2022 war mit Sicherheit eines der ungewöhnlichsten Jahre, die die meisten von uns erlebt haben. Neben zahlreichen Todesfällen unter den führenden Personen dieser Welt (Queen Elisabeth II., Papst Benedikt XVI., Michail Gorbatschow, Shinzo Abe), Künstlern (Sidney Poitier, Meat Loaf, Ali Mitgutsch), Wissenschaftlern (Frank Drake, Sonnfried Streicher, Colin J. Campbell, Klaus Peter Sauer) und Sportlern (Uwe Seeler, Pele) starben auch Persönlichkeiten wie der „Airport-Man“ Mehran Karimi Nasseri und „Brocken-Benno“ Schmidt.
Auch in Sachen Zoologie und Kryptozoologie war einiges los. Wie hier üblich lassen wir die „Phänomene-Kryptozoologie“ gerne außen vor und konzentrieren uns auf den realistischen Teil. Das reicht bereits, um einen ganzen Beitrag zu füllen:
Januar
Israel: Goldfische können Auto fahren. Forscher der Ben-Gurion-Universität haben einen fahrenden Apparat entwickelt, den Goldfische steuern. Zentraler Punkt ist ein kleines Aquarium mit einem Sensor. Schwimmt der Goldfisch gegen eine der Scheiben, erkennt der Sensor dies und fährt den Apparat in die entsprechende Richtung. Ziel war eine Untersuchung der Orientierung der Tiere im Raum. Heraus gekommen ist, dass Goldfische weniger Fahrstunden brauchen, als ein deutscher Fahrschüler.
Quelle: ein Science-Paper
Februar

Bulgarien: Möglicherweise überlebten Auerochsen länger als das bisher benannte Aussterbedatum 1627. In einem kaum beachteten Paper hat Zlatozar Boev vom Naturhistorischen Nationalmuseum in Sofia Ergebnisse zu einer archäologischen Grabung veröffentlicht. Im Zentrum Sofias hat er eine Müllkippe aus der Zeit zwischen etwa 1650 und 1750 ausgegraben und dabei ein Fragment eines Auerochsenschädels gefunden.
Die Dicke und Form des Hornzapfens deuten dabei laut Beov eindeutig auf einen nicht domestizierten Auerochsen hin. Quelle: Die Arbeit im Volltext
Frankreich: Mit der Strandung eines 10 m langen, juvenilen Buckelwals am 10.2.22 bei Calais beginnt ein ebenso faszinierender wie trauriger Reigen von Großwal-Präsenzen und -Strandungen im Bereich südliche Nordsee – Ärmelkanal.
Das Tier war im Vorfeld mehrere Monate in der niederländischen und belgischen Nordsee unterwegs und wurde auch beim Fressen beobachtet.
USA – Oregon: Am Rockaway Beach, an der Pazifikküste Oregons ist ein Globster gestrandet. Aufgrund des Verwesungszustandes konnte er als Wal, ohne genauere Klassifikation identifiziert werden. Quelle u.a. Oregon News. Eine weitere Recherche brachte keine Ergebnisse.

Er wird nicht der einzige Globster in Oregon dieses Jahr bleiben. Im Oktober strandet ein wesentlich größerer Globster nahe Florence, ca. 180 km südlich. Quelle: New York Post. Hier wurde die Identität als Furchenwal geklärt.
März
Nordpazifik: Es gibt Neues von der Steller’schen Seekuh. Nein, kein lebendes Exemplar ist irgendwo aufgetaucht, aber einige neue Erkenntnisse konnten auch an Skeletten und aus Gewebeproben gewonnen werden. Genaueres hier.

Hell Creek Formation: Wie In Blitz ist eine Studie von Paul, Persons und van Raalte eingeschlagen, die die Art Tyrannosaurus rex in drei Arten aufteilt: T. rex, T. regina und T. imperator. Paläontologisch und paläoökologisch erscheint die Arbeit trotz der geringen Stichprobengröße weitgehend sauber, taxonomisch jedoch nicht, beide neue Namen sind vermutlich mindestens fraglich. Mehr hierzu in der Presseschau 5/22.
Sydney: Bei einem am Straßenrand gefundenen „Micro-Alien“ handelte es sich trotz zahlreicher Spekulationen um einen frisch gekeimten Samen einer Pflanze. Fotos dieses Objektes werden immer mal wieder in unterschiedlichen Medien als „Alien“ gepostet.
Siehe auch hier: „Das Sydney Alien„.
Berlin, Bordesholm, Georgien: Der Almasti-Nagel ist biologisch und genetisch analysiert worden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse steht noch aus, sie soll im kommenden Jahrbuch für Kryptozoologie erscheinen. Erste Ergebnisse gibt es aber bereits hier.
Newlyn Harbour, England: Fast am westlichen Ende Cornwalls ist ein Grönlandhai oder Eishai (Somniosus microcephalus) gestrandet. Leider konnten die Mitarbeiter des Cornwall Wildlife Trust den Kadaver zunächst nicht sichern. Ein Anbieter von Bootstouren konnte ihn jedoch finden und bergen. Das ermöglichte eine ausgiebige Untersuchung, die unter anderem Folgendes herausbrachte:
- Der Hai war vermutlich etwa 100 Jahre alt und 3,96 m lang
- Das Tier war in einem schlechten Allgemeinzustand und vermutlich lebend gestrandet
- Es litt unter einer Bakterien-Meningitis, also einer Hirnhaut-Entzündung. Sie verursachte vermutlich auch eine Desorientierung, die am Ende zum Aufstieg und zur Strandung führte.

