Seit einigen Tagen verbreitet sich ein neues Bild wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. Es zeigt angeblich einen Sasquatch, der in eine Wildkamera schaut. Das Gesicht ist nur angeschnitten, nur ein Auge ist sichtbar. Im Hintergrund sind Bäume zu sehen. Mehr ist nicht zu sehen, aber das Wenige, was da ist, untersuchen wir näher.
Ein Wildkamera-Foto
Das Bild ist in Graustufen (sog. Schwarz-Weiß-Foto) und misst in der größten, im Web über eine Suchmaschine findbaren Version 531 x 353 Pixel. Es hat eine Auflösung von 96 ppi und eine Farbtiefe von 24 bit.

Das Bild ist vermutlich zunächst in der Facebook-Gruppe „Expedition Bigfoot“ aufgetaucht. Laut dieser Gruppe stammt es von einem Mann aus dem US-Bundesstaat Georgia. Die Kamera sei von einem Baum heruntergeschlagen worden.
Technik von Wildkameras
Wildkameras sind (heute meist digitale) Kameras in einem wetterfesten Gehäuse. Sie haben einen Bewegungs- oder Infrarotsensor und meist einen Blitz, der im nahen Infrarotbereich arbeitet. Die Aufnahmen werden in einem Speichermedium (z.B. SSD-Card) gespeichert oder per MMS oder E-Mail an einem Empfänger verschickt.
Die Bildsensoren entsprechen hier den gängigen Digitalkameras, von einfachen Modell eines Billig-Handys bis zum hochwertigen CMOS-Sensor einer digitalen Spiegelreflex-Kamera. Gleiches gilt für die Optik, von der einfachen Kunststofflinse bis zu einer adaptiven Glasoptik mit mehreren Linsen kann eine Wildkamera alles bieten – nur eine Frage des Preises.
Leider fehlt uns jede Information über die verwendete Kamera. Dies wäre unter Umständen wichtig, wenn es darum geht, die Echtheit des Bildes zu beurteilen.
Was ist „nahes Infrarot“?
Der „nahe infrarot“-Bereich ist der Bereich des Lichtspektrums, der sich direkt dem sichtbaren (roten) Licht anschließt. Für die Profis: hier gibt es Wellenlängen zwischen 780 und 1400 nm (IR-A). Auch die Bereiche zwischen 1400 und 3000 nm sind durch diese Bezeichnung noch abgedeckt, werden aber als IR-B bezeichnet.

Digitalkameras können diesen Bereich aufnehmen, v.a. wenn sie keinen Infrarotfilter haben. Sichtbar ist dieser Bereich für Menschen nicht, aber es ist nicht auszuschließen, dass tagaktive Tiere ihn sehen. Bei der Infrarotfotografie tritt oft der „Wood-Effekt“ auf.
Dieser für die Infrarotfotografie typische Effekt ist nach seinem Entdecker Robert Williams Wood benannt, nicht nach den Wäldern, in denen er hauptsächlich auftritt. Blattgrün erscheint im nahen Infrarot weiß, da Chlorophyll dieses Licht durchlässt und das Licht nur vom in den Blättern enthaltenen Wasser reflektiert wird. Der Himmel einer Wood-Aufnahme erscheint hingegen dunkel. Tritt dieser Effekt auf, kann man mit Sicherheit von einem Infrarot-Bild ausgehen, tritt er nicht auf, ist das Bild nicht im nahen Infrarotbereich geschossen worden.
Erste Überprüfungen
Bei der ersten Frage kümmere ich mich um den Sensor, mit dem das Bild aufgenommen wurde. Da dem Foto sämtliche Meta-Informationen fehlen, kann ich nur das beurteilen, was ich in dem Bild sehen kann.
Das Maß des im Netz erschienen Fotos ist ungewöhnlich. 531 x 353 Pixel entspricht keinem gängigen Kamera- oder Vorschaubild-Maß. Das Seitenverhältnis liegt bei etwa 3:2.

