26. Juni 2006 – Bär JJ1 musste sterben

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Der Versuch einer objektiven Retrospektive zum Tod von „Bruno“

 

Die Affäre um JJ1 bewegt in Deutschland immer noch die Gemüter, obwohl sie ihren traurigen Höhepunkt übermorgen vor 15 Jahren fand. JJ1 war der erste auf natürlichem Weg nach Deutschland eingewanderte Braunbär seit 1835. Nachdem er in Deutschland und vor allem in Österreich einige Bienenkästen, Ställe beschädigt und Schafe und Ziegen getötet hatte, erklärte ihn die Politik zum „Problembären“ und verfügte am Ende seinen Abschuss.

 

Ich bin kein Jurist, sondern Biologe. Ich kann die juristischen Fallstricke der Sache nicht wirklich abschätzen und werde den juristischen Teil der Affäre soweit als möglich außen vor lassen. Dort, wo ich es nicht vermeiden kann, ist mein Verständnis das eines Laien und nicht das eines Fachmanns.

Zwei Alpenbraunbären im Schnee
Zwei Alpenbraunbären im Schnee

Was ist überhaupt passiert?

Die Vorgeschichte

Lange waren die Alpen einer der letzten Rückzugsgebiete der mitteleuropäischen Braunbären. Im späten 20. Jahrhundert waren die Populationen der Bären im westlichen und zentralen Alpengebiet jedoch so weit gesunken, dass ein Überleben der Populationen unwahrscheinlich erschien. Daher beschloss die EU 1996 ein EU-LIFE Projekt zum Schutz der Braunbären im italienischen Brenta-Gebiet. Dieses Projekt war so erfolgreich, dass 2004 und 2005 ein weit größeres Projekt begann. Ziel war die Wiederansiedlung der Braunbären im Alpenraum und die Vernetzung der noch lebenden Bärenpopulationen. Neben Italien waren Österreich und Slowenien beteiligt, Deutschland aufgrund des sehr geringen Anteils geeigneter Lebensräume nicht.

 

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Bildband: Unter wilden Bären

Drei Fotografen haben sich drei Jahre lang in Slowenien auf die Spur der Bären Mitteleuropas begeben. Ihre Mission? Neue, bisher ungesehene Fotos und hautnahe Einblicke in das Leben der größten Raubtiere Europas zu gewähren. Sie berichten von ihren eigenen intensiven Bären-Erlebnissen, davon, wie das Zusammenleben mit den Tieren gelingen kann, und faszinieren für die wilde Natur vor unserer Haustür. Denn tatsächlich findet sich hier eine der größten Braunbärendichten der Welt. Nicht in Kamtschatka oder Alaska, sondern mitten unter uns, im dicht besiedelten Mitteleuropa.

 

Bildband: Unter wilden Bären ist 2019 erschienen und hat 168 großformatige Seiten voller Bären.

 

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Ein wichtiger Teil des Projektes war die Aufklärung der Bevölkerung, immerhin handelt es sich bei Bären ja um große und durchaus gefährliche Raubtiere. Braunbären sind insbesondere in Südost-Europa dafür bekannt, in der Nähe des Menschen nach Nahrung zu suchen und auch in Dörfer einzudringen. Dabei verursachen sie gelegentlich Schäden, auch an Nutztieren und vor allem Bienenstöcken. Übergriffe auf Menschen sind selten, kommen aber vor. Dies muss eine Bevölkerung wissen und akzeptieren. Schutzmaßnahmen müssen zumindest anteilig durch das Ansiedlungsprojekt bezahlt werden.

 

Naturpark Adamello-Brenta, Heimat von JJ1
Landschaft im Naturpark Adamello-Brenta, Ansiedlungsgebiet der Bären

 

Ein weiterer zentraler Punkt in dem Projekt war der Transfer von slowenischen Bären in den Naturpark Adamello-Brenta. Dazu wurden zwischen 1999 und 2002 insgesamt zehn Bären in Slowenien eingefangen und in Italien ausgesetzt. Die Tiere erwiesen sich als sehr fruchtbar, bis 2006 stieg der Bestand von zwei bis drei Tieren 1998 auf 18 bis 20 Bären.

 

JJ1 – Die Geschichte eine Problemfamilie?