April
Sibirien: Eine neue Arbeit über die Geschehnisse am Djatlow-Pass ist erschienen. 1959 kamen an einem Pass im Ural 9 junge Bergwanderer ums Leben. Häufig deuten Verschwörungsfans die auf den ersten Blick mysteriösen Umstände als Werk von Yetis, Außerirdischen oder super-geheimen und genauso gemeinen sowjetischen Behörden.
Die Autoren analysieren alles Bekannte und kommen zu einem anderen Schluss. Im Großen und Ganzen bestätigt die Arbeit ältere Untersuchungen russischer Behörden. Die Arbeit ist immerhin in Nature erschienen: Originalarbeit
Mexiko: Angeblicher Biss eines Megalodon war dann doch nur ein Schubser eines Artgenossen. Jalil Najafow hat vor der mexikanischen Pazifikküste bei Ensenada fotografiert, der einen gewaltigen Gebissabdruck an der linken Körperseite trägt. In den sozialen Medien wird gerne von einem Megalodon-Biss spekuliert. Letztlich konnten wir darstellen, dass es sich nicht um einen echten Biss handelt und der beißende Hai auch gar nicht so viel größer als sein „Opfer“ war: Link zum Artikel
Mai
Flores / Indonesien: Mit der These, die „Ebu Gogo“ seien die kulturelle Erinnerung an Kontakte mit dem Zwergmenschen Homo floresiensis ist der australische Anthropologe Geregory Forth in den Massenmedien gelandet. Nicht weil die These neu gewesen wäre, sondern weil er behauptet hat, es gäbe immernoch Kontakte – und weil er ein Buch geschrieben hat.
USA: Der 2021 als ausgestorben erklärte Elfenbeinspecht existiert möglicherweise noch. Steve Latta, Leiter der Abteilung Naturschutz in der National Aviary, eines der größten US-Vogelparks will seine Rufe gehört und ein lebendes Tier gesehen haben.
Die Bilder haben die typische „Kryptozoologie-Qualität“: externer Link

Apple TV: Keine Frage, „Prehistoric Planet“ war das Medienhighlight des Jahres.
Mit der fünfteiligen Serie ist der BBC und Apple TV ein neues Highlight der Dino-Mockumentarys gelungen. 23 Jahre nach der ersten Serie von „Walking with Dinosaurs“ ist die neue Serie auf den Markt gekommen, zeigt noch bessere Animationen und eine aktuelle Interpretation der Funde. Auch dramaturgisch ist sie sehr gelungen. Die fünf Folgen wurden zwischen dem 23. und dem 27. Mai 2022 über Apple TV ausgestrahlt und waren im Apple-Stream über ein Probe-Abo kostenlos verfügbar.

Deutschland: Anfang des Monats wurde in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen ein Bär von einer Wildkamera aufgenommen.
Frankreich: Am 16. Mai tauchte in der Seine-Mündung ein Orca auf. Leider ist das Tier bereits am 30. Mai an Erschöpfung, Nahrungsmangel und der damit verbundenen Dehydrierung und diversen Infektionen verendet. Bei der Obduktion stellte sich heraus, dass der Wal ein 4,26 m langes Weibchen war, das 1100 kg wog. Der Magen war leer, ein großer Teil ihrer Körperoberfläche waren mit Pilzen der Gattung Saprolegnia befallen. Der Orca hatte zudem eine Kugel im Kopf, die aber nicht todesursächlich war. Warum jemand auf das junge Weibchen geschossen hat, ist unklar, es könnte von „Versuch der Erlösung“ bis zum Gegenteil alles gewesen sein.
Juni
Am 16. Juni hielt sich an einem Strand der Ostseeinsel Rügen ein leibhaftiges Walross auf. Das junge Weibchen war gut genährt und hatte etwa 2 bis 2,3 m Länge und bereits beeindruckende Stoßzähne. Es verließ die größte deutsche Insel bereits am Abend wieder, vermutlich um nicht kurtaxepflichtig zu werden.

Dies sollte nicht die letzte Walross-Meldung 2022 sein:
- Am 6. Juli starb „Stena“, ein Walross, das sich an die Südküste Finnlands, tief in der Ostsee, verirrt hatte
- Eine Walrossdame, später Freya genannt, hatte sich im Oslofjord eingerichtet und war dort zur Besucherattraktion geworden. Das wurde den Verantwortlichen zu viel und dem friedlichen Tier wurde ein Hang zur Aggressivität nachgesagt, so dass man es am 14.8. eingeschläfert hat.
- Im September machte sich ein Walrossweibchen auf den ostfriesischen Inseln breit. Es wurde zuvor in Dänemark gesichtet. Mutmaßlich handelt es sich um das selbe Tier, das im März im Südwesten von Irland beobachtet wurde. Zuletzt wurde es am 30.9. in Harlingen, Niederlande gesehen. Offenbar ist es in den Niederlanden geblieben, denn zwischen dem 5. und 13. November gibt es zahlreiche Sichtungen aus dem Bereich der äußeren Osterschelde und Westkapelle.
Der 2. Teil unseres Jahresrückblickes wird am 26. Januar erscheinen.