Mein Wort zum Sonntag – 31. Mai 2020

Lesedauer: etwa 11 Minuten
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Frohe Pfingsten wünsche ich Dir!

Die letzte Woche im Mai geht zu Ende, und warme Sommertage kündigen sich an. Nach den verregneten Tagen des Himmelfahrtswochenendes wird es auch langsam mal Zeit, wie ich finde. Letzten Sonntag musste ich schließlich noch vor einem Gewitter flüchten – ausgerechnet, als ich meine erste Online-Lesung eingelesen habe. Wenn Du noch einmal sehen möchtest, wie ich vor den springenden Hagelkörnern Reißaus nehme, darfst Du dir das Video auf YouTube gern noch einmal ansehen:

 

 

Es handelt sich dabei um eine spannende Szene aus dem zweiten Band meiner Urzeit-Abenteuerreihe „Die weißen Steine“, in der es eine Schulklasse in die späte Kreidezeit verschlägt. Lange dauert es nun hoffentlich nicht mehr, bis das Buch erscheint. Das Lektorat läuft endlich, und Ende Juni oder Anfang Juli kann das Buch dann hoffentlich erscheinen. Vorbestellen kann man es aber jetzt schon: auf der Webseite des Ehrlich-Verlages

 

Anlässlich der Online-Lesungen bitten wir Autoren sehr darum, uns für unsere Arbeit einen kleinen Obolus in den „virtuellen Hut“ zu werfen. Jeder Cent hilft, unsere Projekte weiter zu unterstützen!

 

https://www.ehrlich-verlag.de/produkt/online-lesungen-von-zu-hause-fuer-zu-hause/


Das Bild der Woche

Wie jeden Sonntag zeigt das Artikelbild wieder eine Szene aus Hell Creek: Ein Ankylosaurus schwimmt durch einen der weitverzweigten Flusskanäle in den küstennahen Mangrovensümpfen. Das Bild stammt von der Seite DeviantArt von einem Künstler, der sich dort „TheMeepLord“ nennt:

 

 

https://www.deviantart.com/klaragibson/art/Getting-Those-Feet-Wet-795425108


Die Paläo-News

Kommen wir nun wieder zu den Nachrichten aus der letzten Woche:


Vandalismus an Dinosaurier-Skulpturen im Crystal Palace!

 

Vandalismus an der Schnauze des „Megalosaurus“

Traurige Nachricht aus London: Eine der berühmten viktorianischen Dinosaurier-Skulpturen auf dem Gelände des Crystal Palace, die in den 1850-er Jahren von dem renommierten Bildhauer Benjamin Waterhouse Hawkins für die damalige Weltausstellung angefertigt wurden, wurde stark beschädigt, vermutlich durch Vandalismus. Dem armen Megalosaurus fehlt nun das vordere Stück seiner Schnauze. Letzte Woche wurde bereits das Geweih des Riesenhirschs abgerissen, wo man jedoch noch von einem Sturmschaden ausging. Jetzt besteht aber begründeter Verdacht, dass die Skulpturen Opfer einer mutwilligen Sachbeschädigung wurden. Die Polizei ermittelt.

 

Bild- und Artikelquelle


Saurierforschung mittels improvisiertem Selfie-Stick

 

Der russische Paläontologe Nikolay G. Zverkov wurde kreativ, als er das Natural History Museum in London besuchte. Da ihm das Exponat eines Ichthyosauriers an andere Funde im Museum von Moskau erinnerte, es aber so hoch oben in einer Glasvitrine ausgestellt war, konnte er nicht einfach heranzoomen und Fotos machen. So befestigte er seine Kamera an einer Angelrute und improvisierte damit einen Selfie-Stick, um eine Nahaufnahme zu machen.

 

Dieses Foto schickte er an seine Kollegin Megan L. Jacobs, die Zverkovs Vermutung sogleich bestätigen konnte: sie stellte genug morphologische Übereinstimmungen fest, um sowohl bei dem Ichthyosaurier aus London als auch bei dreien der in Russland ausgestellten Meerestiere um Exemplare der Art Nannopterygius enthekiodon handelte, womit bewiesen werden konnte, dass dieser zuvor als selten geltenden Ichthyosaurier ein deutlich größeres Verbreitungsgebiet hatte als lange Zeit angenommen.

