Wolfsangriffe 1: Frankreich im Mittelalter und der frühen Neuzeit

Autor Karl-Hans Taake hat für diese Arbeit eine Reihe historischer Texte über mutmaßliche Wolfsangriffe in Frankreich vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert analysiert. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf den räumlichen und zeitlichen Verteilungsmustern mehrerer Serien dieser Angriffe. Darüber hinaus hat er einen Bericht über eine Reihe von Angriffen in Deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg studiert.

 

Erstaunlich viele Tote durch Wolfsangriffe

Der französische Historiker und Universitätsprofessor Jean-Marc Moriceau veröffentlichte 2016 sein Buch Histoire du méchant loup (übersetzt: Geschichte des bösen Wolfs). Darin publizierte er die Ergebnisse seiner Forschung zu den potenziellen Angriffen räuberischer und tollwütiger Wölfe auf Menschen im historischen Frankreich. Er hat Daten zu 8672 Angriffen „räuberischer Wölfe“ zu 3731 Angriffen „tollwütiger Wölfe“ gesammelt. Ein „Sonderfall“ mit mutmaßlich 6000 Opfern am Ende des 16. Jahrhunderts in der Westbretagne kommt noch hinzu.

 

Sind sie für die Wolfsangriffe verantwortlich? Heulender Grauwolf
Eines der Stereotypen um den Wolf ist der „heulende Wolf“, im 15. Jahrhundert sicher ein verbreitetes Geräusch

 

Auf der Grundlage historischer Quellen und Projektionen schätzt Moriceau, dass die Angriffe von räuberischen (nicht tollwütigen) Wölfen in Frankreich von 1571 bis 1870 zwischen zwei und 1475 Opfern (verletzt oder tot) kosteten. Die niedrigsten Zahlen mit zwei bis drei jährlichen Opfern entstanden in den Jahren 1841 bis 1870. Im Zeitraum von 1571 bis 1600 gab es bis zu 1475 Opfer pro Jahr.
Vergleichbare Zahlen von Wolfsangriffen gibt es in keinem anderen Land. Dies ließ Taake aufhorchen, er hat in den von Moriceau untersuchten Texten nicht nur die Zahlen, sondern auch Einzelbeobachtungen untersucht.

 

 

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Deutschlands wilde Wölfe

Lange waren sie ausgerottet, doch langsam kehren sie zurück: frei lebende Wölfe in Deutschland. Dass sie keine Bestien sind, sondern Wildtiere mit ausgeprägtem Familienleben, zeigt dieser Bildband in faszinierenden Bildern von Wölfen in freier Natur. Der Biologe, renommierte Naturfotograf und Filmemacher Axel Gomille räumt auf mit den Märchen über dieses faszinierende Tier, das bald wieder seinen Platz in Deutschlands Wäldern einnehmen wird.

 

Deutschlands wilde Wölfe ist 2017 bei Frederking & Thaler erschienen und hat 168 Seiten. Als gebundenes Buch kostet es € 29,99, für den Kindle ist es günstiger.

 

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Im 100-jährigen Krieg

Der 100jährige Krieg prägte Frankreich und England im Spätmittelalter. Dieser Abnutzungskrieg begann als 1377 als Aneinanderreihung von Auseinandersetzungen. Er zog sich mit Unterbrechungen bis 1453 hin. Einer der Hintergründe war die Rolle des englischen Königs, der in Personalunion auch Herzog von Aquitanien und somit auch für den französischen Thron erbberechtigt war. Hinzu kamen innerfranzösische Konflikte in Südwestfrankreich, hauptsächlich zwischen Armagnac und Bourguignon. Hinzu kam zu Beginn des Krieges die erste große mittelalterliche Pest-Epidemie, die 1348 und 1349 ganz Frankreich überzog.

 

 

Schlacht von Auray, der 100jährige Krieg war Hintergrund zahlreicher Wolfsangriffe
Chroniques von Jean Froissart – zeitgenössische Miniatur der Schlacht von Auray 1364

 

Schon bald war Frankreich durch den ständigen Bedarf an Soldaten, Zerstörungen und Plünderungen durch die Heere und die Kriegswirtschaft ausgelaugt. Städte und Dörfer waren zerstört. Deserteure und Männer, die vor der Rekrutierung geflüchtet waren, lebten in Form von Räuberbanden in den Wäldern. Auf dem Land und in den Städten fehlten überall Arbeitskräfte, Langzeitkulturen wie Obst und Wein mussten mühsam wieder aufgebaut werden. Oft fehlte mit den Männern auch das Knowhow für Spezialkulturen.

