Das heutige „Medium der Woche“ stammt aus einem Bereich, den wir sonst kaum bearbeiten. Es ist eine „direct to youtube“-Produktion des Users „NIZE“, zum Thema Livyatan.
Livyatan melvillei
Livyatan melvillei ist eine ausgestorbene Pottwal-Art. Erst 2010 fand man den ersten Schädel dieser Art, er war zu 75% erhalten, einschließlich Teile des Unterkiefers. Der Schädel ist etwa 3 m lang und fast 2 m breit. In Ober- und Unterkiefer befinden sich kegelförmige Zähne, die bis zu 36 cm lang wurden. Die Schädelform lässt auf eine gewisse Ähnlichkeit mit der Kopfform der Zwergpottwale (Kogia spec.) erkennen, ohne ein Hinweis auf die Verwandtschaftsverhältnisse zu sein. Livyatan erreichte eine Gesamtlänge von 13,5 bis 17,5 m.
Der große „Killerpottwal“ ernährte sich vermutlich von großen Fischen, Robben und Walen, insbesondere kleinen Bartenwalen, die im Miozän ziemlich häufig waren. Wichtig erscheint hier eine noch unbeschriebene Art aus der Familie Cetotheriidae. Von ihr wurden an der Fundstelle von Livyatan mehr als 20 Skelette nachgewiesen.

Die Dokumentation
Wie bei vielen „direct-to-youtube“-Produktionen musste „NIZE“ hier auf aufwändige Animationen verzichten. Wirklich bewegte Bilder sind selten. Er hat zahlreiche Fotos, teilweise langsam laufend zu einem Film geschnitten. Die Information gibt er weitgehend über den Audiokommentar an den Nutzer weiter.
Die vorhandenen Bilder unterstützen den Audiokommentar auf angenehme Weise. So kommt eine angenehm zu sehende Kurz-Doku zustande. Viele Bilder, insbesondere die Renderings von Livyatan sind von guter Qualität und angenehmer Ästhetik. Ein kleiner Wermutstropfen ist die Stimme des Audiokommentators: Sie ist zu hell, der Kommentator spricht zu schnell, so kommt eine unnötige Unruhe auf.
Der Inhalt
Die Doku ist knapp 21 Minuten lang. NIZE hat sie in 15 Kapitel aufgeteilt, die sehr sinnvoll an den Killerpottwal heranführen, ihn vorstellen und schließlich sein Aussterben thematisieren. In den 21 Minuten führt der Kommentar über die ersten Funde zum vollständigen Tier und weiter zu möglichen Gründen für den Riesenwuchs. Dies wiederum geht zwanglos zur Frage nach der Rolle des Livyatan in seiner Umwelt über, die sowohl seinen Platz unter den größten Meeresräubern wie auch sein Aussterben begründet. Sehr gefallen hat mit der Satz „Und so geht Livyatans Herrschaft über den Ozean zu Ende. Nicht mit einem Knall, sondern mit einem leeren Magen.“

Da Livyatan im Miozän lebte, ein weiterer „all time favorite“ vieler Sofa-Kryptozoologen, der Megalodon, ebenfalls, lag es nahe, beide Tiere zu vergleichen.
Auch hier kommt die Doku angenehm unaufgeregt hin, obwohl es um zwei absolute Top-Prädatoren ihrer Zeit geht. Sogar der Frage, ob die beiden Tiere gekämpft haben könnten und wie ein möglicher Sieger ausgesehen hat, wird beantwortet, quasi die „Miozän underwater champion battle“.
Hierbei beleuchtet NIZE zwei Aspekte besonders, Beißkraft und Intelligenz der Tiere. Ob es regelmäßig zu Kämpfen zwischen den Vertretern beider Arten kam, ist unklar. Völlig offen bleibt, wer einen solchen Kampf für sich entscheiden konnte.
Meine Meinung
NIZE ist gut informiert und gibt den aktuellen Stand des Wissens zum Killerpottwal Livyatan mevillei erfreulich unspektakulär wieder. In seinen Fakten sind keine echten Fehler zu finden. Mit einigen Schlussfolgerungen bin ich nicht immer einverstanden. So erscheint es mir unlogisch, Livyatan als Einzelgänger darzustellen. Alle heute lebenden Pottwale sind sehr soziale Tiere, wieso sollte es Livyatan es nicht auch gewesen sein. Gerade seine für Pottwale recht große Beute legt eine Kooperation bei der Jagd nahe.

Einige der verwendeten Rekonstruktionen gefallen mir ausgesprochen gut, so die bei der Größenschätzung verwendeten Profilaufnahmen von Robert Fabiani. Andere gefallen mir weniger. Das eigentlich sehr gute Titelbild zeigt den Wal mit tuberkel-überdeckter Haut, vergleichbar einem alten Seewolf. Ein auf Jagd und hohe Geschwindigkeiten angewiesener Wal kann sich so eine Haut nicht leisten. Alle diese Tiere sind glatt und fühlen sich „wie nasse Gummistiefel“ an.
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte: Eine mehr als sehenswerte Doku, die einen der größten Meeresräuber unaufgeregt und biologisch korrekt vorstellt, ohne sich in Fachbegriffen zu verstricken.
Fehlt nur noch eins:
Reko des Livyatan: Julian Johnson-mortimer