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Medium der Woche: Between Ape and Human

Das heutige Medium der Woche ist brandneu: Es erscheint heute, also in wenigen Stunden in den USA. Die zentrale Frage des Buches lautet: Was wissen die Lio, ein Naturvolk auf der indonesischen Insel Flores von der Weiterexistenz des kleinen Hominiden Homo floresiensis? Sind ihre Legenden eine Art folkloristische Erinnerung an lange vergangene Zeiten oder beziehen sie sich auf jüngste Beobachtungen?

 

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Zwischen Menschenaffe und Mensch

Dieses Buch ist eine bemerkenswerte Untersuchung über die Hominoiden der Insel Flores und ihren Platz im evolutionären Spektrum – und ob sie noch überleben oder nicht.

 

Between Ape and Human erscheint heute, am 3. Mai 2022 auf englischer Sprache. Es hat als gedrucktes Buch 336 Seiten, ist jedoch auch für den Kindle erhältlich.

 

Mit dem Kauf über den Link unterstützt ihr den Betrieb dieser Website.

 

Der Inhalt: Affenähnliche, halb menschliche Kreaturen?

Der Anthropologe Gregory Forth führte Feldforschungen auf der abgelegenen indonesischen Insel Flores durch. Dabei stieß er auf Leute, die über halb affenähnliche, halb menschenähnliche Kreaturen sprachen. Diese sollten einst in einer Höhle an den Hängen eines nahe gelegenen Vulkans gelebt haben.
Im Laufe der Jahre zeichnete er sehr umfassend auf, was Einheimische über diese mysteriösen Hominoiden zu sagen hatten. Eines seiner Ziele war es, die mysteriösen Zwergmenschen als imaginäre Symbole der Wildnis oder andere kulturelle Repräsentationen zu erklären.

Ein Fund, der alles veränderte

Dann kam der „Hobbit“. Im Jahr 2003 wurden in einer Höhle im Westen von Flores Steinwerkzeuge und mehrere Skelette einer kleinwüchsigen frühen Homo-Spezies ausgegraben. Dieser prähistorische Hominine erhielt den Namen Homo floresiensis, populär wurde er aber unter dem Namen Flores-Hobbit. Besonders bemerkenswert: Die jüngsten Funde sind auf ein Alter von 12.000 Jahren datiert. Möglicherweise überschneidet sich Lebenszeitraum mit dem Auftreten der ersten modernen Menschen auf Flores. Angesichts dieses Zeitpunkts und der verblüffenden Ähnlichkeit der Hobbits mit den mysteriösen Kreaturen der Inselbewohner begann Forth darüber nachzudenken, dass die Kreaturen möglicherweise eine echte Art widerspiegeln, die entweder jetzt ausgestorben ist, aber im „kulturellen Gedächtnis“ aufbewahrt wird oder sogar noch überlebt.

 

Homo floresiensis
Eine Homo floresiensis-Frau (Foto aus dem Smithsonian Natural History Museum, adaptiert)

 

Er begann Berichte aus der Lio-Region der Insel zu untersuchen, wo die Einheimischen beschrieben, dass „Affenmenschen“ noch lebten. Dutzende behaupteten, sie sogar gesehen zu haben.

 

In Between Ape and Human nimmt Forth den Leser mit auf den Spuren dieses mysteriösen Hominiden. Mit ihm untersucht der Leser (oder die Leserin!) Raum und Stellenwert, den sie in der Kultur der Inselbewohner sowohl als natürliche Kreaturen als auch als übernatürliche Wesen einnehmen. In einer Erzählung voller Abenteuer, Lio-Kultur und -Sprache, Zoologie und Naturgeschichte kommt Forth zu einem überraschenden und kontroversen Schluss.

 

Anmerkung zu den Lio

Möglicherweise liegt hier ein Interpretationsfehler vor. Die Lio werden in der Literatur selten als einheitliche Volksgruppe, sondern eine Srachgruppe in Zentralflores bezeichnet, der mehrere Bevölkerungsgruppen angehören. Durch die gemeinsame Sprache gibt es zahlreiche kulturelle Ähnlichkeiten. Ob sie jedoch als ein Volk zu bezeichnen sind, ist eine Frage der Interpretation.

Ich bin kein Völkerkundler und daher nicht kompetent, dies zu bewerten. Die Wikipedia spricht von einer Sprachgruppe während Gregor Forth die Bezeichnung wie den Namen eines Volkes verwendet. In diesem Artikel folge ich Forth mit einigen Bauchschmerzen, aber er ist der Experte. Man sollte diese Unsicherheit jedoch im Hinterkopf behalten.

 

Between Ape and Human ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich für Kryptozoologie interessieren, und es ist die einzige Untersuchung aus erster Hand eines führenden Anthropologen über das mögliche Überleben einer primitiven menschlichen Spezies bis in die jüngste Zeit – und ihre Koexistenz mit modernen Menschen.

