Elfenbeinspecht-Sichtungen nach 1944

Der Elfenbeinspecht Campephilus principalis ist der zweitgrößte Specht Nordamerikas. Nur der nahe verwandte Kaiserspecht Campephilus imperialis aus Mexiko ist etwas größer. Die Zahl der Sichtungen ist in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts eingebrochen, was erwarten lässt, dass beide Arten ausgestorben sind. Dennoch gibt es auch aus den letzten Jahren immer wieder Einzelbeobachtungen. Dies hat den Elfenbeinspecht zu einer Ikone der „Südstaaten-Kryptozoologie“ werden lassen, ein Gegenstück zum nordwestlichen Sasquatch und mit zahlreichen Parallelen zum Beutelwolf.

 

Männlicher Elfenbeinspecht 1935
Eine der wenigen Aufnahmen eines wilden Elfenbeinspechtes, 1935 im Singer Tract, Louisiana von Arthur A. Allen.

 

Anmerkung des Autors:

Ich habe im Juli bereits einen Artikel über den Elfenbeinsprecht geschrieben. Anlass war damals die Aufforderung des US Fish and Wildlife Service, sich zum Aussterben des Elfenbeinspechtes zu äußern. Unter anderem der „Naturlist“ Bobby Harrison meldete sich zu Wort, der 2020 mehrfach einen Elfenbeinspecht beobachtet und auch gefilmt hat. Dies machte Schlagzeilen, die auch nach Deutschland herüber schwappten.

 

Daher musste schnell ein Beitrag zur aktuellen Situation her. Jetzt, 4 Monate später hat der Artikel eine andere Aktualität. Es geht nicht mehr darum, die aktuelle Situation darzustellen, sondern ihn als 2. Ikone der US-Kryptozoologie nach dem Bigfoot/ Sasquatch vorzustellen. Durch die längere Zeit für Recherche war es auch möglich, Sekundär- und Tertiärquellen zu verfolgen, so dass hier ein umfassenderes Bild des Elfenbeinspechtes entsteht, als ich im Juli zeichnen konnte.

 

Der Lebensraum des Elfenbeinspechtes

 

Aussterben durch Kahlschlag?

 

Die identitätsstiftende Bedeutung des Elfenbeinspechtes in der Südstaaten-Kryptozoologie

 

Was ist mit dem Elfenbeinspecht auf Kuba?

 

Doch nicht Ausgestorben? Elfenbeinspecht-Sichtungen nach 1944

 

Der fragliche Vorgang

Am 17. Oktober 2020 befand sich Bobby Harrison in einem Kanu auf einer „southern Waterway“ auf dem Weg zurück zu seinem Auto.  Er sah einen großen Vogel, der vor ihm flog, die Richtung änderte und dann den Kanal hinunter und aus seiner Sichtweite flog.

 

 

Er sagt, er habe sofort gewusst, dass es sich bei dem Vogel um einen Elfenbeinspecht handelte.

 

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Die ausgestorbenen Vögel der Welt

In den zurückliegenden knapp 400 Jahren verschwanden 135 Vogelarten und -unterarten. Über viele davon besitzt die Wissenschaft kaum verlässliche Kenntnisse. Die Ursachen für das Aussterben dieser Formen lassen sich nahezu ausnahmslos auf das Wirken anthropogener Faktoren zurückführen. Die  Weltbevölkerung wächst. In vielen Teilen der Erde engen wir parallel dazu die natürlichen Lebensräume von Tieren und Pflanzen ein. Zur Zeit sind etwa 400 Vogelarten und -unterarten in ihrer Existenz mehr oder weniger stark bedroht. Trotz der Erfolge, die mancherorts im speziellen Artenschutz erzielt worden sind, kann das Aussterben einiger Formen in absehbarer Zukunft nicht verhindert werden.

 

Die ausgestorbenen Vögel der Welt ist im Rahmen der „neue Brehm-Bücherei“ 1995 bei Spektrum Akademischer Verlag erschienen. Es ist nur antiquarisch erhältlich, für gebrauchte Exemplare zahlt man ab 50 € aufwärts.

 

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Harrison sucht seit mehr als 20 Jahren in den südlichen Sümpfen nach dieser Art. Es war eine Elfenbeinspecht-Sichtung, die er 2004 mit dem ehemaligen Redakteur von Living Bird, Tim Gallagher, hatte. Sie hat eine große Suche nach dem Vogel unter der Leitung des Cornell Lab of Ornithology ausgelöst. Die offiziellen Suchbemühungen endeten Anfang 2007. Harrison hat seitdem selbst weiter nach besseren Beweisen gesucht.

