Warum Bigfoots uns entführen…

… und wir sie trotzdem nicht verraten:

Erzählmotive der Kryptozoologie und der kryptozoologischen Popkultur

Kryptide begegnen uns nicht nur in alten Sagen, verwackelten Youtube-Videos oder – im besten Falle – in der Natur, sondern auch in der Popkultur. Bücher, Filme, Hörspiele, Bilder, Schmuck uvm. zeigen Drachen, Einhörner, Bigfoots, Nessies oder Seemonster.

In Kinderbüchern

Auf einer Kinderbuchmesse 2016 fiel mir das reich illustrierte Buch „Yeti Pleki Plek“ von Benjamin Chaud (Illustration) und Eva Susso (Text) aus Schweden auf. Die Geschichte ist folgende: Zwei Brüder im Kindesalter verlaufen sich im verschneiten Wald. Sie stoßen mit dem Ausruf ,,Es gibt ihn also wirklich‘‘ auf einen Yeti, der die beiden kurzerhand über die Schulter wirft und mit in seine Höhle nimmt, wo noch ein älterer Yeti lebt. Entgegen der anfänglichen Befürchtung der beiden Kinder sollen sie dort aber nicht verspeist werden, sondern das Ganze stellt sich als gemütliches Beisammensein bei Feuer und Suppe heraus.

Künstlerische Darstellung einer Bigfoot-Entführung

 

Gesprochen wird von Seiten der Yetis nur in Form von lautmalerischen Ausdrücken und hauptsächlich durch die Worte „Yeti Pleki Plek“. Mit einer aus Holz geschnitzten Eule als Gastgeschenk bringt der Yeti die Kinder nach einer Weile wieder sicher zurück zum Elternhaus. Sie versprechen, niemandem vom Yeti zu erzählen. Zuhause angekommen aber entdecken sie eine aus Holz geschnitzte Eule auf dem Kaminsims ihres Vaters, wie sie sie vom Yeti bekommen haben. Auch der Vater war also schon zu Gast beim Yeti – und hat ebenfalls geschwiegen. Am Ende freuen sich dann alle offen darüber, den „Yeti Pleki Plek“ kennen gelernt zu haben.

 

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Yeti Pleki Plek

Yeti Pleki Plek ist 2015 bei Snowmannen erschienen und hat 32 Seiten voll mit hinreißenden Zeichnungen. Der Herausgeber empfiehlt es für Kinder von 3 bis 6 Jahren.

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„Es gibt ihn also wirklich“

Mit diesem Ende bietet das Buch gleich die Erklärung dafür, warum im kollektiven Bewusstsein der Menschen der Yeti zwar durchaus vorkommt (,,Es gibt ihn also wirklich‘‘), er aber kein klassifiziertes Tier ist wie andere. Interessant ist, dass er in dieser Form nicht nur in der Fauna des Himalayas vorkommen kann, sondern auch in den schneebedeckten Weiten Schwedens. Dem Umstand, dass die beiden Kinder – wie schon der Vater vor ihnen – tatsächlich über ihre außergewöhnliche Begegnung schweigen (würden), liegt vielleicht dieselbe Motivation zugrunde, die in einem anderem Beispiel für Kryptiden in der Populärkultur vorkommt: Im Spielfilm und gleichnamigen Buch „NESSIE. Das Ungeheuer von Loch Ness“ von 1996 könnte die Hauptfigur des Films/Buchs Jonathan Dempsey die Existenz Nessies zwar beweisen, aber er verzichtet auf diesen Entdeckerruhm, da er vom „Hüter des Sees“ darum gebeten wird.

Erstens war es nicht seine Wissenschaft, sondern ein Kind, das ihn das sagenhafte Seemonster entdecken ließ, und zweitens habe die kleine Population an Nessies ohne den Einfall der Wissenschaft und der neugierigen Presse aus aller Welt weitaus bessere Überlebenschancen.

 

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Die drei ??? und das Bergmonster

Die drei Fragezeichen und das Bergmonster ist 1979 bei Franckh-Kosmos erschienen und als gebundenes Buch, Paperback und Hörspiel verfügbar. Wie die meisten drei ???-Romane ist es nur noch antiquarisch erhältlich.

 

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Dieses Argument, nämlich die mitunter lang gesuchte, unbekannte Tierart aus Artenschutzgründen nicht zu „verraten“, finden wir als Erzählmotiv auch am Ende des Hörspiels „Die drei ??? Das Bergmonster“. Hier geht es neben einem handfesten, menschengemachten Identitätsdiebstahl auch um ein Monster à la Bigfoot oder Yeti, das riesige Fußabdrücke hinterlässt – doch mehr sei nicht verraten.

Ein Yeti Pleki Plek von 1924

Albert Ostman
Albert Ostman, viele Jahre nach den Ereignissen

Zurück zu unserem Yeti Pleki Plek: Kommt euch das Motiv eines Affenmenschen, der Menschen in seine Höhle entführt, nicht bekannt vor? Aber ja: 1957 berichtete der kanadische Holzfäller Albert Ostman dem Journalisten John Green, er sei 1924 von einem Sasquatch entführt und mehrere Tage lang gefangen gehalten worden. In dieser Zeit sei er Zeuge des Familienlebens der Affenmenschen geworden. Die Flucht gelang ihm schließlich mithilfe seines Schnupftabaks. Michele Meurger untersucht in seinem Artikel „Tabaksüchtige Riesen. Das Missgeschick des Holzfällers Albert Ostman – Erlebnisbericht oder Erzählmotiv?“ Ostmans Aussagen basierend auf der detaillierten Analyse von John Greens Bericht. Er nennt eine weitere Entführungsgeschichte und zeigt auf, dass die jeweils verwendeten Motive ihren Ursprung in einem kleinen Korpus burlesker Geschichten europäischer und amerikanischer Folklore haben. Allen Interessierten sei unser Jahrbuch für Kryptozoologie empfohlen, in dem dieser Artikel veröffentlicht wird.

Popkultur als Spiegel

Wenn sie sich in der Natur unserem Zugriff auch entziehen, – vielleicht ist es manchmal sogar wirklich besser so – sind uns viele Kryptide durch die Popkultur und ihre Erzählmotive doch zugänglich und vertraut. Und ganz im Sinne der Idee, dass uns Musik, Kunst, Literatur, Film, TV, Computer usw. gesamtgesellschaftliche Vorlieben und Entwicklungen anzeigen, steht für mich jedenfalls fest, dass wir gerade das Geheimnis, das Kryptide umgibt, in unseren Erzählungen und unserem alltäglichen Leben nicht missen wollen.


Literatur:

Susso, E. & Chaud, B.: Yeti Pleki Plek; Snowmannen Verlag, 2015

Carey, A., Arthur, R. & Hitchcock, A.: Die drei Fragezeichen und das Bergmonster; Franckh-Kosmos Verlags-Gmbh & Co. KG, 1979