Unter den ausgesetzten Bären war das Männchen Joze (ca. 1994 in Slowenien geboren) und das Weibchen Jurka (1998 in Slowenien geboren). Jurka verursachte bereits einige Jahre nach der Umsiedlung in der Provinz Trient/ Trentino mehrfach Schäden an Bienenstöcken, Hühner- und Kaninchenställen und drang in Dörfer ein. Aggressiv gegen Menschen zeigte sie sich jedoch zunächst nicht.

 

Jurka, Mutter von JJ1
Jurka, die Mutter von JJ1 bis JJ3, beim Anlegen des Halsbandes narkotisiert. (Foto: KORA News.ch)

 

Nach den Ereignissen um JJ1 bekam Jurka um August 2006 ein Halsband mit Radiotelemetrie. Damit konnte man sie metergenau verfolgen und hoffte, sie so vergrämen zu können. Die Maßnahmen führten lediglich dazu, dass Jurka bei ihren unerwünschten Aktionen cleverer vorging. Etwa die Hälfte aller registrierten (und vergüteten) Bärenschäden der Trentiner Population war auf Jurka und ihre Jungen zurückzuführen. Im Jahr 2007 zeigte sie einige Verhaltensweisen, die für Menschen potenziell gefährlich sind. Welche, teilte der Servizio Foreste e Fauna der Provinz nicht mit.
Daraufhin wurde sie am 4. Juli mit einem Narkosegewehr eingefangen und zunächst in ein Wildgatter überführt. Seit 2010 lebt sie im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald in Bad Rippoldsau-Schapbach.

Das bayerische Innenministerium machte hieraus ein „Die Mutter hat quasi ein langes Vorstrafenregister.“

 

Spuren eines amerikanischen Schwarzbären
„Fingerabdrücke“ eines Bären.im Schlick (Foto: Matt Goff)

 

Über das Verhalten von Joze ist nichts in der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Es spielt eigentlich auch keine Rolle, da Bären reine Mutterfamilien bilden. Männchen haben mit der Aufzucht der Jungen nichts zu tun.

Die Familie

Joze und Jurka paarten sich offenbar über mehrere Jahre hinweg regelmäßig. Aus diesen Verbindungen ergaben sich insgesamt drei Jungtiere:

  • JJ1, *2004, „Bruno“, der hier behandelte Bär.
  • JJ2, *2005, „Lumpaz“, war im Engadin in der Schweiz und in Nauders in Tirol unterwegs und gilt seit Herbst 2005 als verschwunden. Ob er gewildert wurde oder seinen ersten Winterschlaf nicht überlebte, ist unklar.
  • JJ3, *2006, namenlos, zeigte keine Menschenscheue, bediente sich an Abfallcontainern und wurde 2008 von der Schweizer Wildwacht erschossen.

Die Kurzbezeichnungen der Tiere „JJ“ setzen sich aus den Anfangsbuchstaben der Elterntiere und der Geburtsreihenfolge zusammen.

Weitere Jungtiere dieser Eltern sind nicht zu erwarten.

 

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Das NEINhorn von Marc Uwe Kling

Im Herzwald kommt ein kleines, schnickeldischnuckeliges Einhorn zur Welt. Aber obwohl alle ganz lilalieb zu ihm sind und es ständig mit gezuckertem Glücksklee füttern, benimmt sich das Tierchen ganz und gar nicht einhornmäßig. Es sagt einfach immer Nein, sodass seine Familie es bald nur noch NEINhorn nennt.

 

Eines Tages bricht das NEINhorn aus seiner Zuckerwattewelt aus. Es trifft einen Waschbären, der nicht zuhören will, einen Hund, dem echt alles schnuppe ist, und eine Prinzessin, die immer Widerworte gibt. Die vier sind ein ziemlich gutes Team. Denn sogar bockig sein macht zusammen viel mehr Spaß!

 

Das NEINhorn ist als gebundenes Buch, Hörbuch und für den Kindle erhältlich.

 

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Die Wanderung von JJ1

Es ist nicht ungewöhnlich, dass junge Bären, insbesondere Männchen, weite Wanderungen auf der Suche nach einem neuen Revier unternehmen. JJ1 wurde das letzte Mal am 25. April 2006 in der Umgebung des italienischen Naturparks Adamello-Brenta nachgewiesen. Dabei ließ er einige Haare in einer DNA-Falle.

 

Haare im Stacheldraht
Solche Haarproben dienen oft der „Ahnenforschung“ bei Bären.

