In Mexiko hat eine Gruppe von Strandspaziergängern die Überreste eines scheinbar mysteriösen Wesens gefunden Der Puerto Vallarte-Fund ist ein Tier ungewisser Größe. Es wurde am Strand von Destiladeras beim bekannten Touristenort Puerto Vallarta angeschwemmt.
Die Augen fehlen
Der ungewöhnlich erscheinende Kadaver ist langgezogen, wirkt kräftig und zeigt weder Augen noch Brust-, Rücken-, Bauch- oder sonstige Flossen. Der Puerto Vallarta-Fund ist mehr oder weniger einheitlich basaltgrau und trägt einige wenige, unregelmäßige weiße Markierungen. Schuppen sind nicht zu sehen.
|
|
Der Puerto Vallarta-Fund liegt auf der rechten Körperseite und ist zur Bauchseite hin gekrümmt. Das Maul ist tief gespalten und zu einer Schnauze verlängert, die einige Kommentatoren an einen Delfin erinnert. Es steht ein wenig offen, im Oberkiefer ist zwischen den beiden Reihen Kieferzähne noch eine Reihe Zähne zu sehen, die mittig am Gaumen zu stehen scheinen. Die Zähne sind lang, schlank und wirken ein wenig glasartig. Die Bezahnung des Unterkiefers ist kaum sichtbar, die Zähne wirken ähnlich. An der Kehle zeigt der Kadaver eine Reihe von Furchen. Ein Stück hinter den Furchen liegt ein etwa rundes Loch in der Haut, dahinter beginnt der Eingeweidesack, der bereits vor dem sichtbaren After wieder aufhört. Hinter dem After steht eine lange, flache Flosse, die sich bis zum runden Schwanzende hin zieht und es zu umgeben scheint. Nichts deutet auf eine Verletzung hin, die eine Schwanzflosse oder andere Flossen abgetrennt haben könnte.
Bei dem Kadaver gibt es keinerlei Objekte oder Strukturen, die auf seine Größe hindeuten. Er liegt im nassen Sand und spiegelt sich teilweise in den Wasseransammlungen.
Die Umgebung
Der Pazifik ist in der Gegend beinahe tropisch warm, wird aber sehr schnell tief. Kurz vor der Küste verläuft ein Tiefseegraben mit mehr als 1000 m Wassertiefe.
Laut mehrerer, übereinstimmender Meldungen haben weder Meeresbiologen noch lokale Fischer den Puerto Vallarta-Fund identifizieren können. Diese Floskel liest man sehr häufig, nahezu ebenso oft ist sie unwahr. Meist werden weder Fischer noch Meeresbiologen gefragt, da eine „Identifikation auf den ersten Blick“ für eine Story der Tod ist.
Die Spekulationen in den sozialen Medien reichen von Schnabelwal über Delfin-Aal-Mischling bis hin zu unbekannten Tiefseefischen. Offenbar melden sich mal wieder die falschen Leute zu Wort, denn die Identifikation ist sehr einfach:
Die Identifikation des Puerto Vallarta-Fundes
Bei der Identifikation sollte man sich nicht von äußeren Merkmalen wie „es hat eine Schnauze wie ein Delfin und ist auch so gefärbt, also ist es einer“ leiten lassen. Hier ist systematisches Vorgehen erforderlich:
- Wenn man davon ausgeht, dass der Kadaver äußerlich weitgehend unzerstört ist, fällt als erstes die seltsame Beflossung auf. Paarige Flossen wie Brust- und Bauchflossen fehlen. Die Afterflosse reicht bis an die Schwanzspitze, vermutlich der Rückenflosse ebenso. Die Schwanzflosse scheint zu fehlen. Diese beiden Merkmale findet man in der Ordnung der Aale. Hinzu kommt, dass alle Vertreter der Aal-Ordnung, genau wie der Puerto Vallarta-Fund schuppenlos sind.
- Knöcherne Kiemendeckel fehlen, stattdessen atmet das Tier durch ein häutiges Loch aus. Dies reduziert die Möglichkeiten auf die Familien der Schlangenaale Ophichthidae und der Muränen Muraenidae.
- Das sicherste Unterscheidungsmerkmal zwischen Muränen und Schlangenaalen sind die Nasenlöcher. Beide Familien haben an beiden Nasenseiten je zwei Öffnungen, die Tiere haben also vier Nasenlöcher. Bei den Schlangenaalen sitzen alle vier Nasenlöcher vorne in der Spitze der Schnauze, zwei davon in einer kurzen, nach unten weisenden Röhre. Bei den Muränen sitzt je ein Nasenloch vorne an der Schnauze, jedoch relativ weit oben. Auch dieses kann durch eine kurze Röhre verlängert sein. Das andere Nasenloch liegt nahe dem Auge auf einem kleinen Hügel.
Beim Puerto Vallarta-Fund ist die linke Nasenseite erkennbar. Die vordere Nasenöffnung ist oberhalb des Kieferknochens deutlich zu sehen. Etwas schlechter kann man den Buckel vor dem (fehlenden) Auge erahnen. - Die Zähne liefern die Bestätigung. Die meisten Muränen fressen Fische und Cephalopoden, und haben ein entsprechend angepasstes Gebiss: Neben den normalen Zähnen auf dem Kieferrand besitzen viele Arten noch spitze Knochenfortsätze in der Mitte des Oberkiefers. Ob es anhand des Fotos der Zähne die Muräne bis zur Art zu bestimmen, ist unklar.
Insbesondere die Zähne sind immer wieder wichtig für die Bestimmung eines Kadavers. Sie sind charakteristisch, oft artspezifisch geformt und aus hartem Material. Sie verlieren ihre Form weder durch Vertrocknen noch durch Verwesung. Hinzu kommt, dass für die meisten Tiere Zahnschemata oder Fotos der Gebisse hinterlegt sind und man relativ einfach an Bilder von Vergleichsmaterial kommt.
Der fehlende Größenvergleich
Offen bleibt die Frage nach dem Auge. Fischaugen sind herausstehende, wenig geschützte Blasen, die sehr schnell durch mechanische Einflüsse wie Reibung, aber auch Schärkräfte in der Brandung abgelöst werden können. Außerdem sind sie für Aasfresser wie Möwen und Krabben schnell und einfach erreichbar.
|
Vermutlich war es Absicht, durch jeglichen fehlenden Größenvergleich das Tier „ungeheuerlicher“ erscheinen zu lassen, als es eigentlich ist. Eine 70 bis 200 cm lange Muräne am Strand ist schon etwas Ungewöhnliches. Die Zähne sind -insbesondere durch die dritte Reihe Pseudozähne- sehr spektakulär. Natürlich ist es cooler, einen Schnabelwal zu finden, aber mal ehrlich: Die haben deutlich sichtbare Flipper, eine Fluke, ein Blasloch am Kopf – und nur bis zu zwei Zähnen. Kein Wal oder ein anderes Säugetier hat eine dritte Zahnreihe im Oberkiefer. Der Puerto-Vallarta-Kadaver hat mehr als 20 schon im Oberkiefer sichtbare Zähne. Fällt sowas nicht auf?
Daher die allgemeine Bitte: erst nachdenken, dann posten. Und beim Fotografieren sollte irgend ein Größenmaßstab im Bild sein.
Links:
Binnall, Tim: Strange Eye-Less Creature Remains Discovered on Beach in Mexico, Coast-to-Coast AM vom 14.02.2020