Genetische Haaranalyse von „Wildhominiden“

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Unter „Wildhominiden“ versteht die Kryptozoologie ein eher unscharf definiertes Feld an menschenähnlichen, jedoch behaarten Kryptiden. Diese Wesen sollen weltweit vorkommen, sind meist größer als Menschen, es gibt jedoch auch kleine Formen. Sie gehen alle aufrecht und leben verborgen. Je nach Vorkommensgebiet unterscheiden sie sich und sind auch unter diversen Namen bekannt. Zu den berühmtesten gehören Bigfoot (Nordamerika), Sasquatch (Pazifischer Nordwesten Nordamerikas), Yeti (Tibet), Alma(sti) (Kaukasus), Orang Pendek (Indonesien) oder Yowie (Australien).

 

Tilicho lake
Yetis werden oft in schwerem Gelände beobachtet

 

Physische Beweise für ihre Existenz gibt es trotz jahrzehntelanger Forschung nicht. Gelegentlich finden Interessierte einzelne Haarproben. Das FBI hat sich in den 1970er Jahren auf Anregung des Bigfoot Information Centers mit einer Haarprobe befasst. Seit dem ist in der Szene nur Melba Ketchum mit einem sehr unglücklichen Versuch aus dem Jahr 2013 bekannt, der an simplen technischen Fehlern litt. „Die große Wissenschaft ignoriert uns“, so hört man oft und spürt eine gewisse Neigung zum Verschwörungsdenken im Hintergrund rauschen.

 

Nur weil es ‚Bigfoot Hunting Season‘ heißt, ist noch nicht klar, wer wen jagen darf…

 

Eine wissenschaftlich publizierte Studie

Warum es so sein musste, wird wohl nie ganz geklärt werden, aber es gab von beiden Seiten seit Beginn der Wildhominiden-Forschung Berührungsängste. Um so höher ist die Leistung anzusehen, die sich Wissenschaftler um Bryan C. Sykes und Michel Sartori aus Oxford bzw. Lausanne und Hamburg gemacht haben.

 

Die Studie ist in den Proceedings of the Royal Society B erschienen, hat einen Peer Review-Prozess durchlaufen und gilt damit als wissenschaftlich publiziert.

 

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DAS Standardwerk in der Bigfoot-Forschung

Obwohl schon etwas älter ist „Sasquatch – legend meets science“ von Jeff Meldrum das Standardwerk in der Bigfoot-Forschung. Über viele Jahre hat Meldrum Bigfoot-Spuren untersucht. Dabei stellt er von Nahrungslisten über Schrittlängen, Gewichte und Ausscheidungen des Bigfoots alles dar, was man in der klassischen Ökologie eines Wildtieres erwartet.

Auch wenn es auf Englisch geschrieben ist, liest es sich für ein Werk mit wissenschaftlichem Anspruch erfreulich leicht. 150 Illustrationen auf knapp 300 Taschenbuchseiten unterstützen den Leser dabei.

 

Sasquatch: Legend Meets Science ist 2007 bei Forge erschienen und als Taschenbuch sowie in gebundener Form, für den Kindle und als Hörbuch zum Audible-Download erhältlich.

 

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Die Wissenschaftler haben Haarproben von möglichen Wildhominiden gesammelt. Hierzu haben sie im Mai 2012 eine Pressemitteilung des Museums für Zoologie in Lausanne und der University of Oxford herausgegeben. Insgesamt bekamen sie 57 Haarproben aus Museen oder Privatsammlungen zugeschickt. Mit einer makroskopischen, mikroskopischen und Infrarot-Fluoreszenz-Untersuchung konnten sie je eine Probe aus Pflanzenmaterial und eine aus Glasfasern ausschließen. Insgesamt erschienen 37 der Proben für eine genetische Untersuchung geeignet und interessant.

 

Scrrenshot aus dem Video
Zoomaufnahme des Cass River Bigfoot Videos. Aufnahme: Eddie V.

 

Für die genetische Untersuchung haben die Labormitarbeiter Abschnitte von zwei bis vier Zentimeter Länge gründlich gereinigt, um Oberflächenkontamination auszuschließen. Dann wurden die Haare in einer Pufferlösung homogenisiert (im Prinzip zermixt), und für 2 Stunden bei 56° C mit Proteinase K behandelt. Hierdurch liegen die Nukleinsäuren frei vor. Diese wurden dann mit Phenol / Chloroform und Isoamyl-Alkohol extrahiert.

Aus dieser Probe haben sie dann einen Teil des mitochondrialen Ribosom-Gens12S, genauer die Basenpaare 1093 – 1196 mit einer PCR vervielfacht und die Sequenz ermittelt. Die Sequenzen haben sie dann mit den in der GenBank hinterlegten Sequenzen verglichen. Hierbei bekamen sie folgende Ergebnisse:

 

Laborarbeit
Arbeit mit zahlreichen Proben

 

Ref. Nr.

