Mähnenwolf im ZooMähnenwolf im Zoo
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Die Kryptozoologie leidet oft unter dem Umstand, dass sie sich vornehmlich auf Augenzeugenberichte stützen muss. Materielle Hinterlassenschaften der möglichen, bislang unentdeckten Tiere sind selten und wenn vorhanden, das oft umstritten. Die Hunderten von Fußabdrücken angeblicher Hominoiden rund um den Erdball stellen hier ein beredtes Beispiel dar. Im Fall eines möglicherweise bislang unentdeckten Caniden in den südamerikanischen Anden, das sogar 1949 eine wissenschaftliche Benennung fand: Dasycyon hagenbecki, Hagenbecks Andenwolf.[1]

 

 

Blue Marble Südamerika
Die Anden sind ein auch aus dem Weltraum sichtbarer Gebirgszug im Westen Südamerikas (Foto: NASA)

 

 

Von diesem potenziellen Tier liegt uns sogar ein Fell vor, und trotzdem ist die Existenz eines Andenwolfs umstritten.

Als Teenager Ende der 1990er Jahre wurde ich erstmals durch ein populäres Buch von Karl Shuker auf diesen Fall aufmerksam[2] und erinnere mich, schon damals fasziniert von dem Umstand gewesen zu sein, dass hier etwas Greif- und Überprüfbares vorliegt.

Hier sollen die verfügbaren Quellen und Untersuchungen dieses Fells noch einmal zusammengefasst werden.

 

Entdeckungsgeschichte und wissenschaftliche Untersuchungen

Lorenz Hagenbeck
Lorenz Hagenbeck (1882 – 1956)

1927 erwarb Lorenz Hagenbeck, der Sohn des berühmten Tierhändlers Carl Hagenbeck, in Buenos Aires ein hundeartiges Fell, das aus den Anden stammen sollte und schenkte es dem Münchener Museum. Dies sei nur eines von drei gleichartigen Fellen gewesen, die in Buenos Aires vorlagen.[3]

Das Fell hat, von der Schnauze bis zum After eine Länge von 142 Zentimetern, der Schwanz eine Länge von 50 Zentimetern. Es ist von schwarzbrauner Farbe mit einer Rückenmähne (Haarlänge bis zu 20 Zentimeter). Die Schädelhülle ist zu groß für einen Mähnenwolf (Chrysocyon brachyurus).[4]

Der Zoologe und Arzt Ingo Krumbiegel, der 1950 mit Von neuen und unentdeckten Tierarten eines der frühesten kryptozoologischen Werke vorlegte, untersuchte das Fell und kam zu dem Schluss dass es sich um einen, vom Mähnenwolf abzugrenzenden unbekannten Caniden Südamerikas, einem Andenwolf, handeln müsse.

 

Mähnenwolf im Zoo
Mähnenwolf im Zoo

 

Drei ähnliche Felle

Als Argumente hierfür führt er unter anderem an, dass drei dieser Felle einen Mischlingshund unwahrscheinlich machen würden, außerdem habe er Jahre zuvor eine südamerikanische Schädelserie untersucht, unter denen absolute Hochgebirgstiere waren und auch ein schmaler Wolfsschädel, den er ursprünglich als Mähnenwolf identifizierte, der aber nicht in die Reihe gepasst habe, da der Mähnenwolf ein Tieflandtier ist.[5]

Krumbiegels Klassifizierung sorgte für Aufsehen. In einem Artikel des Spiegels 1956, wird Krumbiegels Entdeckung gefeiert:

 

 

„Die letzte Entdeckung eines unbkannten Tieres machte der Dr. Ingo Krumbiegel 1949 – so unglaublich es scheint – in Deutschland. (…) Später gelang es Krumbiegel, an Hand des Felles das Bild des Tieres zu rekonstruieren. Jeder Zweifel war ausgeschlossen: Es handelte sich um eine bis dahin unbekannte Tierart, den „Andenwolf“. Krumbiegel nannte ihn zu Ehren Hagenbecks „Dasycyon hagenbecki.“[6]

 

 

Dass Zweifel ausgeschlossen sind, konnte eine vergleichende Haarprobenanalyse durch Fritz Dieterlen so nicht bestätigen. Er verglich die Haarstruktur des „Andenwolfes“ mit jenen von Mähnenwolf, Magellanfuchs und Schäferhund und gelang zu uneindeutigen Ergebnissen. In gewissen Aspekten ähnelten sich hier Andenwolf und Schäferhund am stärksten, doch auch Abweichungen waren zu beobachten.

