1000 Lachse für die Sieg

Der Lachs war über viele Jahrhunderte einer der wichtigsten Nutzfische im Stromgebiet des Rheins. Durch Gewässerverbauung und -verschmutzung ging der Fang von bis zu 250.000 Tieren in der frühen Neuzeit bis auf Null zurück. Der Lachs war im Rhein de facto ausgestorben.

Ein großer Fisch springt über ein Wehr mit schäumendem Wasser
Adulter Lachs beim Aufstieg über ein Wehr

Zu Beginn der 1980er ging die Verschmutzung des Flusses langsam zurück, so dass die ersten Junglachse aus Irland eingesetzt werden konnten. Doch der wirkliche Startschuss für die konzertierte Wiedereinführung des Lachses erfolgte nach der Chemiekatastrophe bei Sandoz in Schweizerhalle 1986. Hier war nach einem Chemiebrand Löschwasser in den Fluss gelaufen, das neben einem ungiftigen roten Farbstoff mehrere Tonnen Insektizide enthielt. Dies löste ein großes Fischsterben aus, was schlussendlich auch zum Umdenken vieler Entscheidungsträger führte.

Mit einem fast lächerlich kleinen Budget startete das Projekt Lachs 2000 mit dem Ziel, den Lachs im Rhein bis zum Jahr 2000 wieder heimisch zu machen. Die Maßnahmen waren zahlreich. Insbesondere stellten die Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit vielen anderen Behörden, Vereinen und Privatleuten die natürliche Fließstrecke wieder her und erlaubten es dem Fluss, wieder selbst sein Bett zu suchen. Altauen wurden wieder an das System angeschlossen und Landwirte bekamen Entschädigungen, wenn sie in den Auen nur noch extensiv wirtschafteten. Der Fluss bekam somit mehr Raum. Gleichzeitig verbesserte man die Wasserqualität durch Förderung von modernen Kläranlagen.

Das Programm gilt als sehr erfolgreich, es hat viele Ziele nicht nur erreicht, sondern übertroffen. Mit 63 Arten wurde beinahe die komplette, historische Fischfauna wieder hergestellt. Nur der Stör fehlt (noch?).

Die Sieg wird Lachsfluss

In Nordrhein-Westfalen wurde die Sieg als erster, zukünftiger Lachsfluss ausgewählt. Sie gilt als sehr naturbelassen und hat wenig Altlasten. Die ersten Lachse wurden hier in den 1980er Jahren ausgesetzt. 1993 konnten Wissenschaftler der Landesfischereianstalt an der Sieg die ersten 14 wieder gekehrten Lachse nachweisen.

Mittlerweile werden regelmäßig laichreife Paare in der Sieg beobachtet. Sie bauen Nester und vermehren sich in der Natur. Doch auch fast 30 Jahre nach den ersten Rückkehrern ist noch nicht alles so, wie die Lachse es gerne hätten. Einzelne Wehre in Rheinland-Pfalz erschweren vielen Tieren die Wanderung. So fängt das Landesumweltamt jedes Jahr bis zu 50 laichreife Paare ab und setzt sie in einer Zuchtstation an. Aus den gewonnenen Eiern können die Fischökologen dort 200.000 Jungfische bis zur 1 g-Größe aufziehen. Hiervon können wiederum 50.000 Jungfische noch die 5 g Größe erreichen, bevor sie ausgesetzt werden.

[googlemaps https://www.google.com/maps/embed?pb=!1m18!1m12!1m3!1d114122.26103217063!2d7.290535548085874!3d50.79816700702005!2m3!1f0!2f0!3f0!3m2!1i1024!2i768!4f13.1!3m3!1m2!1s0x47bebe3744d2db37%3A0x3fe98b3478173e6f!2sSieg!5e0!3m2!1sde!2sde!4v1557827224450!5m2!1sde!2sde&w=600&h=450]
Die Sieg ist ein rechter Nebenfluss des Rheines, der etwa auf der Höhe von Bonn in den Strom mündet.

Schulen helfen mit

Am gestrigen Montag (13.05.2019) haben Schüler des Siegener Gymnasiums Morgenröthe sowie der Kreuztaler Grundschule An Dreslers Park etwa 1000 Junglachse im Oberlauf der Sieg ausgesetzt. Die Aktion hat den Kindern viel Spaß gemacht und für die Situation der Lachse in Europa sensibilisiert. Außerdem hat sie das Programm mal wieder in die Presse und damit in die Öffentlichkeit gebracht.

Die Wanderung

Kleine, silberne Lachse mit schwarzen Punkten im Aquarium
Lachs-Smolts in der letzten Süßwasserphase, in einem Aquarium

Jedes Jahr werden unabhängig davon etwa ein bis zwei Millionen junge Lachse in die Nebenflüsse des Rheins ausgesetzt. Die Jungfische werden etwa drei bis fünf, im Extremfall acht Jahre im Süßwasser der Sieg und des Rheines bleiben. Am Ende dieser Phase, mit etwa 15 cm, wandern sie ins Meer. Hierzu ist eine bemerkenswerte Änderung im Wasserhaushalt der Tiere nötig. Als Süßwasserfisch haben sie das Problem, dass durch Körperoberfläche, Kiemen und Magen-Darm-Trakt ständig viel Wasser in den Körper eindringt. Dieses wird über die Nieren ausgeschieden. Beim Wechsel ins Seewasser verliert der Körper auf dem selben Weg jedoch Wasser. Der Fisch trinkt Seewasser, die Nieren müssen das überschüssige Salz abgeben.

Typischerweise leben die Lachse in einer Region vor Westgrönland, wo sie schnell wachsen können. Nach ein bis vier Jahren im Meer erreichen sie etwas mehr als 70 cm Länge und sind zwischen 3,5 und 5,5 kg schwer. Mithilfe der Meeresströmungen lassen sie sich zu ihren Heimatflüssen tragen. Im Mündungsbereich stellen sie ihren Stoffwechsel teilweise wieder auf Süßwasserbedingungen um und beginnen den kraftraubenden Aufstieg. Sie fressen im Süßwasser nichts mehr.

Seit die die Schleusen in Haringvliet an der Rheinmündung im letzten Jahr ein fischfreundlicheres Öffnungsregime erhalten haben, stehen die Chancen für die Junglachse im Rhein besser als je zuvor. Wie viele der ausgesetzten Lachse zurückkehren, wird genau verfolgt. Ihre Heimatflüsse erkennen sie vermutlich überwiegend olfaktorisch, jedoch weichen etwa 5% der Tiere in andere Gewässer aus. So ist vermutlich auch zu erklären, dass nicht alle in der Sieg ausgesetzten Lachse auch in die Sieg zum Laichen zurückkehren, sondern teilweise „einen Fluss zu früh links abgebogen sind“ und auch die Wupper zum Lachsfluss gemacht haben.

Links:

WDR: Artenschutz-Aktion: Schüler lassen 1000 Lachse in der Sieg frei

ISKR: Internationale Kommission zum Schutz des Rheines

Stiftung Wasserlauf: Gewässerschutz und Wanderfische in NRW