Medium der Woche: Moa vs. Superman

Lesedauer: etwa 10 Minuten
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Superman ist als erster der Comic-Superhelden namensgebend für eine ganze Klasse von Protagonisten und namensgebend für ein eigenes Comic- und Filmgenre. Dieser Übermensch ist Co-Thema eines der skurrilsten wissenschaftlichen Paper, die mir in den letzten Jahren untergekommen ist:

 

Rodrigo B. Salvador vom Museum of New Zealand Te Papa Tangarewa aus Wellington in Neuseeland hat es im Journal of Geek Studies veröffentlicht. Er bezieht sich hierbei auf eine Story in Action Comics von 1973.

 

Wälder von Fjordland, Heimat der Moa
Die dichten Wälder von Fjordland auf der Südinsel waren ein wichtiges Verbreitungsgebiet der Moas

 

 

Hintergrund

Superman

Superman ist der Archetyp eines Comic-Superhelden schlechthin. Er trägt einen eng anliegenden Anzug mit Cape, verfügt über übermenschliche Kräfte und kämpft gegen das Böse. Als solcher hat er eine ganze Reihe anderer Superhelden von Batman bis zu Kleinkunst-Parodien wie Corny Littmanns „Tengel-Man“.
Superman tarnt sich außerhalb seiner Superhelden-Zeit als Clark Kent, ein freundlich-schussliger Reporter des „Daily Planet“.

 

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Die Physik von Star-Trek

Wie genau nehmen es die Macher von »Star Trek« eigentlich mit Physik? Erstaunlich genau!

 

Bestsellerautor Metin Tolan reist mit der Enterprise ins »Star Trek«-Universum und lüftet auf dem Weg zu fremden Galaxien den Schleier physikalischer Geheimnisse aus der Kultserie: Könnte sich das berühmteste Raumschiff der Filmgeschichte tatsächlich in der Nähe des Sterns Sigma Draconis befinden? Was hat es mit Spocks grünem Blut auf sich? In bewährt unterhaltsamer Manier analysiert Metin Tolan alle Mechanismen rund um die Sternenflotte – und kommt zu galaktischen Erkenntnissen. Faszinierend!

 

Die Physik von Star-Trek ist das zweite Buch dieses Titels und 2017 bei Piper erschienen. Es hat satte 352 Seiten und liest sich hervorragend.

 

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Die DC-Comics, in denen Superman exklusiv erschien, sowie verwandte Publikationen teilt man heute in vier Zeitalter ein. Das Golden Age (1935–1953), des Silver Age (1953–1970), des Bronze Age (1970–1986) sowie des Modern Age (seit 1986). Die hier verwendete Ausgabe von 1972 ist also im Bronze Age einzuordnen. Thematisch zeichnet sich diese Zeit durch das Aufkommen düsterer Themen und die zunehmende Menschlichkeit der Superhelden aus. Figuren, die selbstlos für das Gute kämpften, waren nicht mehr glaubwürdig. Selbstzweifel und Getriebenheit wurden wichtige Charaktermerkmale.

Gleichzeitig kamen gesellschaftliche Themen auf. Nicht alleine der Kampf gegen Bösewichte war Ziel der Superhelden. Gesellschaftliche Veränderung, Tier- und Umweltschutz kamen hinzu. Nur vor diesem Hintergrund ist die Story um den letzten Moa zu verstehen.

 

Farnwald
Aber auch in den Farnwäldern im Norden gab es sie

 

Moa

Moas waren flugunfähige, heute ausgerottete Vertreter der Laufvögel. Sie waren in historischer Zeit mit (wahrscheinlich) neun Arten auf den beiden Hauptinseln Neuseelands verbreitet.

Die meisten Moa-Arten waren kurzbeinig und etwa so groß wie eine Kanadagans. Spektakulärer waren die beiden Arten der Gattung Dinornis. Sie stellten die größten Vögel Neuseelands, wobei die Weibchen stets deutlich größer waren als die Männchen. Ihr Gewicht betrug je nach Schätzung zwischen 180 und 270 Kilogramm.

