Presseschau Kalenderwoche 13/2020

Lesedauer: etwa 10 Minuten
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Liebe Leserinnen und Leser,

 

wie immer montags gibt es auch heute die Presseschau.

 

Die Presseschau dieser Woche fällt ungewöhnlich mager aus. Eigentlich kein Wunder, die Medien konzentrieren sich auf die COVID-19 Pandemie, für weitere Meldungen ist kaum Platz – weder in den Medien noch in den Köpfen der Leser.
Andererseits bleiben erstaunlich viele Menschen derzeit zuhause. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. So ist die Zahl der möglichen Beobachter stark gesunken. Das merkt man an vielen Stellen: von keinem Teil der Welt erreicht uns die Meldung eines seltsamen Strandfundes. Auch die sonstigen Meldungen, die nicht mit Corona zusammen hängen, sind Produkte eines längeren Arbeitsprozesses an dessen Ende die Publikation steht.

 

Bemerkenswert finde ich den Fund von Ikaria wariootia als unserer ältester bekannter Verwandter. Ältere Verwandte können – gerade auf Familienfesten – etwas peinlich sein.Bei Ikaria ist aber nicht damit zu rechnen, dass er (oder sie?) junge Verwandte offen nach Details der Familienplanung fragt oder ungefragt peinliche Geschichten aus der Pupertät des Gastgebers erzählt.

Bemerkenswert an Ikaria ist, dass sie (oder er?) Hinweise auf heute existierende Tierstämme im Zeitalter des Ediacariums zeigt. Bis ins letzte Jahr hinein gingen viele Paläontologen davon aus, dass die Ediacara-Fauna ein eigenes Reich darstellte, unabhängig von Pflanzen, Tieren und Pilzen. Die Entwicklung der heutigen Tiere (und Pilze?) schien sich im Verborgenen, losgelöst vom Ediacara-Paradies abzuspielen. Dann entdeckte man bei einem prominenten Ediacara-Vertreter ein Molekül aus der Cholesterin-Verwandtschaft, das nur bei Tieren vorkommt.

Jetzt „wurmt“ sich ein weiterer, eindeutig tierischer Vertreter durch die Ediacara-Gärten aus harm- und wehrlosen Wesen. Unsere Vorfahren sind ein Stück besser belegt, aber das Paradies wird wieder ein Stück kleiner.

 

 

Viel Spaß beim Lesen

 

Eurer / Ihr

 

Tobias Möser

 


Aus dem Corona-Komplex:

 

Deutschland

Ähnlich wie in den USA und vielen anderen Ländern haben auch in Deutschland die Zoos und Museen geschlossen. Die ausfallenden Eintrittsgelder bringen insbesondere nicht öffentlich geförderte Institutionen schnell an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Der Zoo Duisburg hat bereits reagiert und sammelt über seine Website Spenden: Futterheld kann jeder werden!

 

Um im Gedächtnis zu bleiben, haben viele dieser Insitutionen ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und auch verstärkt auf die sozialen Medien verlagert. Beispielsweise bringt der Kölner Zoo jeden Tag, auch Sonntags, ein Video eines Tierpflegers aus seinem Arbeitsbereich. Bemerkenswert war die Vorstellung von Hennes, dem Geisbock, seines Zeichens Maskottchen des 1. FC Köln und Zoobewohner. Nicht weniger interessant war die Führung durch die Filtersysteme des Hippodroms: Das Wasser der Flußpferd- und Krokodilanlage muss ja auch gefiltert werden.

Belgien

Nachdem Hunde wohl als Corona-Träger und -Überträger nahezu ausgeschlossen werden können, hat es in Belgien eine Katze erwischt. Die veterinärmedizinische Fakultät der Uni Lüttich hatte das Haustier eines Corona-Kranken untersucht und Viren auch bei ihr gefunden.

Hongkong

Das Gegenteil meldeten die Behörden bereits Anfang März in Hongkong. Dort wurde der Zwergspitz einer Corona-Patientin „schwach positiv“ auf das Virus getestet. Wie in Belgien vermuten die Behörden, dass auch hier der Mensch das Tier angesteckt hat – nicht umgekehrt.