 

 

Der Elfenbeinspecht

Elfenbeinspecht

Dieser große Specht war eine auffällige Erscheinung. Er lebte in den Sumpf-Urwäldern der US-Südstaaten, vor allem an den Nebenflüssen am Unterlauf des Mississippi. Der Vogel wurde mit ca. 47 bis 53 cm Länge etwas kleiner als der heimische Schwarzspecht.

Der Elfenbeinspecht war ein spezialisierter Bewohner des „Bottomland Hardwood forest“ vor allem in Louisiana, Mississippi und Arkansas. Mit dem vermehrten Einschlag wertvoller Hartriegel und Sumpf-Zypressen sowie dem Trockenlegen der Sümpfe für die landwirtschaftliche Nutzung verschwand er.

Neben dem kontrastreichen schwarz-weißem Gefieder zeichnet er sich durch eine rote, beim Weibchen schwarze Haube aus. Charakteristisch sind die Laute „double-knock“ und „kent call“.

  • 1880 Die Art gilt bereits als selten
  • 1885 Ihr Areal war um ca. 50% reduziert
  • 1920 Die Art gilt das erste Mal als ausgestorben

Verbreitung und Funde des Elfenbeinspechtes
Natürliches Verbreitungsgebiet des Elfenbeinspechtes (grüne Fläche), Sichtungen nach 1920 (grün), bis 1944 (rot) und nach 2000 (blau)

Nach dem „ersten Aussterben“

  • 1924 Ein nistendes Paar wurde in Florida entdeckt und später von lokalen Taxidermisten für die Präparation erschossen.
  • 1932 Ein Staatsbediensteter tötet einen Elfenbeinspecht am Tensas River als Beleg, dass die Art weiterhin existiert. Dies regt die Bildung einer Expedition an, die eine „größere Population“ in den Madison Parish im Nordosten von Louisiana entdeckt. Dabei werden die einzigen generell anerkannten Ton- und Filmaufnahmen des Vogels angefertigt. Leider gehört der Wald bereits der Holzfirma Singer, die ihn nicht verkauft. Vermutlich lebten zu dieser Zeit noch 22 bis 24 Vögel in den USA, davon 6 bis 8 in diesem Gebiet.
  • 1944 Die bisher letzte, „offiziell bestätigte“ Sichtung vom amerikanischen Festland, aus dem Madison Parish, der zu dieser Zeit bereits fast vollständig kahlgeschlagen war. Der Elfenbeinspecht gilt seit dem das zweite Mal als ausgestorben.

Männlicher Elfenbeinspecht 1935
Eine der wenigen Aufnahmen eines wilden Elfenbeinspechtes, 1935 im Singer Tract von Arthur A. Allen.

Nach dem „zweiten Aussterben“

  • 1948 Der Ornithologe John Dennis entdeckt die kubanische Unterart wieder.
  • 1950 schuf die Audubon Society ein Schutzgebiet am Chipola River in Florida, wo eine Bruthöhle mit einem Paar Elfenbeinspechte beobachtet wurde.
  • 1952 war die Bruthöhle verlassen
  • 1967 führte ihn der US FWS als gefährdete Art auf
  • 1967 John Dennis berichtet von Beobachtungen am Neches River in Texas
  • 1969 zerstört ein Sturm in Florida den letzten bekannten Nistbaum
  • 1971 fotografiert Fielding Lewis beim Atchafalaya Basin in Louisiana ein männliches Einzeltier. Die Qualität lässt Skeptiker zweifeln.
  • 1987 gab es die letzte Sichtung auf Kuba
  • 1999 berichtet ein Waldbau-Student der Louisiana State von einer ausführlichen Beobachtung eines Paares am Pearl River im Südosten Louisianas.
  • 2004 gibt es eine Sichtung aus dem Cache River National Wildlife Refugee in Arkansas. Bei einer wissenschaftlichen Nachsuche werden „kent calls“ gehört.
  • Zwei Universitäten (Auburn und Windsor) veröffentlichen Ergebnisse von Suchexpeditionen 2005 und 2006 entlang des Choctawhatchee River. Es gibt 14 Sichtungen, 41 „double-knocks“ oder „kent calls“ wurden gehört, 244 mal wurden sie aufgezeichnet.
  • 2007 entwickelte der US FWS einen Wiederansiedlungsplan
  • 2008 lassen Sichtungen und Lautaufnahmen deutlich nach. Auburn und Windsor beenden ihre Suchen 2009
  • Mike Collins veröffentlicht 10 Sichtungsberichte aus dem Pearl River-Bereich aus 2006 bis 2008  und aus Florida 2007 in einem peer-review Artikel.
  • 2010 trat der Plan in Kraft, ohne dass bekannt war, ob der Elfenbeinspecht nicht schon längst ausgestorben war
  • Das private Projekt „Principalis“ sammelte Fotos von November 2019, Januar 2020, Oktober 2021, die möglicherweise den Elfenbeinspecht zeigen.
  • 2021 Im September überführt der US FWS die Art von der Liste der gefährdeten Arten auf die Liste der ausgestorbenen Arten. Eine Anhörungsperiode hierzu endet im Februar 2022, wird jedoch bis 10. August verlängert. Zahlreiche Meldungen gehen dem FWS zu.