Ein Bild mit dem Seitenverhältnis 3:2 und einer Auflösung von 3 Megapixel hat ein Maß von 2121 : 1414, was ziemlich genau dem Vierfachen des betreffenden Bildes entspricht. Das nächste gängige Vielfache sind 12 MP mit 4242 : 2828, das ist das Sechzehnfache. Beide Maße sind gängige Auflösungen, wobei 3 MP heute kaum noch neu in den Handel gelangen. Höhere Bildauflösungen sind nicht wesentlich teurer, machen sich im Marketing aber gut.
Handelt es sich um eine Infrarot-Aufnahme?
Laut dem Beschreiber in der ersten Veröffentlichung wurde die Kamera vom Baum gehauen und lag zum Zeitpunkt des Fotos so, dass sie in den Himmel fotografierte. Das deckt sich mit der Position der Bäume und dem Verlauf von Stämmen und Ästen. Der Himmel müsste also seinen Zenit ziemlich mittig über der Kamera haben.
Nun kommt der Wood-Effekt ins Spiel, bzw. er fehlt. Die Blätter sind zwar heller, als die abschattenden Äste, aber alles andere als weiß. Hinzu kommt der Himmel, der eben nicht dunkel ist. Im Gegenteil, er ist in einigen Bereichen so hell, dass er die Zweige der Bäume überstrahlt.
Die Aufnahme ist also nicht mit einer Infrarot-Kamera gemacht worden, sondern mit einem „gewöhnlichen“ Sensor im Bereich des sichtbaren Lichtes.
Wieso ist die Aufnahme dann schwarz-weiß?
Umgangssprachlich schwarz-weiß zeigt die Aufnahme verschiedene Graustufen. Solche Bilder entstehen, wenn ein Infrarot-Blitz verwendet wird. Üblicherweise werden hier Wellenlängen von 940 nm verwendet (siehe oben). Diese sind weder für Menschen, noch für Tiere sichtbar. Um Fehlfarben zu vermeiden, werden diese Bilder direkt in Graustufen dargestellt.
Jpg-Bilder können 256 Graustufen darstellen. Bei unbearbeiteten Bildern erwartet man, dass jede dieser Graustufen mehr oder weniger stark besetzt ist. Hat das Bild hohe Kontraste, wird ein Teil der hellen Pixel einheitlich weiß dargestellt und ein Teil der dunklen Pixel einheitlich schwarz.
Bei diesem Bild tritt die erste Besonderheit auf: der hohe Anteil dunkler Pixel liegt nicht bei der Helligkeit 0, sondern im Bereich von 56. Das bedeutet, das Bild wurde künstlich aufgehellt, einige wenige Bereiche ließen sich kaum aufhellen und blieben schwarz.
Was ist mit dem Blitz?
Das Bild wurde offensichtlich mit Hilfe eines Blitzlichtes erstellt. Vermutlich (siehe oben) handelt es sich dabei um einen Infrarotblitz. Der Reflex des Blitzes ist auf dem Auge des (vermeintlichen) Sasquatchs deutlich zu sehen.

Der Lage und Form des Reflexes nach, ist der Blitz rechts über dem Objektiv montiert, jedoch sehr dicht dran. Liegt der Blitz sehr dicht am Objektiv, ruft das den „Rote-Augen-Effekt“ hervor. Dieser vor allem aus den 1990ern bekannte Effekt wird urch die Reflexion des Blitzes durch die stark durchblutete, rote Netzhaut des Auges hervorgerufen. Wenn die Person direkt in das Objektiv blickt, ist der Effekt besonders hervorstechend, tritt aber allgemein immer dann auf, wenn das an der Netzhaut reflektierte Blitzlicht in gerader Linie ins Objektiv zurückfällt. Dies ist hier ganz offenbar der Fall. Trotzdem tritt der Effekt nicht auf.
Hieraus ergibt sich die Frage, ob der Rote-Augen-Effekt auch bei Infrarot-Blitzen von 940 nm auftritt. Die kurze Antwort ist: ja. Die längere Antwort ist: ja, nicht nur beim Menschen, sondern sogar verstärkt bei Tieren. In diesem Artikel sind zwei Bilder zu sehen, in denen der Rote-Augen-Effekt durch Infrarotblitz deutlich auftritt. Ich habe leider kein Bild eines Menschen in einem Infrarot-Blitz gefunden, das ich hier verwenden darf.
Für die ganz kritischen Leser: Die Kamera, die laut Artikel verwendet wurde, war eine SecaCam HomeVista mit 940 nm-Blitz-LED, genaueres in den Links unten.
