmal ist gar nicht ganz klar, in welcher Sprache d’Orbigny seine Aufzeichnungen des Patagonischen machte. Seine Berichte verfasste er auf Französisch und es ist naheliegend, dass er auch die lautmalerische Darstellung des Patagonischen in französischer Aussprache niederschrieb. Besser vergleichbar mit Pigafettas Vokabelliste wären sie aber in spanischer Aussprache gewesen.

 

Dazu kommt, dass die Vokabellisten eben nicht in einer standardisierten Lautsprache gehalten sind, sondern bloß in einer Pseudo-Lautsprache. Würde man solche Worte auf ähnliche Art ins Deutsche übertragen wollen, könnten auch zwei deutsche Muttersprachler zu unterschiedlichen Aufzeichnungen gelangen.

 

Graukopfgans, Chloephaga poliocephala
Graukopfgänse, Chloephaga poliocephala, in Patagonien weit verbreitet, bewohnen Flusstäler

 

Außerdem muss man festhalten, dass die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe nicht zwingend eine ähnliche Aussprache bedeutet. Nein, auch einzelne Wörter können völlig unterschiedlich sein! So verhält es sich ja schon innerhalb derselben Sprache – man denke wiederum ans Deutsche und seine Unzahl von Dialekten.

D’Orbigny hielt die Ähnlichkeiten jedenfalls für groß genug, um sein Gegenüber als Patagonier zu identifizieren. Der Völkerkundler Hutchinson gab ihm in dieser Hinsicht recht. Auch in späteren Jahrzehnten und Jahrhunderten gab es keinen nennenswerten Widerspruch zu dieser Hypthese. Man kann also davon ausgehen, dass die Tehuelche mit den Patagoniern identisch sind.

Und wer sind dann die Tehuelche?

Der Begriff „Tehuelche“ ist wiederum ein Fremdwort, das seinen Sprechern zunächst unbekannt war. Es stammt nämlich von einem Nachbarvolk der Tehuelche-Patagonier, den Mapuche. Diese mussten sehr beeindruckt von den Tehuelche gewesen sein, denn sie nannten diese „das Tapfere Volk“.

 

Wenn es Variationen im Tehuelche gab, ist das wenig verwunderlich. Von vorne herein wird diese Sprachgruppe wieder in zwei Untergruppen unterteilt: Gününa’küna, das nördliche Tehuelche und Aónik’enk, das südliche Tehuelche. Dazu kam ein zunehmender Einfluss aus der Sprache der benachbarten Mapuche.

 

Patagonien in dem Sinne, dass es die angestammten Siedlungsgebiete der Tehuelche darstellen soll, lässt sich nur sehr grob umreißen. Das Gebiet erstreckte sich wohl zwischen der Magellanstraße und dem Rio Negro. In etwa in diesen Regionen reisten die Tehuelche, denn es handelte sich um ein nomadisches Volk.

 

Tehuelche Lager mit typischen offenen Zelten
Ein Lager der nomadischen Tehuelche mit den typischen, halboffenen Zelten und Pferden. Abb. ca. 1876 aus Viaje á la Patagonia austral emprendido bajo los auspicios del Gobierno Nacional von Moreno

 

Dass durch die europäischen – vornehmlich spanischen – Siedler Pferde eingeführt wurden, kam den Patagoniern zunächst zugute. So konnten sie im Vergleich zu früheren Zeit viel leichter reisen, als ihnen noch keine Lasttiere zur Verfügung standen.

 

Patagonien wurde zugleich immer stärker kolonialisiert. Das kam den Einheimischen dann schon weitaus weniger zugute. Sie hatten die längste Zeit über als Jäger und Sammler gelebt und keine menschgemachten Grenzen gekannt. Die europäischen Siedler aber führten flächendeckende Landwirtschaft und eben solche Grenzen nach und nach ein. Mal ganz abgesehen davon, dass die Tehuelche seit Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend ins Volk der Mapuche assimiliert wurden, ging ihre traditionelle Lebensweise nach und nach verloren.