Zentrales Afrika

Silverback
Berggorilla-Männchen im Kongo

Die Staaten im zentralen Afrika sind traurigerweise den Umgang mit tödlichen und leicht übertragbaren Viren gewöhnt – siehe Ebola. Eigentlich wäre es sinnvoll, auf ihr Know-How zurückzugreifen.

Die Demokratische Republik Kongo hat den Virunga Nationalpark für den Publikumsverkehr geschlossen, weil die dortigen Berggorillas möglicherweise ebenfalls am Cornonavirus erkranken könnten.
Auch Gabun, ein Land, das über ein großes System an Parks verfügt, in denen zahlreiche Westliche Tieflandgorillas leben, hat die Parks aus dem gleichen Grund geschlossen. Ruanda hat ebenfalls den Tourismus und zusätzlich auch die Forschung in seinen drei Nationalparks mit Schimpansen und Gorillas beendet.

 

Bisher ist kein Fall bekannt, in dem ein wildlebender Menschenaffe von einem Menschen mit COVID-19 angesteckt wurde, aber die Übertragung von Erkältungen kommt regelmäßig vor.  Dass diese Länder den lukrativen Tourismus unterbinden, zeigt, welchen Wert sie in den Tieren sehen. Auf der anderen Seite kann der fehlende Tourismus und die dadurch fehlenden Einnahmen die lokale Bevölkerung schnell wieder auf die Idee bringen, sich in den Parks „das Bushmeat zu holen“.


Unser bisher ältester Vorfahr entdeckt?

Mit Ikaria wariootia haben Forscher der University of California in Riverside ein Fossil aus 555 bis 560 Millionen Jahre alten Gesteinsformationen in Südaustralien ausgegraben, das möglicherweise unseren ältesten Vorfahren darstellt:

Ikaria-Fossilien
Abdrücke von Ikaria, offenbar war das Tier an jenem Ort recht häufig. (Droser Lab/UCR; Pfeile: Redaktion)

Sie fanden zunächst kleine, nur wenige Millimeter breite Wühlgänge. Das Besondere an ihnen warn v-förmige Abdrücke, die auf eine Vorne/Hinten-Orientierung des Gräbers hinweisen. Das macht den Gräber so besonders, denn diese Orientierung ist typisch für die Großgruppe der Bilateria. Diese Gruppe umfasst alle Tierstämme, die wenigstens im Larvenstadium aus zwei spiegelbildlich aufgebauten Körperhälften bestehen: Alle höheren Tierstämme, auch die Chordatiere, zu denen die Wirbeltiere und letztlich die Menschen gehören.

 

Laserscan von Ikaria
Laserscan von Ikaia wariootia (Droser Lab/UCR)

Als die Wissenschaftler um Scott Evans die Wühlgänge mit einem hochauflösenden Laserscanner untersuchten, fanden sie ihren Verursacher: Winzige, zwei bis sieben Millimeter lange Würmchen, die tatsächlich zweiseitig symmetrisch und leicht abgeplattet waren. Zudem besaßen sie ein etwas dickeres Kopf- und ein dünneres Schwanzende. Die Struktur der Gänge lassen vermuten, dass sich die Tiere durch Muskelkontraktion fortbewegten. Vermutlich besaß Ikaria bereits einen Mund und ein After und einen durchgehenden Verdauungstrakt dazwischen. Das relativ grobe Sediment hat aber diese feinen Strukturen nicht erhalten können.

 

Ikaria wariootia stellt damit nahezu genau das dar, was theoretische Evolutionsforscher als Ursprung der Bilateria vorher gesagt haben.

Ikaria wariootia
Ikaria wariootia auf dem Sediment (Droser Lab/UCR)

Link zur Originalarbeit:

Discovery of the oldest bilaterian from the Ediacaran of South Australia
Scott D. Evans et al.: Proceedings of the National Academy of Sciences; Mar 2020,
https://doi.org/10.1073/pnas.2001045117


Brinzola schwer verletzt

Ende letzter Woche ging die Meldung ein, der Mönchsgeier Brinzola sei schwer verletzt. Der Vogel ist mit einem Stromkabel in einer Windkraftanlage kollidiert und hat einen Flügelbruch erlitten. Aktivisten brachten ihn in die nahe gelegene Tierklinik in Sokndal. Die Untersuchungen dort ergaben schnell, dass Elle und Speiche des rechten Flügels gebrochen waren.