Um den Rote-Augen-Effekt zu verringern, haben die Kamerahersteller den „Vorblitz“ erfunden. Er regt durch seine Helligkeit die Pupillen dazu an, sich zu schließen und damit weniger Licht ins Auge zu lassen. Auf dem Bild oben sind eindeutig weit geöffnete Pupillen zu sehen. Bei IR-Blitzen, insbesonder den „schwarzen“ mit 940 nm funktioniert der Vorblitz nicht, denn das Licht ist nicht sichtbar. Wie soll das Auge darauf reagieren?
Beim Menschen tritt der Rote-Augen-Effekt nur schwach auf, wir sind, wie die meisten höheren Primaten, an ein Leben am Tag angepasst und haben deswegen kein Licht reflektierendes Tapetum lucidum. Beim Sasquatch ist ähnliches zu erwarten, falls es sich um einen höheren Primaten handelt. Alle anderen in Frage kommenden Tiere, vom Wildschwein über Schwarz- und Grizzlybären bis zum Puma haben ein Tapetum lucidum. Ihre Augen würden das Licht des Blitzes noch deutlich stärker reflektieren, vermutlich würde die Pupille den direkten Umkreis überstrahlen.
Wo wurde das Bild aufgenommen?

Laut der Website eFree News stammt das Bild nicht aus Georgia, sondern wurde von einem Jäger in der Gegend von Manyberries in Kanada aufgenommen. Manyberries liegt in den Great Planes, die Vegetation hier ist von niedrigen Büschen (Name!) und von Gras geprägt, Bäume kann man schon fast als Seltenheit bezeichnen. Ich empfehle eine google-Maps-Tour durch die Gegend.
30 bis 40 km nordöstlich von Manyberries liegen die Cypress Hills, die bewaldet sind. Hier herrschen Banks-Kiefern vor, Laubbäume spielen nur eine geringe Rolle, sie sind oft durch die starken Winde in Krüppelformen gedrückt. Das Bild kann hier nicht entstanden sein.
Nach allem, was über den Sasquatch „bekannt“ ist, handelt es sich um einen Waldbewohner. Ein Großteil der Sichtungen, Vokalisationen und sonstigen Spuren stammt aus Gegenden dichten Waldes. Die First Nations, die in den Wäldern der Rocky Mountains und der Küstenkordilleren bewohnten, sahen im Sasquatch ein reales Wesen. Die Plains-Bewohner unter den First Nations sahen im Sasquatch eher ein Geistwesen, das wenig Zusammenhang mit der realen Welt hatte.
In den Plains von Manyberries wäre ein Sasquatch bei Tag und Nacht aus einigen hundert Metern sichtbar – unpraktisch für ein so diskretes Lebewesen. eFree News teilt die Meinung, dass die Umgebung von Manyberries nach allem, was wir zu wissen glauben, kein Sasquatch-Lebensraum ist.
Doch Georgia?
Georgia als fast subtropischer Bundesstaat mit niedrigen Mischwäldern wirkt hier sehr viel wahrscheinlicher als Ort für das Foto. Dennoch ist dieser Bundesstaat auch kein optimales Sasquatch-Habitat, die Wälder sind zu licht, um so großen Wesen ausreichend Deckung zu bieten. Aus diesem Staat gibt es kaum Sichtungsberichte, so dass davon auszugehen ist, dass er hier nicht bis selten vorkommt.
Um den Ort des Fotos, unabhängig von irgendwelchen Aussagen, zu bestimmen, müsste man wenigstens wissen, was das für Bäume im Hintergrund sind. Die Bestimmung ist aber nicht möglich, Blätter und Rinde sind zu unscharf.
Das Verhalten des Sasquatch
Bisher gelten alle Sasquatches oder wie immer sie lokal genannt werden, als extrem zurückgezogen. Kaum scheint jemand Interesse an ihnen zu haben, sind sie unauffindbar. Vor Wildkameras, gleich welchen Typs ist nie auch nur ein Sasquatch-Hintern zu sehen gewesen. Und jetzt soll sich ein solches Wesen so intensiv mit der Cam „vergnügen“, dass da ein Portrait geschossen werden konnte? Mehr als unglaubwürdig.
