Freitagnacht-Kryptos: Erneut – die Busenschlange

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Bereits zweimal habe ich auf diesen Seiten über Busen- bzw. Magenschlangen berichtet („Die Busenschlange“ am 22.04.2022 und im Halloween-Special am 30.10.2020). Die Vorstellung, dass Schlangen in menschliche Mägen schlüpfen und sich dort festsetzen können, ist weltweit verbreitet und wurde von vielen guten Beobachtern bestätigt (was sie jedoch nicht wahrer macht!).

 

Dass man das allerdings noch 1864 für möglich hielt, zeigt der folgende Bericht, der tatsächlich in einer medizinischen Wochenschrift (Wiener Medizinal-Halle, 7. August 1864, S. 335) und danach noch in mindestens einem halben Dutzend Tageszeitungen (unter anderem dem „Wochenblatt für Karlsbad und die Umgegend“,17. August 1864, S. 321) veröffentlicht wurde:

 

erbrechender Kürbis, sypmtome der magenschlangen
Die Magenschlangen verursachen Symptome, die wir hier lieber diskret darstellen möchten.

 

 

(Eine Magenschlange.) Im westlichen Kanada lebt, wie das „Lockport Journal“ erzählt, seit 4 Jahren eine Frau, die an einem eigenthümlichen Magenübel leidet. Es äußerte sich anfangs durch Kitzel, später durch Stechen, bis sich allmälig starke Schmerzen einstellten. Die Diagnose ist jetzt festgestellt. Die arme Frau hat eine Solange im Magen genährt. Das artige Thierchen ist mit der Zeit so gewachsen, daß man es in Form eines ansehnlichen Knäuels, in der Magengrube befühlen kann. Drückt man auf diesen Knäuel, so zieht sich die Schlange tiefer in den Magengrund zurück, und verursacht der Patientin gewaltige Schmerzen. Werden in der Stube Fische gebacken, so riecht die Schlange den Fraß, windet sich aus dem Magen in die Speiseröhre hinauf und verursacht Erstickungssymptome. Solche Spaziergänge macht sie jedes Mal, wenn sie hungrig ist, bleibt aber leider immer auf halbem Wege stecken. Die Aerzte haben sich bisher vergebens bemüht, das Wahrzeichen ihrer Kunst aus dem Magen der leidenden Frau hinauszulocken.

 

 

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Slenderman und Smile Dog

Abends am Lagerfeuer, ein kaltes Bier in der Hand. Jemand fängt an zu erzählen: „Ich habe neulich von einem Freund eine Geschichte gehört: Eine junge Frau. Nachts. Eine dunkle Landstraße. Ihr werdet es mir nicht glauben …“
Jeder von uns kennt diese Geschichten. Die besten von ihnen werden zu Modernen Mythen oder Großstadtlegenden, bei denen man oft nicht weiß, ob sie tatsächlich einmal so passiert sind. Irgendwie. Irgendwo. Irgendwann. Viele haben einen wahren Kern. Und wenn es nur eine kollektive Angst ist. Inzwischen wurde das Internet zum großen Lagerfeuer der Moderne. Hier entstehen ganz neue urbane Mythen, die sogenannte Creepypasta (von „creepy“ ― gruselig und „paste“ ― einfügen). Im Netz werden die Geschichten besonders schnell verbreitet. Sie handeln von furchterregenden Gestalten wie dem Slenderman oder Laughing Jack, deren Existenz allein schon Unheil verbreiten …

 

Slenderman und Smile Dog ist 2015 bei riva erschienen und hat als Taschenbuch 240 Seiten.

 

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Dreißig Jahre später aber regierte schon die große Skepsis, wie diese Meldung im „Düsseldorfer Volksblatt“ vom 1. August 1897, Seite 2, belegt:

 

 

Die „Seeschlangen“ im Magen. Früher hat Jahrzehnte lang die Seeschlange die sommerlichen Spalten der Zeitungen durchzogen. Jetzt ist sie längst außer Kurs gesetzt. Da tauchen denn andere rätselhafte Lebewesen auf und zwar nicht draußen auf hoher See, sondern im Menschenmagen. Ganz ernsthaft erzählen Berliner Blätter und andere drucken es leichtgläubig nach – von einem 50jährigen Manne, dem blutegelartige Tiere aus dem Magen ausgepumpt worden seien. Als Soldat – demnach vor ungefähr 20 Jahren – habe er einmal schlammiges Wasser getrunken. Diesem sollen die heutigen Unholde entsprossen sein. Sie haben im Magen des Mannes Wohnung genommen und steigen, um sich zu nähren, Blut zu saugen, aus dem Magen empor. In’s Wasser gesetzt verursachen sie ein Geräusch, in Spiritus gesetzt geben sie kleine Mengen Blut von sich. –

 

 

Gummi-Würmer in einer Dose, keine Magenschlangen
Selten sind Würmer im Magen so angenehm, wie diese hier versprechen

 

Nun steht aber fest, daß Lebewesen in Menschenmagen niemals Aufenthalt zu nehmen vermögen, am allerwenigsten aber können sie Jahrzehnte lang sich darin entwickeln, den Magen als Wohnplatz benutzend, vom den aus sie, auf Nahrung gehend, aufsteigen. Die ganze aufgebauschte Erzählung beruht, wenn überhaupt etwas Wahres daran ist, wahrscheinlich auf Vorgängen, bei denen es sich um Eingeweidewürmer handelt, Vorkommnisse so bekannter Natur, daß weder der sachkundige Laie noch der Arzt Aufhebens davon machen wird.

 


Anmerkung der Redaktion:

Möglicherweise handelt es sich bei den beiden Fällen um eine Infektion mit einem Spulwurm der Gattung Ascaris. Diese Fadenwürmer können bis zu 30 cm lang und fast fingerdick werden. Menschen können sich durch Einatmen von Eiern, die in getrocknetem Schweinekot enthalten sind, infizieren. Der Spulwurm wächst selten heran, kann aber dann beträchtliche Größen erreichen. Gelegentlich wandern diese Tiere dann auch in den Magen und die Speiseröhre hinauf, wo sie (meist nachts) abgehustet werden.
Findet man morgens einen solchen Wurm auf dem Bett, ist das Entsetzen verständlicherweise groß.

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