Liebe Leserinnen und Leser,
Nanu? Wo ist Markus Kretschmer’s „Wort zum Sonntag“ hin? Keine Sorge, Markus nutzt die freien Tage über Weihnachten und Silvester um ein paar private Dinge zu regeln und deswegen im Moment wenig Zeit, ein „Wort zum Sonntag“ zu schreiben. Um ihn zu unterstützen bin ich diese Woche eingesprungen und habe seinen Termin übernommen. Nächste Woche gibt’s dann zum Sonntag wieder News aus der Paläontologie und Archäologie. Freunde dieser Disziplinen müssen sich aber nicht völlig grämen, diese Woche haben wir erstaunlich viel über altes, verbuddeltes Zeuchs.
Wie so oft ist „zwischen den Jahren“ nicht viel passiert, die Presseschau ist deswegen entsprechend kurz. Wir freuen uns über eine kleine Sensation, auch wenn das Wollnashorn aus dem Permafrost Ostsibiriens auch wieder an den stattfindenden Klimawandel erinnert. Eine ähnlich eindringliche Mahnung spricht auch der WWF aus – wie immer wird auch sie weitgehend ungehört verhallen.
Dennoch wünschen wir, die Redaktion euch für die Zukunft, dass
- Cornona bald wieder nur ein billiges Bier ist,
- Tests bald wieder nur in der Schule geschrieben werden,
- ein positives Ergebnis wieder ein Grund zur Freude ist,
- Masken ein tolles Karnevals-Accessoire bleiben,
- man bei Isolation an Häuser und Kabel denkt und
- Donald bald wieder nur eine Ente ist.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen und bleibt gesund – anders wär‘ nämlich schlecht!
Eurer / Ihr
Tobias Möser
Die Meldungen im Einzelnen:
Wollhaarnashorn im Permafrost gefunden
Ihr Auftauchen ist eigentlich alarmierend: Eismumien geben Forschern zwar ungeahnte Einblicke in die Welt des Pleistozäns, sie gehören zu den aufschlussreichsten und wertvollsten Funden von prähistorischen Tieren überhaupt. Aber sie stehen auch wie nichts anderes für die drastischen Auswirkungen des Klimawandels, der dafür verantwortlich ist, dass die Tundra ihre Schätze nun freigibt.

In Yakutien ist nun der Kadaver eines jungen Wollnashorns entdeckt worden. Der Kadaver ist zu mehr als 80% vollständig und zusammenhängend, lediglich ein noch recht kleines Horn fand man einzeln. Entdeckt wurde das junge Eiszeit-Tier unweit der Fundstelle, wo man 2014 schon einen anderen Kadaver eines Wollnashorn-Kalbs entdeckte, dass liebevoll „Sascha“ getauft wurde.
Während Sascha ein rotblondes Fell trug und vor etwa 34.000 Jahren starb, scheint das neue Nashornkalb eine etwas dunklere Fellfarbe zu haben. Eine genaue Analyse steht allerdings noch aus: das Alter muss im Labor noch radiometrisch bestimmt werden, und die Forscher werden dann auch die Lebens- und Todesumstände genauestens untersuchen. Derzeitiger Stand: das kleine Nashorn ist wahrscheinlich ertrunken.

Quelle: Guardian – Danke an Markus Kretschmer für Meldung und Text.
Wie Anglerfische ihre Körper ohne Immunreaktion verschmelzen
Einige Tiefsee-Anglerfische haben eine extreme Form des sexuellen Kommensalismus gebildet. Das Männchen verbeißt sich in die Haut am Körper des Weibchens und verschmilzt permanent mit ihr. Er übernimmt ihren Blutkreislauf und wird auf die Dauer immer weiter reduziert – bis auf die Sexualorgane.

In der artenreichen, jedoch individuen- und nährstoffarmen Tiefsee hat das offenbar Vorteile, zahlreiche Tiefsee-Anglerfischarten bedienen sich dieser Methode. Hierzu müssen sie aber einige Probleme lösen, unter anderem immunologische: Der Einbau eines fremden Körpers ins eigene Immunsystem würde eine Reihe von heftigsten Reaktionen auslösen, die unweigerlich zum Tod beider Individuen führten. Nicht so bei den Tiefsee-Anglerfischen.
Eine neue Untersuchung legt nahe, dass gerade bei den extremen Formen die Männchen Teile ihres Immunsystems verlieren. Bei diesen Formen verschmelzen mehrere Männchen lebenslang mit einem Weibchen. Diese Männchen können keine funktionellen Antikörper und T-Zellen produzieren. Monogame Spezies haben weniger stark reduzierte immunologische Fähigkeiten, so können sie noch bestimmte Antikörper produzieren.
Quelle: ScienceMag
Spitzmaus kann Gehirn schrumpfen und wachsen lassen