 

Fell eines Timberwolfes
Fell eines Timberwolfes, es soll dem des Andenwolfes sehr ähneln

 

Dieterlens Fazit lautete daher:

 

„Die Untersuchung bringt somit kein eindeutiges Ergebnis. Sie bestätigt in gewisser Weise die systematische Selbstständigkeit der untersuchten Arten, mit der Einschränkung, daß vielleicht zwischen Andenwolf und Schäferhund engere Bindungen bestehen als sonst innerhalb der übrigen hier behandelten. Ferner ergibt sich, daß wohl nur ein groß angelegtes Haarstudium aller Caniden-Arten der Welt eines Haarbaumerkmals für die systematische Beurteilung eines Trägers herauszuschälen vermag.“[7]

 

Wo kommen die Andenwolf-Felle her?

Spätere Beurteilungen schließen sich der Ansicht an, bei dem Fell des Andenwolfes habe es sich wahrscheinlich um das eines Haushundes gehandelt.[8] Anderer Stimmen verweisen darauf, das Fell sei fast identisch mit dem eines kanadischen schwarzen Wolfs, was dann aber wieder Fragen zur Herkunft des Felles aufwerfen würde.[9]

 

Timberwölfe
Timberwölfe im Zoo

 

1996 wünschte sich Karl Shuker eine endgültige Aufklärung des Rätsels durch genetische Untersuchungen an dem Fell.[10]

Im Jahr 2000 wurde Shukers Wunsch erfüllt und brachte dennoch nicht die erhoffte Klarheit. Der französische Forscher Guillaume Chapron gab einige Hautreste in ein Labor mit Erfahrungen in der Arbeit mit Wolfs-DNA, um diese zu bestimmen. Das Ergebnis war abermals unklar. Die Proben wiesen Verunreinigungen mit Fremd-DNA auf. Spuren menschlicher DNA waren ebenso vertreten, wie Spuren von Hunden, Wölfen und Schweinen. Außerdem war das Fell offenbar irgendwann in der Vergangenheit chemisch behandelt worden.[11]

 

Mindestens eines der Felle existiert noch

Das Fell sollte sich noch heute in der Zoologischen Staatssammlung München befinden. Momentan bin ich versucht, hier nähere Infos zum derzeitigen Status zu erhalten.

Aufgrund der kontaminierten DNA-Proben und den daraus resultierenden nicht verwertbaren Ergebnissen der genetischen Untersuchungen, sowie dem verschollenem, von Krumbiegel beschriebenen Schädel, muss ein eindeutiges Urteil über die Frage eines bislang unentdeckten Caniden in den Anden Südamerikas, unbeantwortet bleiben. Trotz eines ganzen Fells des vermeintlichen Kryptiden.

Es erscheint gerade aufgrund des ungeklärten Status rund um das Fell jedoch sinnvoll, an dem Fall dran zu bleiben und vielleicht selbst zu versuchen, weitere Analysen zu initiieren.


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Der Falklandfuchs – ein anderer, kaum bekannter Canide aus Südamerika


Quellen

Dieterlen, Fritz: Über den Haarbau des Andenwolfes, Dasycyon hagenbecki (Krumbiegel, 1949). In: Säugetierkundliche Mitteilungen Nr. 2/1954

Gelder, Richard G.: A Review of Canid Classification. In: American Museum Novitates No. 2646, 21.04.1978

Krumbiegel, Ingo: Von neuen und unentdeckten Tierarten. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung 1950

Krumbiegel, Ingo: Der Andenwolf: ein neuentdecktes Grosstier. In: Die Umschau: Fortschritte in Wissenschaft & Technik Bd. 19, Nr. 19/1949

o. A.: Gibt es noch Mammuts? In: Der Spiegel Nr. 16, 17./ 18.04.1956

Shuker, Karl P. N.: Pity About The Pelt. In: Fortean Times No. 145, 2001

Shuker, Karl P. N.: Weltatlas der rätselhaften Phänomene. Eine illustrierte Darstellung des Mysteriösen. Bindlach: Gondrom Verlag 1996 (1)

Shuker, Karl P. N.: A Wolf in Sheepdog’s clothing? In: All About Dogs No. 1, July-August 1996 (2)


Verweise

[1] Vgl. Krumbiegel1950, S. 51

[2] Vgl. Shuker 1996, S. 1979 (1)

[3] Vgl. Krumbiegel 1949, S. 590

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. ebd.

[6] o. A. 1956, S. 39

[7] Dieterlen 1954, S. 31

[8] Vgl. Gelder 1978, S. 2

[9] Vgl. Shuker 1996 (2), S. 72

[10] Vgl. ebd.

[11] Vgl. Shuker 2001, S. 23

Von André Kramer

André Kramer ist Sozialpädadoge und leitet eine sozialpsychiatrische Einrichtung in Norddeutschland. Er beschäftigt sich bereits seit den 90er Jahren mit der Kryptozoologie und weiteren anomalistischen Themen.