Fehlende Genauigkeit der Aufzeichnungen

In dieser Zeit waren es häufig nur die Kirchen, die überhaupt noch Chroniken schrieben. Die Pastoren waren zwar der Schrift und ihrer heiligen Schrift mächtig, sonst aber nicht unbedingt gebildeter, als ein durchschnittlicher Dorfbewohner. Daher enthalten ihre Berichte über Wolfsangriffe laut Moriceau wahrscheinlich Vereinfachungen und Verzerrungen, insbesondere wenn der Autor kein Augenzeuge der Ereignisse war.

 

Ist der 100jährige Krieg Hintergrund der Wolfsangriffe?
Die Schlacht von Azincourt in einer zeitgenössischen Darstellung

 

Dennoch argumentiert Moriceau, dass die Genauigkeit und die Anzahl dieser Zeugnisse ausreichen, um die Zweifel zu zerstreuen. Ab 1421 sind Wolfsangriffe auf der Île-de-France belegt. Bis 1439 sollen dort Dutzende Menschen getötet worden sein, einige innerhalb der Stadtmauern von Paris. „Zu dieser Zeit, besonders als der König in Paris war, waren die Wölfe so eifrig, das Fleisch von Männern, Frauen oder Kindern zu essen, dass sie in der letzten Septemberwoche (1439) 14 kleine und große Personen töteten (…) und wenn sie eine Viehherde fanden, sie griffen den Hirten an und ließen die Tiere in Ruhe.“ Im November 1439 wurde ein „schrecklicher und schrecklicher Wolf“ getötet, der angeblich für „mehr Schmerz als alle anderen [Wölfe]“ verantwortlich war.“ Die Chroniken beschreiben diesen Wolf als schwanzlos und nannten ihn Courtaut.

 

Am Ende des Hundertjährigen Krieges wurden die Leichen von Gefallenen, nur oberflächlich „in Dörfern und Feldern“ begraben. So konnten die Wölfe sie ausgraben.

 

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Wolfsbegegnungen: Von Wölfen in freier Wildbahn

Wölfe faszinieren Jürgen Borris seit mehr als 50 Jahren. Schon als Kind zog es ihn hinaus in die Natur, später las er begeistert Jack Londons Wolfsblut. Als junger Mann reiste er ins finnische Karelien und fotografierte dort seine ersten frei lebenden Wölfe. Die Tiere ließen ihn nicht mehr los – und zu Beginn des neuen Jahrhunderts bekam Jürgen Borris als erster Fotograf das aus der Lausitz eingewanderte Rudel in der Lüneburger Heide vor die Kamera. In »Wolfsbegegnungen« nimmt der mehrfach ausgezeichnete Naturfotograf aus dem niedersächsischen Solling die Leserinnen und Leser mit zu seinen Begegnungen mit den Wölfen.

 

Wolfsbegegnungen ist neu, am 31. März 2021 bei Müller Rüschikon erschienen und hat 160 großformatige Seiten. Es ist als gebundenes Buch für € 29,90 erhältlich.

 

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Tollwut oder Konditionierung?

Karl-Hans Taake hat diese Berichte der Wolfsangriffe analysiert und kommt zu mehreren Schlussfolgerungen. So wird das Wort „enragé“, „Wut“ verwendet. Dies und die Tatsache, dass nicht nur Frauen und Kinder, sondern auch erwachsene Männer angegriffen wurden, interpretiert er als Anzeichen für tollwütige Tiere.

Andere Berichte, nach denen die Angreifer das Vieh ignoriert haben, deutet er in anderer Weise. So zweifelt er an der Bestimmung der Angreifer als Wolf, insbesondere wenn ungewöhnliche morphologische Merkmale beschrieben werden. Das Wort „court“ bedeutet „kurz“. „Courtaut“ würde also „Kurzschwanz“ bedeuten. Kurzschwänzige Raubtiere fielen auch 1751 in Frankreich und in den 1670ern in Deutschland Menschen an.

