Orang Mawas 7/7 – Eine Frage (nach) der Menschlichkeit

Lesedauer: etwa 12 Minuten
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Die Frage nach der Menschlichkeit

Hominiden gehen aufrecht. Diese Beobachtung melden Zeugen in allen Teilen der Welt. Auch der Orang Mawas ist hier keine Ausnahme. Es kann aber keine rezente Affenart diesem Anspruch gerecht werden. Es stellt sich daher die Frage, ob der Orang Mawas nicht doch ein Angehöriger der Gattung Homo sein könnte.

Laetoli-Spuren
Der älteste Beleg für zweibeiniges Laufen bei Vormenschen: Die Laetoli-Fußspuren (Foto: Momotarou2012 nach einer Replik)

Das Kryptid wird immer wieder als menschenähnlich, aber nicht menschlich beschrieben. „Menschlich“ ist ein dehnbarer Begriff. Umgangssprachlich bedeutet er eher weniger „den Eigenschaften der Gattung Homo entsprechend“. Stattdessen legt man ihn enger aus und beschreibt die Eigenschaften des modernen Menschen.

 

Dass der Orang Mawas – sollte er existieren – kein moderner Mensch sein kann, ist unzweifelhaft. Es wäre schon ein aufwändiger Prozess notwendig, um einen Homo sapiens zum stark behaarten Affenmenschen umzukleiden. Folglich kommen nur solche Menschenarten in Frage, welche offiziell als ausgestorben gelten.

 

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Der aufrecht gehende Werkzeugmacher

Diese Menschenart sollte wiederum möglichst archaisch wirken, sodass die Beschreibung als Affenmensch nachvollziehbar werden würde. Vor- und Frühmenschen, die einer solchen Beschreibung entsprechen würden, gibt es einige – allerdings nicht in Asien.

Verbreitung von Homo erectus in Asien
Verbreitung von Homo erectus in Asien nach Andrea Jagher

Hier kommt nur der Homo erectus in Frage. Er ist die wohl älteste Menschenart, die sich bis nach Südostasien ausbreitete. Fossilien vom Homo erectus wurden etwa in Südchina gefunden, oder auch auf Java. Diese Informationen verleihen der Vorstellung, dass er ebenfalls nach Malaysia vorgedrungen sein könnte, einen gewissen Realismus.

 

Trotzdem es sich beim Homo erectus um einen sehr frühen Vertreter seiner Gattung handelte, kann man ihn nicht als tierisch beschreiben. Von seinem aufrechten Gang abgesehen verfügte er weiterhin auch über verschiedene Kulturtechniken. So gilt der Homo erectus als erste Menschenart, die Steinwerkzeuge herstellte. Auch das Feuer machte er sich zunutze, was sicherlich seinem hohen Nährstoffbedarf zugutekam.

 

Den Körperbau war dem modernen Menschen im Wesentlichen ähnlich. Der Homo erectus erreichte eine Größe zwischen 1,45 m und 1,85 m. Nach europäischen Standards war er damit durchschnittlich etwas kleiner, als die heutigen Menschen, nach asiatischen wohl eher gleich groß.

 

Der Schädel weist wiederum eine kleinere Hirnschale auf, als beim heutigen Menschen üblich. Diese hatte ein Fassungsvermögen von 650-1250 cm3. Die Hirnschale des modernen Menschen ist dagegen mit 1100-1800 cm3 im Mittel deutlich größer.

 

Homo erectus
Schädel von Homo erectus aus dem Smithsonian Institut

Von archaischen Merkmalen und steigenden Größen

Diese deutlich kleinere Hirnschale lässt den Homo erectus auf den modernen Betrachter zwangsläufig archaisch wirken. Was archaisch und damit fremd wirkt, wird wiederum häufig als „affenartig“ wahrgenommen.

Diesen Eindruck würde wohl die bereite, wenn auch flach Nase des Homo erectus weiter verstärken. Die fliehende Stirn, die nicht nur an Nachbildungen, sondern auch an den fossilen Schädeln klar ersichtlich ist, mildert diese Wahrnehmung ebenfalls nicht ab.

 

Dazu muss allerdings angemerkt werden, dass nicht alle Angehörigen der Art Homo erectus gleichermaßen archaisch wirk(t)en. Dies ist stark abhängig von Fundort bzw. vom Alter des Fundes. Tatsächlich führt diese große Varianz gelegentlich zu Kontroversen zwischen zwei verschiedenen Lagern von Wissenschaftlern. Das eine Lager ist der Ansicht, dass solche physiologische Abweichungen ausreichen, um einige Fossilien in eine eigene Art einzugliedern. Das andere Lager hält dagegen, dass Abweichungen einzelner fossiler Exemplare nicht zwingend auf die Existenz einer ganzen Art mit solchen Merkmalen hindeuten.