 

Fundort des Homo floresiensis
Höhle in Lian Bua, Flores. Hier wurden die ersten H. floresiensis gefunden (Foto: Rosino CC2.0)

 

Gerüchte – oder: „Wenn man die Flöhe husten hört“

In seiner unten teilweise übersetzten Werkbeschreibung schreibt der Autor nicht nur von mehr als 30 Sichtungsberichten der Lio. Es soll auch noch andere Beweise für den Fortbestand der kleinen Affenmenschen geben. Was das ist, lässt der Autor bewusst im Dunkeln, vielleicht schreibt er in seinem Buch dazu näheres. Da uns das Buch noch nicht vorliegt, wissen wir es nicht.

 

Doch was könnte ein professioneller Anthropologe und Ethnobiologe als „Beweis“ ansehen? Fußspuren reichen hier kaum aus, ebenso wenig von den kleinen Affenmenschen hergestellte Werkzeuge. Wie man es dreht und wendet, am Ende läuft es auf Teile eines Körpers bis zu einer Leiche hinaus. Haare sind gut, ein Skelett ist besser, ein frischtoter Körper optimal.

 

Wenn Professor Forth so etwas hat, warum geht er damit nicht an die Öffentlichkeit?

 

Zum Thema „Haare von Wildhominiden“ hatten wir vor Kurzem einen beliebten Beitrag.

 

Der „Orang Pendek„, ebenfalls ein kleiner Wildhominide Indonesiens war auch schon Thema.


Der Autor über sein Werk

 

Gregory Forth hat sein neuestes Werk Between Ape and Human auf dem Portal The Scientist vorgestellt. Er schreibt hierzu unter anderem Folgendes:

 

Als ich vor zwanzig Jahren mit der ethnografischen Feldforschung auf Flores begann, hörte ich Geschichten über menschenähnliche Kreaturen. Von ihnen seien einige ich noch am Leben sind, obwohl man sie nur selten sieht. Mit den Worten des Leiters des H. floresiensis-Entdeckungsteams, des verstorbenen Mike Morwood, zuletzt an der University of Wollongong in Australien, „passen Beschreibungen dieser Zwergmenschen exakt auf Homo floresiensis“. Nicht zuletzt, weil angenommen wurde, dass die neu beschriebene fossile Art ausgestorben war, begann ich nach Wegen zu suchen, wie diese bemerkenswerte Ähnlichkeit erklärt werden könnte.

Homo floresiensis. Kennen die Lio sie als Affenmenschen?
Rekonstruktion des Homo floresiensis

Das Ergebnis ist ein Buch Between Ape and Human.

 

 

Eigene Beobachtungen und Gespräche mit den Lio

Da ich aus der professionellen Anthropologie und Ethnobiologie komme, werden meine Schlussfolgerungen wahrscheinlich viele überraschen. Sie könnten sogar verblüffender sein als die Entdeckung von H. floresiensis. Der Paläoanthropologe Peter Brown von der University of New England in New South Wales hat sie als gleichbedeutend mit der Entdeckung eines Außerirdischen beschrieben.

Der Schwerpunkt meines Buches liegt nicht auf Fossilien, sondern auf dem indigenen Volk der Lio und was diese Leute über ein Tier sagen. Sie beschreiben es als einem Menschen bemerkenswert ähnlich, aber kein Mensch – etwas, das ich nur als Affenmenschen bezeichnen kann. Mein Ziel beim Schreiben des Buches war es, die beste Erklärung – das heißt die rationalste und empirisch am besten unterstützte – für die Berichte der Lio über die Kreaturen zu finden. Dazu gehören Sichtungsberichte von mehr als 30 Augenzeugen, mit denen ich alle direkt gesprochen habe.

Mehr als 30 Augenzeugen

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der beste Weg, die Lio-Sichtungen zu erklären in der Tatsache besteht, dass ein Nicht-Sapiens-Hominide auf Flores bis in die Gegenwart oder in jüngster Zeit überlebt hat. Between Ape and Human befasst sich auch mit allgemeinen Fragen, einschließlich der Art und Weise, wie Naturwissenschaftler Wissen über Lebewesen konstruieren. Ein Problem ist der relative Wert unterschiedlicher Informationsquellen. Ein anderes sind Tiere, die in der wissenschaftlichen Literatur nicht dokumentiert sind oder noch dokumentiert werden müssen. Insbesondere Informationen, die von traditionell nicht gebildeten und technologisch einfachen Gemeinschaften bereitgestellt werden, werden von der Wissenschaft relativ gering geschätzt. Das Volk der Lio ist ein solches Volk. Noch vor 40 oder 50 Jahren hätten Anthropologen sie als „primitiv“ bezeichnet.

 

Sicherlich haben die Lio nichts Vergleichbares zur modernen Evolutionstheorie. Aber wenn sich die Abstammungslehre grundlegend damit befasst, wie verschiedene Arten entstanden und wie Unterschiede aufrechterhalten werden, dann stellen sich die Lio und andere Inselbewohner von Flores seit langem die gleichen Fragen.

 

 

Eingeborendorf der Lio
Ein Dorf einer indigenen Gesellschaft auf Flores.

