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Ungeheuer von Loch Ness

Das Ungeheuer von Loch Ness ist ein mythologisch bekanntes Kryptid, das im Loch Ness im Osten Schottlands leben soll. Es ist eines der bekanntesten Kryptide und ein Symboltier der Kryptozoologie.

Vorkommen und Art des Kryptides

Der Turm von Urquart Castle, hier soll sich Nessie am häufigsten rumtreiben
Der Turm von Urquhart Castle, hier soll sich Nessie am häufigsten rumtreiben

Nessie, so der Kurz- und Kosename des Ungeheuers von Loch Ness, wird generell als Wasserlebewesen beschrieben. Bei den meisten Beobachtungen war das Kryptid im Wasser, nur wenige fanden an Land, aber in direkter Wassernähe statt. Die ersten Berichte stammen von Ungeheuern im Ness-Fluss, nicht aus dem Loch Ness selbst. Der Ness entwässert Loch Ness nach Nordosten hin, durchquert Inverness und mündet in den Moray Firth. Erst später verlegten sich die meisten Sichtungen in den Loch Ness. Heute wird der See ständig von Webcams und Hobby-Kryptozoologen überwacht.

 

Insgesamt kann man zwei Phasen der Nessie-Sichtungen beschreiben.

Frühe Sichtungen (bis ca. 1870)

Die erste Sichtung eines Ungeheuers im Zusammenhang mit dem Ness oder Loch Ness wird aus dem Jahr 565 nach Christus berichtet. Der Heilige Columban von Iona, der in Schottland missionierte, rettete das Leben eines Einwohners von Inverness. Der Mann stand im Fluss Ness, als er von einem Ungeheuer angegriffen wurde. Columban befahl dem Tier, sich zurückzuziehen und das Tier folgte seinen Worten sofort.

 

Viele angebliche Sichtungen Nessies in der frühen Neuzeit stammen nicht vom Loch Ness. Viele Bücher behaupten, 1527 habe Duncan Campbell berichtet, ein riesiges Tier sei aus dem Loch Ness entstiegen und habe drei Männer erschlagen. Diese Sichtung stammt vom Gairloch, einem Fjord an der schottischen Westküste.

 

Ein weiter, ähnlicher Bericht stammt von 1590 aus Ardgour am Loch Linnhe westlich von Fort William. Dort soll ein aus dem Meer gestiegenes Ungeheuer ein Haus angegriffen haben. Auch diese Geschichte wurde dem Loch Ness zugeschrieben.

 

1661 wurde ein etwa 3,5 m langer Stör in Inverness beobachtet.

 

Diese Sichtungen stammen nicht nur nicht vom Loch Ness, sie sind an sich nichts Besonderes. Es gibt sie aus zahlreichen anderen Seen und Flüssen der britischen Inseln und Kontinentaleuropas. Die Vertreibung eines Monsters durch die Worte eines Missionars ist ein bekanntes Motiv, das in Missionsberichten des Frühmittelalters mehrfach erscheint. Im italienischen Orta-See vertrieb der Heilige Julian die Schlangen von einer Insel, dasselbe tat St. Pirmin im Bodensee. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich hierbei um ein reales Tier handelte, das zufällig vor Ort war (siehe unten). Möglich ist auch eine Inszenierung der Mitstreiter Columbans oder eine reine Erfindung für die Chronik.

 

Durch Erinnerungen, die erst ab 1933, hauptsächlich aber in denn 1950er Jahren, festgehalten werden, scheint es im 19. Jahrhundert vermehrt Nessie-Sichtungen zu geben. Diese lassen sich aber in zeitgenössischen Quellen nie nachweisen, manche sind definitiv erfunden.

 

Nur zwei Mal erscheint ein Seeungeheuer im Loch Ness damals nachweislich in zeitgenössischen Zeitungen (Inverness Courier, 1. Juli 1852 und 8. Oktober 1868), beide Beobachtungen wurden gleich konventionell geklärt und beide Male gehen die Berichterstatter davon aus, dass sich ein Meerestier in den See verirrt habe.