Über ein anderes Detail herrscht auch Unklarheit: Wie behaart war der Homo erectus? Die künstlerische Rekonstruktionen sind vielfältig: Auf einigen Darstellungen wirkt der Homo erectus aufgrund einer massiven Behaarung auf den ersten Blick beinahe wie ein aufrecht gehender Schimpanse. Dann existieren aber auch wieder Rekonstruktionen, bei denen er kaum von einem Neandertaler zu unterscheiden ist, der dem modernen Menschen verhältnismäßig ähnlich sah.

 

Haut und Haare
Haare auf der Haut eines modernen (kaukasischen) Menschen

 

Ebenfalls interessant ist, dass die Körpergröße des Homo erectus im Laufe der Zeit zunahm. Laut dem „Smithsonian National Museum of Natural History“ waren die ersten Vertreter der Art noch verhältnismäßig klein. Diese lebten in Afrika. Ungefähr zur selben Zeit, als sich die Art nach Asien auszubreiten begann, nahm die Körpergröße nach und nach zu.

 

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Orang Mawas = Homo erectus: Was dafür spricht

Man darf also davon ausgehen, dass die Körpergröße von Individuen des Homo erectus eher im oberen Bereich der Größenspanne anzusiedeln war. Riesen waren diese Menschen natürlich auch nicht. Man kann aber nicht oft genug betonen, wie häufig Größen überschätzt werden. Da mag ein Wesen, dass ähnlich groß ist, wie der Beobachter, in dessen Fantasie schon noch einmal „wachsen“. Das Ergebnis wäre wohl trotzdem kein Drei-Meter-Riese – wobei auch nicht alle Zeugen den Orang Mawas als so groß beschreiben.

 

Orang Utan mit Kind
Orang Utan-Weibchen sind meist mit ihren Kindern unterwegs, die Männchen leben solitär.

 

Sehr passend zum Homo erectus wäre jedenfalls das Sozialverhalten des Kryptids. Mehrere Zeugen berichteten unabhängig voneinander, dass sie mindestens zwei, in einem Fall sogar drei Orang Mawas begegneten. Damit steht dieses Kryptid im starken Kontrast zu den meisten anderen Hominiden – denn diese werden in der Regel alleine gesichtet. Dass der Homo erectus dagegen ein soziales Wesen war, ist wissenschaftlicher Konsens. Wieso sollte ein Mensch auch nicht einen Verwandten oder Freund mit zum Jagen und Sammeln nehmen? Sei es als Hilfe oder einfach nur zur Unterhaltung, der Mensch hat gerne die Gesellschaft seinesgleichen. Auf den Orang Mawas scheint dasselbe zuzutreffen.

Was heißt „menschenähnlich“?

Auch die Menschenähnlichkeit des Orang Mawas wird immer wieder betont. Wie eingangs erwähnt, sagt die Bezeichnung „Orang“ (also: Mensch) nicht unbedingt etwas darüber aus, ob das beobachtete Wesen ein Homo sapiens ist. Auffällig ist allerdings, dass keiner der Zeugen das Gesicht allzu genau beschreibt. Das Ausmaß an Gesichtsbehaarung und auch die Zähne (sowie in einem Fall die hervorstehenden Augenbrauen) werden hervorgehoben, aber sonst scheint sich niemand an irgendwelche Besonderheiten zu erinnern. Könnte das vielleicht daran liegen, dass es keine Besonderheiten gab – also, dass der Orang Mawas sonst völlig menschlich wirkte?

 

Der aufrechte Gang des Kryptids verstärkt den Eindruck der Menschenähnlichkeit noch weiter. Dieser ist ganz streng genommen kein Alleinstellungsmerkmal der Gattung Homo. Da der moderne Mensch aber der letzte auf zwei Beinen gehende Affe ist, wird das Mensch-Sein stets mit dem aufrechten Gang assoziiert. Tatsächlich ist dieser auch Voraussetzung für eine wichtige Fähigkeit des Menschen: Er hat die Hände frei, um komplexe Werkzeuge herzustellen und zu transportieren.

 

Ungewissheiten und  Zweifel

Von dieser Möglichkeit machte der Homo erectus reichlich Gebrauch. Ob es sich beim Orang Mawas ähnlich verhält, ist fraglich: Lediglich die Zeugen von 1953 meinen, Werkzeuge bei den Kryptiden entdeckt zu haben. Die übrigen Zeugen erwähnen Derartiges nicht. Eine sichere Tendenz lässt sich dadurch aber nicht ableiten: Es könnte sein, dass der Orang Mawas nur gelegentlich Werkzeuge bei sich trägt. Es könnte sein, dass die Orang Mawas von 1953 doch keine Orang Mawas waren und das eigentliche Kryptid gar keine Werkzeuge herstellt. Es könnte auch sein, dass die Orang Mawas von 1953 die einzigen „echten“ waren… Man weiß ja noch nicht einmal sicher, ob der Orang Mawas mit einer einzigen Tier- oder Menschenart zu identifizieren ist.

