Freitagnacht-Kryptos: Humboldts Wilder Mann von Amerika

Alexander von Humboldt gilt als einer der bedeutendsten Forscher des 19. Jahrhunderts. Auch er schrieb über den Bigfoot vom Rio Parnasi, hatte aber seine Zweifel. Zuerst bezieht sich Alexander von Humboldt in seiner „Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804. Verfasst von Alexander von Humboldt und A. Bonplandt“: Vierter Theil, Band 4 (J.G. Cotta’sche Buchhandlung 1823, S. 73–75) auf die Geschichte vom 11. Oktober:

„Bey den Kataracten hörten wir zum Erstenmal von dem behaarten Waldmenschen sprechen, welcher Salvaje genannt wird, Weiber entführt, Hütten baut, und auch wohl Menschenfleisch isst. Die Tamanaken nennen ihn Rehi 1, die Maypures Vasiri oder Gross-Teufel. Die Eingebornen sowohl als die Missionarien zweifeln nicht am Daseyn dieses menschenähnlichen Affen, vor dem sie eine grosse Furcht haben.

Alexander von Humboldt
Alexander von Humboldt
Gemälde von Joseph Stieler, 1843

Landkarte mit der Reiseroute Humboldts
Reiseroute Alexander von Humboldts Amerikareise

Pater Gili berichtet

Der Pater Gili erzählt2 in vollem Ernst die Geschichte einer Dame aus der Stadt San Carlos3, welche von dem sanften Character und gefälligen Betragen des Waldmenschen ein grosses Lob machte. Sie hatte mehrere Jahre in gutem Haushalt mit ihm gelebt, und stellte nachher das Begehren, in den Schoos ihrer Familie zurückgeführt zu werden, nur deshalb an die Jäger, „weil sie und ihre (auch etwas haarigten) Kinder länger nicht von der Kirche und ihren Sacramenten getrennt bleiben mochten.“ Seiner Leichtgläubigkeit unerachtet gesteht jedoch der nämliche Verfasser, dass ihm kein Indianer bekannt geworden sey, der den Salvaje mit eignen Augen gesehen zu haben behauptet hätte.

Humboldt und Bonplant im Dschungel
Humboldt und sein Freund und Begleiter Bonplant in einem Dschungelcamp

Dschungel von Guayana
tatsächlich gleicht der Dschungel Guyanas dem Hintergrund des Aquarells

Es hat uns dieses Mährchen, welches die Missionarien, die europäischen Kolonisten und die afrikanischen Neger ohne Zweifel mit mancherley Zügen ausgeschmückt haben, die vom Orang-outang […], vom Gibbon, vom Bocko oder Chimpansé und vom Pongo entlehnt sind, fünf Jahre lang aus der nördlichen in die südliche Halbkugel verfolgt, und überall sind wir, in den cultivirtesten Klassen der Gesellschaft, wegen unsers Unglaubens an das Daseyn der grossen menschenähnlichen amerikanischen Affen getadelt worden.

Zunächst muss bemerkt werden, dass es Gegenden giebt, wo dieser Glaube sehr allgemein unter dem Volke verbreitet ist; es gehören dahin der Ober-Orenoko4, die Thalebene von Upar in der Nähe des Maracaybo-Sees, die Berge von St. Martha und Merida, die Provinzen von Quixos und die Gestade des Amazonenstroms in der Nähe von Tomependa. An allen diesen, so weit von einander entfernten Orten, wird übereinstimmend behauptet, der Salvaje möge leicht an seinen Fusstapfen erkannt werden, deren Zehen rückwärts gebogen seyen.

Abendstimmung in Guyana
Abendstimmung in Guayana

Gelbbrust-Kapuzineraffe
Steckt der Gelbbrust-Kapuzineraffe dahinter?

Ist es der berüchtigte Kapuziner-Affe von Esmeralda?

Wenn aber ein Affe von grosser Statur im neuen Festland vorhanden ist, wie sollte möglich seyn, dass seit drei Jahrhunderten kein glaubwürdiger Mensch sich sein Fell zu verschaffen vermocht hätte? Es lassen sich mehrere Vermuthungen zu Erklärung eines so alten Irrthums oder Wahns aufstellen. Sollte vielleicht der berüchtigte Kapuziner-Affe von Esmeralda5, dessen Hundszähne über sechs und eine halbe Linie lang sind, dessen Physiognomie viel menschenähnlicher ist6, als die des Orang Outang, und der, wenn er gereizt wird, sich mit der Hand den Bart reibt – das Mährchen vom Salvaje veranlasst haben? Es ist derselbe zwar allerdings kleiner als der Coaita (Simia paniscus); wenn er sich aber auf einem Baume befindet und man nur seinen Kopf sieht, so mag er leicht für ein menschliches Geschöpf angesehen werden.

Brillenbär
Humboldt hielt auch den Brillenbär für eine mögliche Erklärung

Regenwaldfluss
Ein Großteil der Reise durch den Flachlanddschungel dürfte durch solche oder noch engere Flüsse gelaufen sein

Auch könnte (und es scheint mir diese Vermuthung die wahrscheinlichste) der Waldmensch vielleicht einer jener grossen Bären seyn, deren Spur den Fusstapfen des Menschen gleicht, und von dem in allen Ländern geglaubt wird, er stelle den Weibern nach?

Ein Bär als Beleg? Auch Humboldt zweifelt

Das zu meiner Zeit am Fuss des Merida-Gebirgs getödtete, und unter dem Namen Salvaje dem Statthalter der Provinz Varinas, Oberst Ungaro, gebrachte Thier war in der That anders nichts als ein Bär mit schwarzen und glänzenden Haaren. Unser Reisegefährte, Don Nicolas Sotto, hat denselben genauer untersucht. Sollte vielleicht auch die seltsame Vorstellung von einem auf den Fusssohlen gehenden Thier, dessen Zehen als ob es rücklings gienge gebildet wären, ihren Ursprung in einer Sitte des wirklichen wilden Menschen der Wälder, des schwächsten und furchtsamsten Indianer-Stammes, haben, der zufolge sie, um ihre Feinde zu täuschen, wenn sie in den Wald eintreten oder am Ufer wandern, ihre Spur entweder mit Sand bedecken oder rücklings gehen?

Ich habe meine Zweifel vorgetragen über das Daseyn einer unbekannten grossen Affenart in einem Festlande, das keinerley Vierarmer aus den Familien der Orangs, der Hundsköpfe, der Mandrils und der Pongos zu besitzen scheint.“

Fußnoten

1: Wird Atschi ausgesprochen.

2: Saggio, Tom. I, pag. 248, 515.

3: In den Llanos von Venezuela.

4: In der Nähe vom Rio-Parnasi führt ein Berg den Namen Achi-tipuiri, welches in der Tamanaken-Sprache bedeutet: Berg des Waldmenschen.

5: Simia chiropodes. […]

6: Das Ganze der Züge, der Ausdruck des Gesichts, nicht die Stirne.


Literatur:

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents, 4 Bände, 1799 – 1804