 

Die Hugenottenkriege (1562 – 1598)

Kaum hatte sich die Bevölkerung wirtschaftlich und sozial vom Aderlass des 100jährigen Krieges erholt, begann mit der einsickernden Reformation der nächste Konflikt. Sieben kurze und ein mehr als achtjähriger Konflikt endeten schließlich in einem Toleranzedikt Heinrich IV. und – erneut – in einem ausgelaugten Land, das politisch nun auf ein zentralistisches Königtum ausgerichtet war.

 

Hugenottenkriege
Le massacre de la Saint-Barthélemy, die blutige Bartholomäusnacht des Jahres 1572, gemalt von François Dubois (1529–1584)

 

„Am Ende der Religionskriege, die städtische und ländliche Gebiete mit Feuer und Blut bedeckten, finden sich in den Erzählquellen zahlreiche Hinweise auf [Wolfs]-Angriffe.“, zitiert Taake Moriceau. Doch er ist mit diesem Schluss nicht einverstanden. Zahlreiche Quellen aus der Provinz Velay und der Bretagne belegen scheinbar Wolfsangriffe in den Häusern. Offenbar waren die angreifenden Wölfe Menschenfleisch gewohnt, da sie sich an unbestatteten Leichen bedienten. Zweifel hat Taake ebenfalls an der Aussage, dass den Wölfen das Vieh auf den Weiden egal war und die Wachhunde in einen Hinterhalt lockten und töteten. Der zeitgenössische Chronist Moreau interpretierte Wölfe, die so klug handelten als Werwölfe.

 

Werwölfe oder nur Gerede?

Moriceau betrachtet es als Zeichen von Moreaus Glaubwürdigkeit, dass Moreau sich von jenen Zeitgenossen distanziert, die glaubten, dass die Wölfe, die so klug handelten, Werwölfe waren. Schöller, der Wolfsangriffe im historischen Deutschland analysierte, betont dagegen, dass diese „verallgemeinerte, vage und ungenaue Aussagen in den Quellen über Wölfe, (…) die ein bloßes atmosphärisches Bild liefern, ohne genau anzugeben, wo und wann genau welche Tiere und Menschen unter welchen Umständen Opfer von Wölfen wurden“. Sie sollten mit Vorsicht interpretiert werden. Dies ist umso relevanter, als die chronikführenden Gemeindepfarrer zur Zeit der französischen Religionskriege zwischen „Opfern von Wölfen“ und „anderen Wildtieren“ unterschieden.

 

Moriceau, so Taakes Kritik folgt dieser Differenzierung nicht. Er bezeichnet praktisch alle menschenfressenden „Bêtes“ („Bestien“, die in Frankreich in historischer Zeit aufgetaucht sind, als Wölfe. Darüber hinaus kann die mündliche Weitergabe von Berichten über einen Angriff ohne Übermittlung des Namens des Opfers oder des Datums und des Ortes des Angriffs zur Folge haben, dass ein einzelner Angriff in Quellen als mehrere Angriffe erscheint.

 

Wolf auf einem bemoosten Felsen
Rezenter Grauwolf

 

Aus zoologischer Sicht wäre es sehr ungewöhnlich – so argumentiert Taake weiter – wenn Wölfe das Vieh auf den Feldern ignorieren und stattdessen Menschen angreifen würden. Selbst ein einzelner, unbewaffneter Mensch ist verglichen mit einer Ziege oder einem Schaf eine wehrhafte Beute. Ein einfacher Ast als Knüppel erhöht die Durchsetzungsfähigkeit gegen einen Wolfsangriff noch einmal deutlich.

 

Umkehrung der Kausalität?

Wenn Wolfsangriffe zur Zeit der Hugenottenkriege tatsächlich in größerem Umfang stattgefunden hätten (was Taake nicht für belegt hält), hätte es einen ganz anderen Kausalzusammenhang zwischen unbestatteten Körpern und Wolfsangriffen auf geben können. Moreau (wieder dieselbe Quellenerzählung) berichtete laut Moriceau, dass in der unteren Bretagne „am Ende der Religionskriege die Leichen über die Stadtmauern geworfen wurden, damit sie von Wölfen oder Hunden gefressen zu werden“.