Ausschnitt der Londoner Ichthyosaurier-Wand. Leider ist nicht erkennbar, welches Fossil Zverkov fotografierte (Foto: TM).

Bildquelle: Nobu Tamura, Prehistopedia

Artikelquelle

Link zur Studie


Weichteilerhaltung bei Scipionyx

Der kleine Scipionyx samniticus war der erste Dinosaurier, der in Italien entdeckt wurde. Schon 1981 wurde das nur 25 cm lange Fossil, vermutlich ein Jungtier, im Plattenkalk von Pietraroia entdeckt. 1998 wurde die Art als ein basaler Vertreter der Coelurosaurier wissenschaftlich neu beschrieben. Ausgewachsen könnte das Tier über zwei Meter lang geworden sein.

 

 

 

Nun haben Wissenschaftler das ausgezeichnet erhaltene Fossil genauer untersucht. Dabei stellten sie sogar erhaltenes Weichgewebe fest, was bei Theropodenfossilien höchst selten ist. Für Federn gibt es allerdings trotz der verwandtschaftlichen Nähe zu den Vogeln bislang keinen Fossilbeleg. Es ist nicht zu klären, ob dem Jungtier noch keine Federn gewachsen waren, ob sie vor der Fossilation ausfielen oder verwesten oder ob die Art generell federlos war.

Bildquelle (oben): Lukas Panzarin,

Bildquelle: Lukas Panzarin

Link zur Studie:


Neue Erkenntnisse zum spätkretazischem Massenaussterben

Zwei neue Studien aus dieser Woche fügen neue Mosaiksteine zu dem Bild über das große Artensterben am Ende der Kreidezeit hinzu:

 

 

Mithilfe einer 3D-Simulation, basierend auf den Daten aus den Ablagerungen des Chicxulub-Kraters konnten Wissenschaftler des Imperial College von London den Einschlagswinkel und die Geschwindigkeit des Impaktors bestimmen, der vor 66 Millionen Jahren vor der Halbinsel Yukatan die Erde traf. Das interstellare Geschoss torpedierte unseren Planeten mit einer Geschwindigkeit von 12 bis 20 km pro Sekunde, war also also um ein zweistelliges Vielfaches schneller als eine Gewehrkugel, und traf sein Ziel in einem steilen Winkel von 45 bis 60 Grad – wodurch es extrem tief eindringen und besonders viel Schaden verursachen konnte.

 

In einer weiteren Studie belegten Wissenschaftler eines internationalen Forschungsteams nach klimatologischen Studien aus Proben vom indischen Dekkan-Trapp, dass trotz des enormen Vulkanismus das Klima in jener Gegend über einen Zeitraum von mindestens 900.000 Jahren unmittelbar während der Zeit des Chicxulub-Einschlages relativ stabil blieb. Ein klimatologischer Effekt des Vulkansystems, der mit dem Artensterben zusammenhing, kann damit nicht bestätigt und damit ausgeschlossen werden.

 

 

Bildquelle: Chase Stone, Imperial College. Bild- und Artikelquelle

Link zur Winkel-Studie, Link zur Vulkanismus-Studie


Kannibale des Oberjura

Allosaurus fraß seine eigenen Artgenossen! In einer groß angelegten Studie untersuchte die Paläontologin Stephanie Drumheller mehr als 2.300 Knochenfossilien aus der Morrison-Formation (Oberjura, 150 Millionen Jahre alt), die im Mygatt-Moore-Steinbruch an der Grenze von Colorado zu Utah gefunden wurden. Ein großer Teil der Knochenfunde wies deutliche Bissspuren auf, fast 700 waren von anderen Dinosauriern angeknabbert worden. Tiefe Rillen, verursacht von gesägten Zähnen, die perfekt zu den Tötungswerkzeugen von Allosaurus passen, machen den größten Teil der Bissmarken aus. Das interessante dabei: gut 17% dieser Bissspuren fand Drumheller auf den Knochen, die eindeutig zu Allosaurus selbst gehörten.

