Freitagnacht-Kryptos: Der Affe von Preßburg

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Aus Bratislava, heute die Hauptstadt der Slowakei, früher die österreichische Stadt Preßburg, meldete „Der bayerische Volksfreund“ am 2. Mai 1826 auf S. 210 einen interessanten Kriminalfall, bei dem ein Affe quasi als Kommissar tätig war:

 

Preßburg, den 2. April.

Ein durch einen Affen unlängst entdeckter Mord hat hier die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.

Ein Mann, der seinen dürftigen Lebensunterhalt durch die armseligen Künste einiger Affen erwarb, und mit diesen Thieren schon seit längers Ungarns Provinzen durchzog, und mit Anfang v. Mts. auch hier seine Schaubühne aufgeschlagen hatte, wurde vor kurzem in den Wäldern von Räubern überfallen, und sammt seiner thierischen Gesellschaft ermordet.  Nur ein einziger Affe war so glücklich zu entkommen, und sich auf einem Baume zu retten.

Bald darauf wurde dieser von einem Jäger bemerkt, und schon hatte derselbe das Gewehr zum Schuße angelegt, als er durch die demüthigende, bittende und angstvolle Stellung des armen Thieres zum Mitleid bewogen, die Schonung seines Lebens beschloß. Kaum näherte sich der gute Jäger dem Baume, als der Affe mit allen Zeichen der Freude herab auf seine Schultern sprang und ihm einige wilde Baumfrüchte darbot. Ruhig und mit schmeichelnder Gebärde ließ sich der Affe von seinem Erretter forttragen, als derselbe plötzlich aus den Armen seines Trägers sprang, und mit entsetzlichem Klagegeschrey einem Gebüsche zusprang, unter welchem der ermordete Mann, sein ehemaliger Herr, und um denselben herum die Affengesellschaft lag.

Showdown in der Schenke

Der Jäger mußte jetzt mit Gewalt das arme Thier von dieser Mordstätte wegschleppen, er eilte mit ihm in das nächste Städtchen, um die gehörige Anzeige zu machen. Dortselbst angekommen, wollte er sich jetzt von dem schnellen Marsche ermüdet in einer Schenke laben; allein kaum war er in die Zechstube getreten, als der Affe wie wüthend auf einen, ruhig am Tische sitzenden, wohlgekleideten Mann zusprang, und ihn an der Brust gleichsam zerfleischen wollte. Schnell brachte der Fremde aber dem Affen mit einem langen Messer dergestalt einige Stiche bey, daß er zu Boden fiel, und wollte jetzt entfliehen;  allein der Jäger nahm das Gewehr und stellte sich mit gespanntem Hahne an die Thür.

Gelbbrust-Kapuzineraffe
Gelegentlich wurden Kapuzineraffen von Schaustellern genutzt

Berberaffe
Berberaffen wurden häufiger von Schaustellern eingesetzt

Schnell zog der Verdächtige sein Stilet hervor, und suchte sich auf Todesgefahr einen Weg durch die um ihn versammelten Gäste zu bahnen. Erschrocken wich schon alles zurück, bis auf den Jäger, und in diesem Augenblick sprang der tödtlich verwundete Affe laut schreyend dem Fliehenden noch einmal in’s Gesicht, und den günstigen Augenblick benützend, wurde derselbe sogleich niedergeworfen, entwaffnet und gefangen von dem Jäger dem Gerichte überliefert, wo er nicht nur die Mitschuld an dem Raubmord des Affenführers eingestanden; sondern auch die anderen Theilnehmer, die sich noch mehrerer Verbrechen schuldig gemacht haben, angegeben hat.“


Literatur:

Der bayerische Volksfreund, Band 3