 

 

Aus diesem Grund sind die obigen Absätze auch im Imperfekt geschrieben: Die Tehuelche als Volk existieren heute nicht mehr. Die Stämme oder Familiengruppen verkleinerten sich durch Konflikte mit Siedlern, mangelnde Jagdgründe und allgemeine Assimilation bis zur Auflösung.

 

Heute würde man also selbst nach der gründlichsten Untersuchung keine Tehuelche-Patagonier mehr finden – ob sie nun Riesen waren, oder nicht.


Teil 1 des Beitrages erschien am 22. Dezember 2022

 

Teil 3 mit Literaturangaben erscheint am 19. Januar 2023




Die Patagonischen Riesen – Fakt oder Fiktion? (1/3)

Gelbes Grasland mit Bäumen vor dramatischem Himmel: Patagonien, auch ohne Riesen.
Patagonien ist auch ohne Riesen beeindruckend

 

Völker, wie sie noch niemals ein Mensch gesehen hat… Heute vermutet man sie am ehesten im Weltraum. Manche Ufologen wollen auch Indizien gefunden haben, dass uns umgekehrt bereits außerirdische Kulturen besuchen. Abschließende Beweise fehlen freilich noch.

Jedenfalls aber erwarten heutzutage die wenigsten Menschen mehr, dass auf fernen Inseln, in tiefen Dschungeln oder hohen Gebirgen wahre „Monster“-Völker zu finden sind. Zu absurd ist der Gedanke, dass allzu extreme Abweichungen zwischen den verschiedenen Völkern der Erde existieren.

 

Im 16. Jahrhundert, also im Jahrhundert nach der Entdeckung Amerikas, war das noch völlig anders: Man erwartete nicht nur „exotische“ Völker, sondern hielt es auch für völlig glaubwürdig, dass diese ganz monströs waren. Nun ist der Begriff des „Monsters“ in der heutigen Zeit unpassend, um einen Menschen seines Körpers wegen zu betiteln.

 

gefaktes Riesenskelett mit einem kleinen Menschen als Größenreferenz
Auch heutige Verschwörungstheortiker machen sich den Glauben an Riesen zunutze: Fotomontage.

 

Wenn es aber wahr ist, was europäische Entdecker über den Landstrich Patagonien im Süden Südamerikas berichteten, sei ihnen ihre derbe Ausdruckweise verziehen. Dort soll nämlich ein Volk gelebt haben, dessen Angehörige wahre Riesen waren. Ein erwachsener Europäer soll ihnen manchen Berichten zufolge kaum mehr als zu den Hüften gereicht haben!

 

Doch selbst im 16. Jahrhundert gab es schon Skeptiker, die nicht an die Existenz von drei (oder noch mehr!) Meter großen Riesen glauben wollten.

 

Ziel dieses Artikels ist es, das vorhandene Wissen zum legendären Volk der patagonischen Riesen zusammenzuführen. Dabei werden zeitgenössische Berichte von Kolonisten ebenso beachtet, wie spätere Untersuchungen. So kann der Versuch unternommen werden, die Patagonier mit einem – vielleicht noch heute – real existierenden Volk zu identifizieren. Zusätzlich werden auch zwei Möglichkeiten beleuchtet, wie tatsächlich „kleine“ Europäer auf „riesige“ Patagonier getroffen sein könnten.

 

Letztlich stellt sich die Frage: Wie realistisch kann die Behauptung sein, dass in Patagonien Riesen existier(t)en? Sind sie Fakt oder Fiktion?

