Puma
Lesedauer: etwa 4 Minuten

Heute morgen kam die Initialmeldung in den Medien:

Am Geiseltalsee soll ein Puma unterwegs sein

Bereits am Freitagabend filmte jemand ein Tier im Bereich des Hafens Braunsbedra am Geiseltalsee. Das Video soll eine Großkatze zeigen, die über eine abgemähte Wiese läuft. Die Polizei hält das Video für echt, sie hat über die Warnapps Nina und Katwarn eine Bevölkerungswarnung herausgegeben. „Nähern Sie sich keinesfalls dem Tier! Vermeiden Sie es, sich in Wiesen und Wäldern aufzuhalten“, schreiben die Behörden und rufen dazu auf, 112 zu wählen, wenn das Tier erneut gesichtet wird.

Die Behörden bewerten das Video als echt: „Es ist kein Fake“, sagte die Ordnungsdezernentin des Saalekreises, Sabine Faulstich, der Mitteldeutschen Zeitung. Polizei und Ordnungsdezernat halten das Tier auf dem Video für eine große Katze*.

Wenn das Video des mutmaßlichen Pumas in der Nähe der Marina von Braunsbedra aufgenommen worden soll, wird es etwa hier entstanden sein.

 

Die Polizei fahndet mit einem Hubschrauber. Polizei und Ordnungsamt des Saalekreises halten die Quelle, also den oder die Filmer/in des Videos, für glaubhaft.

 

Das Video Montagabend, ca. 22 Uhr bei Tiktok erschienen, die Sichtung soll bereits Freitag stattgefunden haben.

@weltworldd

Großkatze am Geiseltalsee? Saalekreis löst KatWarn aus: In Braunsbedra, im Bereich des Hafens, wurde am Freitag in den Abendstunden eine Großkatze gesichtet. Die Behörden sind bereits informiert. Die Polizei überwacht das Gebiet großräumig. Bei Sichtung informieren Sie sofort die Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst unter der 112. Nähern Sie sich keinesfalls dem Tier! Vermeiden Sie es, sich in Wiesen und Wäldern aufzuhalten. (Hinweis: in der amtlichen Warnmeldung ist von einer Sichtung am Freitag die Rede. Die offizielle Warnung erfolgte erst am Montag) #sachsenanhalt #warzone #nachrichten

♬ Originalton – Theworld


Timeline der Folgemeldungen

Dienstag, 17.06.; 12 Uhr

t-online meldet heute um 8:42 Uhr, dass die mutmaßliche Großkatze* ein zweites Mal gesehen wurde. Wer sie gesehen hat, ist genauso unklar wie der Ort.

msn.com meldet, dass nun drei Teams mit Drohnen aus der Luft nach dem mutmaßlichen Puma suchen.

 


Erste Analyse (Dienstag, 10 Uhr)

Das Video hat die typische Qualität einer kryptozoologischen Sichtung: Am Rande des Auflösungsvermögens, etwas verwackelt, das Tier ist sehr klein. Dies erschwert natürlich die Analyse, aber ein paar Details sind schon erkennbar:

Das Video zeigt ein Tier, das sich auf einer abgemähten Wiese befindet. Zu Beginn scheint es zu sitzen, dann steht es auf und läuft mehr oder weniger parallel zum Filmer über die Wiese. Dabei erreicht sein Bauch etwa die Höhe des zum Trocknen ausliegenden Heus. Das Tier ist sandfarben, eher kontrastarm gefärbt, es trägt einen langen Schwanz hinter sich her, den es nach unten hält, aber nicht auf dem Boden schleifen lässt. Die Unterseite des Schwanzes und/oder ein Abzeichen am Ende erscheinen hell bis weißlich. Der Schwanz wird wenig bewegt. Je nach Lichteinfall scheinen Kopf und Hinterseite sehr hell, was aber auch ein Artefakt darstellen kann.