 

 

Ein Beweis fürs Überleben?

Bessere Beweise hat Harrison bei der Begegnung im Oktober 2020 gewinnen können. Er nahm gerade mit einer Sony-Videokamera auf, als der Vogel in sein Sichtfeld kam. Die Sichtung dauerte 9,8 Sekunden. Wie Harrison selbst zugibt, ist das Video nicht von hoher Qualität. Weil es so schnell ging, konnte er zum Beispiel den Vogel nicht heranzoomen. Er hatte nie vor, das Video zu veröffentlichen, nutzte aber die Gelegenheit, „es ein paar Leuten vom U.S. Fish and Wildlife Service (FWS) zu zeigen. Sie waren davon beeindruckt und dachten, es sei vielleicht der beste Beweis, den sie gesehen hätten.“

 

 

Der Elfenbeinspecht galt bis September 2021 als „vom Aussterben bedroht“. Bei einer Überarbeitung der „Roten Liste“ versetzte ihn der FWS auf die Liste der ausgestorbenen Tiere. Das war der Zeitpunkt für Harrison, der Agentur das Video ‚offiziell‘ zu zeigen. Er sagt, das Video sei ein „Beweis“ für das Überleben des Vogels.

 

Elfenbeinspechte im NHM
Ein Paar Elfenbeinspechte im Natural History Museum, London (Foto: Lusana Herandraton, CC SA 4.0)

 

Das führte zu einem vorsichtigen Umdenken des FWS. Anfang Juli 2022 überführte man den Elfenbeinspecht für sechs Monate „provisorisch“ wieder auf die Liste der „vom Aussterben bedrohten“ Tierarten. Innerhalb von 30 Tagen nimmt der FWS Stellungnahmen hierzu entgegen. Doch das reichte nicht: „Angesichts erheblicher Meinungsverschiedenheiten unter Experten über den Status der Art verlängert der Dienst die Frist, um zusätzliche Zeit für die Überprüfung der Informationen zu haben“, heißt es in einer Pressemitteilung.

 

Weiblicher Elfenbeinspecht
Was von einer Spezies übrig bleibt: Weiblicher Elfenbeinspecht im Museum von Lausanne (Foto: Michel Krafft, CC SA 4.0)

 

Bild für Bild-Identifikation: Basisarbeit der Kryptozoologie

Harrison erstellte eine PowerPoint-Präsentation, in der er mehrere einzelne Frames des Videos erklärt. Er vergleicht die Frames mit bekannten Farbmarkierungen des Elfenbeinspechtes und ähnlichen Tieren wie dem Helmspecht, der Spießente, der Schwarzbauch-Pfeifente, der Moschusente und anderer Arten übereinstimmen. Am 18. Juli präsentierte Harrison die PowerPoint-Präsentation FWS-Beamten, die sie der öffentlichen Aufzeichnung hinzufügten.

 

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Eine Entscheidung, wie der Elfenbeinspecht in Zukunft gelistet wird, ist noch nicht gefallen, das „Public Hearing“, die öffentliche Anhörung läuft noch. Ob bis Ende 2022 ein Ergebnis feststeht, ist unklar.


Quellen und Links

 

Medenhall, Matt: Video offered as evidence of Ivory-billed Woodpecker; birdWatching Daily.com am 19. Juli 2022

 

A.: Proposed Rule to Delist the Ivory-billed Woodpecker Public Meeting Presentation; Webseite des US Fish and Wildlife Service vom 26. Januar 2022

 

A.: FWS Focus: Ivory-billed Woodpecker; Webseite des US Fish and Wildlife Service

 

Wikipedia zum Elfenbeinspecht

 

englischsprachige Wikipedia zum Ivory-billed Woodpecker