 

 

Die möglichen Erklärungen für diesen prähistorischen Kannibalismus sind vielfältig. Möglicherweise haben Allosaurier auch Aas nicht verschmäht, nicht einmal das ihrer verstorbenen Artgenossen und sogar ihrer eigenen Rudelmitglieder. Vieleicht waren die Tiere auch nur in einer sehr entbehrungsreichen Dürrezeit dazu gezwungen, übereinander herzufallen. Oder Artgenossen gehörten regelmäßig zu ihrem Beutespektrum mit dazu, vielleicht haben auch größere, eng verwandte Allosaurus-Unterarten die kleineren gejagt und gefressen. Ob die Bisse post mortem zugefügt wurden, oder hier tatsächlich Allosaurier von Allosauriern getötet wurden, sagen uns die Funde leider nicht.

 

Bild- und Artikelquellen: Brian Engh, ORF, Stephanie Drumheller

Link zur Studie


Ozonloch war eine der Ursachen beim devonischen Massenaussterben

 

Ozonkiller gab es schon im Oberdevon! Das durch den erhöhten Vulkanismus freigesetzte Quecksilber (wir berichteten) war offenbar nicht die einzige Umweltkatastrophe, die während des Hangenberg-Ereignisses im Oberdevon für ein extremes Massenaussterben sorgte. Wie Forscher der University of Southampton herausfanden, muss auch die Ozonschicht stark beeinträchtigt worden sein: die Wissenschaftler untersuchten Mikrofossilien verschiedener Pflanzen und ihrer Pollen und wiesen dabei schwere Läsionen nach, die üblicherweise durch eine zu hohe UV-Belastung entstehen.

Ursächlich für den Angriff auf die Ozonschicht könnte nach Ansicht der Forscher ein verheerender und sich sehr rasch vollziehender Klimawandel gewesen sein. Infolge der schnellen Erderwärmung sind die ozongefährdende Stoffe vermutlich aus dem Erdboden herausgelöst worden und gelangten in die obere Atmosphäre – ein durch die höhere UV-Strahlung sich selbst verstärkender Effekt, der das großflächige Absterben der frühen Farnwälder zufolge hatte und eine beispiellose ökologische Katastrophe herbeiführte: 60 bis 80% aller Arten auf den Planeten starben damals aus, und damit wahrscheinlich sogar mehr als am Ende der Kreidezeit.

 

Bildquellen: Wikimedia; John Marshal (University of Southampton)
Artikelquelle, Link zur Studie


Erhöhte Fruchtbarkeit durch Neandertaler-Gene

 

Beinahe jede dritte Frau in Europa trägt mindestens eine Genvariante für einen Rezeptor von Progesteron, die sich auf Neandertaler-Gene zurückführen lässt. Zu diesem Schluss kamen Forscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie am Karolinska Institutet in Schweden, nachdem sie die Gendatensätze von mehr als 240.000 Frauen auswerteten.

Bei Progesteron handelt es sich um ein Hormon, dass für die Fruchtbarkeit von größter Bedeutung ist. Frauen, die Progesteron-Rezeptoren in ihren Zellen tragen und darauf reagieren können, haben während der ersten Wochen der Schwangerschaft seltener Blutungen und daher ein geringeres Risiko für Fehlgeburten, was zu einer höheren Fortpflanzungsrate führt: sie bekommen dadurch folglich mehr Kinder.

Das Bild stammt von einer Ausstellung des Neandertaler-Museum von Krapina (Kroatien).

 

Link zur Studie


Neuer Dino-Vogel aus der Jehol Formation

 

 

Die Jehol Formation in China ist eine der reichhaltigsten Fossillagerstätten Ostasiens, und sie ist besonders berühmt für den exzellenten Erhaltungszustand vieler Funde: in den Schichten aus Tonschiefer, Plattenkalk und Vulkanasche wurden Tiere aus der Kreidezeit so gut konserviert, dass häufig Federn, Haut und sogar Farbpigmente erhalten blieben.

Mit dem heutigen Tag ist die Jehol-Fauna auch wieder um einen Vogel reicher: Kompsornis longicaudus lebte vor etwa 130 Millionen Jahren in der frühen Kreidezeit. Das Fossil zeigt, dass die Vögel (Jeholornithidae) bereits etwas fortschrittlicher waren und besser ans Fliegen angepasst waren als der in Deutschland gefundene, etwa 20 Millionen Jahre ältere Archaeopteryx. Trotzdem besaß auch Kompsornis noch einen langen Wirbelschwanz, der mehr zu einem theropoden Dinosaurier passt als zu einem „echten“ Vogel, bei denen der Schwanz bereits verkürzt ist.

