Wir wissen heute, dass selbst die größten Riesenkalmare kaum größer werden als der durchschnittliche Tümmler, die erstaunlichen Längen, die die Literatur nennt, beziehen sich stets auf die beiden langen Tentakel, die kaum Teil der Körpermasse ausmachen. Der schwedische Bischof Erik Pontoppidan aber glaubte – wie zu viele Kryptozoologen heute noch – dass Tintenfische (er dachte an Oktopusse und Sepien) oder Seesterne (er legt sich nicht fest) zu den größten Tieren der Welt heranwachsen könnten. Tauchen diese wahrhaften, viele Meilen großen Tiere auf, hält der Seemann sie für Inseln. Die Sage vom „Inseltier“ kennen christliche Heiligenlegenden wie die über die Seefahrt des Heiligen Brendan bis zu den arabischen Märchen aus 1001 Nacht. Wenn man sie denn unbedingt rational erklären will, ist wohl eher an Luftspiegelungen, Wolkenformationen, Sandbänke oder unterseeische Vulkane zu denken.

In seinem „Versuch einer Natürlichen Historie von Norwegen. Zweiter Teil“, der 1754 in Kopenhagen bei Franz Christian Mumme erschien, findet Erik Pontoppidian auf den Seiten 400–403 aber folgende Deutung des Inseltieres:
Der Kraken oder Krabben
Bisher habe ich von diesem allergrößten, aber annoch wenig oder gar nicht bekannten, Seethiere [dem Kraken oder Krabben] so viel Nachricht gegeben, als ich davon erfahren können. Nunmehr will ich ferner melden, was mir scheint wahrscheinlicher Weise und ganz vermuthlich dahin gehören zu können, und wodurch die Sache aufgeklärt, wie auch noch mehr kann bestätiget werden.
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Die Reise des St. Brendan, aber 1976St. Brendans berichtet in seiner „Navigatio Sancti Brendani“ über seine achtjährige Reise an Bord eines offenen Curragh. Die Erzählung könnte eine Besiedlung Amerikas durch irische Mönche vermuten lassen. Tim Severin (*1940 in Assam) vereint Historiker, Segler und ehemaliger Ruderer eines Achters in Oxford in einer Person. Er hat die Talente, um sich in einem Nachbau des Boots auf die Spur des Heiligen Brendan zu begeben. Der auslösende Moment für Severin war ein Buch, das er zufällig in die Hand nahm und das sich exakt bei der historischen Abbildung eines Curraghs mit Segeln öffnete. Brendans Reise beginnt in Dingle, wo Curraghs in den Siebzigern noch gebaut wurden. Am Strand schmiegten sie sich mit dem schwarz kalfaterten Kiel nach oben wie kleine Wale in den Sand. John, der Bootsbauer, ist der erste Helfer in einem ganzen Netz, der Tim Severin mit seiner Erfahrung im Bootsbau unterstützt. Nun ist es keine Frage mehr, ob das Projekt stattfinden wird, sondern welches Holz, welches Leder und welche Gerbung der Lederhäute für ein hochseetüchtiges Boot nötig sind. Severin wird zum personifizierten Authentizitäts-Wahn. Da zu Brendans Zeiten die Rinder viel kleiner waren als heute, müssen kleine Lederhäute her, mit denen Severin und seine freiwillinge Helfer zunächst Sattlernähte üben. Reise auf einem Boot nur aus Material aus dem MittelalterMit 5 Mann Besatzung (Brendan war mit 13 Mann unterwegs), Wasser, Lebensmitteln und einem geschenkten Fäßchen Whiskey an Bord sticht die Brendan 1976 von Dingle aus in See, getragen vom Nationalstolz der Iren auf das Projekt. Der Wind und die nördlichen Meeresströmungen bestimmen den Kurs der Brendan. Der Bootstyp ist der Route durch kalte Gewässer und von Insel zu Insel offenbar perfekt angepasst. Schon bald erkennt Severins Mannschaft, dass historische Materialien moderner Ausrüstung überlegen sein können. Moderne Materialien fallen einfach aus, Wolle, Holz, Weidenruten und Flachsseile lassen sich mit Bordmitteln wieder reparieren. Erst vor Ort kann man Brendan verstehenSeverin interpretiert mithilfe unseres heutigen Wissens Passagen des Textes, z. B. Brendans Begegnung mit Walen und Eisbergen. Schützend beobachtet von der isländischen und schließlich von der kanadischen Küstenwache erreichen sie Neufundland. Dort gehen die Männer unter dem Beifall der örtlichen Fischer nördlich von St. Johns an Land. Die Stimmung der fünf Männer im nahezu offenen Boot, den legendären Geruch nasser Wolle, fängt Severin mit Galgenhumor ein. Ohne Heroisierung stellt er sein Projekts vor.
Das Buch „Brendan Voyage“ ist 1987 in englischer Sprache erschienen und antiquarisch als Taschenbuch und gebunden erhältlich. Das Taschenbuch hat 256 Seiten. Die Preise für unterschiedliche Ausgaben variieren sehr.
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Der oft angeführte Herr Lucas Debes meldet in seiner Beschreibung der Inseln Färoe verschiedenes von Inseln, die plötzlich zum Vorschein kommen, und eben so plötzlich wieder verschwinden, deren Beschaffenheit niemand begreifen könnte, so daß man sich über den gemeinen Mann nicht verwundern dörfte, indem wohl klügere Leute die kurze Erscheinung solcher flüchtigen Eylande an solchen Oertern, wo man durch tägliches Befahren wüßte, daß keine Scheeren, geschweige Eylande vorhanden wären, für teufelische Vorstellungen und Gauckelspiele eines solchen Geistes hielten, der sich bey dem Unglücke der Menschen freuete, welches auch dadurch zuweilen soll verursachet worden seyn. Denn wenn seefahrende Leute meynen, Land zu sehen, wo doch keines ist, so werden sie folglich verwirrt gemacht, und sie machen eine unrichtige Muthmassung oder falsche Rechnung, die sie von ihrem Laufe ableiten, und nachher in die größte Gefahr stürzen kann.

