Freitagnacht-Kryptos: Geweihfehlbildung bei Rehen

Lesedauer: etwa 6 Minuten
image_pdfimage_print

Heute soll es mal wieder um Miss-und Fehlbildungen gehen, genauer um die Fehl-und Missmildunge bei Rehgeweihen. Dass ich ausgerechnet Rehe hier anführe hat einen einfachen Grund. Denn da diese die häufigsten Hirsche in Mitteleuropa sind, und auch noch dort vorkommen wo es schon lange keine Rothirsche mehr gibt und auch keine ohnehin nicht heimischen Damhirsche oder andere Arten eingeführt sind, finden sich auch entsprechend viele ungewöhnliche Geweihe. Natürlich kommen auch bei den anderen Hirsche gelegentlich sehr seltsame Geweihe vor, aber davon habe ich leider bei weitem nicht so viel Bildmaterial wie für Rehe. Die hier gezeigten Geweihe stammen allesamt, mal wieder, aus dem Jagd-und Forstmuseum im dänischen Hørsholm. Die Anzahl von dort ausgestellten Abnormitäten ist wirklich enorm, und ich muss mich hier leider auf einige besonders interessante Fälle beschränken.

Wand mit zahlreichen Kopf- und Geweihpräparaten
Die hier gezeigten Geweihe stammen allesamt aus dem Jagd-und Forstmuseum im dänischen Hørsholm.

Vielfältige Gründe für Missbildungen

Wenn man sich all jene Abnormitäten ansieht, fragt man sich natürlich, wie es überhaupt zu so etwas kommen kann. Tatsächlich sind die Ursachen dafür äußerst vielfältig. Zum Einen kann eine Verletzung der Geweihknospen, zumal in der Jugend, zu verschiedensten Fehlformen des Geweihs führen, die dann auch zweitlebens beibehalten werden. Andererseits kann auch lediglich das im Wachstum begriffene, und noch weiche Geweih durch Verletzungen (und wahrscheinlich auch Krankheiten) deformiert oder verletzt werden, wobei in einem solchen Fall aber die Fehlbildung auch einmalig sein kann, also bei später geschobenen Geweihen nicht mehr auftritt.

Es gibt natürlich auch genetisch bedingte Abnormitäten, tatsächlich ist es sogar so, dass die allermeisten Hirsche (ich weiß nicht wie es bei Rehen ist, da ihr Geweih weit weniger komplex ist) gewisse Abnormitäten zeigen, freilich in verschiedenem Grade. Wenn man sich einmal die Geweihe großer Mengen von Hirschen, oder eben wie hier auch Rehen ansieht, merkt man schnell dass ein enormes Potential bezüglich der individuellen Variabilität besteht. Es gibt sehr kurze und sehr lange, sehr dicke und sehr dünne, mehr oder weniger stark gebogene Geweihe. Natürlich ist das immer auch teilweise vom Alter abhängig, sowie dem Ernährungszustand, aber nichtsdestotrotz sind die individuellen Grundformen im Allgemeinen genetisch festgelegt.

Geweihpräparat mit Fehlbildung
Hier wirkt es so, als gäbe es eine dritte Stange

Geweihpräparat mit Fehlbildung
Ungleichmäßige Geweibildung

Geweihpräparat mit Fehlbildung
Beide Stangen machen denselben Bogen

Geweihpräparat mit Fehlbildung
Ebenfalls gebogene Stangen, diesmal von oben

Geweihpräparat mit Fehlbildung
Ricke mit kleinen Geweihstangen

Ricken mit Geweih

Ein besonderes Kuriosum sind Rehkühe welche leichte Geweihe entwickeln. Unter den Hirschen bilden normalerweise lediglich bei den Rentieren auch die Weibchen ein Geweih aus, bei anderen Arten ist so etwas abnorm. Auch erreichen die Geweihe weiblicher Hirsche nicht die Größe jener der Männchen, wie man auch bei der unten gezeigten Rehkuh mit Geweih sieht.. Die Ursachen liegen dabei vermutlich bei Hormonstörungen.

Wie Einhörner oder Antilopen

Gelegentlich können Verletzungen auch zum völligen Verlust eines einzelnen Geweihsprosses führen, so dass nur noch ein einzelner Ast ausgebildet wird. Man achte auch auf die ungewöhnlich langen und schlanken Geweihe welche man hier neben dem „Einhorn“ sieht. Besonders das Geweih ganz rechts sieht beinahe schon etwas aus wie die Hörner einer Antilope, da keinerlei Gabelung vorhanden ist.

Geweihpräparate mit Fehlbildungen
Vier Geweihpräparate mit antilopenartig wirkenden Fehlbildungen

Geweihpräparat mit Fehlbildung
Fast wie ein Einhorn

Perückenböcke

Eine der spektakulärsten Fehlbildungen von Hirschgeweihen, sind die sogenannten Perücken. Sie zeigen auf besonders eindrucksvolle Weise wie stark die Geweihbildung von Hormonen bestimmt wird, insbesondere von Testosteron. Wird beispielsweise ein junger Rehbock, bzw irgend ein anderer männlicher Hirsch, im frühen Alter kastriert, bildet er gar kein Geweih aus. Die einzige Ausnahme mache hier die Rentiere, da bei ihnen die Geweihbildung nicht geschlechtsabhängig ist, und ja auch die Weibchen ein Geweih bekommen.

Werden bei einem bereits geschlechtsreifen Hirsch die Hoden während der Geweihbildung geschädigt oder entfernt (sowas passiert manchmal bei schlechten Schüssen, wie es auch eine ganz Reihe anderer äußerst unappetitlicher Verletzungen gibt, welche durch schlechte Treffer bei der Jagd passieren können, und den Tieren oftmals grauenhafte aber vielfach nicht gleich tödliche Verletzungn zufügen), kommt es zu einem Perückengeweih, der Bast wuchert einfach immer weiter. Kommt es aber zu einem Verlust der Testosteron-bildenen Zellen wenn der Bast bereits abgestreift ist, so wird das Geweih sofort abgeworfen, und ein neues Geweih fängt an zu wachsen, welches aber nicht mehr besonders groß wird, ständig mit Bast bedeckt ist, und auch nicht mehr abgestoßen wird.

Perückenbock-Kopfpräparat
Der Name Perückenbock wirkt passend

stark ausgebildete Perücke
Perücke in ihrer extremen Ausbildung

Der Bock sieht fast nichts mehr
Dieser Perückenbock sieht (fast?) nichts mehr

Schädelplatte mit misgebildetem Geweih
Vermutlich ein Perückengeweih, bei welchem der Bast entfernt wurde.

Es gibt noch andere Störungen und Merkwürdigkeiten, welche zu gestörtem Wachstum des Geweihs führen können. So kann man durch Einspritzen von weiblichen Geschlechtshormonen bei einem in der Geweihbildung befindlichen Hirsch bereits vorhandenes knorpeliges Kolbengeweih vorzeitig zum Verkalken bringen.


Literatur:

Markus Bühlers Bestiarium: Bizarre Hirsche Teil 6