 

Hochalpine Landschaft mit verschneiten Bergen, die sich in einem See in Patagonien spiegeln
Landschaft in Patagonien

 

Pigafetta contra Drake: Von Riesen, Seemannsgarn und Kolonialinteressen

Ihren Anfang nahm die Geschichte von den Patagonischen Riesen durch einen Reisebericht des Italieners Antonio Pigafetta. Er war mit dem portugiesischen Generalkapitän Magellan und dessen Flotte 1519 zu einer Weltumrundung aufgebrochen, um neue Kolonien zu erschließen. Der Italiener und sein portugiesischer Vorgesetzter handelten dabei aber nicht etwa im Auftrag der portugiesischen, sondern der spanischen Krone.

 

Zu einem nicht genau definierten Zeitpunkt – allerdings definitiv vor Magellans gewaltsamen Tod 1521 – hatte Pigafetta die Gelegenheit, einen Teil des heutigen Argentiniens zu besuchen. Patagonien, so nannte er dieses Gebiet.

 

Dabei traf er nach eigenen Angaben auch auf Menschen von unglaublicher Größe – die Patagonier. Die Begegnungen bis zu einem jähen, durch die Spanier verschuldeten, Ende beschreibt er in seinem Reisebericht.

 

Ja, wirklich unglaublich waren diese Menschen – oder auch unglaubwürdig. Etwa hundert Jahre später wurden Pigafettas Behauptungen nämlich von den Briten dementiert. Auch hierzu existiert ein schriftliches Zeugnis, das von Francis Drake verfasst wurde. Der war wiederum ein Neffe Francis Drakes, des deutlich bekannteren, britischen Freibeuters.

 

Pigafettas Beschreibung der Patagonier

Zunächst einmal zurück zu Pigafetta. Eines Tages entdeckte die Mannschaft Magellans an der Küste einen tanzenden Mann. Pigafetta beschreibt ihn übrigens einerseits als nackt, andererseits soll er aber auch einen Fellmantel getragen haben. Jedenfalls nahm man mit Händen und Füßen Kontakt zu diesem Mann auf.

Pigafetta beschreibt den Tänzer im Speziellen wie folgt:

 

 

„Er war so groß, dass wir ihm bis zum Gürtel reichten, und gut gebaut. Er hatte ein großes Gesicht, das ganz rot bemalt war, rund um die Augen jedoch gelb und mit zwei gemalten Herzen mitten auf den Wangen. Die wenigen Haare, die er besaß, waren weiß gefärbt. Er war in die fein zusammengenähten Felle eines Tieres gekleidet.“

(Pigafetta o.D., Übers. d. Christian Jostmann)

 

 

Der „Nackte“ trug neben seinem Mantel auch Schuhe. Beiderlei Material wurde im Nachhinein als Guanako-Pelz identifiziert. Sonst soll die Ausrüstung der Patagonier eher spärlich gewesen sein; ihre Waffen bestanden lediglich aus Pfeil und Bogen. Da die Patagonier eine steinzeitliche Kultur waren, fertigten sie die Spitzen ihrer Geschosse aus Feuerstein.

 

Ferdinand Magellan
Ferdinand Magellan, ca. 1485 – 1521

Pigafettas Ansicht nach waren die Patagonier grenzenlos primitiv, aber keinesfalls bösartig. Seinem Bericht nach zu urteilen wollte er sie wohl als Kinder in Riesenkörpern betrachten. So sollen sie die europäischen Entdecker prompt als Gesandte der Götter verehrt haben. Magellan wollte dieses unterbinden und brachte ihnen einige Wendungen christlicher Prägung bei.

 

Dass mindestens einer der Patagonier anschließend „Pater noster“ („Vater Unser“, bloß die beiden Worte, nicht das Gebet) sagen konnte, änderte freilich nichts an seinen Glaubensvorstellungen. Leider fasst sich Pigafetta an dieser Stelle sehr kurz. Außer dem Begriff „Setebos“, der vielleicht eine Art Gottheit oder Geistwesen beschreiben sollte, überliefert er kaum etwas Konkretes von den Glaubensvorstellungen dieses Volks.