 

Auf seiner Wanderung erbeutete er regelmäßig Haustiere oder richtete sonstige Schäden an Ställen oder ähnlichen Gebäuden an. Ob und wie viele Wildtiere er erbeutete, ist unklar, von gefundenen Kadavern wird nicht berichtet. Soweit mir bekannt, hat niemand versucht, anhand der Fraßmengen festzustellen, ob die erbeuteten Haus- und Nutztiere für den Bär auf seiner Wanderung ausreichten.

 

Am 20. Mai hinterließ JJ1 das erste Mal Spuren auf deutschem Boden. Die Quellen sprechen von einem „Nachweis“ im Kreis Garmisch-Partenkirchen (5), welcher Art der Nachweis ist, sagen sie nicht. Am 25. Mai verließ er Deutschland wieder, zur großen Erleichterung der vor allem bayerischen Politiker. Leider blieb er nicht lange weg, sondern kam sogar die Berge herunter. Unter anderem fand man seine Spuren am Rand der relativ großen Gemeinde Kochel am See, bevor er sich erneut nach Österreich verzog. Dort hielt er sich eine Weile im Gebiet östlich und oberhalb des Achensees auf. Die Häufigkeit und Dichte der Nachweise in diesem Gebiet könnte Anlass zur Vermutung geben, dass er versuchte, hier ein Kernrevier zu etablieren. Warum ihn sein Weg dann durch die Brandenberger Alpen ins Gebiet zwischen Wildbad Kreuth und Bayrischzell führte, wird er nie beantworten.

 

Route von JJ1
Die Route von JJ1. (Abb.: Stefan Xp, CC3.0)

 

Schäden durch JJ1

Auf dem Weg dorthin riss JJ1 33 (nach anderen Angaben 31) Schafe, vier Hauskaninchen, ein Meerschweinchen sowie mehrere Hühner und Ziegen. Er beschädigte drei Bienenstöcke, zwei Hühnerställe und einen Kaninchenstall. Wesentlich kritischer war jedoch seine Reaktion auf drei Mountainbiker, die ihn ein Stück verfolgten. Er drehte sich um und näherte sich ihnen.

Dies führte letztendlich dazu, dass Österreich eine Abschussgenehmigung ab dem 26. Juni erteilte, das bayerische Innenministerium hatte nach diversen juristischen Unklarheiten mehrere Genehmigungen erteilt und wieder zurückgezogen. Auch für Bayern galt eine Abschussgenehmigung ab dem 26. Juni.

 

Blick vom Rotwandhaus
Blick vom Rotwandhaus in Richtung Kümpflalm

 

Als der Bär am Sonntag, den 25. Juni in der Nähe des Rotwandhauses gesichtet wurde, bezogen vier Männer eine Hütte auf der Kümpflalm unterhalb der Rotwand. Mindestens einer von ihnen war Polizist, die Gruppe wurde als „Sicherheitsteam“ bezeichnet. Sie legten mit einem toten Schaf und Honig einen Luderplatz an, an dem sie ab dem nächsten Tag auf den Bären ansitzen wollten. Doch es kam anders: Als ein Polizist am nächsten Morgen gegen 4 Uhr die Tür der Hütte öffnete, stand Bär Bruno nur einen Steinwurf entfernt auf der Almwiese. Kurze Zeit später waren die Jäger geweckt, die Gewehre geladen und Schüsse krachten.

 

Am 26. Juni 2006 gegen 4:50 Uhr trafen mehrere tödliche Kugeln den Bär JJ1 auf der Kümpflalm. Er erlag laut Obduktionsbericht Verletzungen im rechten Lungenflügel und Leberlappen.

 

So endete die tragische Geschichte eines Bären, der schlecht auf Menschen vorbereitet war und der auf schlecht auf Bären vorbereitete Menschen traf.

 

Politik und Verwaltung waren völlig überfordert

JJ1 wirkte in der fremden, bärenfreien und relativ dicht besiedelten Gegend desorientiert.

Doch auch Politik und Verwaltung wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Mit Bären hat in Bayern niemand gerechnet, Südtirol ist weit weg, niemand war „offiziell“ informiert worden, dass man dort wieder Bären angesiedelt hat. Niemand rechnete damit, dass ein italienischer Bär ohne Genehmigung die Grenze in den Bergen überqueren würde. Niemand wusste, wie sich Bären verhalten. Offenbar rechnete auch niemand damit, dass Bären Schäden verursachen können.

