Eine beliebte Legende der nordamerikanischen Folklore wird auf den Prüfstand gestellt: Bigfoot. Durchstreift die Rocky Mountains und die Appalachen wirklich ein „Sasquatch“, wie „Bigfoot“ in Kanada heißt, also ein „stark behaarter Mensch“, gar eine riesige Bestie, drei Meter groß, unermesslich schwer und auch noch übel riechend?
Die Dokumentation begibt sich auf die Spuren der „Bigfoot“-Forscher. Geschildert wird auch die Geschichte um das Foto eines riesigen menschlichen Fußabdrucks, das 1951 um die Welt ging: Der Fotograf Eric Shipton löste damals mit diesem Bild, aufgenommen im Himalaya, einen echten Hype aus. Seitdem streiten Wissenschaftler über die Existenz dieses menschenähnlichen Affen, zu dem der Fußabdruck gehören soll.
So beschreibt das ZDF seinen Beitrag zum Thema Bigfoot in der Sendereihe „Mythos auf dem Prüfstand“. Bigfoot steht dabei in einer Reihe mit anderen prominenten Mythen, angefangen bei Jack the Ripper über Loch Ness bis zu Marylin Monroe.

Bigfoot-Zeugen und Bigfoot-Experten
Wie nahezu alle Dokumentationen zu dem Thema beginnt auch diese Doku mit der Vorstellung der Waldbiotope im Pazifischen Nordwesten der USA. Zwei Zeugen beschreiben tatsächlich eine Begegnung mit einem Wesen, das sie als Bigfoot beschreiben.
Dann folgt eine kurze Zusammenfassung der Sagen um Wildhominiden rund um die Welt, die bei der Shipton-Sichtung endet. Die ersten Fußspuren in Nordamerika kommen ebenso ins Bild, wie Standbilder aus dem Patterson-Gimlin-Film. Bob Gimlin kommt sogar selbst zu Wort.
Danach springt der Film zu Jeff Meldrum, der mit einigen Gipsabgüssen von Fußspuren und Schädeln posieren darf. Dann beschreibt er die charakteristischen Merkmale von Bigfoot-Abdrücken. Doch der Kommentator beginnt bereits jetzt, die Hand in die Wunde zu legen: Ein wissenschaftlicher Beweis für den Bigfoot fehlt.
Der Weg über eine genetische Analyse führt zum Gigantopithecus. Jeff Meldrum hält ihn für einen möglichen Kandidaten, obwohl sein Fossilbericht vor 300.000 Jahren endete. Die Doku bleibt weiterhin flatterhaft und springt zum Homo floresiensis. Seine Existenz gilt als Hinweis, dass eine weitere Menschenart mit uns leben könnte. Ebenso nehmen die Autoren einige relativ neu entdeckte Großtiere als Hinweis, dass weitere Großtiere unentdeckt an Land leben könnten. .
Weitere Zeugenaussagen folgen, dazu eine Karte mit Orten der Bigfoot-Beobachtungen.

Als nächstes bearbeitet die Reportage die Bärenhypothese, inklusive einem Experiment zu den Fußabdrücken eines Grizzlys. Dies führt zwanglos zu einer Gegendarstellung: Die Hoaxe kommen ans Licht, von den ersten Bigfoot-Abdrücken über das Memorial-Day-Video bis zu einem Sugar-Flat-Road Monster. Sogar Bob Hieronimus als angeblicher Träger eines Bigfoot-Kostüms im Patterson-Gimlin-Film kommt zu Wort.
Doch was ist mit tausenden Zeugen?

Irren die Zeugen?
Natürlich kommen auch Pareidolie und Priming zum Tragen. Pareidolie ist die Eigenschaft unseres Gehirns, Körperformen und vor allem Gesichter überall zu erkennen. Priming hingegen führt dazu, dass wir etwas wahrnehmen, was wir erwarten. Auch hierzu zeigt die Reportage ein kurzes Experiment.

Das Experiment lässt die Glaubhaftigkeit der vorhandenen Beobachtungen bröckeln. Doch was ist mit den Haarproben von Bigfoot? DNA-Tests der im Film genommenen Haarproben lassen sich als Weißwedelhirsch, Kuh oder menschlich kontaminiert identifizieren. (Wir hatten erst vor kurzem eine ausführlichere Analyse vorgestellt)
Fazit der Dokumentation: Handfeste Beweise wie ein Körper oder Körperteile fehlen und so lange sie nicht da sind, kann die Existenz von Bigfoot nicht bewiesen werden. Die Wahrscheinlichkeit eines großen Affens in Nordamerika ist extrem gering.
Kritik
Wie bei allen Dokumentationen zu nicht allgemein bekannten Themen muss der Zuschauer zunächst einmal abgeholt werden. Am Anfang stellen die Autoren das Thema in seinen Grundzügen dar. Dann folgen sehr gut gemacht, Debattenbeiträge für und gegen die Existenz des Bigfoot, sogar mit Experimenten untermauert.
Inhaltlich gibt es für kryptozoologisch interessierte Zuschauer wenig Neues, meist in Form von Details. Auch die sonstige Aufstellung folgt bekannten Formaten, allerdings sind die Experimente mit Bären und zur Augenzeugenwahrnehmung sehr spannend zu sehen.
Bei der Formulierung dieser Besprechung ist mir aufgefallen, dass diese Doku eigentlich etwas darstellt, das im englischen als Armchair-Cryptozoology, deutsch als Bildschirm-Kryptozoologie bezeichnet wird. Niemand ist hier auf dem Weg in den Wäldern Oregons oder Kaliforniens, um Bigfoot oder seine Spuren zu suchen. Die Autoren zeigen nahezu ausschließlich Archivmaterial, unterstützt von ein paar Interview-Sequenzen. Überall auf der Welt reproduzierbare Experimente runden die Sache ab. Dies macht die Sendung ruhig, schürt keine Sensationslust, liefert keine Cliffhänger über die Werbepause hinweg. Das ganze Format kommt eher in Pantoffeln und mit Schnipselbuch daher, als mit Wanderschuhen und Infrarotkameras.
Insgesamt habe ich die Dokumentation gerne gesehen. Sie ist eine der besten deutschsprachigen Bigfoot-Dokus, die es gibt: Unaufgeregt, sachlich weitgehend neutral dokumentiert sie das, was über das Phänomen bekannt ist. Dies ergänzen die Autoren durch O-Töne zahlreicher Experten und mit nachvollziehbaren Experimenten. Neue Erkenntnisse gewinnen sie nicht, ist bei diesem Format auch nicht zu erwarten.
Die Doku „Bigfoot – Mythos auf dem Prüfstand“ ist bei ZDFinfo in der Mediathek abrufbar. Sie läuft knapp 44 Minuten und stammt vom 30.10.2020. Sie ist noch bis zum 30.03.2022 in Deutschland erreichbar.