 

Eine gescheiterte Entführung

Weil ihm die Riesen als besondere Kuriosität erschienen, entschloss sich Magellan, einige von Ihnen gefangen zu nehmen. Er wollte sie im Anschluss an seine Weltumrundung dem spanischen Königshaus schenken.

 

Laut Pigafetta überlistete er die Eingeborenen, die den Europäern an Körperkraft überlegen waren. Da die Verhältnisse zwischen den Spaniern und Patagoniern bis dahin friedlich waren, konnten die Ersteren mühelos eine Gruppe der Letzteren auf eines ihrer Schiffe locken. Dort macht man den Patagoniern Glauben, dass es sich bei eisernen Fußfesseln um Schmuck handelte.

 

Nao Victoria, eines der Schiffe Magellans, Nachbau
Nachbau der Nao „Victoria“, eines der Schiffe Magellans

 

Zwei der nun wehrlos gemachten Patagonier wurden entführt, zwei weitere konnten entweder entkommen oder wurden freigelassen. Die Formulierungen in Pigafettas Bericht sind dabei etwas mehrdeutig. Ursprünglich wollten die Spanier wohl neben Männern auch Frauen entführen, wobei ihnen die zwei später geflohenen Gefangenen behilflich sein sollten. Dieser Versuch führte aber bloß zu einem Kampf, in dem ein Spanier zu Tode kam.

 

Wie Pigafetta selbst schreibt, kam letztlich keiner der beiden Riesen in Spanien an. Nach einiger Zeit auf hoher See waren sie krank geworden und gestorben. So blieb nur eine Vokabelliste von ihnen übrig, die Pigafetta angelegt hatte. Sie stellt die patagonischen Entsprechungen verschiedener spanischer Wörter dar.

 

Die wundersame Schrumpfung der patagonischen Riesen

Als etwas weniger als 60 Jahre später – im Jahr 1577 nämlich – Francis Drake mit seiner Mannschaft in Patagonien ankam, schien diese Entführung immer noch nachzuwirken. Der Engländer beschreibt die Einheimischen als äußerst misstrauisch, auch aggressiv.

 

Kontakt eines Engländers mit vier Patagoniern
Kontakt eines Engländers mit vier Patagoniern (unbekannter Urheber)

 

Schon kurz nach der Ankunft der Freibeuter schlug die Stimmung um und es kam zum Gefecht. Drake selbst war der Meinung, dass das Misstrauen der Patagoniern gegenüber den Europäern Magellans Schuld war. Ob sich nun die Engländer so viel diplomatischer verhielten, sei dahingestellt.

 

Viel wichtiger als Beschreibungen gewalttätiger Auseinandersetzungen ist nämlich Drakes Beschreibung der Patagonier.

 

 

„Magellan war nicht völlig einer Täuschung erlegen, als er sie Riesen nannte. Denn im Allgemeinen unterscheiden sie sich von der gewöhnlichen Sorte Menschen sowohl in Statur, Größe und Körperkraft, als auch in der Abscheulichkeit ihrer Stimme. Sie sind aber nicht ansatzweise so monströs, so riesig, wie sie beschrieben wurden. Es gibt nämlich einige Engländer, die ebenso groß wie die Größten unter denjenigen waren, die wir sehen konnten. Aber leider glaubten die Spanier wohl nicht, dass jemals irgendein Engländer hierher kommen würden, um sie zu widerlegen und daher waren sie geneigt, desto wackerer zu lügen.“

Drake (1628), Übers. d. Verf.

 

 

Soll das schon das Ende sein?

So standen sich also zwei völlig widersprüchliche Behauptungen gegenüber. Man könnte sich nun zurücklehnen und die letztere einfach als Fakt anerkennen. Man könnte sich aber auch fragen, was Drake vertrauenswürdiger macht, als Pigafetta?