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stufte das Verhalten des Bären als „abnormal“ ein. Es erteilte bereits Ende Mai eine erste Abschussgenehmigung. Umweltminister Werner Schnappauf setzte rhetorisch ein paar Pointen.

 

Letztlich stellte es die CSU-Regierung so dar, dass es nur die Alternativen „Fang und anschließende Gehegehaltung“ oder „Abschuss“ gebe. Der WWF unterstützte diese Haltung ausdrücklich. Über Fang, Besenderung und Vergrämung wurde nicht einmal groß diskutiert. „Der Bär muss weg“, egal wie – war die Devise.

Wie fängt man einen wandernden Bären?

Zunächst versuchte man, JJ1 mit einer amerikanischen Röhrenfalle einzufangen. Diese Culvert-Traps genannten Fallen werden in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet, die vermehrt in die Nähe von Siedlungen kommen. Dies musste erfolglos bleiben, da JJ1 zu diesem Zeitpunkt noch täglich große Strecken in unbekannte Richtung zurücklegte.

 

Culvert trap Bärenfalle
Eine „Culvert trap“ genannte Bärenfalle aus dem Yellowstone-Park (Foto: US National Park Service)

 

Für einen weiteren Fangversuch wurde ein Team von zunächst vier, dann fünf finnischen Bärenjägern eingeflogen, die von erfahrenen Hunden begleitet wurden. Sie sollten von einem österreichischen Betäubungsexperten, dem Wiener Professor für Wildtiermedizin und Artenschutz, Chris Walzer, begleitet werden.
Doch der Einsatz scheiterte, zunächst an bürokratischen Hürden. Niemand wusste, ob finnische Jäger grenzüberschreitend zwischen Deutschland und Österreich bewaffnet sein dürfen. Doch auch hier erschwerten JJ1’s Wanderung, aber auch das steile Gelände und hohe Sommertemperaturen die Suche. Am 23. Juni wurde der Einsatz erfolglos abgebrochen, er hatte 30.000 € gekostet.

 

Nun doch: Erneute Abschussgenehmigung

Ebenfalls am 23. Juni wurde die Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt. Allerdings fand sich niemand, der für den Abschuss zuständig sein wollte. Der Landesjagdverband lehnte ab, ebenso die Polizei, die Unterstützung mit Personal oder Hubschraubern anbot, jedoch keine Kompetenz zur Großwildjagd habe.

 

Wer letztendlich JJ1 tatsächlich erschossen hat, ist bis heute unklar:

„Aussagen zum Gewehrtyp, zu Kaliber und Munition können nicht gemacht werden, um die Anonymität der Beteiligten zu wahren.“, so verweigerte Umweltminister Schnappauf genauere Angaben zum Abschuss des Tieres im bayerischen Landtag.

Die starke Form der Geheimheimhaltung bis heute lässt vermuten, dass eine jagdbegeisterte Person aus dem Umfeld der Landesregierung oder des Umweltministers beteiligt sein könnte.

 

Genauso könnte es aber auch ein Polizei-Scharfschütze oder ein anderer Jagdkundlicher gewesen sein. Die Jagd auf Bären ist in Teilen Osteuropas und Nordamerikas heute noch üblich, auch Deutsche buchen Jagdreisen mit Bären als Ziel.

 

Juristisch ist die Sache nie aufgearbeitet worden, obwohl es zahlreiche Anzeigen gegen unterschiedliche Mitglieder der bayerischen Landesregierung und des Umweltministeriums gab.

 

Bruno JJ1
JJ1 alias „Bruno“, der „Problembär“ als Dermoplastik im Museum Mensch und Natur im Münchner Schloss Nymphenburg

 

Politische Konsequenzen

Zunächst einmal gab es keine direkten Konsequenzen. Nicht nur in Bayern führte die ganze Affäre zu einem PR-Desaster für die bayerische Landesregierung. Umweltminister Schnappauf und auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber waren politisch beschädigt. Schnappauf wechselte nach den Landtagswahlen 2007 zum Bundesverband der Deutschen Industrie, Stoiber kandidierte nicht mehr als Ministerpräsident und wurde nach der Landtagswahl nach Brüssel „abgeschoben“.

 

Eine Randnotiz blieb die unerfüllte Forderung der italienischen Regierung, den Kadaver von JJ1 zurück zu geben. Er steht als Dermoplastik seit 2008 im Museum Mensch und Natur im Schloss Nymphenburg in München. Dort steht auch der vor ihm letzte, 1835 in Bayern geschossene Braunbär.

 

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Bruno alias JJ1’s Reisetagebuch

Brunos Reisetagebuch gefunden!

Ein kleiner Hund hat ohne Probleme Brunos Fährte aufgenommen und oberhalb des Spitzingsees in einem dichten Gebüsch ein Buch aufgespürt. Herrchen traute seinen Augen kaum, als er Brunos Reisetagebuch in den Händen hielt. Das darf der Welt nicht vorenthalten werden!

Sein Reisetagebuch steht neben den täglichen Presseberichten und dokumentiert den Kampf Davids gegen Goliath. Die Frage ist nur, wer ist David und wer Goliath? Dank seiner ausgezeichneten Kondition, die auf eine gesunde Ernährung zurückzuführen war, und seinem perfekten Instinkt ließ sich der Bär nicht einfangen. Im Vergleich zu diesem urwüchsigen Geschöpf schwächelten die finnischen Superhunde und versagten die ausgetricksten Fallensteller.

 

Bruno alias JJ1: Reisetagebuch eines Bären hat 136 Seiten und ist leider nur noch antiquarisch zu bekommen. Es ist kurz nach der Affäre 2006 erschienen.

 

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Wölfe und Luchse als Nutznießer

Ein wesentlich wichtigerer Impuls wirkte sich auf einer völlig anderen Ebene aus. Nicht nur Bären, auch Wölfe drängten nach Deutschland. Was vor 2006 noch ein kleines, auf Truppenübungsplätze in Sachsen und Brandenburg begrenztes Phänomen war, zeigte bereits erste, aber deutliche Wachstumsanzeichen.

Die Umweltverbände und auch die Politik reagierten. Niemand hatte Interesse an einem solchen PR-Desaster wie um JJ1. In Gebieten, in denen Wölfe erwartet wurden, entstanden Stellen für Wolfsberater und Wolfsstationen. Zahlreiche Bundesländer entwickelten Wolfs-Management-Pläne noch ins Leere hinein. Kurzzeitig gab es in Deutschland wesentlich mehr Wolfsberater als Wölfe.

 

Wolf auf einem bemoosten Felsen
Das offensive Wolfsmanagement in Deutschland ist eine der Folgen der JJ1-Affäre

 

Auch wenn heute regelmäßig von Übergriffen von Wölfen auf Nutztiere berichtet wird, ist das Zusammenleben von Schäfern und Wölfen in vielen Teilen Deutschlands unauffällig. Wirkungsvolle Wolfsvergrämungstechniken, konsequente Entschädigungen bei Schäden und regelmäßiges Tracking einzelner Wölfe – dies ist eine Konsequenz aus der Affäre um Bär Bruno JJ1.

 

Wölfe und in einem kleineren Maßstab auch Luchse sind indirekt die Nutznießer des tragischen Todes von JJ1.

 

Was ist mit anderen Bären?

Seit 2006 hat zweimal ein Bär Deutschland besucht. Ende September 2019 zeigte sich ein Bär in einer Fotofalle der Bayerischen Staatsforsten, wie JJ1 im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. „Der Bär verhält sich nach wie vor sehr scheu und unauffällig“, veröffentlichte das Landesamt für Umwelt. In der Nähe gefundene Kotspuren und Überreste eines Rehs konnten ihm nicht eindeutig zugeordnet werden.

Im Februar 2020 hinterließ ein junger Braunbär ganz in der Nähe Tatzenabdrücke im Schnee. „Es ist möglich, dass alle Spuren von einem einzigen Tier stammen“, erläuterte das LfU. „Der Bär verhält sich nach wie vor sehr scheu und unauffällig.“

 

Bär in der Fotofalle
Bär in der Fotofalle. Foto: Bayerische Staatsforsten

 

So mögen die Bayern ihre Touristen: Sie kommen unauffällig vorbei, essen etwas und verschwinden genau unauffällig wieder.


Quellen

KORA.ch Raubtierökologie und Wildtiermanagement:4. Juli 2007;15. April 2008
Möser, T. (2019): „Wieder ein Bär in Deutschland“ in Presseschau Kalenderwoche 43/2019

 

van Laere, S. (2006): „Töten oder erziehen“ in Focus Magazin Nr. 27 (2006), online

 

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