 

Richard Owen mit einem Moa
Richard Owen mit seiner Rekonstruktion eines Moas der Art Dinornis robustus

 

Ältere Rekonstruktionen zeigen sie mit hoch erhobenem Hals und einer Kopfhöhe von 3 m und mehr. Dies ist zwischenzeitlich revidiert worden. Sie trugen den Kopf nach vorne gestreckt, etwa in der Höhe des Rückens oder darunter. Trotzdem waren sie mit 2 m Kopfhöhe beeindruckende Tiere.

Die größten bekannten Exemplare von Eiern der Moas waren 40 Zentimeter hoch und hatten ein Gewicht von etwa 4500 Gramm, damit entsprach ihr Inhalt dem von mehr als 80 durchschnittlichen Hühnereiern.

 

Moas lebten auf der Nord- und der Südinsel Neuseelands. Zwei Arten waren ausschließlich auf der Nordinsel, fünf nur auf der Südinsel verbreitet; die anderen zwei Arten fanden sich auf beiden Inseln. Nur von einer Dinornis-Art fand man auch spärliche Überreste auf Stewart Island, die im Süden an die Südinsel angrenzt.

 

Moa-Habitat
Typisches Habitat auf der Südinsel

 

Aussterben der Moas

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts erreichten Polynesier Neuseeland. Sie begannen nicht nur mit der Auslichtung der Wälder, sondern auch mit der Jagd auf Moas. Da die Moas außer dem Haastadler keine natürlichen Feinde hatten, zeigten sie kein Flucht- oder Abwehrverhalten. Das ist typisch für Vögel, die auf raubtierfreien Inseln leben. In weniger als 100 Jahren waren alle Arten der Moas ausgerottet, der Haastadler starb mit ihnen. Selbst in der Folklore der Maori ist keine erkennbare Erinnerung mehr an diese Vögel erhalten.

 

Einige Kryptozoologen glauben, dass im Fjordland auf der Südinsel noch Moas leben könnten. Unbestätigte Beobachtungen und einige unscharfe Fotos sollen sie zeigen. Häufig handelt es sich allerdings um die Hinterteile dort ausgesetzter Hirsche, aber wer weiß?

 

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Notice Of The Remains Of The Dinornis And Other Birds, And Of Fossils And Rock Specimens

Bei diesem Buch handelt es sich um einen Faksimile-Nachdruck eines Originales von 1850. Das Original stammt aus der Feder des berühmten Gideon Mantell und seinem Sohn Walter, der 1839 nach Neuseeland emigrierte. Die Darstellungen im Buch spiegeln die seinerzeit übliche Akribie und Ästhetik wieder und sind auch als Schmuckstücke zu betrachten.
Seit 1850 hat sich natürlich viel in der Moa-Forschung getan, so dass dieses Buch nicht als Nachschlagwerk aktuellen Wissens gelten darf.

 

Notice Of The Remains Of The Dinornis And Other Birds, And Of Fossils And Rock Specimens (1850) ist 2010 beim Faksimile-Spezialisten Kessinger erschienen und heute bereits nur noch antiquarisch erhältlich. Für gute bis sehr gute Exemplare werden etwa 30 € aufgerufen. Oft kommen sie aus dem Vereinigten Königreich.

 

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Intention des Papers

So skurril das Paper auch klingt, die eigentliche Skurrilität haben sich Autor und Illustratoren des Superman-Krimis geleistet. Eine seit 600 Jahren ausgerottete Tiergruppe wieder herzuholen dürfte selbst für Superhelden unmöglich sein. Salvador schreibt bereits im einleitenden Abstract, dass er die in dem Paper angewandten Methoden überprüfen, den Lesern erklären und biologische Fehler korrigieren möchte. Spätestens hier wird klar: Er richtet sich nicht an institutionelle Biologen, sondern – ähnlich wie wir – an Laien, die an der Sache interessiert sind.

