Kapelle bei BrixenKapelle bei Brixen vor hübscher Landschaft, irgend ein Bild musste ja hier hin
Lesedauer: etwa 10 Minuten

In Südtirol, in der Nähe von Brixen ist eine Leiche entdeckt worden, die offenbar von einem oder mehreren großen Raubtieren schwer zugerichtet ist. Bei dem Toten handelt es sich nach Medienangaben um Albert S., einen Bauern im Ruhestand, der in einem Seniorenheim in der Gegend lebte.

Was ist passiert?

Laut MSN wurde sein Ablauf des Abends wie folgt rekonstruiert:

  • Am Sonntagnachmittag (18.02.2024) machte sich Albert S. aus einem Seniorenheim in Feldthurns auf den Weg in den Nachbarort Pinzagen, das an Brixen grenzt. Dies sind laut google maps etwas mehr als 3 km.
  • In Pinzagen trank er in einem Gasthaus ein Mineralwasser und erzählte dort, dass er noch zu einem Weingut gehen wolle. Dort sollten ihn Freunde im Auto mit ins Seniorenheim bringen.
  • Als er nicht im Seniorenheim ankam, informierte das Heim die Familie von Albert S., die wiederum gegen 21:30 Uhr die Notrufzentrale alarmierte. Feuerwehr, Bergretter und mehrere Suchhunde machten sich auf, Albert S. zu finden, ohne Erfolg.
  • Am Montagmorgen (19.02.) fand ein Ehepaar beim Gassigehen mit einem Hund den Vermissten. Er lag etwa 450 m vom Gasthof (Sportbar Pfeffersberg?) entfernt an einem Wanderweg auf einer Wiese. Der 73-jährige war schwer unterkühlt und wies schwere Verletzungen am Hals, Armen, Ober- und Unterkörper auf. Ein Augenzeuge berichtete Ippen-media, dass ihm Teile des Gesichtes fehlten. Zu seinem Glück war er zu diesem Zeitpunkt ohne Bewusstsein.
  • Da bereits nach ihm gesucht wurde, waren Rettungskräfte schnell vor Ort und konnten den Mann zunächst stabilisieren. In einer ersten Meldung wurde von einer Reanimation gesprochen, dies scheint eine Fehleinschätzung zu sein. Er wurde daraufhin mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Bozen geflogen, so die Feuerwehr. Im Krankenhaus verstarb er gegen 18:20 Uhr am Abend.

 

Pinzagen liegt unmittelbar südwestlich von Brixen

 

Laut Carabinieri wurde der Mann schwer zugerichtet, sie vermuten einen großen Hund, Schakal oder Wolf als Verursacher. Im Krankenhaus wurde bestätigt, dass die Verletzungen zu einem Tierangriff passen. Hier wurden DNA-Proben entnommen.

 

Familie hat einen Wachhund

Die Carabinieri schließen einen kriminellen Angriff mit einem Hund als Waffe aus. Nun wurde bekannt, dass die Familie von Albert S. einen Wachhund besitzt. Dieser könnte ebenfalls als Verursacher in Frage kommen. Die Ergebnisse der DNA-Analyse werden Mittwoch erwartet.

 

Fundort
Der Fundort des Verletzten (Foto: Freiwillige Feuerwehr Tschötsch)

 

Fundort bei Brixen
Der Fundort aus größerer Entfernung. (Foto: Freiwillige Feuerwehr Tschötsch, Facebook)

Der Blätterwald begann zu rauschen, zumal in einiger Entfernung vor ein paar Tagen ein Wolf gesichtet wurde. Spekulationen über einen tödlichen Wolfsangriff nahmen die Schlagzeilen ein, obwohl die Carabinieri eher den Familienhund in Verdacht hatten. Doch dann kam es völlig anders:

Aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft

Bei der makroskopischen Untersuchung konnten zunächst traumatische Verletzungen durch Fremdeinwirkung ausgeschlossen werden. Dagegen scheinen die festgestellten Hautläsionen auf die Einwirkung von Tieren, wahrscheinlich Caniden, zurückzuführen zu sein, da bildliche Exkoriationen vorhanden sind, die auf einen Tierbiss hindeuten. In jedem Fall waren diese Läsionen eher oberflächlich, d. h. sie betrafen keine vaskulären/nervösen Strukturen von signifikanter vitaler Bedeutung, und obwohl sie einen gewissen Blutverlust durch Verletzung peripherer Gefäße zuließen, scheinen sie nicht mit dem Auftreten eines hämorrhagischen Schocks vereinbar zu sein.

 

In Anbetracht der Art, der Lage und der Tiefe der Verletzungen und in Ermangelung signifikanter zuvor bestehender pathologischer Zustände kann der Tod auf die Folgen schwerer Unterkühlung (d. h. Erfrierungen) zurückgeführt werden, ein Umstand, der auch durch die von den Rettungskräften zum Zeitpunkt der Entdeckung festgestellte Körpertemperatur (22 °C) unterstützt wird.