Herkunft

Bezeichnung

Genbanktreffer

Deutscher Name

25025 Ladakh, Indien Yeti Ursus maritimus Eisbär*
25191 Bhutan Yeti / Migyuhr Ursus maritimus Eisbär*
25027 Russland Almasti Ursus arctos Braunbär
25039 Russland Almasti Equus caballus Pferd
25040  Russland Almasti Bos taurus Kuh
25041  Russland Almasti Equus caballus Pferd
25073  Russland Almasti Equus caballus Pferd
25074  Russland Almasti Ursus americanus Amerikanischer Schwarzbär
25075  Russland Almasti Procyon lotor Waschbär
25194  Russland Almasti Ursus arctos Braunbär
25044 Sumatra Orang Pendek Tapirus indicus Schabrackentapir
25035 Arizona, USA Bigfoot P. lotor Waschbär
25167 Arizona, USA Bigfoot Ovis aries Schaf
25104 Californien, USA Bigfoot U. americanus Amerikanischer Schwarzbär
25016 Californien, USA Bigfoot U. americanus Amerikanischer Schwarzbär
25081 Minnesota, USA Bigfoot Erethizon dorsatum Urson
25082 Minnesota, USA Bigfoot U. americanus Amerikanischer Schwarzbär
25202 Oregon, USA Bigfoot U. americanus Amerikanischer Schwarzbär
25212 Oregon, USA Bigfoot C. lupus/l atrans/ domesticus Wolf / Kojote / Hund
25023 Texas, USA Bigfoot E. caballus Pferd
25072 Texas, USA Bigfoot Homo sapiens Mensch
25028 Washington, USA Bigfoot U. americanus Amerikanischer Schwarzbär
25029 Washington, USA Bigfoot C. lupus/l atrans/ domesticus Wolf / Kojote / Hund
25030 Washington, USA Bigfoot Bos taurus Kuh
25069 Washington, USA Bigfoot Odocoileus virginianus/ hemionus Virginiahirsch oder Maultierhirsch
25086 Washington, USA Bigfoot Bos taurus Kuh
25093 Washington, USA Bigfoot C. lupus/l atrans/ domesticus Wolf / Kojote / Hund
25112 Washington, USA Bigfoot Bos taurus Kuh
25113 Washington, USA Bigfoot C. lupus/l atrans/ domesticus Wolf / Kojote / Hund

 

Hervorragende Ergebnisse

Trotz der sehr unterschiedlichen Proben, von frischen bis über 50 Jahre alten Museumsstücken, zeigte die Mehrzahl der Untersuchungen eine 100%ig sichere Übereinstimmung der 12S RNA-Sequenz mit den in der GenBank hinterlegten Sequenzen. Nur eine Probe enthielt menschliche DNA (Nr. 25072). Dies zeigt die Effektivität des Reinigungs- und Extrahierungsprotokolls. So kann aus aus älterem Material (das oft buchstäblich durch zahlreiche Hände ging), eine menschliche Kontamination entfernt werden. Sie führen oft zu Fehlinterpretationen, die eine Probe als menschlich oder als Mensch / Säugetier-Hybrid darstellen.

 

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Auf den Spuren von Bigfoot…

In diesem Buch legt er sein Augenmerk im Wesentlichen auf die praktischen Aspekte und Ergebnisse der Bigfoot-Forschung, aber auch auf die Frage, ob und wie es möglich ist, einen Kontakt mit den intelligenten Zweibeinern aufzubauen.
Vor allem aber widmet er sich darin den vorliegenden Artefakten, handgefertigten Teilen, die aus den Aktivitäten dieser Kreaturen stammen, sowie weiteren Beweisen für ihre bemerkenswerte Intelligenz wie auch ihrer Sprache und paranormalen Fähigkeiten.
Das Buch entstand auf der Grundlage seiner persönlichen Erfahrungen und Forschungen in mehr als 50 Jahren seit 1965 bis heute sowie den Ergebnissen seiner Zusammenarbeit mit anderen Forschern in dieser Zeit.

 

Auf den Spuren von Bigfoot, Yeti & Co: Fakten und Beweise aus Russland ist 2017 im Ancient Mail Verlag erschienen und hat 200 Seiten in Deutscher Sprache.

 

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Die 12S Ribosom-Sequenz erlaubt eine sehr breite Differenzierung innerhalb der Säugetiere, kann aber üblicherweise nicht unterhalb des Gattungslevels unterscheiden. So lassen sich einige Proben nur als Wolf/ Kojote / Hund identifizieren. Bei den Hirschen ist daher eine Unterscheidung zwischen dem Virginia-Hirsch und dem Maultierhirsch nicht möglich. Da beide Gattungen aber für die Erklärung des Bigfoots nicht in Frage kommen, ist eine weitere Differenzierung sowieso nicht zielführend.