 

Spezifisch wird erst die zweite Phase der Sichtungen:

Die Hauptphase der Sichtungen (nach 1930):

Ein Bericht erscheint im Sommer 1930 in den Ortszeitungen und wird gleich mehrmals in Amerika nachgedruckt. Dann herrscht Stille bis zum Frühjahr 1933. Ab 1933 steigt die Zahl der Sichtungsberichte. Erst 1933 nehmen regionale Zeitungen das erste Mal Notiz von dem Ungeheuer.

 

  • Die Zeitung Inverness Courier brachte einen Artikel über Einheimische, die von Monstersichtungen berichten. Diese Berichte wurden zu einer Mediensensation: Londoner Zeitungen entsandten Reporter nach Schottland, und ein Zirkus bot sogar eine Summe von 20.000 Pfund für das Einfangen des Monsters.
  • Im Herbst 1933 beschrieb A.H. Palmer seine Nessie-Sichtung vom 11. August 1933: Das Wesen halte seinen Kopf, den er von vorne gesehen hätten, niedrig im Wasser. Sein Maul sei zwischen zwölf und achtzehn Inch lang gewesen und habe sich geöffnet und geschlossen.
  • Das berühmte Nessie-Foto von Robert Wilson von April 1934.

Ein angeblich vom Chirurgen R.K. Wilson geschossenes Foto vom 19. April 1934 weckte neues Interesse am „Ungeheuer“ von Loch Ness. Es scheint ein großes Tier mit einem langen Hals zu zeigen, welches durch das Wasser gleitet.

eine ruhige Wasserfläche mit wenigen Wellen, in der Mitte ein Gegenstand unbestimmbarer Größe, aus dem ein langer Fortsatz in einem flachen Bogen nach oben geht und dort wie abgeknickt wirkt
Das berühmte Nessie-Foto von Robert Wilson von April 1934.

Seit dem „Chirurgenfoto“ entsprechen die meisten Nessie-Berichte in ihrem Äußeren einer frühen Plesiosaurier-Rekonstruktion: voluminöser, stromlinienförmiger Körper, dessen Rücken die Wasseroberfläche durchbricht, schlangenartiger, sehr beweglicher Hals mit kleinem Kopf, rautenförmige Flossen.

 

Spätestens nach dem 2. Weltkrieg wird Nessie selber zur Attraktion. Nicht nur zahlreiche Ausstellungen zeigen mehr oder weniger absichtlich falsche Nessie-Fotos und andere „Belege“, auch einige Expeditionen befassten sich mit dem Phänomen. Bemerkenswert ist, dass Nessie bisher weder in der Belletristik noch als Sujet für Filme eine besondere Rolle gespielt hat.

 

Theorien zur biologischen Entität des Loch Ness Ungeheuers

Versuche, Nessie mit einheimischen, bekannten Tieren zu erklären, gibt es zuhauf. Nahezu jedes mittelgroße bis große Tier, das in Schottland in Wassernähe lebt, ist bereits als Erklärung herangezogen worden. Beginnend bei Fischottern, die gerne in Formationen durchs Wasser des Loch schwimmen bis zu Seehunden, die gelegentlich über den Ness einwandern. Wale wurden nie im Loch Ness nachgewiesen. Theoretisch könnten sie über den Ness einschwimmen, aber der Fluss ist auch bei hohem Wasserstand sehr flach und hemmt dadurch das Sonar der Tiere. In Inverness ist spätestens seit modernen Zeiten bei der Eisenbahnbrücke eine Schwelle zu überwinden. Da das Sonar nicht über diese Schwelle reicht, überspringen weder Große Tümmler noch Hafenschweinswale sie.

 

Köpfe von im See schwimmenden Landtieren wir Rothirschen, Pferden und in den letzten Jahren auch Wildschweinen könnten ebenfalls einige Sichtungen erklären. Insbesondere die mehrfach berichtete „pferdeartige“ Kopfform könnte hierher stammen.

 

Die meisten „klassischen“ Interpretationen gehen jedoch von einer Population von überlebenden Meeresreptilien aus dem Erdmittelalter aus. Dies ist extrem unwahrscheinlich: Loch Ness lag bis vor 12.000 Jahren unter einer dicken Eisschicht begraben, war also keinesfalls ein „sicherer Hafen“ für eine überlebende Meeressaurier-Art. Durch seine ungewöhnliche Tiefe und kalte Temperaturen ist der See nicht sehr produktiv. Es ist unklar, wie er eine Population größerer Tiere ernähren könnte.