Portrait eines Mönchsgeiers
Portrait eines Mönchsgeiers.

Trotz der Beschränkungen durch COVID-19 reisten einige Mitarbeiter des Projecto Monachus aus Spanien an, um an dem notwendigen chirurgischen Eingriff teilzunehmen. Leider war der Bruch offenbar so schwerwiegend, dass es den Tierärzten nicht möglich war, den Flügel zu retten. Eine weitere Prognose wollten die Veterinäre noch nicht aussprechen.

 

Somit endet die unglaubliche Reise der Mönchsgeierdame Brinzola tragisch. Sie war im Frühling letzten Jahres aus ihrem Revier im Südwesten Spaniens aufgebrochen, drehte eine Schleife entlang der Pyrenäen und eine weitere über die Wälder der französischen Gascogne. In Belgien und den Niederlanden erregte sie großes mediales Aufsehen. Deutschland durchquerte sie beinahe unbemerkt und verließ es über die Vogelfluglinie. Dänemark und Schweden waren nur kurze Zwischenstationen bis sie im zentralen Norwegen eine Landschaft fand, die ihr offenbar zusagte. Erst spät im Herbst versuchte sie, nach Süden auszuwandern, was aber immer wieder an der Nordseeküste scheiterte. Südlich von Stavanger kollidierte sie am 15. März mit einem Versorungskabel einer Windkraftanlage.

 

Falls Interesse besteht, bringen wir den interessanten Lebenslauf dieser bemerkenswerten Geierdame gerne einmal als Vollartikel. Sagt uns Bescheid, ob es euch interessiert: Redaktion@netzwerk-kryptozoologie.de


Kaiseradler Alois erschossen

Der Kaiseradler Alois galt als Mustervogel der Wiederansiedlung seltener Greifvögel. Er war im Mai 2019 geschwächt in Niederösterreich gefunden und in einer Greifvogelschutzstation gesund gepflegt worden. Mit einem Sender versehen durfte er dann wieder in die Freiheit. Er hielt sich bevorzugt im Dreiländereck Tschechien, Slovenien und Österreich auf, zog jedoch weit umher.

Am 19. März zwischen den Übertragungen um 8:22 und 8:32 Uhr erschoss ein Unbekannter den Vogel in Gunskirchen im Bezirk Wels-Land, etwa 180 km westlich von Wien. Den Kadaver des Vogels nahm der Täter mit, der Sender landete im Fluss Traun.

Bis vor 20 Jahren galten Östliche Kaiseradler (Aquila heliaca) in Österreich als ausgestorben, heute sind sie sehr selten und streng geschützt. Österreich stellt den westlichen Rand des Verbreitungsgebietes der Greifvögel dar. 2019 zogen 22 Paare in Österreich insgesamt 29 Jungvögel auf.

Quelle: heute.at


Australien: Zweiköpfige Tigerotter geboren

zweiköpfige Tigerotter
Das zweiköpfige Jungtier (Foto: Direct Vet Services)

Steward Gatt, auch bekannt als Stewy the Snake Catcher bekam am 20. März 2020 den Auftrag, eine weibliche Tigerotter (Notechis scutatus) in einem Hof in Ardeer, Victoria zu fangen. Noch ahnte er nicht, was passieren sollte.
Gatt sagte, er habe die Schlange in einer Tasche gefangen und in sein Auto geladen. Als er die Tasche einige Zeit später öffnete, stellte er fest, dass das Reptil mehrere Babys zur Welt gebracht hatte, darunter eines mit zwei Köpfen.

Der Fänger brachte die Schlangen zu Direct Vet Services in Point Cook.

„So cool diese Tiere auch waren, sie sind im Allgemeinen nicht lebensfähig und wurden aus humanen Gründen eingeschläfert“, sagte ein Sprecher der Klinik.

Der Rest der Babys erwies sich als gesund und wurde zusammen mit ihrer Mutter wieder in die Wildnis entlassen.