 

Die Körperbehaarung stellt ebenfalls eine Unsicherheit dar. In Berichten vom Orang Mawas wird immer wieder sein äußerst dichtes Fell betont, das ihn vom modernen Menschen deutlich abhebt. Inwieweit der Homo erectus dagegen behaart war, ist wie besprochen, ungewiss. Das Ausmaß der Behaarung ist also kein geeignetes Vergleichskriterium. Das ist insofern sehr schade, als dass die meisten Beschreibungen vom Orang Mawas sonst nicht übermäßig ergiebig sind.

Siamang
Außer den Menschen sind alle rezenten Affen mehr oder weniger stark behaart

Ein Merkmal, dass aber doch erwähnt wurde, ist das Gebiss des Orang Mawas. Die Eckzähne werden als spitz und lang bzw. „beeindruckend“ beschrieben. Das trifft eher auf Affen, als auf Menschen zu. Nicht nur der moderne Mensch weist geschlossene Zahnreihen mit eher kleinen Eckzähnen auf. Das Gebiss des Homo erectus wirkt den Fossilien nach sehr ähnlich wie das des Homo sapiens. Diese Beobachtung spricht gegen eine Identifizierung des Orang Mawas als Homo erectus.

 

Wie auch schon beim Orang-Utan und beim Gigantopithecus stimmen auch beim Homo erectus schlicht nicht alle Merkmale eindeutig mit denen des Orang Mawas überein.

 

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Fazit

Existiert nun der Orang Mawas? Gewiss! Die Frage sollte eigentlich eher lauten: In welcher Form existiert der Orang Mawas?

 

Die spektakulärste Variante bestünde natürlich darin, dass es sich bei diesem Kryptid um eine unentdeckte oder zumindest jüngst ausgestorbene Tierart bzw. Menschenart handelt. Die Beweislage für letztere Theorie ist allerdings mehr als dünn. Völlig davon abgesehen, wie lange die meistdiskutierten Kandidaten (Gigantopithecus und Homo erectus) eigentlich schon lange ausgestorben sind: Keiner von beiden stimmt in seinen Merkmalen eindeutig mit dem Orang Mawas überein.

 

Darüber, ob der Orang Mawas eine noch unentdeckte Tierart sein könnte, lässt sich natürlich spekulieren. Nachdem aber logischerweise eine unbekannte Tierart noch nicht (wissenschaftlich) beschrieben sein kann, kann man ihre Eigenschaften auch schlecht mit denen des Orang Mawas abgleichen.

 

Auch mit einer bekannten und rezenten Art stimmt er nicht überein. Es mangelt auf dem asiatischen Festland schlicht an Affen, die die Rolle des Urwald-Riesen einnehmen könnten. Überhaupt ist es sehr schwer an eine einzige Affenart oder allgemein Tierart zu denken, wenn etwa die Größe des Kryptids zwischen 1,5 m und 3 m schwankt.

Und wenn es mehrere Tierarten sind?

Daher drängt sich der Eindruck auf, dass der Orang Mawas vielleicht gar keine Tierart ist – sondern mehrere. So ließe sich erklären, warum die Größe des Kryptids schwankt, oder auch warum es völlig unterschiedliche Fußabdrücke hinterlässt. Könnten die Äste an den Bäumen nicht doch von Elefanten abgebrochen werden und das Wesen mit schwarzem Fell, das kurz darauf gesichtet wird, ein aufgerichteter Malaienbär sein?

 

Damit kann man das Rätsel erklären und sich beruhigt schlafen legen. Ganz so einfach ist die Realität aber nicht: Wieso beschreiben so viele Zeugen den Orang Mawas ausdrücklich als „Menschen“, wo ein Bär doch nicht menschlich aussieht? Wieso gibt es so viele volkstümliche Bezeichnungen für dieselbe Kreatur, wenn der Name eigentlich nichts Anderes ist, als ein Sammelbegriff für fehlinterpretierte Sichtungen?

 

Man sollte die Zeugen nicht für dumm, verrückt oder betrügerisch erklären, nur weil sich die Frage um die Existenz des Orang Mawas nicht ohne Weiteres zu vollen Zufriedenheit erklären lässt. Irgendwer oder irgendetwas wird immer wieder im malaysischen Dschungel gesichtet.

Das Rätsel bleibt

Nun gilt es nur noch, herauszufinden, wer oder was dieses Kryptid genau ist. Eigentlich ist also alles wie immer in der Kryptozoologie. Ob beim Bigfoot oder Orang Mawas – man muss abwarten. Ihre Existenz ist noch nicht bewiesen. Vielleicht wird man sie auch nie beweisen, weil die Kryptiden nicht existieren. Sicher ist nur: Ihre Nichtexistenz lässt sich sicher nicht beweisen.

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