 

Die Sagen der Lio

Die Volkszoologie und Kosmologie der Lio beinhalten auch Geschichten von Naturwesen, insbesondere Menschen, die sich dauerhaft in Tiere anderer Art verwandeln. Dies tun sie teilweise, indem sie sich in neue Umgebungen bewegen und neue Lebensweisen annehmen. Das suggeriert einen qualifizierten Lamarckismus.

 

Wie meine Feldforschung gezeigt hat, spiegeln solche postulierten Veränderungen lokale Beobachtungen von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen einer angenommenen Vorfahrenart und ihren differenzierten Nachkommen wider. Wie die meisten benannten Kategorien in der Lio-Tierklassifikation stimmen diese Ableitungen mit den Arten oder Gattungen der modernen Systematik überein. Gleichzeitig unterscheidet Lio Menschen von nichtmenschlichen Tieren in ähnlicher Weise wie moderne Westler. Dies hat nicht nur morphologische Gründe. Wesentlich ist, dass auch sie komplexe Ausdrucksformen von Kultur, Sprache und Technologie ausschließlich dem Menschen zuschreiben. Wie andere Volkszoologen stellten die Lio den Menschen an die erste Stelle, vor allem als Ursprung nichtmenschlicher Tiere, eine Art umgekehrter Darwinismus. […]

 

Für die Lio macht das Erscheinen des Affenmenschen als etwas unvollständig Menschliches die Kreatur anomal und damit problematisch und verstörend. Für akademische Wissenschaftler ist H. floresiensis ähnlich problematisch, aber nicht so sehr wegen seiner Ähnlichkeit mit H. sapiens. 

Vielmehr liegt es daran, dass die Art sehr spät in den geologischen Aufzeichnungen auftaucht und bis weit nach dem Erscheinen des modernen Menschen überlebt hat. Ob H. floresiensis schwerer zu akzeptieren gewesen wäre, wenn er eher als zweibeiniger Affe denn als Menschenart interpretiert worden wäre, ist schwer zu sagen. Dennoch ist es interessant, dass Morwood, der eine implizit unilineare Sichtweise der Homininen-Evolution vertritt und für die Aufnahme der Art in Homo plädiert.

 

Flores
Flores ist extrem zerklüftet. Im nächsten Tal kann die Natur völlig anders sein.

 

Was wissen indigene Völker wie die Lio?

Denn das kann nur bedeuten, dass das, was sich bis in die Neuzeit erhalten hat, nach Ansicht dieses Autors irgendwie zu uns gehören muss. Affenmenschen werden von den Lio als Tiere identifiziert. Tatsächlich sind sie eines von mehreren Tieren, von denen die Lio behaupten, dass sie von Menschen abstammen. Aber diese Klassifizierung hat nichts mit geologischer Datierung oder irgendwelchen paläoanthropologischen Beweisen zu tun. Stattdessen interpretieren die Lio Affenmenschen als nichtmenschliche Tiere unter Bezugnahme auf beobachtbare Merkmale, die sie eindeutig von unsichtbaren Geistern unterscheiden; von anderen, bekannteren Tieren; und natürlich von Menschen.

 

angeblich authentisches Dorf auf Flores
Bei dieser Anlage soll es sich um ein authentisches Dorf einer indigenen Gemeinschaft handeln. Es ist offenbar für westlichen Besuch angepasst.

 

Einige Merkmale der Affenmenschen könnten auf eine wissenschaftlich unentdeckte Art oder Population moderner Menschenaffen hindeuten. Aber die Aussagen der Lio sprechen meistens gegen diese Hypothese, ebenso wie alles, was wir über die Biogeographie Ostindonesiens wissen. Unser anfänglicher Instinkt ist, so vermute ich, die noch vorhandenen Affenmenschen von Flores als völlig imaginär zu betrachten.

Aber wenn ich ernst nehme, was Lio-Leute sagen, habe ich keinen guten Grund gefunden, das zu glauben. Was sie über die Kreaturen sagen, – neben anderen Beweisen – stimmt völlig mit einer überlebenden oder in den letzten 100 Jahre ausgestorbenen Homininenart überein. Paläontologen und andere Biowissenschaftler täten gut daran, solche indigenen Kenntnisse in die Untersuchungen der Hominiden-Evolution in einzubeziehen. Aus Gründen, die ich in dem Buch bespreche, sucht noch kein Feldzoologe nach lebenden Exemplaren von H. floresiensis oder verwandten Homininenarten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht gefunden werden können.


Der Autor Gregory Forth

Prof Gregory Forth, Fachmann für Urvölker wie die Lio
Professor Gregory Forth (Foto: University of Alberta)

Gregory Forth ist Anthropologe an der University of Alberta, Canada. Er wurde 1980 an der University of Oxford mit der Arbeit „Rindi: an ethnographic study of a traditional domain in Eastern Sumba“ zum PhD promoviert. Heute ist er für seine Beiträge zur Ethnoscience. Auch heute noch arbeitet er im Osten Indonesiens, unter anderem mit den Kéo, Nage und Lio auf Flores.