Nichtbiologische Erklärungen

In der Nähe von Urquhart Castle, einem der Hotspots der Nessie-Sichtungen, treten regelmäßig ungewöhnliche Wellenmuster auf: Stehende Wellen oder Seiches. Sie werden durch Schwankungen des Seespiegels um seine Längsachse hervorgerufen und spiegeln je nach Position des Beobachters die dunklen Berghänge der gegenüberliegenden Seite. Da sie in Loch Ness sehr lange „stehen“ bleiben, können sie als Spuren des Ungeheuers interpretiert werden.

 

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor ist die Erwartungshaltung der Beobachter. Wenn irgend etwas unerwartetes auf dem See beobachtet wird, muss es doch Nessie sein.

 

Die wirtschaftliche Komponente des Ungeheuers

Skurriler Minibus mit einem Verkaufsstand
Der Beobachtungsstand des Nessie Hunters Steve Feltham

Loch Ness ist eine der meistbesuchten Touristenattraktionen in Schottland. Sowohl die nahe gelegene Stadt Inverness wie auch die direkt am See gelegenen Orte profitieren von dem Tourismus und sind teilweise völlig darauf ausgerichtet. In Inverness kann man alle Formen von Loch Ness-Touren buchen, mit dem Bus oder dem Ausflugsboot, mit oder ohne Besuch in Urquhart Castle. Natürlich tragen alle Boote einen großen Bildschirm, auf dem live die Bilder eines Sonargerätes gezeigt werden.

Urquhart Castle, das selbst eher von mittelmäßiger Bedeutung ist, wurde mit einem ebenso gewaltigen wie unauffälligen Besucherzentrum ergänzt, hier weden Filme gezeigt und vor allem Kaffee & Kuchen sowie Devotionalien an Touristen verkauft.

 

Neben dem Schlachtfeld von Culloden, das nur wenige Kilometer entfernt bei Inverness liegt, ist Loch Ness die einzige Touristenattraktion der schottischen Ostküste. Die Westküste Schottlands hat die weitaus vielfältiere Landschaft und Natur zu bieten. Dennoch landen viele Touristen zunächst in Inverness.

 

Böse Zungen ziehen einen Vergleich zum deutschen Drachenfels. Er zieht auch zahllose Besucher an, die aufgrund der hübschen, aber in der Gegend austauschbaren Landschaft hierhin kommen, aber auch wegen eines Ungeheuers, von dem sie wissen, das es nicht existiert. Egal: Cafes und Souveniershops sind voll, viele Leute leben gut von der Legende.

Aktuelle Entwicklungen

Entsprechend seiner wirtschaftlichen Bedeutung erscheint das Ungeheuer auch regelmäßig in den Medien. 2019 gab es 18 „sichere Sichtungen“, Nessie wurde ein Tartanmuster (Schottenkaro) gewebt.

Sogar Prof. Neil Gemmell von einer Universität an der Südspitze der Südinsel Neuseelands nimmt den Weg um den halben Globus auf sich, um ausgerechnet im Loch Ness seine eDNA-Analysen der Welt vorzustellen.

Schottische Aktivisten waren mit dieser Aktion nicht einverstanden, weil womöglich die Nicht-Existenz von Nessie bewiesen worden wäre. Man bemühte sich, dem Professor falsche DNA unterzujubeln, in dem man Kotproben von einem Leistenkrokodil aus einem englischen Zoo im Loch verteilen wollte. Die Kotproben sind angeblich in der Post hängen geblieben, so dass sie erst nach der Beprobung  durch Gemmell ankamen.

Loch Ness mit einer Nessie-Stoffpuppe
Loch Ness mit Monster, ein klares, eindeutiges Foto, das keine Fragen offen lässt.

Über die Arbeiten von Prof. Neil Gemmell berichteten wir:

 

eDNA-Analyse findet „etwas“: Prof. Gemmell hält die Welt in Atem vom 18.06.2019

eDNA-Analyse: „Geheimnis um Nessie gelüftet“ vom 05.09.2019

„Der Loch-Ness-Aal oder was die eDNA-Analyse (nicht) geliefert hat“ vom 12.09.2019