Wölfe sind fakultative Aasfresser. Durch eine übermäßige und leicht verfügbare Versorgung mit „Nahrung“ in unmittelbarer Nähe menschlicher Gemeinschaften oder sogar innerhalb von Siedlungen könnten zu einer positiven Konditionierung der Wölfe geführt haben. Dies wiederum wird dann zu gefährlichen Auseinandersetzungen zwischen Wolf und Mensch führen.

 

Wurde Aasfressen als Wolfsangriff interpretiert?
Wölfe sind auch Aasfresser, wenn sich die Gelegenheit bietet. Und die bot sich im zusammengebrochenen Frankreich der frühen Neuzeit oft.

 

Oder sind Wolfsangriffe nur eine einfache Erklärung?

Zur Zeit der französischen Religionskriege ereignete sich die dramatischste Serie von Wolfsangriffen, die jemals irgendwo gemeldet wurde: „In der Diözese Cornouaille [in der Bretagne] sollen mehr als 6000 Einwohner verschwunden sein. Sie wurden von Wölfen in den Wäldern und Wäldern verschlungen, wohin sie sich vor dem Krieg zurückgezogen haben.“

 

Also kamen laut dieser Quelle, mehr als 6000 Menschen, die hatte versucht hatten, vor den Kriegsgräueln in die Wälder zu entkommen, nicht zurück. Taake hält den Schluss zu kommen, dass diese Menschen von Wölfen getötet wurden, zu Recht für eine sehr gewagte Interpretation: Kriegsflüchtlinge versuchten, in Wäldern zu überleben, sahen sich ganz anderen Gefahren gegenüber, als Wolfsangriffen. Hierzu gehörten Unterernährung, Unterkühlung, Infektionskrankheiten und körperliche Gewalt. Dazu bestand mit Sicherheit die Gefahr, dass Truppen diese Menschen fanden und töteten oder gefangen nahmen.

 

Die Regentschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV (1643 – 1715)

Der Sonnenkönig, Ludwig XIV. ist einer der bekanntesten Herrscher der französischen Geschichte. Sein zentralistisch geführter Hof mit all dem Prunk eines Sonnenkönigs könnte indirekt eine wichtige Rolle bei den zahlreichen „Wolfsangriffen“ auf Hirten zu jener Zeit gespielt haben. Taake kann dies mit Zahlen und einer eindrucksvollen Statistik belegen.

 

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Deutschlands Wölfe

Die vierteilige Reihe, gedreht von 2002 bis 2012 zeigt beeindruckende Bilder, die das Familienleben der Urväter unserer Hunde dokumentiert und beweist, wie ähnlich sich die Sozialstrukturen von Menschen und Wölfen sind. Als Highlight gelangen einzigartige Aufnahmen von Wolfswelpen, die von einer in Freiheit lebenden Wölfin geboren wurden. Von und mit den international ausgezeichneten Tierfilmern Uwe Anders, Sebastian Koerner und Holger Vogt, die die Arbeit von Deutschlands renommiertesten Wolfsforscherinnen Gesa Kluth und Ilka Reinhardt begleiten.

 

Deutschlands Wölfe ist 2012 erschienen und läuft 3 h mit deutschem Kommentar.

 

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„Unter Ludwig XIV. … erreichten die Aggressionen [der Wölfe] gegen junge Hirten ihren Höhepunkt …“. Dies wirft die Frage auf, warum dieses Risiko unter seiner Herrschaft besonders hoch war. Das Land erlebte eine goldene Periode von Kunst, Wissenschaft und Architektur. Moriceau vermutet einen kombinierten Effekt einer sorgfältigeren Registrierung von Wolfsangriffen zu dieser Zeit und einer zunehmenden Aggression von Wölfen. Diese könnte auf die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen zurückzuführen sein: Ludwig XIV. hielt als erster französischer König ein stehendes Heer auch in Friedenszeiten. Diese 280.000 Soldaten, ihre Pferde und Zugtiere mussten versorgt werden: Trotz Ausdehnung des Landes ins heutige Belgien musste der Ertrag der Landwirtschaft gesteigert werden. Dies ging nur über Urbarmachung – und vertrieb die Wölfe und ihre Beutetiere.

 

Versailles
Das Schloss Versailles zeigte eine Prachtausprägung, die es so nur an wenigen Höfen gab.