 

Prähistorische Bären!

Auffällig sind die Proben 25025 und 25191. Sie hatten ein 100%ige Übereinstimmung mit 40.000 Jahre alter, fossiler DNA von prähistorischen Eisbären.

Probe 25025 stammte von einem Bären, den ein erfahrener Jäger in Ladakh, Indien ungefähr 1974 geschossen hatte. Er berichtete, dass das Verhalten des Tieres deutlich anders, aggressiver war als das von Braunbären, die er gut kannte. Die Haare der Probe waren gold-braun.

Probe 25191 wurde in etwa 3500 m Höhe in einem Bambuswald gesammelt. Sie stammt aus einem „Nest des Migyhur“, der bhutanischen Form des Yeti. Die Haare dieser Probe hingegen waren eher rot-braun.

 

Pizzly
Pizzly, ein rezenter Grizzly/ Eisbär-Hybride im Zoo Osnabrück. CC BY-SA 3.0 by Corradox

 

Insbesondere bei der Analyse dieser beiden Proben weisen die Wissenschaftler deutlich darauf hin, dass die untersuchte Sequenz nur 104 Basenpaare lang ist. Daher sollten alle Resultate als provisorisch betrachtet werden und trotz 100%iger Übereinstimmung weiter untersucht werden. Vor diesem Hintergrund stellen sie eine Hypothese in den Raum. Entweder stammen diese beiden Proben von einer bisher unbekannten Bärenart, einer Farbvariante des Eisbären oder Eisbär/ Braunbär-Hybriden. Anders als die heute in Alaska gelegentlich nachgewiesenen Hybriden (die Presse berichtete), muss hier die Hybridisierung in einer frühen Phase der Arttrennung zwischen dem Braun- und dem Eisbär erfolgt sein. Um hier sicher zu gehen, sind weitere genetische Untersuchungen und vor allem mehr Proben notwendig, so die Wissenschaftler.

 

Sie spekulieren weiterhin, dass – falls diese Bären im Himalaya weit verbreitet sind – sie die biologische Grundlage für die Yeti-Legende darstellen.

 

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Was tun, wenn man einem Bigfoot begegnet?

Der Kryptozoologe Ken Gerhard sammelt seit vielen Jahren alle möglichen Informationen über das Bigfoot-Phänomen. Existiert der Sasquatch? Was sind es für Wesen? Wie sehen sie aus? Wie viele von ihnen gibt es? Sind sie gefährlich? Wo sind ihre Überreste?
Dazu stellt Gerhard seine eigenen Expeditionen, Entdeckungen und Meinungen vor.

 

The Essential Guide to Bigfoot ist als Taschenbuch, für den Kindle und als Hörbuch verfügbar. Es ist 2019 in englischer Sprache independent veröffentlicht worden.

 

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Sonst leider keine Überraschung

Abgesehen von den beiden Proben hat die Studie keine unbekannte Art zu Tage geführt. Im Gegenteil, viele der Haarproben stammen von domestizierten Tieren. Doch man sollte stets beachten, dass das Fehlen eines Beweises nicht der Beweis des Fehlens ist. Diese Studie konnte keine anomalen Primaten, vulgo „Wildmenschen“ nachweisen. Sie konnte aber auch nicht belegen, dass es sie nicht gibt.

 

Flußtal in Nordamerika
Auf dieser Sandbank soll in den 1970er Jahren ein Sasquatch gesehen worden sein. War das ein Irrtum?

 

Mit dieser Studie spielen Sykes und Sartori den Ball geschickt der Kryptozoologie zurück. Niemand kann mehr behaupten, „dass Kryptozoologen von der Wissenschaft zurückgewiesen“ würden. Statt dessen fragen Wissenschaftler von berühmten und seriösen Instituten nach weiteren Proben, denn jetzt stehen hervorragende und bezahlbare Instrumente für die Untersuchung bereit.


Weiterführende Artikel:

Peter Ehret & André Kramer: „Und ewig grüßt der Yeti„, 2020

 

Dominik Schindler: „Die Kongo-Hominiden des Charles Cordier„, 2021

 

Tobias Möser: „Neues zu Sana und dem Alma(sti)„, 2021

 

Tobias Möser: „Haben wir den Beweis? Was steckt hinter dem Almasti-Nagel?“ und „Neues zum Almasti-Nagel

 

 

 


Quelle:

Sykes BC, Mullis RA, Hagenmuller C, Melton TW, Sartori M. 2014 Genetic analysis of hair samples attributed to yeti, bigfoot and other anomalous primates. Proc. R. Soc. B 281: 20140161. http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2014.0161

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