Das Tier wirkt auf den ersten Blick wie eine große Katze. Der sichtbar lange Schwanz, die Art, wie der Schwanz getragen wird und die Kommentare der Umstehenden, „das ist ein Riesenvieh“, deuten ebenfalls darauf hin. Ein Wildschwein, Hirsch oder Hund/Wolf können ebenso ausgeschlossen werden, wie ein Luchs.

Die Größe ist nicht sicher, ein Vergleichsmaßstab fehlt und das Tier wirkt irgendwie zu lang für eine Großkatze. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Der Filmer gibt an, die mutmaßliche Großkatze „im Bereich des Hafens“ aufgenommen zu haben. Google Maps (siehe oben) zeigt im Satellitenbild die Landschaft recht gut, per StreetView noch besser.
Man beachte dabei: Die Sichtung soll Freitagabend passiert sein, der Lichteinfall hätte also von Westen kommen müssen, die Schatten fallen nach Bildlinks und Vorne: der Filmer steht also nördlich der Katze. Ich finde dort keine Wiese, auf der diese Sichtung hätte stattfinden können.

Ein markanter Punkt in der Landschaft, um die Sichtung zu verorten, fehlt völlig. Das Video könnte überall aufgenommen worden sein.


Hintergrund

Pumas sind in Deutschland mittlerweile seltene Zootiere. Die Zootierliste führt 6 Haltungen mit insgesamt ca. 13 Tieren auf, keiner der Zoos ist auch nur irgendwie in der Nähe des Geiseltalsees. Wäre dort ein Puma abhanden gekommen, wäre das den Behörden bekannt geworden. Die private Pumahaltung ist möglich, meldepflichtig (CITES, Veterinäramt) und mit starken Auflagen verbunden, kann jedoch auch vom entsprechenden Bundesland generell verboten werden. Ob es illegale Haltungen von Pumas gibt, ist naturgemäß nicht dokumentiert.

Derzeit (Dienstag Mittag) fragen die Behörden bei den registrierten Privathaltern von Pumas nach, ob die Tiere noch vollzählig sind.

Die Suche nach einer großen Katze wird sich schwierig gestalten. Obwohl es sich um einen Gehegeflüchtling handeln muss, sind Katzen heimlich und schwer zu entdecken. Sie nutzen gerne auch die dritte Dimension, steigen auf Bäume. Nur die sehr schweren Arten wie Löwe und Tiger tun dies seltener. Im aktuell dichten Blätterdach hat auch eine Wärmebildkamera bei Nacht wenig Chancen, zumal ja noch jede Menge anderer Tiere vergleichbarer Größe vorkommen. Das Tier ist quasi nur dann zu entdecken, wenn es sich im Freien aufhält, wie auf dem Video.

Da es sich um einen Gehegeflüchtling handelt, wird es (mutmaßlich, falls es denn eine große Katze ist) wenig Erfahrungen mit der Jagd und entsprechend wenig Erfolg haben. Es könnte also sinnvoll sein, beköderte Fallen aufzustellen. Fährtenhunde könnten helfen, falls man eine Geruchsquelle findet.

Trittsiegel sind nur an Pfützen oder am direkten Seeufer zu erwarten, da es in der letzten Woche in dem Gebiet nicht geregnet hat.


* In einigen Portalen wird betont, dass Pumas trotz ihrer Größe zu den Kleinkatzen gezählt werden. Dies entspricht einer älteren, überholten Systematik. Heute bilden sie mit dem Gepard und dem Jaguarundi eine gemeinsame Gruppe, die wiederum einer Klade aus den Echten Katzen (Gattung Felis), den Altkatzen (Gattung Prionailurus) und dem Manul gegenübersteht.


Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die mittlerweile legendäre Löwin von Kleinmachnow.


Stand: Dienstag, 12:00 Uhr

Von Tobias Möser

Tobias Möser ist Diplom-Biologie und hat zudem Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.