Zahlreiche Cluster von Wolfsangriffen

Moriceau präsentiert 26 Angriffscluster zwischen 1631 bis 1817. Die Tabelle enthält sieben Cluster von Wolfsangriffen mit einer geschätzten Gesamtzahl von mehr als 1800 menschlichen Opfern während der Regierungszeit Ludwigs XIV. Die Tabelle enthält nicht alle Angriffe während dieser Zeit. Moriceau schätzt, dass Wölfe während der Regierungszeit Ludwigs XIV. zwischen 95 und 175 Menschen pro Jahr verletzt oder getötet haben.

 

Taake fand eine spannende geographische Verteilung der Angriffsorte. Hirten sahen sich zur Zeit Ludwigs XIV. nicht nur einem besonderen Risiko von Wolfsangriffen ausgesetzt. Ihr Risiko stieg dramatisch an, wenn sie in einem Umkreis von etwa 150 Kilometern um den König bzw. das politische Zentrum aus Versailles und Paris lebten. Sowohl ein zeitlicher als auch ein räumlicher Aspekt weisen also auf Ludwig XIV. hin.

 

Statistik der "Wolfsangriffe" in Abhängigkeit der Entfernung von Versailles

 

Die Menagerien des Königs

Hier kommt nun das Sonnenkönigtum, also die für damalige wie heutige Zeit ungeheure Prachtentfaltung Ludwig XIV. zum Tragen. Taake fand heraus, dass in Vincienne (Paris) und Versailles Menagerien gebaut wurden, in denen Großkatzen und andere Tiere gehalten wurden. Damals war es noch üblich, Zuschauer mit Tierkämpfen und Tierhatzen zu unterhalten.
Ludwig XIV. übernahm hier bereits lange gepflegte Traditionen, exotische Tiere als Symbol der Macht zu zeigen. Aufgrund seiner finanziellen und technischen Möglichkeiten konnte er dabei eine seit der Antike nicht mehr gesehene Zahl und Vielfalt von Tieren präsentieren. In den ab 1662 gebauten Menagerien von Versailles sollen Braunbären, Löwen, Tiger, Jaguare und Hyänen gelebt haben.

 

Moriceau stellt in seinem Buch die genauen Orte tödlicher Angriffe in den Jahren 1673 bis 1683 dar. Diese Angriffe fanden in einem Gebiet ca. 30 bis 45 km südwestlich von Versailles statt. Moriceau bezeichnet sie jedoch als „Wolfsangriffe“.

Taake schließt im Gegensatz zu Moriceau, dass es sich bei den Angreifern in diesem Gebiet um Tiere handelt, die aus den Menagerien in Versailles oder Paris entkommen sind. Er vermutet, dass das oder die Tiere nach Südwesten geflohen sind und erst einige Dutzend Kilometer von ihren Ausbruchsorten regelmäßig gejagt haben. Als Beleg hierfür führt er sechs oder sieben Angriffe auf dem direkten Weg zwischen dem späteren Jagdgebiet und Versailles an.

 


Exkurs: Können Wölfe durch Leichenfressen auf den Geschmack kommen?

Eine beliebte Geschichte ist, dass Wölfe durch das Fressen von Leichen auf den Geschmack für menschliches Fleisch kommen. Taake hat dies natürlich untersucht. Er schreibt hierzu, dass sich bei Wölfen „die Wahrnehmung einer lebenden Beute sich stark von der eines Kadavers unterscheidet“.  Er fand keine Beweise dafür, dass Wölfe ihre Angriffe auf eine bestimmte Beutespezies konzentrieren, nachdem sie einen Kadaver eines Tieres dieser Art gefunden und davon gefressen haben. Behauptungen, dass Wolfsjungen zu Menschenfressern erzogen wurden, indem sie mit menschlichem Fleisch gefüttert wurden, das ihre Eltern wieder erbrochen hatten, oder indem sie mit menschlichen Köpfen spielten (François de Beaufort, zitiert von Moriceau) stellt er korrekt in den Bereich fiktiver Geschichten. Wolfsangriffe haben sich dadurch nicht ergeben.


 

Der zweite Teil über Wolfsangriffe, die Bestie von Gévaudan, die Bestie von Limousin und eine Angriffsserie im 17. Jahrhundert in Deutschland kommt nächsten Dienstag an gleicher Stelle.