Gelegentlich wird von einigen kryptozoologisch Tätigen vermutet, dass Sasquatches die Fähigkeit haben, im nahen IR-Bereich zu sehen. Sie würden dann für uns schwarze Blitze oder Suchstrahler bemerken und vermeiden. Diese Fähigkeit ist auf den ersten Blick nicht auszuschließen, jedoch müsste einmal sensorchemisch überprüft werden, ob die Energie von 940 nm noch ausreicht, um einen Sehvorgang auszulösen. Bisher ist kein Tier bekannt, das diese Fähigkeit hat. Die Wärmesensoren einiger Schlangen basieren auf anderen Prinzipien.
Die Optik der Kamera
Die erste Kritik an dem Foto wurde durch den kaum vorhandenen Schärfeverlauf der Kamera laut. Normalerweise hat eine Kamera einen Bereich maximaler Schärfe, der je nach Optik, Entfernung und anderen Faktoren eine definierte Tiefe, die Schärfentiefe hat. Je weiter ein Objekt von diesem Schärfebereich entfernt ist, um so unschärfer wird es abgebildet. Hier wird der vermeintliche Sasquatch ziemlich scharf und auch der Baumstamm links im Bild ziemlich scharf abgebildet. Ist das möglich? Ja, wenn der Bereich maximaler Schärfe ziemlich groß ist und zwischen den beiden Elementen liegt.
Im weiteren Verlauf des Baumes wird dieser um so unschärfer, um so weiter er von der Kamera entfernt ist.
Genaueres lässt sich erst mit Kenntnis der Kameraoptik sagen. Aber das ist eher eine Sache für Spezialisten, hier steht einiges an Berechnung im Raum.
Das Gesicht in der Kamera

Über das Gesicht habe ich lange gerätselt. Die Iris ist rund, die Pupille auch. Von der weißen Sclera (Lederhaut) ist wenig zu sehen, zu wenig für einen Menschen, aber zu viel für einen Bären oder einen Puma.
Die Größe des Auges ist bemerkenswert, sollte hier kein Weitwinkeleffekt mitspielen, wirkt es fast Gollum-esk. Der rund wirkende Kopf unterstreicht diesen Eindruck noch. Ein heller Streifen liegt über dem Auge. Einige Großkatzen wie der Puma haben solche Streifen – unter dem Auge. Die Haare wirken dünn, aber ubiquitär, Brauen oder Vibrissen scheinen zu fehlen. Vom Auge geht ein dunkler Strich nach oben. Dreht man das Bild um 180°, wirkt er wie die Nasenbegrenzung eines Pumas.
Für einen Puma ist dann allerdings der Kopf zu hoch. Das Ohr ist noch seltsamer. Es steht seitlich am Kopf, wirkt unbewegt. Jedes aufmerksame Tier hätte das Ohr nach vorne gedreht – und ein Tier, das eine Trailcam untersucht, ist aufmerksam.
Insgesamt wirkt der Kopf, als wäre er aus unterschiedlichen, teilweise auf dem Kopf stehenden Elementen zusammengebaut.
Fazit
Die Herkunft des Bildes ist mehr als unklar, zumal es sich bei dem Bild aus dem Web nicht um ein Original, sondern mindestens um eine beschnittene und aufgehellte Version handelt. Die Lokalisierung aufgrund der Bäume oder anderen Bildinhaltes ist nicht möglich.
Das Gesicht wirkt wie ein Modell, ob nun physisch in die Kamera gehalten oder elektronisch ins Bild kopiert, ist unklar. Selbst wenn es sich nicht um ein Modell handeln sollte, hat es sehr wenig Ähnlichkeit mit dem Aussehen, das man bisher von Sasquatches kennt.
Letztlich besagt das alles nicht viel, denn durch den fehlenden Rote-Augen-Effekt ist eindeutig belegt, dass es sich hierbei um ein Fake handelt.
Literatur:
Stern: Die besten 9 Wildkameras im Vergleich … Hier gibt es tiefergehende Informationen zu Infrarotblitzen, lesenswert, wenn man tiefer in die Materie einsteigen will.
Wildkameratest: Imker kurz vor der Verzweiflung
Wildkameratest: SecaCam Homevista
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