 

Patagonischer Riese und spanischer Soldat, 1602
Abbildung eines patagonischen Riesen und eines spanischen Soldaten von 1602. Ob der Zeichner je einen Patagonier gesehen hat, ist zweifelhaft: Er trägt ärmliche europäische Kleidung und einen modernen Reflexbogen.

Pigafetta hatte natürlich Grund genug, die Größe der Einheimischen zu übertreiben. Schließlich wollte Magellan Patagonien für die spanische Krone in Besitz nehmen. Je größer die vermeintlichen Wunder in Patagonien waren, desto wertvoller erschien dieses Land. Dass (vorläufig) gar keine Patagonier nach Europa gelangten, hätte seine Lüge erleichtert.

 

Bloß hatte auch Drake Grund genug, die Entdeckungen der Spanier kleiner zu machen, als sie tatsächlich waren. Schließlich war das British Empire ebenfalls eine Kolonialmacht, die in arger Konkurrenz zum Königreich Spanien stand. Der Engländer Drake führte diesen Kampf gegen Spanien vor allen Dingen durch Kaperfahrten. Warum aber sollte er neben den physischen nicht auch zu verbalen Waffen gegriffen haben?

 

So würde es sich also zumindest lohnen, noch einige weitere Stimmen zu den Einheimischen Patagoniens anzuhören und erst dann ein endgültiges Urteil zu fällen.

 

Kleiner Vogel mit orangefarbener Brust
Auch die patagonischen „Zwerge“ sind manchmal von Interesse

 

Weitere historische Berichte zu den patagonischen „Riesen“

Die Vorstellung von Riesen, die die unerforschten Regionen dieser Welt bewohnen könnten, fasziniert Viele. Bis ins 19.Jahrhundert hinein schien die Existenz solcher Menschen aber keine bloße Träumerei, sondern beinahe schon Fakt zu sein.

 

So braucht es nicht zu verwundern, dass sich verschiedene Reisende der Frage annahmen, wie groß die Patagonier denn nun wirklich waren. Einige ihrer Berichte werden nachfolgend zusammengefasst:

 

John Hawkesworth (1773)

Engländer und Patagonier, 1768
Ein englischer Seemann bietet einer patagonischen Frau Brot an. Abbildung aus einer Ausgabe von Lord John Byrons „A Voyage Round the World in His Majesty’s Ship the Dolphin“.

Gab es nun also Riesen in Patagonien? Einen Bericht des Engländers John Hawkesworth kann man auf verschiedene Art interpretieren. Der begleitete den Seefahrer John Byron (nicht der romantische Poet, sondern dessen Großvater) auf einer Weltumseglung. Ziel war wie so oft die Inbesitznahme neuer Ländereien für die englische Krone.

Die folgenden zwei Zitate vermitteln einen Eindruck davon, wie Hawkesworth die Patagonier wahrnahm:

 

„Ich habe [einen Häuptling der Patagonier] nicht gemessen, aber müsste ich seine Größe durch das Verhältnis seiner Statur zur meiner beurteilen, konnten es nicht weniger als sieben Fuß [ca. 2,10m] sein.“

 

 

 

„Mr. Cumming kam mit dem Tabak und ich musste einfach über das Erstaunen lächeln, das er durch sein Verhalten ausdrückte, als er sich – obgleich sechs Fuß zwei Zoll [ca. 1,9m] groß – wie ein Zwerg unter Riesen erschien.“

Hawkesworth (1773), Übers. d. Verf.

 

 

Interessanterweise sieht die Website „Museum of Hoaxes“ in solchen Aussagenden den Beweis, dass die Patagonier kein Volk von Riesen waren. Der (die?) skeptisch eingestellte(n) Betreiber der Website werfen zum Vergleich Behauptungen aus dem 18. Jahrhundert in den Raum, nach denen die Patagonier bis zu 12 Fuß (3,7m) groß gewesen sein sollen.

 

Diesen Angaben wird im Bericht Hawkesworths klar widersprochen. Ihm war schon klar, dass diese Menschen keine märchenhafte Körpergröße erreichten. Trotzdem bezeichnet er sie ausdrücklich als Riesen.

