Otidiphaps aruensis Cincinnati Zoo by Greg HumeWeißnacken-Fasantaube Otidiphaps aruensis Cincinnati Zoo by Greg Hume
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Die Initiative „The Quest for lost Birds“ ist eigentlich die größte kryptozoologische Organisation der Welt. Die von drei großen Vogelschutzorganisationen finanzierte Einrichtung sucht permanent noch „verschollenen“ Vogelarten, die noch nicht als ausgestorben gelten, aber für die es mehr als 10 Jahre lang keine Nachweise gibt. Jetzt trat sie an die Öffentlichkeit, weil sie die Fergusson-Fasantaube Otidiphaps nobilis insularis wieder entdeckt hat.

Anmerkung: Dieser Beitrag war Teil einer Presseschau am 20.11.2022 und wurde im Zuge der Überarbeitung der Webseite herausgelöst und als eigener Beitrag gepostet.

 

Systematisches Chaos

Im australasiatischen Bereich gibt es keine Hühnervögel, viele ökologische Gilden werden dort von Taubenvögel vertreten. So gibt es auf Neuguinea und einigen vorgelagerten Inseln die Fasanentauben, die dort eine ökologische Nische besetzen, die sonst kleine Hühnervögel nutzen. Sie sind etwa so groß und ähnlich gebaut wie ein Fasan, leben am Boden und fressen Beeren und Insekten. Alle Fasanentauben sind dunkel blaugrün befiedert. Flügel und Rücken sind rostrot. Schnabel und Augenhäute sind kräftig, die Beine blassrot. Jede „Variante“ hat eine andere Färbung des Nackens. Sie gehören unzweifelhaft zu den Taubenvögeln (Columbiformes), wie sie innerhalb der Familie der Tauben (Columbidae) einzuordnen sind, ist umstritten.

Auch die Einordnung der vier „Varianten“

  • Bronzenacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis nobilis), 
  • Graunacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis cervicalis), 
  • Weißnacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis aruensis) und 
  • Fergusson- Fasantaube (Otidiphaps nobilis insularis)

als Unterarten ist umstritten. Je nach Autor handelt es sich um Farbformen, Unterarten oder eigene Arten, wobei die letztere Ansicht sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat. Die Bronzenacken-Fasantaube ist die Nominatform, Otidiphaps nobilis. Dem entsprechend wird die Graunacken-Fasantaube als Otidiphaps nobilis forma cervicalis (als Form), Otidiphaps nobilis cervicalis (im Unterartstatus) oder als Otidiphaps cervicalis (im Artstatus) bezeichnet.

 

Vier Varianten = Vier Arten?

Jede dieser vier „Varianten“ hat ein diskret begrenztes Verbreitungsgebiet, das nicht mit dem einer anderen „Variante“ überlappt. Damit können keine Naturhybriden entstehen, so dass eine nicht-geographische Fortpflanzungsbarriere nicht überprüft werden kann. Würde eine solche bestehen, wären es getrennte Arten. In der Folge folge ich der Mehrheit der Vogelkundler und betrachte die „Varianten“ als eigene Arten.

 

Bronzenacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis)

Bronzenacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis)
Bronzenacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis) aus dem Zoo von Bristol, Foto: Adrian Pingstone

Die Bronzenacken- Fasantaube (Otidiphaps nobilis) lebt im Westen Neuguineas. Sie gilt als ungefährdet, der Jagddruck ist gering, aber sie benötigen unberührten Primärwald. Aktuell wird die Art in 13 europäischen Zoos gehalten, darunter Berlin (Zoo), Köln und Walsrode. Die Zucht gelingt in allen der drei Zoos.

 

Graunacken- Fasantaube (Otidiphaps cervicalis)

Otidiphaps cervicalis Tampa Lowry Park Zoo by Dick Daniels CC SA 30 Graunacken- Fasantaube
Graunacken-Fasantaube Otidiphaps cervicalis aus dem Tampa Lowry Park Zoo by Dick Daniels CC SA 30 (Bestimmung unsicher!)

Die Graunacken- Fasantaube (Otidiphaps cervicalis) lebt im Osten und Südosten Neuguineas. Sie ist tendenziell etwas kleiner als O. nobilis, aber sonst sehr ähnlich. Die Art gilt aus ähnlichen Gründen als ungefährdet. In Europa gab es einen einzigen Versuch der Zoohaltung, ein Einzeltier unbekannten Geschlechts kam 1923 nach London. Über den weiteren Verbleib ist nichts bekannt.