 

Bildquelle
Angela Cau

Link zur Studie:


Brummeliger Vegetarier

 

Montiertes Skelett eines Höhlenbären
Höhlenbär-Skelett im Naturkundemuseum Braunschweig

Der berüchtigte Höhlenbär war einer der größten und schwersten Bären, die jemals lebten. Auf den Hinterbeinen stehend erreichte er eine Höhe von über 3 m und nicht selten ein Gewicht von deutlich über 600 kg, vielleicht sogar über einer Tonne. Erstaunlich ist, dass sich ein so großer Bär rein vegetarisch ernährte. Schon 2016 konnte nach Untersuchung des Kollagens seiner Knochen auf das Isotop Stickstoff 15 nachgewiesen werden. Dieses reichert sich nur bei Pflanzenfressers im Körper an. Daraus schließen die Forscher, dass Höhlenbären zumindest in Deutschland und Frankreich von nahezu ausschließlich pflanzlichen Nahrungsquellen lebten.

 

Immer wieder wurden jedoch Vermutungen laut, dass sich der Höhlenbär in anderen Gegenden wie z.B. Rumänien omnivor, also auch von Fleisch ernährte. Dies konnte ein internationales Forschungsteam an der Universität Tübingen nun aber entkräften: sie maßen und verglichen spezielle Aminosäuren im Knochen-Kollagen der Fossilien rumänischer Höhlenbären mit denen eines Pferdes und eines Löwen, wobei die ermittelten Werte mit denen des Pferdes übereinstimmten. Höhlenbären waren demnach in ganz Europa Vegetarier.

 

Übrigens: die großen Bären haben ihren Namen nicht, weil sie in Höhlen lebten, sondern weil sie sich darin für die Winterruhe einquartieren. Wenn ein Bär währenddessen starb, blieben seine Knochen dort oft in sehr gutem Zustand erhalten.

 

Link zur Studie


Australopithecus sediba – Immer noch ein Baumbewohner?

Frühmenschen lebten vor etwa zwei Millionen Jahren noch teilweise auf Bäumen. Zu diesem Schluss kamen Forscher der Universität Kent, nachdem sie die Handknochen eines südafrikanischen Australopithecus sediba mithilfe hochauflösender CT-Technik untersuchten. Die kräftigen, belastbaren Hände waren demnach noch gut zum Klettern angepasst wie bei einem Orang-Utan. Die Daumen wiederum waren feingliedrig und ähnelten denen moderner Menschen.

Interessant ist, dass A. sediba schon zu einer Zeit lebte, als andere Frühmenschenarten wie der Homo rudolfensis oder Homo habilis schon existierten. Diese lebten aber vermutlich bereits überwiegend am Boden lebten und gingen aufrecht. A. sediba gehört offenbar zu einer Seitenlinie, die zu dieser Zeit noch an ein Leben im Wald angepasst war und nicht ausschließlich in der Savanne lebte.

 

Bildquelle: Evolution-Mensch

Link zur Studie:


Lumbricaria als Kopffüßer-Koprolith identifiziert

 

So, und falls mir irgendwer vorwerfen möchte, ich würde über jede mögliche Scheiße berichten: stimmt!

Was Fossiliensucher im Solnhofener Plattenkalk ausgesprochen häufig finden, sind merkwürdige Fossilstrukturen, die in der Fachsprache „Lumbricaria“ heißen. Lange wurde gerätselt, um was es sich bei diesen Spurenfossilien wohl handelt. In einer neuen Studie scheint das Rätsel gelöst zu sein: Es sind offenbar die Fäkalien von Nautiloiden und Ammoniten – Tintenfischähnliche Kopffüßer mit spiralförmigen Gehäusen. Ein jüngst in einem Nautiloiden gefundener Fäkalienrest, der die gleiche Form und Struktur hat, scheint diese Interpretation zu bestätigen.

 

Bildquelle: Wikipedia

Link zur Studie:


Das war es aus dieser Woche mit den Neuigkeiten aus der Paläontologie. Ich wünsche Dir nun viel Spaß weiterhin auf meiner Seite, frohe Pfingsten und ein schönes langes Wochenende!

 

Liebe Grüße,

 

Markus Peter Kretschmer

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