 

Für diese abweichende Definition vom Begriff des Riesen bietet er zweierlei Rechtfertigungen: Zunächst einmal soll eine Höhe von etwa zwei Metern nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen sein. Dazu kam dann auch noch, dass die Patagonier wohlproportioniert waren, was bei riesenwüchsigen Europäern eher selten vorkam. Schon dadurch wirkten sie ungleich beeindruckender

 

 

D’Orbigny (1828)

Alcide Dessalines d’Orbigny
Alcide Dessalines d’Orbigny (1802 – 1857)

Der Franzose Alcide Dessalines d’Orbigny bereiste in den 1820er Jahren verschiedene Länder Südamerikas. Dabei machte er auch in Patagonien halt, welches er sogar vom restlichen Argentinien getrennt behandelt.

Er traf also auf ein Volk, dass in seinen Lebensgewohnheiten den Patagoniern ähnlich war. Allerdings deckten sich d‘Obignys Beobachtungen kaum mit denen Pigafettas. Erwartet hatte er nämlich:

 

 

„[…] [die] Gegenwart der berühmten Patagonier des Ritters Pigafetta, Begleiter des Magellan und des Kommandanten Byron, dieser Menschen, ‚die so groß sind, dass ihnen die Europäer nur bis zu den Hüften reichen‘ oder die auch mehr als neun Fuß groß sind; der Kolosse von drei Ellen [sic!] Länge, die den Zyklopen ähneln oder auch Menschen von zehn bis elf Fuß, die wild sind […]“

D’Orbigny (1849-1853), Übers. d. Verf.

 

 

Diese Erwartungshaltung wurde aber nicht erfüllt. D’Orbigny traf zwar auf Menschen, die er im Nachhinein klar als Patagonier identifizieren konnte – seine Methode wird später noch besprochen. Doch dieses Volk machte einen wenig spektakulären Eindruck:

 

 

„Bei ihrem Anblick hatte ich Grund, zu zweifeln, dass sie Angehöriges desselben Volkes waren, wie die, von denen bei den Autoren die Rede war, die ich eben zitiert habe. Ich habe nämlich in ihnen keine Riesen gesehen, sondern bloß schöne Menschen.“

D‘Orbigny (1849-1853), Übers. d. Verf.

 

 

Thomas J. Hutchinson (1869)

Portrait und Signatur des Forschungsreisenden Joseph Hutchinson
Joseph Huchinson (1820 – 1885), Portrait und Signatur

Die Angaben d’Orbignys stützte knapp 40 Jahre später der Brite Thomas Hutchinson. Dieser war Mitglied der „Ethnological Society of London“. In seinem Bericht für deren (wohl periodisch erscheinende) Publikation „Transactions of the Ethnological Society of London“ übersetzt er in erster Linie d’Orbignys Beschreibungen der Patagonier.

 

Allerdings ergänzt er diese Übersetzung auch um einige eigne Erkenntnisse. Er hatte nämlich die Gelegenheit, bei einem Besuch in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires (durch einen Übersetzer) ein kurzes Gespräch mit Patagoniern zu führen.

 

Zu deren Gestalt wusste Hutchinson Folgendes zu sagen:

 

 

„Ich habe allerdings auf den ersten Blick einen Unterschied bezüglich ihres männlichen Verhaltens und ihrer körperlichen Entwicklung im Vergleich zu den Mocovis erkannt. […] Die Körpermasse des führenden Kopfes, Francisco und des Jägers, Kilcham, war zumindest gewaltig, aber nicht ansatzweise von einer so riesenhaften Statur, wie wir sie mit dem Namen „Patagonier“ in Verbindung zu bringen gelernt haben.“

Hutchinson (1869), Übers. d. Verf.

 


Der zweite Teil dieses Beitrages erscheint am 5. Januar 2023