Freitagnacht-Kryptos: Die Seeschlange auf der österreichischen Fregatte Navarra

In seinem Werk „Das Leben im Wasser und das Aquarium“ (Hamburg: Vereinsbuchhandlung 1868) geht Gustav Jäger auch auf „Die Seeschlange“ ein (S. 267–272). Neben den üblichen Sichtungen, unter denen er besonders Fälle von Verwechslung herausstreicht, geht Jäger auch auf die zoologisch bekannten, kleinen Seeschlangen ein:

„Glücklicherweise unterscheiden sie sich von ihrer fabelhaften Schwester vortheilhaft durch eine sehr mäßige Größe, denn die größte Art erreicht kaum die Länge von fünf Schuh und die meisten haben nur die Größe unserer europäischen Kreuzotter. Was ihnen aber an Größe abgeht, das ersetzen sie dadurch, daß sie notorisch äußerst giftig und dabei sehr bissig sind. So wird berichtet:

Segelfregatte mit drei Masten liegt in einem stillen Gewässer
SMS Novara im Zustand von 1856, vor ihrer Weltreise.

Tuschezeichnung der Bibliothek der Novara
Für die Weltreise wurde unter anderem ein Teil des Kanonendecks zu einer Bibliothek umgebaut. Zweifellos ging es dort enger als auf der Zeichnung zu.

Kleine Seeschlangen

Als man beabsichtigte, auf den Bassesfelsen, den Ueberresten der von der See verschlungenen Giriinseln, einen Leuchtthurm zu gründen, bemerkte man bei der ersten Landung unter den hunderten und tausenden von Fischen, welche die zahlreichen Höhlen dieser Felsen belebten, eine Menge von Seeschlangen, welche zusammengeringelt da lagen, um der Ruhe zu pflegen; sie nahmen die Störung so übel, daß sie wüthend nach den Stangen bissen, mit denen man die Löcher untersuchte. Nach den angestellten Versuchen ist ihr Gift außerordentlich wirksam, denn große Wasserschildkröten und Fische sterben nach 10–15 Minuten. Die Furcht der eingeborenen Fischer vor diesen Thieren ist somit wohl begründet und wenn, wie dieß hie und da vorkommt – z.B. geschah es auch der österreichischen Fregatte Novara – ein solches Thier wahrscheinlich entlang den Ankerketten an Bord eines Schiffes kommt, so wird alles aufgeboten zu erlegen.“

Auszug aus dem Reisebericht der Navarra

In der „Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde: in den Jahren 1857, 1858, 1859. Beschreibender Teil : mit XV Karten, VII Beilagen und 78 Holzschnitten.“ (Gerold, 1861, 474 Seiten, S. 96–97) liest sich das so:

„Ein Ereigniß ganz merkwürdiger Art brachte die Gemüther plötzlich in eine gewisse Aufregung. Unser verehrter Schiffscapellan verspürte nämlich, als er Abends in seiner Cabine lesend saß, einen eigenthümlichen Druck am Fuße. Der herbeigerufene Diener näherte sich mit einem Lichte dem Boden und gewahrte mit Entsetzen eine ziemlich große Seeschlange (Chorsydrus fasciatus), welche den Fußknöchel des Capellans umschlungen hielt. Gleichsam instinctmäßig schleuderte dieser das giftige Reptil mit einer starken Bewegung des Fußes von sich, während mehrere inzwischen herbeigeeilte Personen bemüht waren, des gefährlichen Eindringlings lebendig oder todt habhaft zu werden. In dem engen Räume einer Schiffscabine ist ein Feldzug rasch beendet.

Längsschnitte und Aufsicht der Novara 1850
Zustand der Novara 1850 als reines Kriegsschiff. Sie galt als das seetüchtigste Schiff der österreichischen Marine

Ausgeblichenes Schlangenpräparat in Alkohol
ausgeblichenes Präparat der Seeschlange Hydrophis fasciatus. Bei ihr könnte es sich um Chorsydrus fasciatus handeln.

„in mehr Stücke zerhauen, als dem Zoologen erwünscht sein konnte“

Die Schlange wurde bald in ihrem Verstecke aufgefunden und im ersten Eifer in mehr Stücke zerhauen, als dem Zoologen erwünscht sein konnte, welcher dieses doppelt interessante Reptil gern möglichst unbeschädigt in Weingeist aufbewahrt hätte. Es war ein ziemlich großes Exemplar, zolldick, von ungefähr drei Fuß Länge und wahrscheinlich an der Ankerkette in die Cabine gekommen.“

Die Fregatte war damals, im März / April 1858, auf dem Weg von den Nikobaren nach Singapur. Der lateinische Name der betroffenen Seeschlange wird heute nicht mehr verwendet.


Literatur:

Jäger, Gustav; 1868: Das Leben im Wasser und im Aquarium, S. 270

von Wüllerstorf-Urbair, Bernhard (1861): Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde: in den Jahren 1857, 1858, 1859. Beschreibender Teil : mit XV Karten, VII Beilagen und 78 Holzschnitten.