Die Etrusker-Spitzmaus Suncus etruscus ist das kleinste landlebende Säugetier. Sie wiegt etwa 2,5 g, ist 38 bis 44 mm lang, hat einen Maximalpuls von 1500 Herzschlägen pro Minute und atmet bis zu 900mal in diesem Zeitraum. Diesen Rekord bezahlt sie mit einem gewaltigen Energieverbrauch: Sie muss etwa das Achtfache ihres eigenen Körpergewichtes pro Tag fressen, um ihr Gewicht zu halten – daher kann sie keinen Winterschlaf halten.
Wissenschaftler haben jetzt einen Trick entdeckt, mit dem sie in der nahrungsärmeren Zeit Energie spart: Sie kann ihr Hirn schrumpfen lassen. Mit Magnetresonanzscans haben sie nachgewiesen, dass die Regionen, die die Informationen von den Schnurrhaaren verarbeiten, im Winter um bis zu 28% schrumpfen können. Im Sommer wachsen die Nervenzellen dort erneut.
Dieses Phänomen zeigten die Spitzmäuse auch im Labor, wenn ihnen unbegrenzt Futter zur Verfügung stand und es keine Änderungen im Hell-Dunkel-Zyklus gab. Die Forscher schließen daraus, dass es sich hierbei um einen internen Regelzyklus handelt.
Etrusker-Spitzmäuse sind vom Mittelmeer bis nach Südost-Asien verbreitet. Sie bewohnen offene Wälder, Buschbestände und Grasländer. Gelegentlich findet man sie auch in Weinbergen und Olivenhainen.
Quelle: ScienceMag
DNA zeigt Ursprung historischer Elefanten-Stoßzähne

Als ein portugiesisches Handelsschiff 1533 vor der Küste des heutigen Namibias sank, trug es unter anderem mehr als 100 Elefantenstoßzähne als Fracht. 12 Jahre nachdem das Wrack entdeckt wurde, haben Wissenschaftler herausgefunden, wo die Stoßzähne her kamen.
Das kalte Wasser des Benguelastroms hat die Zähne so konserviert, dass aus ihnen DNA gewonnen werden konnte. Die Analyse zeigte, dass das Elfenbein von Waldelefanten (Loxodonta cyclotis) aus 17 distinkten Herden stammte. Die genetischen Merkmale von vier dieser Herden konnten in heute lebenden Tieren wieder gefunden werden.
Waldelefanten unterliegen in den letzten vierzig Jahren einem starken Druck aus Habitatverlust und Elfenbeinwilderei. Das ist mutmaßlich der Grund dafür, dass nur vier der Familienlinien nachgewiesen werden konnten, so die Wissenschaftler.
Quellen: ScienceMag, NY Times, Current Biology
Neue Hypothesen über den Ursprung des Lebens
Die Frage des Ursprungs des Lebens ist eine Frage, die uns substanziell beeinflusst. Wo kommen wir her, wie sind wir entstanden? Jetzt haben Wissenschaftler in Nature dazu eine neue Hypothese veröffentlicht: Erstes Leben hätte sich auch auf dem Land und nicht im Meer bilden können. Sie stellten fest, dass Substanzen rein chemischen Ursprungs unter UV-Licht nur dann Schlüsselkomponenten der Zelle bilden, wenn man den Versuch periodisch austrocknen lässt. In reiner, konstanter Seewasserumgebung entstanden diese Komponenten nicht.
Die Wissenschaftler postulieren, dass hier zyklisch austrocknende Gewässer gespielt haben könnten. Diese liefern sowohl wechselnde Verfügbarkeit von Wasser wie auch starke UV-Einstrahlung. Die Forscher schlagen hierfür Krater vor, die Redaktion meint, dass periodische Gewässer heute ebenfalls in großer Zahl auftreten und man sie oft als Pfützen bezeichnet.
Die Originalarbeit ist bei Nature erschienen.
WWF: schnellstes Artensterben seit dem KT-Impakt
Mehr als 30% aller auf der Welt vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sind in ihrem Bestand bedroht oder stehen sogar kurz vor dem Aussterben, dies meldet der WWF. Doch nicht nur die Arten werden weniger, auch die Individuenzahlen sinken dramatisch. Zwischen 1970 und 2016 sind die Bestände von aller Wirbeltiere durchschnittlich um 68% zurück gegangen.
„Die Klimakrise, Zerstörung von Lebensraum, Überfischung der Meere und Wilderei: Der Mensch verursacht gerade das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier-Zeit“, erklärte WWF-Vorstand Eberhard Brandes.
Bei einigen Leuchtturmarten wirken Artenschutzprogramme, so bei Spitzmaulnashorn, Wisent, Seegurken, Elch und Kegelrobbe. Zu ihrem Schutz werden oft Schutzgebiete ausgewiesen, in denen sich auch andere, weniger prominente Arten erholen können.