Manche Seefahrende, insonderheit hier in der Nordsee, berichten eben dasselbe von diesen plötzlich verschwindenden Anzeichen eines Landes, wo keines ist. Weil nun von denen in den frischen, und fast stillstehenden Gewässern natürlicher Weise schwimmenden kleinen Inselchen [schwimmende Inseln aus Zweigen und pflanzlichem Material], von denen ich im ersten Theile Kap.3. gezeigt habe, daß dergleichen hier in Norwegen und anderwärts anzutreffen sind, unmöglich zu glauben, daß sie in dem brausenden Weltmeere dauren können, welches die stärksten Schiffe zerbricht und zerschmettert: so gerathen die Unwissenden auf solche Gedanken, weil sie keine andere Ausflucht wissen, als daß sie dem Teufel die Schuld alles dieses Unglückes, so wie alles andere, beymessen. Allein da man, nach den Regeln der Wahrheit, ihm nicht das geringste Unrecht thun, oder ihm etwas schuld geben soll, woran er nicht schuld hat, so bin ich der Meynung, der Teufel, der so plötzlich schwimmende Jnseln macht, sey nichts anders, als der vorbemeldte Krake, den einige Seeleute auch See-Draulen, das ist Seetroll, Seeteufel nennen.

Dasjenige, was mich in diesen Gedanken bestärket, ist nachfolgende Begebenheit, die von dem wohlverdienten schwedischen Naturkündiger, Herrn Urban Hierne angeführt wird. Die Nachricht selbst ist sonst aus des Barons Car Gripenhielms, General-Directors des Contoirs der Feldmesser genommen, und sie lautet Auszugsweise folgendermassen: „Jn den Scheeren (bey Stockholm) steht man zuweilen einige Merkmale eines Landes, das sonst nicht gesehen wird, und zuweilen scheint es auf einer ganz andern Stelle zu liegen. Buräus hat in seiner Karte daselbst eine Insel angemerkt. Die Bauern nennen es Gumars-Oere, und sagen, daß sie es nicht allezeit sehen. Es liegt in dem grossen Fahrwasser, ich habe es aber niemals angetroffen. An einem Sonntage, als ich bey den Scheeren war, um deren Grund aufzunehmen, trug es sich zu, daß ich an einem Orte in der See drey Spitzen erblickte. Mir ward dabey nicht wohl zu Muthe, und ich meynte, ich wäre aus Versehen bey den Scheeren vorbey gegangen. Ich rief den Bauer, und frug ihn nach Gumars-Oere; allein da der Bauer kam, NB. so konnte ich nichts mehr davon sehen. Der Bauer sagte: es wäre richtig genug, und verkündigte einen grossen Sturm, oder viel Fische.

— Soweit Herr Griepenhielm. Wer siehet nicht ohne alle weitläuftige Erklärung, daß das bald sichtbare bald verschwindende Gunans-Oere mit den Spitzen und der Verkündigung von Fischen seyn muß, oder nach aller ersinnlichen Möglichkeit nichts anders seyn kann, als der Kraken, oder Krabben, oder See-Horven, welcher vom Buräus unverdienter Weise die Ehre erhalten, als ein fester Grund in seine Seekarte ausgezeichnet zu werden, indem dieses Ungeheuer vermuthlich daselbst sich gewöhnlich aufhält, und unter den Scheeren oft aus der Tiefe zum Vorschein kommt.