Freitagnacht-Kryptos: „Ein Wassermonster“

Aus der Wochenzeitschrift Watertown Republican, die zwischen 1860 und 1906 in Watertown, Wisconsin, USA erschien. Hier ist ein Artikel vom 29. August 1877, der auch im St. Louis Globe-Democrat veröffentlicht wurde:

„Ein Wassermonster“

Arbeiter, die am sechsten Bauabschnitt des Regierungsdeichs am Mississippi gegenüber der Quarantänestation arbeiten, erzählen eine merkwürdige Geschichte über ein im Wasser gesichtetes Monster. Der Informant unseres Reporters zu diesem Fall ist Herr Thomas Eagan, einer der genannten Arbeiter. Er bemerkte als erster dieses seltsame Wassertier und lenkte die Aufmerksamkeit seiner Kollegen darauf.

Postkarte aus St. Louis
Postkarte aus dem historischen St. Louis

Es war ungefähr 10 Uhr morgens. Und der Tag so klar und hell, dass sich keine optische Täuschung aus ungewöhnlichen atmosphärischen Zuständen hätte ergeben können. Laut Herrn Eagan erregte eine eigenartige Bewegung des Wassers etwa 12 m über der Stelle, an der er gerade arbeitete, seine Aufmerksamkeit. Die Bewegung schien durch einen runden Körper verursacht zu werden, welcher mit beträchtlicher Gewalt immer wieder im Wasser rollte und bei jeder Umdrehung ca. 30 cm hohe Wellen aufwarf. Das Objekt rollte auf diese Weise bis zu einem Punkt unmittelbar gegenüber Eagan und seinen Arbeitskollegen.

Hier schien es eine Atempause einzulegen, obwohl es zu keinem Zeitpunkt vollkommen still lag. Es blieb jedoch so lange vergleichsweise ruhig, um einen Teil seines Körpers gut sichtbar zu machen. Und zu zeigen, dass nicht mehr als mindestens ein Drittel seiner Länge sichtbar war. Ungefähr drei Meter des mittleren Teils des Körpers, der teilweise über das Wasser herausragte, waren erkennbar. Der Kopf war mehrmals sichtbar, der Schwanz hingegen überhaupt nicht. Daher war keine Einschätzung der Gesamtlänge möglich.

 




 

Ein Monster mit Schuppen und Haaren

Die Rückseite des Monsters war mit derben Schuppen schwarzer oder dunkelbrauner Farbe bedeckt, ähnlich denen eines Alligators. Wogegen der untere Teil des Körpers, der bei den Rollbewegungen häufig sichtbar wurde, dunkelblau glänzte wie der des Mississippi- Welses. Der Kopf war am schwierigsten mit etwas in Verbindung zu setzen. Er glich dem eines Hundes, mit deutlich erkennbaren Ohren und Augen. Die Schnauze bzw. der Schnabel entsprach dem eines Pelikans und war etwa 30 cm lang. Kopf und Ohren waren den Erklärungen nach von einer dicken schwarzen Haarschicht bedeckt, die in langen, fadenförmigen Locken herunterhing. Die Ohren waren lang und hängend wie die eines Jagdhundes oder Seelöwen, und wirkten wie schwere Flossen.

Das Monster schüttelte sie, als wollte es das tropfende Wasser loswerden. Aus dem langen Schnabel warf es in Abständen mit laut hörbarem Geräusch einen Wasserstrahl, ähnlich dem Blas eines Wals. Die Wasserstrahlen waren mindestens einen Meter hoch und kamen im Abstand etwa einer Minute.

Das Monster wird neugierig…

Das Reptil hatte entweder vier oder sechs Beine, davon zwei riesige beinähnliche Flossen. Zwei dieser Anhänge waren viel länger und größer als die anderen vier. Das Tier hob und warf sie aus dem Wasser wie zum Antreiben, Stillhalten oder Umdrehen des Körpers verwendete Paddel. Auf dem dicken, wellenförmig gebogenen Hals befand sich eine lange schwarze Mähne. Sie war wie die eines Pferdes geformt und reichte so weit herab, dass sich die Enden in der Tiefe verloren. Warum das Monster so lange am Deich innehielt, kann nur vermutet werden. Es wird aber angenommen, dass es vom Lärm und Geschrei der arbeitenden Männer angezogen wurde. Die Männer beobachteten, dass es den Kopf mehrmals in deren Richtung drehte. Ganz so, als wäre es neugierig, die Ursache für die ganze Aufregung herauszufinden.

…aber als jemand eine Waffe holt, verschwindet es.

Einer der Männer ging zu einem Nachbarhaus, um eine Waffe zu holen. Kurz vor seiner Rückkehr aber rollte sich das Monster mehrmals mit großer Geschwindigkeit herum, spritzte heftig und verschwand im Wasser.

Der Ol’Man River ist einer der Sehnsuchtsflüsse Amerikas

Das Ereignis erregte unter den vielen Arbeitern am Flussufer entschiedene Aufmerksamkeit. Die Vermutungen über die wahre Natur des seltsamen Anblicks fanden kein Ende. Einige behaupteten, es sei eine Seeschlange. Andere behaupteten, es sei nichts weiter als ein riesiger Alligator. Wieder andere (abergläubischer Einstellung) meinten, es sei nichts weniger als der Teufel, für einen unheilverheißenden Zweck in diese Gestalt geschlüpft.

 

Eine vergleichbare Meinungsvielfalt herrschte bezüglich Form, Umfang und Länge des Monsters. Einige meinten, es sei 12 m lang, andere, es wäre 18 m lang. Und ein oder zwei waren sich sicher, dass sein Körper so dick wie ein Hogshead (altes Fass- Flüssigkeitsmaß von 218- 285 Liter, Anm. d. Übersetzers) und zweifellos 30 m lang war. Mr. Eagans Urteil ist, und er liegt zweifellos richtig, dass seine Länge 9 m nicht überschritten hätte.