 

 

 

Damit verfolgt er einen anderen Ansatz als Stümpke, der eine zoologische Ordnung erfindet (die Rhinogradentia) und sie nutzt, alle möglichen biologischen und evolutionären Möglichkeiten durchzuspielen. Er wendet sich an Fachleute.
Salvador folgt dabei Büchern wie „Die Physik von Star Trek“, in dem wissenschaftliche Grundlagen anhand einer fiktionalen Welt erklärt werden.

 

Superman - Comics
Zahlreiche Superman-Titel

 

Der Inhalt

Über den Inhalt des Papers kann ich nur berichten. Für eine auszugsweise oder komplette Übersetzung fehlen uns die Rechte – und die Mittel, sie zu erwerben. Die Nacherzählung des Comics halte ich in „normaler“ Schrift, Savadors Anmerkungen in kursiv.

Quasi ein Prolog

Die Geschichte beginnt bei Jon Halaway, einem Jäger, der in einem neuseeländischen Wald von einem großen Laufvogel angegriffen wird und ihn erschießt. Daraufhin besucht er einen Wissenschaftler, um seinen Verdacht, es könne sich um einen Moa handeln, zu bestätigen. Hierauf bringt der Wissenschaftler einige Fakten, so dass Moas vor 500 Jahren ausgestorben sind und einst zu Tausenden in Neuseeland lebten (Das entspricht dem Stand von 1972).

Der Wissenschaftler erklärt Halaway, dass die größte Moa-Art Dinornis maximus nur auf der Südinsel lebte. Auf der Nordinsel, wo die Story spielt, lebte Dinornis novazealandiae. Hier korrigiert Salvador einen Fehler, Dinornis maximus ist ein Juniorsynonym zu D. robustus.

 

Salvador nutzt die Gelegenheit, auf die zahlreichen und teilweise unklaren Erstbeschreibungen von Moas einzugehen. Aufgrund von Größenunterschieden im Geschlecht sind viele Arten mehrmals beschrieben worden. Erst mit Aufkommen der Paläogenetik in den 1990ern konnte so etwas wie Ordnung geschaffen werden.

 

Auszug aus Superman
Auszug aus dem Comic, die Szene, an der Halaway kapiert, was passiert ist.

 

Zweifel des Jägers

Dieser Superman-Comic entstammt der „Bronzezeit“ der Comics, in der soziale und Umweltprobleme zunehmend thematisiert wurden. So durfte Halaway das Töten des Moas als Fehler empfinden. Er gehört damit – trotz des Fehltrittes – zu den „Guten“. Halaway begann daraufhin, seine Möglichkeiten zu nutzen, um ein Moa-Ei zu entdecken. Das gelang ihm und er brütete das Ei in einer heißen Quelle mit „seltsamen Dämpfen“ aus. Das Ei war riesig groß, hatte mindestens die Größe eines Medizinballs.
Eine Bild-Unterschrift suggeriert, dass die „seltsamen Dämpfe“ dem Moa-Küken zu Superkräften verhelfen könnten.

Salvador schreitet hier ein: Moa-Eier waren nicht so groß, sondern maßen bei den größten Arten etwa 20 bis 25 cm.

 

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Vogelriesen in der Urzeit: Rekorde gefiederter Giganten