Kurz gemeldet:

Rezent

  • Der Krefelder Zollhund „Bianca“ hat bei einer Kontrolle auf der A 52 Haschischpakete im Verkaufswert von 1,3 Millionen Euro erschnüffelt. Das Tier fand im Kofferraum des Autos eines 35jährigen Mannes aus Litauen 88 eingeschweißt Pakete mit Haschischplatten, insgesamt 165 kg.
  • PCB (Polychlorierte Biphenole) sind als giftige Substanzen bekannt. Sie sind extrem langlebig und fettlöslich und reichern sich in der Nahrungskette an. So ist es kein Wunder, dass man ausgerechnet im Fett von Walen die höchsten Konzentrationen findet. Die Arbeitsgruppe um Rosie Williams von der Zoological Society of London hat 814 Kadaver von Hafenschweinswalen untersucht, die zwischen 1990 und 2017 an britischen Küsten gestrandet sind. Dabei stellten sie fest, dass PCB-Konzentrationen von 1 mg/kg im Blubber der Tiere mit einem um 5% gesteigerten Risiko an einer Infektion zu versterben, zusammenhängen.
    Hierbei wirkten sich auch Konzentrationen aus, die unter der vorgeschlagenen Toxizitätsgrenze lagen.
  • Die extremen australischen Buschfeuer von Beginn des Jahres haben offenbar viele Todesfälle zur Folge. Forscher sprechen davon, dass etwa 417 Menschen durch indirekte Feuerauswirkungen wie Rauchgasbelastung ums Leben kamen. 3151 Menschen wurden während der Feuer mit Herz- oder Atemwegserkrankungen ins Krankenhaus eingewiesen.

Ausgestorben

  • Archäologen haben bei einer Grabung in Riekofen in der Oberpfalz einen 2,45 Meter langen Stoßzahn eines Mammuts gefunden. Nicht weit entfernt lag ein Knochenstück eines Mammuts im Boden, es misst etwa 70 x 30 cm. Ob es vom selben Tier stammt, ist unbekannt. Derzeit sind beide Funde zur Altersbestimmung im Labor.

Strandfunde

  • Corona-bedingt gibt es keine Meldungen.

Feld-Ornithologisches

#StayHomeAndWatchOut – machen Sie mit! – So lautet der Aufruf des NaBu:

 

Auch die Vogelfreunde in ihren unterschiedlichen Organisationen beteiligen sich an den Maßnahmen gegen Corona.Informationen, wie Sie sich an der Aktion „#StayHomeAndWatchOut“ beteiligen können und wie Sie Ihre Beobachtungen dem Projekt zuordnen, haben wir für Sie in einem kurzen Merkblatt zusammengestellt: Anleitung zur Teilnahme bei #StayHomeAndWatchOut

Neu in der vergangenen Woche

  • Erneuter Einflug eines jungen Bartgeiers, diesmal bei Oberstorf am Donnerstag.
  • Am Freitag wurde aus Kalletal bei Bielefeld eine Doppelschnepfe gemeldet.
  • Ein weiterer Seidensänger singt bei den Schönungsteichen der Kläranlage Düren.
  • Aus Untermerzbach (zw. Coburg und Bamberg) stammt eine unbestätigte Meldung eines Heckensängers Cercotrichas galactotes.
  • Ebenfalls unbestätigt ist die Meldung eines Rosenstars von Baltrum.

Die „immer noch da“-Meldungen:

  • Die Seidensänger bei Kranenburg an der niederländischen Grenze zwischen Kleve und Nijmegen halten die Stellung.
  • Der Freiberger Schildrabe wurde möglicherweise bei Brand-Erbisdorf gesehen.
  • Der Scharlachsichler von Elsfleth bei Oldenburg ist ein Scharlachsichler wurde wieder beobachtet.

Nicht mehr gemeldet:

  • Der Kaiseradler vom Randowbruch – der kommt aber sicher wieder.

 


Zu guter Letzt:

In Bulgarien hat sich eine Bärenfamilie die Abwesenheit von Gästen in einem exklusiven Fitness-Club zunutze gemacht. Man merkt ihnen an, dass sie auch Spaß an luxuriösen Swimmingpools haben: