Medienmittwoch: Sun, Sand, and Sea-Serpents

Lesedauer: etwa 4 Minuten
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Ich mag regionale Studien zu Kryptiden – Seeschlangen in bestimmten Seen oder an genau umrissenen Küstenabschnitten. Da ergeben sich für den aufmerksamen Leser neben den überall gemeldeten Charakteristika gewisse Unterschiede, die durchaus interessant sein können. Ein Bigfoot in Pennsylvania ist oft ein anderer als einer in British Columbia, Morag sieht ganz anders aus als Nessie.

 

Dieses Buch von David Goudsward ist eine solche Regionalstudie und widmet sich den Ungeheuern in den Binnenseen Floridas, in den Flüssen des Staates, Meeresungeheuern an der Atlantik- wie an der Golfküste, Berichte von Riesenkalmaren und Riesenoktopoden, Sichtungen von lebenden Fossilien (u.a. Quastenflossern) und sogar Seejungfrauen. Kapitel über mysteriöse Robben und Ungeheuer auf alten Seekarten runden den Band ab. Neben Florida selbst sind die angrenzenden amerikanischen Bundesstaaten Alabama und Georgia sowie die Bahamas, Kuba und die Karibik erfasst.

In Florida wurden zahlreiche ungewöhnliche Kreaturen beobachtet.

Die Kryptiden werden geografisch, thematisch und chronologisch sortiert (alle Riesenseehunde in einem Kapitel, alle Seeschlangen der Golfküste in einem anderen). Goudsward dringt immer und ausschließlich bis zur ersten und ältesten Quelle vor und weist auch nach, wie oft Kryptozoologen Quellen angeben, die sie gar nicht eingesehen haben können. In Heuvelmans Quellenangaben stimmt u.a. oft das Datum nicht, weil es in der von ihm verwendeten Sekundärquelle falsch angegeben war, oder findet sich ein anderer Inhalt als behauptet.

 

Der Autor deckt Fehler früherer Kryptozoologen auf

Dabei verfolgt Goudsward jede Spur und forscht lokalgeschichtlich nach – gab es den Dampfer damals schon, wann wurde der Ort besiedelt? Er deckt auch ganz nüchtern die Leichtgläubigkeit vieler ausschließlich im Internet tätigen Kryptozoologen auf, die jede Marketingmaßnahme für bare Münze nehmen (S. 132), selbst Geschichten erfinden (S. 128) und Quellen verdrehen und falsch angeben, wie es besonders für Heuvelmans typisch war (fast durchgehend im Buch). Viele der angeblichen Kryptiden stellten sich – als der Autor bis zur Ursprungsquelle vorgedrungen war – als journalistische Erfindung (S. 131, 137, 141) oder bei geografischen Angaben um Verwechslung von Seen in ganz unterschiedlichen Bundesstaaten (S. 149f., 178) heraus. Als besonders kreativ im Umgang mit den Fakten nennt er u.a. Ivan T. Sanderson und Charles Berlitz.

 

Und Goudsward findet wie andere Kryptozoologen vor ihm, heraus, dass später erst definierte Kryptiden zunächst ein Sortiment von extrem unterschiedlichen Beschreibungen sind, bis sie – zuerst in der Presse, dann auch bei den Augenzeugen – eine genau umrissene Form annehmen. Das Monster des St. Johns River wurde, je nach Sichtungsepisode, die stets Jahre auseinanderlagen – als riesige Anakonda geschildert, als aquatische Monsterkuh mit einem nach vorn gebogenen Horn, als skelettartige Erscheinung eines Plesiosauriers, heute entspricht es dem typischen Nessie-Klischee. (S. 147ff., S.158-160)

 

David Goudsward Sun, Sand, and Sea Serpents
Sun, Sand, and Sea Serpents – 230 Seiten voller neuer Infos aus alten Quellen

 

Goudsward ist kritisch, aber kein Skeptiker

Dabei ist Goudsward kein Skeptiker – er hält die Existenz der Seeschlange durch die Augenzeugenberichte für belegt und findet viele Beobachtungen, die er konventionell nicht klären kann. Aber er ist kritischer als die Zunft der Makrokryptozoologen sonst, sieht nicht in jeder Beobachtung eine Bestätigung für überlebende Plesiosaurier oder langhalsige Riesenseehunde. So manche Sichtung, die z.B. Heuvelmans als Schwindel ablehnte, stellt sich im Nachhinein als sehr spannende Schilderung heraus (wenn man nicht, wie Heuvelmans, aus entstellenden Dritt- und Viertquellen zitiert).

 

Mein Fazit

Goudswards Buch ist rundum zu empfehlen – ein Buch, das die Existenz der Seeschlange eher bestätigt als widerlegt, gerade weil so viele bekannte Sichtungen eine nüchterne Erklärung finden, was den unerklärten Rest umso deutlicher hervorstechen lässt. Und es ist ein historisch wichtiges Werk, weil es viele falsche Aussagen beiseite räumt, die endlos wiederholt werden, nur weil sie von klassischen Autoren wie Heuvelmans und Sanderson stammen.

 

 

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Sun, Sand, and Sea Serpents von David Goudsward

Sun, Sand, and Sea Serpents ist im März 2020 mit einem Vorwort von Loren Coleman bei Anomalist Books als Paperback mit einem Umfang von 230 Seiten erschienen. Es ist in englischer Sprache publiziert und als Taschenbuch sowie für den Kindle erhältlich. Die Preise können aufgrund von Währungsschwankungen variieren.

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