Der WWF hat den Feldhamster als eine der Fokusarten für die nächsten Jahre gewählt. Er steht durch die intensive Landnutzung in Mitteleuropa massiv unter Druck und wird ohne Änderung der Verhältnisse die kommenden 30 Jahre nicht überleben. „Sein Überlebenskampf steht stellvertretend für den Tausender heimischer Tiere und Pflanzen, die unter den Folgen der intensiven Landwirtschaft leiden“, erklärte der WWF.
Neu beschrieben:
- eine neue Zwergfroschart aus Amazonien der Gattung Adelophryne stammt vom Guyana-Schild und erreicht höchstens 14,4 mm Länge. In der Erstbeschreibung ist von weiteren, unbeschriebenen Arten der Gattung zu lesen. Bemerkenswert ist, dass die Autoren weder im Titel noch im Abstract der Originalarbeit den Artnamen des Tieres bekanntgeben. Die Arbeit ist in der Copeia erschienen.
Kurz gemeldet
Rezent an Land

- Andrew Gertz aus Australien hat beobachtet und fotografiert, wie eine Kuh auf einer offenbar toten Schlange herumgekaut hat. Er war auf dem Sandover Highway im Northern Territory unterwegs und von der Beobachtung so erstaunt, dass er sie an das Kuriositätenportal Ozzyman weiter gab.
- Eine Eule löste am 2. Weihnachtsfeiertag die Evakuierung einer S-Bahn in Düsseldorf aus. Nach Angaben der Bundespolizei löste der Vogel einen Kurzschluss in der Oberleitung aus, die dann durchbrannte und zu Boden fiel. Daher konnte die Bahn in der Unterführung am Düsseldorfer Flughafen nicht weiter fahren. 21 Fahrgäste konnten unverletzt aus dem Zug evakuiert werden, der Lokführer erlitt einen Schock, die Eule ist am Stromschlag verstorben.
- Der Guardian bringt einen großen Artikel über DNA-Barcoding und das Splitten von Arten. Ersteres sieht er als wichtigen Schritt zum genetischen Erkennen von Spezies, letzteres bedeutet für den Redakteur, dass es eine weit größere Diversität gibt und diese stärker gefährdet ist, als bisher erwartet.
- Am Silvestermorgen haben Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Bochum eine abgestreifte Schlangenhaut entdeckt. Das Haus wurde daraufhin geräumt. Die Feuerwehr hatte Klebestreifen, Mehl und Fangfallen aufgestellt und den Keller versiegelt. Nachdem über Nacht keine Spur der Schlange in den Wohnungen gefunden wurde, konnten die Bewohner am 1.1. wieder zurück in ihre Wohnungen.
Der Keller bleibt bis auf weiteres versiegelt und wird in den kommenden Tagen täglich kontrolliert.
Im Sommer hatte eine Monokelkobra im benachbarten Herne für eine längere Evakuierung eines Wohnhauskomplexes gesorgt.
Strandfunde
- in Yorkshire ist eine ganze Herde Pottwale gestrandet. Auch in diesem Winter kam es zu dem Phänomen, dass einzelne Gruppen von Pottwalen aus Norwegen auf dem Weg in den zentralen Atlantik vor Schottland zu früh „links abbogen“ und in die Nordsee gelangten. Dies führt dann häufig dazu, dass die Tiere sich in dem flachen und stark befahrenen = lauten Meer nicht orientieren können und stranden.
Dieses Mal sind zehn Tiere zwischen Turnstall und Withernsea angespült worden. Die BBC berichtet. - In Narin / Donegal / Irland ist ein Globster angeschwemmt worden. Die „Wolligkeit“, große Strukturen an beiden Enden und die rippenähnlichen Formen am massigeren Ende deuten auf Walüberreste hin.
Walstrandungen, auch in Form von Globstern sind in Irland vergleichsweise selten. Etwa 40 km südlich, bei Rossnowlagh waren am 19. August gleich sieben Nördliche Entenwale gestrandet. Sechs der Tiere verendeten vor Ort, eines konnte geschwächt wieder ins Meer gebracht werden. Was mit den Tieren passiert ist, ist unklar. Spekulationen, dass die Überreste eines der Wale jetzt in Narin angeschwemmt wurden, haben eine gewisse Berechtigung. (Danke an Markus Hemmler für die Meldung)
Aus Zoos und Museen
- Der Strafprozess um den Brand im Zoo Krefeld vor fast genau einem Jahr ist jetzt vollständig beendet. Die letzte der drei Frauen, deren Himmelslaternen das Feuer entzündet hatten, hat ihre Geldstrafe akzeptiert. Sie sind damit wegen fahrlässiger Brandstiftung verurteilt. Die Geldstrafe beträgt je 180 Tagessätze, im Einzelnen 9000 €, 3600 € und 1800 € Strafe, die vermutlich größtenteils an den Zoo fließen wird.
Der folgende Zivilprozess wird für die Frauen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deutlich teurer.In der Silvesternacht von 2019 auf 2020 hatten die drei Frauen insgesamt fünf bereits verbotene Himmelslaternen aufsteigen lassen. Eine oder mehrere davon sind auf oder direkt neben dem Affenhaus des Krefelder Zoos niedergegangen und haben es in Brand gesetzt. Dabei starben über 50 Tiere, unter anderem Gorillas und Orang Utans. Der materielle Schaden ist kaum abschätzbar, aber übersteigt die Millionengrenze deutlich. Ein Wiederaufbau des Affenhauses von 1975 ist 1:1 natürlich nicht möglich und auch nicht erwünscht. Die Tierhaltung hat seit dem deutliche Fortschritte gemacht. Der Zoo plant bereits konkret.
Zu guter Letzt: