Als im letzten Jahr die Mönchsgeierdame Brinzola von Spanien durch halb Europa bis nach Norwegen zog, erregte sie die Aufmerksamkeit der Medien. Kein Wunder, ist doch der schwarze Geier der zweitgrößte Greifvogel, der natürlich und rezent in Europa vorkommt. Nur der Bartgeier wird noch ein wenig größer, ist aber schlanker.
Ein gesunder Mönchsgeier erreicht eine Körperlänge von etwa einem Meter und eine Spannweite von 250 bis 295 cm. Sein Gewicht beträgt je nach Geschlecht und Jahreszeit zwischen 7 und 12 kg. Damit ist er weltweit einer der größten Geier und flugfähigen Vögel.

In historischer Zeit war der Mönchsgeier vermutlich nicht in Deutschland heimisch. Heute leben in Europa die Mönchsgeier vor allem in Spanien, auf dem Festland und den Balearen. Sie fliegen bei ihren Zügen teilweise sehr lange Strecken, nach Südfrankreich, Norditalien und wie jüngst nachgewiesen wurde, auch über die Straße von Gibraltar nach Nordafrika. Die Populationen auf dem Balkan in Rumänien und auf der Krim gelten als erloschen, obwohl dort immer wieder einzelne Paare brüten und Jungvögel auswandern.
Auch die Auswanderungsflüge können die großen Vögel sehr weit führen, so dass Deutschland vermutlich immer wieder von Mönchsgeiern besucht wurde.
Wieso es bei Fischen historische Aufzeichnungen gibt, bei Vögeln aber nicht
Für Fische und gestrandete Wale gibt es teilweise hervorragende Aufzeichnungen über Fangmengen oder besondere Fänge bzw. Funde. Die Landesherren verpachteten das Fischereirecht oft gegen eine fangabhängige Abgabe, so dass Buch geführt werden musste, um die Steuern einzutreiben. Dazu hatten Höfe und Kloster oft ein Vorkaufsrecht bei besonderen Fängen wie Lachsen oder Stören, dies war teilweise kontingentiert und musste dokumentiert werden.
Vögel hingegen konnten die Jäger nicht oder kaum zuverlässig jagen. Meist waren das dann Gänse oder Rebhühner, deren Anfall natürlich dokumentiert wurde. Greifvögel durften oft nur von Inhabern der Hochjagd gejagt werden oder man sah sie als Schädlinge an und plünderte die Nester. Ein einzelner, durchziehender Geier war uninteressant.
Andere Geier waren zudem bis ins 19. Jahrhundert in Europa weit verbreitet, so waren die Gänsegeier von Bonn bekannt, die in den Felsen des Mittelrheintals lebten. Auch aus der Schwäbischen Alb waren sie noch lange bekannt.
Als Hauptgrund für die Gebietsverluste gilt das Verschwinden der Raubtiere, bessere Weidehygiene und die „kleine Eiszeit“ ab dem 17. Jahrhundert. Vermutlich wurden dabei die Mönchsgeier ebenfalls nach Süden abgedrängt.

„Historische“ Fälle: Mehr oder weniger regelmäßige Einflüge, meist im Spätfrühling
1956 wurde ein entkräfteter Jungvogel auf der Feldmark bei Jarnitz auf Rügen aufgegriffen.
Im 21. Jahrhundert
Erst fast 50 Jahre später, am 11. Juni 2001 haben Vogelfreunde erneut ein entkräftetes Jungtier, diesmal in Ottenheim (BW) eingefangen.
Genau drei Jahre später, am 11. Juni 2004 landete ein weiterer entkräfteter Mönchsgeier in einem Hausgarten in Lohmar (Kreis Siegburg, NRW). Mitarbeiter einer Greifvogel-Auffangstation fingen ihn ein und regenerierten ihn.
Der Vogel war 2001 auf Mallorca in einer Wildbrut geschlüpft und nach einem Unfall in eine Pflege- und Auswilderungsstation in den französischen Cevennen gekommen. Dort haben die Stationsmitarbeiter den Vogel und besendert und am 19. Mai 2004 freigelassen. Am 3. Juni ging der Kontakt zu dem Tier verloren. Vermutlich haben ihn starke Winde am Rand einer Gewitterfront über 1000 km nach Lohmar verdriftet. Das Tier wog beim Fang nur noch etwa 6000 g. Nachdem er wieder ein gesundes Gewicht erreicht hatte, brachte ein Aktivist ihn mit einem Auto wieder in die Cevennen, wo er frei fliegen konnte.
Im Frühling 2005 wurde ein Mönchsgeier auf dem niederländischen Oostvaardersplassen, einer Wildnisentwicklungsfläche mit „frei“ lebenden Koniks, Heckrindern und Rothirschen beobachtet. Er wurde offenbar heimisch, zumal der Anfall an Aas im Sommer auf der Fläche recht groß ist. Leider wurde er am 15. August 2005 von einem Zug erfasst und starb.
Nach 2005
Am 14. Juni 2006 wurde ein junger Mönchsgeier mehrfach über Coesfeld (NRW) beobachtet. Anhand seiner Beringung und gebleichter Armschwingen konnte er identifiziert werden.
Pünktlich am 10. Mai 2007 kreisten zwei dieser großen schwarzen Geier zusammen mit 22 Gänsegeiern über drei Schafherden im Echaztal bei Reutlingen (BW). Die Gruppe taucht an den beiden folgenden Tagen bei Haigerloch-Owingen wieder auf (ca. 35 km). Sie kreisten über einer Schafweide mit einem toten Schaf und flogen mit einem Segelflugzeug in einem Thermikaufwind. Sie fliegen am 13. Mai gegen Mittag nach Nordosten ab, danach verliert sich die Spur. Am 16. Juni werden 22 Gänsegeier, aber keine Mönchsgeier in Mönchengladbach beobachtet. Zwei Mönchsgeier fallen am 11. Juli einem Jäger in Fridingen (BW), bei Tuttlingen auf.
Ungewöhnlich spät im Jahr, am 21. September 2007 wurde ein Mönchsgeier bei Salem in Mecklenburg-Vorpommern beobachtet. Es handelt es sich hier nicht um einen Gefangenschaftsflüchtling, sondern um einen wandernden Wildvogel, so die Seltenheitenkommission der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV 2008).
Wieder im Mai, genauer am 20. Mai 2009 beobachten mehrere Vogelkundler drei schwarze Mönchsgeier etwa 10 km östlich von Dessau (SA). Es bleibt die einzige Mönchsgeier-Beobachtung in diesem Jahr.
Ab 2010
Am 28. Mai 2011 zeigte sich einer der majestätischen Vögel am Schaufelsen bei Neidingen (Gemarkung Beuron Kreis Sigmaringen, BW) im Naturpark obere Donau. Am Vortag hatten Vogelbeobachter hier 28 Geier gezählt, aber alle als Gänsegeier identifiziert.
Am 5. Juni 2011 wird ein Mönchsgeier bei Selters (HE) gesichtet. Am 18. Juni folgt eine weitere Beobachtung aus Thale (SA).
Etwas früh im Jahr, am 18. April 2013 kreisten zwei Mönchsgeier über Karlsruhe Mühlburg und segelten in Richtung Nordwesten. Aufgrund der Flughöhe ist die Artbestimmung nicht ganz sicher. Es bleibt die einzige mögliche Mönchsgeier-Beobachtung 2013. Gut zwei Jahre später, am 7. Juni 2015 wurde ein Mönchsgeier ganz in der Nähe, in Ubstadt-Weiher (BW) beobachtet. Auch diese Beobachtung ist mangels Foto nicht verifiziert.
Nach 2015
2016 tauchte am 1. Mai ausgerechnet in der Nähe der Greifvogelwarte Hellenthal in der Eifel ein einzelner Mönchsgeier auf. Die Greifvogelwarte ist bekannt dafür, dort gehaltene Vögel bei gutem Wetter frei fliegen zu lassen. Zu dieser Zeit hatte die Greifvogelwarte aber keinen Mönchsgeier. Möglicherweise haben die im Aufwind kreisenden Greifvögel den schwarzen Geier angezogen. Ausfliegende Mönchsgeier scheinen die Gesellschaft anderer großer Greifvögel insbesondere von Gänsegeiern zu suchen.
Nur wenige Tage später, am 8. Mai konnten Vogelbeobachter in Mudau und Eberbach (Neckar-Odenwaldkreis, BW) einen Mönchsgeier fotografieren. Später wurde der Vogel als „Bernhardus“, K2 W aus Verdon, Frankreich positiv identifiziert. Der Vogel trug einen Sender. „Bernhardus“ wanderte in den folgenden Tagen über Kraichtal und Hornberg. Am 9. Mai 2016 beobachtete ein Vogelkundler in Mudau (BW), wie sich zwei Mönchsgeier zehn bis zwölf kreisenden Gänsegeiern anschließen und mit ihnen nach Westen abwandern. Vermutlich war „Bernhardus“ einer dieser Vögel. Am folgenden Tag hat er Deutschland vermutlich in Richtung Vogesen verlassen.
Werbung |
Geier Georg auf der Flucht
Die abenteuerliche Fluchtgeschichte des Mönchsgeiers Georg aus dem Adler- und Wolfspark Kasselburg bei Pelm in der Eifel ist das neueste Jugendbuch des ehemaligen Handelsblatt-Chefredakteurs. Der Geier Georg wäre nach seiner Flucht fast verhungert, hätten ihn nicht Geierfreunde gerettet und in eine Geier-Reha auf Mallorca gebracht. Auf dem Weg in die Reha hat er die Geierin Lucia kennengelernt. Lucia wurde die Liebe seines Lebens. Mit ihr verlebte er glückliche Jahre auf der Baleareninsel und im Grand Canyon von Verdon. Die tragisch endende Liebesgeschichte des Mönchsgeiers Georg verändert die Wahrnehmung der Geier. Diese größten europäischen Greifvögel sind nicht nur die Könige, sondern auch die Gesundheitspolizisten der Lüfte. Sie sorgen für eine intakte Natur und schützen vor Krankheiten. Ihre Balz ist voller Zärtlichkeit. Sie sind liebevolle Eltern und einander treu bis an ihr Lebensende. |
2017, genauer am 16. Mai zeigte sich ein großer Vogel über dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr (BY). Wahrscheinlich war dies ein Mönchsgeier. Am 11. Juni fotografierte eine Vogelbeobachterin einen Mönchsgeier an der Schwarzach im Neckar-Odenwaldkreis (BW). Bereits am 14. Juni tauchte ein Mönchsgeier auf der Dreiborner Hochfläche (Kreis Euskirchen, NRW) auf und blieb dort mindestens bis zum 16. Juni. Er war in Gesellschaft dreier Gänsegeier. Die letzte sichere Sichtung des Jahres erfolgte am 26. Juni am Imberger Horn, Bad Hindelang, Oberallgäu, BY. Ein weiteres Tier wurde möglicherweise am 23. August über dem Ipf bei Bopfingen (BW) beobachtet. Die Identifikation ist aber nicht sicher.
Am 23. August 2018 meldeten die Osthessen News einen Mönchsgeier. Er rastete am 20. August auf einer Wiese im Vogelsbergkreis (HE). Ein Vogelkundiger bemerkte „Er hat keine Ringe und keine Markierung“. Er saß etwa eine Stunde lang auf der Wiese. Dann schreckte ihn ein freilaufender Hund auf. Der riesige Vogel stieg in einem Aufwind auf und flog nach Südwesten ab.
Immer wieder Rügen
Seit 2018 wird auf der Insel Rügen immer wieder ein Mönchsgeier beobachtet. Offenbar ist er dort sesshaft. Nach unterschiedlichen Quellen handelt es sich um einen 2017 oder 2018 geschlüpften Vogel aus dem Balkan. Einige Vogelbeobachter glauben, belegen zu können, dass es in der Gegend sogar zwei Mönchsgeier gibt.
Beobachtungen 2019

2019 zog die Mönchsgeierdame Brinzola aus Südspanien quer durch ganz Mitteleuropa. Da sie einen Sender trug, konnten die Mitarbeiter des Mönchsgeierprojektes „Proyecto Monachus“ sie minutengenau verfolgen. Sie zog zunächst eine flache Schleife über die Weinberge des Bordeaux und die Wälder der Gascogne. Dann flog sie in nahezu gerader Linie nach Nordosten, rastete in Belgien und zog dann weiter über Norddeutschland, um über die Vogelfluglinie die Ostsee zu überqueren.
Sie gelangte relativ schnell nach Zentralnorwegen, wo sie ein Weile blieb und schließlich überwinterte. Ihre Versuche, direkt nach Südwesten zu fliegen, endeten immer wieder an der norwegischen Küste. Leider kollidierte der Vogel mit dem Spannseil einer Windkraftanlage und verletzte sich schwer. Noch vor Ort mussten Tierärzte einen Flügel amputieren. So kam Brinzola zurück ins Proyecto Monachus nach Spanien.
Bemerkenswert ist nicht nur ihre Reise, sondern dass sie sich mehrfach unerwartet mit anderen Mönchsgeiern vergesellschaftete. Bereits beim oder kurz nach dem Einflug nach Deutschland am Niederrhein beobachteten die Vogelkundler nicht einen, sondern zwei Mönchsgeier, einer davon unbesendert. Leider verloren sie schnell den Kontakt zu dem zweiten Tier.
Ein weiterer Mönchsgeier aus einem französischen Projekt hatte sich parallel dazu auf den Weg nach Norden gemacht. Das Tier stammt aus dem Massiv Central und trägt einen weißen Ring mit den schwarzen Buchstaben FUH. Es hat einige Tage in Belgien, in der Nähe von Maastricht gelagert, ist aber dann wieder in Richtung Süden aufgebrochen. Die Redaktion hatte kurz Kontakt mit dem Projekt, ist aber an Sprachschwierigkeiten gescheitert, den Vogel weiter zu verfolgen.