Gefiederte Giganten stehen im Mittelpunkt des Taschenbuches „Vogelriesen in der Urzeit“. Weibliche Tiere der Gattung Dinornis („Schreckensvogel“) auf Neuseeland gelten mit einer Höhe bis zu 3,60 Metern als größte Vögel aller Zeiten. Der Donnervogel Dromornis in Australien erreichte ein Lebendgewicht von maximal 570 Kilogramm und war deswegen der schwerste Vogel der Erdgeschichte. Mit einer Flügelspannweite bis zu 8 Metern gebührt dem Greifvogel Argentavis aus Argentinien die Ehre, der größte fliegende Vogel gewesen zu sein. Nicht ganz so imposant wirkte der größte Meeresvogel Pelagornis in Nordamerika mit einer Flügelspannweite von 6,40 Metern. Die größten Eier legte der weibliche Elefantenvogel Aepyornis auf Madagaskar: Sie waren bis zu 35 Zentimeter lang und ihr Inhalt entsprach demjenigen von 200 heutigen Hühnereiern. Hesperornis, der „Vogel des Westens“ in Nordamerika, trug noch Zähne. Angst und Schrecken verbreitete der Terrorvogel Phorusrhacos in Südamerika. Der lange Zeit als Räuber verkannte Laufvogel Gastornis existierte auch in Deutschland.

 

Vogelriesen in der Urzeit: Rekorde gefiederter Giganten ist 2014 im GRIN-Verlag erschienen und hat 300 Seiten. Das Buch des bekannten Wissenschaftsautors Ernst Probst ist nur noch im modernen Antiquariat zu bekommen.

 

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Superman äh Clark Kent tritt auf den Plan

Als Halaway in Metropolis ankommt, wird er von niemand geringerem als Clark Kent interviewt. Noch auf dem Weg in die Stadt erzählt Halaway von seiner unverzeihlichen Tat. Er hofft, die Wissenschaft könne das Ei dazu nutzen, weitere Moas zu schaffen. In diesem Moment schlüpft das Moa-Küken und zeigt auch gleich Superkräfte – schließlich hat es in einer Quelle mit „seltsamen Dämpfen“ gelegen. Das Auto mit den beiden Männern landet im Fluss. Clark wechselt die Persönlichkeit zu Superman und bringt Halaway ins Krankenhaus.

 

An dieser Stelle bricht Salvador die Nacherzählung der Handlung ab und schreibt, dass den Moa und Halaway ein „organic link“ über Mikroorganismen verbindet. Der Moa zieht ständig Energie von Halaway ab. Dies sei verrückter Comic-Stuff, auf den Salvador nicht weiter eingeht.

 

Der Rest der Story ist dann ähnlich comichaft: Der Moa kann ohne Flügel fliegen, indem er seine Füße sehr schnell hin und her bewegt. Außerdem wächst er unglaublich schnell und nutzt seine Federn als Projektile.

Nach ein paar Kämpfen versteht Superman schließlich, dass der Moa nur nach Hause will.

 

Nordinsel Neuseelands
Auch die Nordinsel Neuseelands bietet beeindruckende Natur.

 

Die Comic-Autoren lassen Halaway noch sagen, dass die Welt dem Moa eine zweite Chance zum Überleben schuldet. Dies ist wohl nicht so. Wir Menschen haben alle Moa-Arten vor rund 600 bis 650 Jahren ausgerottet. Von ihnen sind nichts als Knochen übrig geblieben. Selbst wenn Methoden der Genetik es irgendwann einmal ermöglichen, aus historischer DNA ein Genom zu erzeugen, dürften die Moas schlecht dar stehen. Sie sind zu lange ausgestorben, die DNA zu sehr beschädigt, als dass man damit rechnen könnte, auch nur ein entsprechendes Genom zu erstellen.

 

Rodrigo Salvador ergänzt sein Paper noch mit zwei sehr informativen Kästen zu Moas und sein Aussterben.


Literatur:

Bates, C., Swan, C. & Giacoia, F.: The Last Moa on Earth!; Action Comics 425(Juli 1973)

 

Salvador, R.B.: Moa v Superman; Journal of Geek Studies 5(2): 51–59. 2018.

 

Der Autor:

Dr. Rodrigo Salvador arbeitet als Paläontologe und Zoologe, hat aber auch Interesse an großen Laufvögeln. Er sagt von sich, dass er Hardcore-Fan der DC-Comics ist, jedoch Superman nie wirklich mochte. Er bevorzugt die Geschichten um Batman.

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