 

Nach der Entnahme der erforderlichen Proben, einschließlich der Proben für histologische und toxikologische Untersuchungen, und der Entnahme von Wundabstrichen für eventuelle genetische Vergleiche (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Patient in einem Krankenhaus untergebracht und behandelt wurde), steht der Erteilung der Genehmigung zur Bestattung des Leichnams aus medizinischer und rechtlicher Sicht nichts mehr im Wege.

 

Dieses Zitat stammt von suedtirolnews.it  in der Fassung vom 21.02.2024, 19:31 Uhr

Zusammenfassung

Kurz zusammengefasst bedeutet die Meldung, dass Albert S. nicht durch Fremdeinwirkung erheblich verletzt wurde. Die festgestellten Tierbisse sind eher oberflächlich, lebenswichtige Blutgefäße wurden nicht verletzt. Der Tod ist letztlich durch schwere Unterkühlung eingetreten, Albert S. hatte nur noch eine Körpertemperatur von 22° C.

 

Ergebnisse einer DNA-Untersuchung an Speichel wurden (noch) nicht veröffentlicht.

 

 

Die Staatsanwaltschaft hat Teile eines Untersuchungsergebnisses veröffentlicht, die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Klar erscheint, dass Albert S. an oder auf dem Wanderweg, an dem man ihn fand, irgendwie zu Fall gekommen sein muss.

Die Gründe, warum der Spaziergang von Albert S. an dieser Stelle endete, können vielfältig sein: Er kann sich selbst verletzt haben, z.B. auf einem Stein umgeknickt sein, er kann einen medizinischen Notfall, von Schwindel bis Herzinfarkt erlitten haben oder seine Körpertemperatur kann bereits hier auf einen Wert gefallen sein, der koordiniertes Laufen nicht mehr zuließ. Dies wird sicher im Bericht des Pathologen zu finden sein. Die Staatsanwaltschaft hat es aber, möglicherweise aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre von Albert S. nicht veröffentlicht. Hierbei muss auch beachtet werden, dass in den italienischen Medien der vollständige Name des Herrn genannt wurde und die Familie in der Nähe lebt.

 

Woran starb Albert S.? Eigentlich geht es uns nichts an

Die direkte Todesursache, Erfrieren bzw. zu geringe Körpertemperatur zu kennen, führt jedoch nur halb zum Ziel. Bemerkenswert an dem Fall sind nun einmal die Bissverletzungen von Schakal, Hund oder Wolf. Diese wurden als nur oberflächlich bestätigt.

 

Wie kommt es zu oberflächlichen Verletzungen durch einen Hundeartigen? Waren es Testbisse eines Fuchses (auch ein Hundeartiger), eines Schakals oder – ja – eines Wolfes, der testen wollte, ob der leblose Körper tot war? War es der Wachhund der Familie, der das Gegenteil beabsichtigte, nämlich ein offenbar schwer mitgenommenes Familienmitglied zum Haus zu bringen, wo Hilfe wäre?

Sicher erscheint in jedem Fall, dass kein großes Raubtier versucht hat, an Albert S. zu fressen. Dann wären ganz andere Verletzungen zu finden gewesen.

 

Gibt es doch noch eine DNA-Analyse?

Wir wissen es nicht, denn wir wissen nicht, wer für die Bisse verantwortlich ist. Die für heute angekündigte DNA-Analyse wurde noch nicht veröffentlicht. Da aber fest steht, dass das oder die Tiere nicht den Tod von Herrn S. verursacht haben, ist die Frage, ob die Staatsanwaltschaft die Analyse überhaupt zu Ende führen lässt. So etwas ist teuer und Ermittlungsbehörden haben nie genug Geld.
Im Sinne einer Klärung für Volkes Stimme, ob hier ein Wolf beteiligt war, wäre jedoch eine Veröffentlichung der Analyse zielführend.

 


 

Tierangriffe in Mitteleuropa – Eine kurze Zusammenfassung

Herr S. ist gestorben, er kann nicht erzählen, was ihm passiert ist. Ein Tier war nicht für seinen Tod verantwortlich, jedoch hat ein oder mehrere Tiere an ihm gefressen, als er noch lebte.

 

Zwei Alpenbraunbären im Schnee
Zwei Alpenbraunbären im Schnee

 

In der Gegend wurde erst vor Kurzem ein Wolf gesichtet, sie gehört aber auch zum zumindest potenziellen Streifgebiet von Bären aus dem Life Ursus-Projekt im Naturpark Adamello-Brenta. Über den Tod eines Joggers und weitere Probleme, die mit den Bären im vergangenen Jahr und in Zukunft auftreten, haben wir bereits einen Artikel veröffentlicht.
Auch wenn Brixen etwa 70 km nordöstlich des Naturparkes liegt: Das ist keine Entfernung für einen Bär, insbesondere, wenn er hungrig ist. Nur wenige Kilometer östlich wurden sie bereits beobachtet und auch, wie sie weiter wanderten – bis nach Deutschland.

Die Frage ist nur, ob sie jetzt, Ende Februar, überhaupt schon aus dem Winterschlaf erwacht sind. Häufig ist es so, dass nicht ausreichend ernährte Tiere früh erwachen und auf die Suche nach Nahrung machen. Ob dies jetzt schon passiert und was an Fallwild zur Verfügung steht, konnte die Redaktion nicht herausfinden. Sicher ist, dass Bären um diese Jahreszeit als besonders gefährlich gelten. Dennoch haben die Behörden und die Presse nie einen Bär in Betracht gezogen.

 

War es ein Wolf oder ein anderer Hundeartiger?

Anhand der Gebissabdrücke werden die Gerichtsmediziner eindeutig zwischen Hundeartigen und Bär unterscheiden können. Goldschakale sind erst seit kurzem in Südtirol nachgewiesen (wir berichteten). In jedem Fall halte ich einen einzelnen Goldschakal (Canis aureus) selbst dann für zu klein und schwach, um sich mit einem ausgewachsenen Menschen zu messen.

 

Goldschakal
Der Goldschakal liegt in der Größe zwischen Wolf und Fuchs

 

Bleibt also ein Hund oder ein Wolf. Für Wölfe bietet die derzeitige Winterlandschaft in Nordtirol das selbe Problem, wie für Bären: Sie liefert relativ wenig Nahrung, die Jagd im Schnee ist zudem kräftezehrend. Hier stellt sich dann allerdings die Frage, wieso sie den Sack nicht zugemacht und ihre Beute nicht gefressen haben. Natürlich kann es sein, dass die Finderin und ihr Hund sie verjagt haben, aber das wiederum hätte die Finderin sicher bemerkt. Hinzu kommt, dass ein Wolf in einer solchen Situation möglicherweise aggressiv auf den Hund der Finderin reagiert hätte („Da kommt ein anderer Wolf und macht mir die Beute streitig!“), entsprechendes wäre erwähnt worden.

Wolfsangriffe in Mitteleuropa

1950 – 2000

Land total fatal
Kroatien 1 0
Estland 1 1
Lettland 12 3
Litauen 22 0
Slowakien / Slowakei 2 1
Europa ohne UDSSR / Russland 38 5

2000 – 2020

Land total grundlos räuberisch Tollwut Tollwut-Verdacht nicht bekannt Angegriffene Tote
Finnland 2 0 1 0 0 1 2 0
Kroatien 1 0 1 0 0 0 1 0
Europa ohne Russland 3 0 2 0 0 1 3 0

 

Angriffe von Hunden auf Menschen

In Deutschland sind zwischen 2000 und 2020 insgesamt 76 Menschen durch Hundebisse ums Leben gekommen. Dies verteilt sich über die einzelnen Jahre wie folgt:

 

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
4 5 6 4 4 5 3 0 5 0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
0 0 8 0 0 3 4 5 4 4
2018 2019 2020 2021 2022 Summe
6 0 6 5 4 85

Quelle: Statista.com Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor

 

Laut dieser hundundhaustier.de kommt es in einem durchschnittlichen Jahr in Deutschland zu ca. 28.000 Verletzungen durch Hundebisse. Sie führen eine Studie zwischen 1979 und 1988 auf, bei der folgendes herauskam:

  • 53% der tödlichen Angriffe erfolgte durch einen einzelnen Hund,
  • 24% der tödlichen Angriffe erfolgten durch zwei Hunde,
  • 8% der tödlichen Angriffe erfolgen durch drei Hunde,
  • 15% der tödlichen Angriffe erfolgten durch vier oder mehr Hunde.
  • Nur 25% der tödlichen Angriffe erfolgten außerhalb des Grundstücks des Hundebesitzers.

 

Haupttodesursache ist dabei nach einer anderen Studie Verbluten (65%) in Folge zahlreicher Verletzungen, Halsverletzungen (35%) und Schädel-Hirn-Trauma (25%) und Infektionen (15%, Mehrfachnennung möglich). In 50% aller Fälle handelt es sich bei dem Angreifer um den Familienhund. (Quelle 1; Quelle 2).

 

Wolf
Wolf im Schnee

 

Zahlen bitte!

Anzahl der tödlichen Angriffe auf Menschen in Mitteleuropa seit dem Jahr 2000:

  • Bären: 1
  • Wölfe: 0
  • Hunde: 76 (nur Deutschland)
  • Jagdunfälle: 65 (Quelle, nur Deutschland)
  • Mensch (Mord): ca. 7200 (nur Deutschland)

 


Quellen

Stol.it vom 19.02.2024

Krone.at vom 20.02.2024

DiePresse vom 20.02.2024 mit Material von APA

innsalzach24.de vom 20.02.2024

msn.com vom 21.02.2024

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.