 

Weißnacken- Fasantaube (Otidiphaps aruensis)

Otidiphaps aruensis Cincinnati Zoo by Greg Hume: Weißnacken- Fasantaube
Weißnacken-Fasantaube Otidiphaps aruensis Cincinnati Zoo by Greg Hume

Die Weißnacken- Fasantaube (Otidiphaps aruensis) lebt ausschließlich auf den Aru-Inseln, südlich des „Halses“ von West-Neuguinea. Aufgrund der geringen Größe der Aru-Inseln (etwa 95 Inseln und Inselchen haben zusammen 8500 km², das entspricht der Größe Korsikas) besteht die Gefahr des Aussterbens schon bei kleinen Problemen. In europäischen Zoos hält man diese Art dann auch regelmäßig, in Deutschland in Berlin (Zoo), Duisburg, Köln, Krefeld, Schwerin und Walsrode. Die Nachzucht scheint schwieriger zu sein und gelang nur in Berlin und Krefeld.

 

Fergusson- Fasantaube (Otidiphaps insularis)

Erst die vierte Art, die Fergusson- Fasantaube (Otidiphaps insularis) ist für die Audubon-Society tatsächlich interessant. Sie lebt ausschließlich auf der Fergusson-Insel, einer Insel östlich des „Schwanzes“ von Neuguinea. Die Insel ist mit knapp 1500 km² etwa ein Viertel kleiner als Teneriffa und hatte im Jahr 2000 etwa 22.000 Einwohner. Die Insel gehört zu den mit öffentlichen Verkehrsmitteln am schlechtesten erreichbaren Orten der Welt. Dennoch wurde sie in den Jahren zwischen 1882 und 1901 mindestens von neun ornithologischen Expeditionen besucht, seit dem ebenfalls neunmal.

Fergusson- Fasantaube Otidiphaps nobilis insularis
Illustration der Fergusson-Fasantaube Otidiphaps nobilis insularis aus dem Catalogue of the birds in the British Museum von 1874

 

Eine „Ein-Exemplar-Art“

Dabei wurde die Fergusson- Fasantaube nur 1882 in einem einzigen Exemplar gesammelt. Außer dem Typus-Exemplar haben westliche Wissenschaftler nie wieder ein Vogel dieser Art gesehen. Hier greift die Initiative „The Search for Lost Birds“ ein. Mitglieder dieser Initiative suchen Vögel, die noch nicht als ausgestorben gelten, aber seit mehr als einem Jahrzehnt nicht gesehen wurden.

 

Klassisch kryptozoologische Suche

Folglich machte sich ein Team auf den Weg nach Fergusson und ging dort mit klassisch kryptozoologischen Methoden auf die Suche nach dem Vogel. Mit Plakaten stellte man die Art in den Dörfern vor, hörte sich um und stellte Wildkameras auf. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Bergwälder unter großem Druck von Holzfirmen stehen.

Nach etwa einem Monat auf der Insel ohne ein Lebenszeichen der Insularis-Fasantaube begann man, die Wildkameras wieder einzusammeln. Die Chance, den Vogel jetzt noch nachzuweisen war unter einem Prozent, so der stellvertretende Leiter Jordan Boersma. Doch nur Stunden vor dem Verlassen der Insel fand er auf einer seiner Kameras ein charakteristisches Bild: Helle Beine, rostrote, fast goldene Flügel und ein dunkel grünblauer Bauch. Es war eindeutig eine Fasantaube, die quicklebendig etwa 10 Sekunden vor der Kamera umherlief. Und sie unterschied sich auch farblich deutlich von den anderen drei Formen.

Jetzt geht es darum, den Dorfbevölkerungen der Insel verständlich zu machen, warum der Vogel so wichtig ist und dass sie die einzigen Menschen auf der Welt sind, die ihn schützen können – weil es ihn nur bei ihnen gibt.

 

 

Quellen

Englischsprachige Wikipedia zu Pheasant pigeon

Deutschsprachige Wikipedia zu: Fergusson-Insel, Aru-Inseln,

Audubon.org: Like finding a Unicorn

zootierliste.de

 

Weiterführende Links

Gregg, Jason; Nason, Doka; Boersma, Jordan (September 2020). „Survey of the montane avifauna of Fergusson Island, Milne Bay Province, Papua New Guinea“. Bulletin of the British Ornithologists‘ Club. 140 (3): 309–320. doi:10.25226/bboc.v140i3.2020.a4. ISSN 0007-1595. S2CID 221823968.

Leonard, Pat (17 November 2022). „Lost pigeon found after more than a century“. Cornell Lab of Ornithology.

Kobilinsky, Dana (2022-11-21). „Watch: Rare bird recorded after 140 year-absence to science“. The Wildlife Society. Archived from the original on 2023-09-04

Sottile, Zoe (19 November 2022). „This bird hadn’t been documented by scientists since 1882. Then they captured video of it in Papua New Guinea“. CNN

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.