Das chilenische Nachrichtenportal „Contexto Tucuman“ schlägt Alarm, der Chupacabra würde in den Viehbeständen im Norden des Landes wüten. Am 26. Januar 2021 berichtet es folgendes:
Die Viehzüchter der Gemeinde Colchane, einem Gebiet im Norden Chiles, sind in Alarmbereitschaft. Mehr als fünfzig Baby-Lamas und Alpakas seien von einer Kreatur angegriffen worden, die die Einheimischen als „Chupacabra“ bezeichnen.
„Er bohrt ein Loch in die Seite ihres Halses. Es frisst weder Fleisch noch Eingeweide. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Es greift nachts an und die Tiere scheinen das Kalb nicht zu verteidigen.“, sagte Luis Choque, einer der Colchane-Viehzüchter, den lokalen Medien. „Auf Brusthöhe sind nur zwei Perforationen zu sehen und sonst nichts. Anscheinend hat das Tier von dort gesaugt“, erklärte Andrea Nieto, eine Tierärztin aus der chilenischen Gemeinde, um die Todesfälle und mysteriösen Angriffe zu untersuchen.
Wieder einmal: keine Spuren
Eine weitere Beobachtung beunruhigt die Bewohner von Cochane: Sie haben keine Spuren gefunden, mit denen sie die Art des Angreifers bestimmen können. Die Mitarbeiter der Umweltbehörde, die die Untersuchung durchführten beklagten einen generellen Mangel an Spuren.
Die wenigen Spuren und das Geheimnis, das sich daraus ergibt, führten zu Gerüchten über den Chupacabra. Hierbei handelt es sich um ein Kryptid, das bisher nicht entdeckt werden konnte und das für viele ein Mythos der Landbevölkerung halten. Die Einwohner von Cochane baten die Behörden des chilenischen Landwirtschaftsdienstes, ihn so bald wie möglich zu finden. „Ich möchte, dass sie ihn finden, damit er keinen Schaden mehr anrichtet“, sagte Rancher Choque.
Im Jahr 2018 wurden in Colonia Durán im Nordwesten von Santa Fe Angriffe auf Nutztiere verzeichnet. Wissenschaftler vermuteten damals die „rötliche Grabmaus“ (Oxymycterus rufus) als Haupttäter, unterstützt von Andenfüchsen und Neuweltgeiern. Zu diesem Ergebnis kamen Studien, die der Landwirtschaftsdienst jedes Mal durchführt, wenn Rinder an Mund, Augen, Vulva, Anus und Ohren „angefressen“ wurden. Sie sind die Weichteile, an denen normalerweise die Aasfresser beginnen.
Nicht die ersten verstümmelten Rinder
Im Winter 2002 hatten Fälle von „verstümmelten“ Kühen in Buenos Aires, Córdoba und Santa Fe gegeben. An ihnen hat sich der Mythos des „Chupacabra“ und der „Grünen Zwerge“ entzündet.
Zu dieser Zeit analysierte eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern von Senasa (Staatlich argentinische Lebensmittelbehörde), der Nationalen Universität in Tandil und INTA (Instituto Nacional de Tecnología Agropecuaria, das staatliche Institut für Agrartechnik) 30 Fälle.
Sie arbeiteten 20 Tage in 18 Einrichtungen in Argentinien. Sie fanden wenig spektakulär heraus, dass Aasfresser die Überreste dieser Tiere fraßen. Der Hauptbeweis war, dass sie Fäkalien von Grabmäusen (Gattung Oyxmycterus) und Füchsen – und auch Spuren von Vögeln – zusammen mit den Überresten der toten Tiere fanden. Sie fanden an den Rinderkadavern keine Spuren von Verstümmelung oder Kauterisierung. Später war dann vor allem in der Ufo-Szene von Laserschnitten mit kauterisierten Wundrändern bei Kühen die Rede. Diese wurden nie gefunden.
Die Tiere waren an typischen Winterkrankheiten wie Lungenentzündung, Streptokokken-Infektionen oder , gestorben.
Die Tier waren an den typischen Winterkrankheiten gestorben. Dazu gehören Lungenentzündung, Rauschbrand oder einer Krankheit, die Muskeln des Tieres befällt und bei den Einheimischen „Mancha“ heißt. Um die Legende von der „Chupacabra“ zu beenden, zeigte eine Gruppe von Tierärzten eine Grabmaus in Aktion: In nur drei Minuten verspeiste eines dieser Nagetiere ein Stück der Zunge einer toten Kuh.
Der Vollständigkeit halber: Im Nordwesten Argentiniens und im Norden Chiles kommt die rötliche Grabmaus Oxymycterus rufus nicht vor. Oxymycterus akodontius oder O. paramensis ersetzen sie dort.
Die „Chupacabra-Mumie“
Der „Contexto Tucuman“ hat den Artikel unter anderem mit einem mumifizierten Kadaver eines Tieres illustriert. Die Aufnahme zeigt eine Trockenmumie unbestimmter Größe, die 2013 von einer mexikanischen Familie gefunden wurde. Die Mumie ist braun, nackt und zeigt einen großen Kopf mit auffälligem Raubtiergebiss, vier Pfoten mit stark gekrümmten und spitzen Krallen. Der Kopf ist stark gewölbt und hat nur eine kurze Schnauze, die Ohren haben ausgezogene Spitzen. Rücken und Schwanz sind nicht erkennbar.
An der Mumie fallen zahlreiche Merkmale auf, die eine Identifikation ermöglichen:
- Die Krallen sind stark hakenförmig gekrümmt und sehr spitz (1). Dies deutet auf ein Tier hin, das die Krallen einziehen kann und sie nicht beim Laufen abschleift.
- Trotz des Mumifizierungsprozesses sind sichtbare Krallentaschen erhalten geblieben (2)
- Der bilduntere Hinterfuß zeigt vier Krallen, der Schatten des bildoberen Hinterfußes lässt ebenfalls vier Krallen vermuten.
- Ein Laufpolster am bildunteren Hinterfuß deutet auf einen Zehengänger hin (3).
- Der bildobere Vorderfuß zeigt drei Krallen sowie mindestens eine weitere, leere Krallentasche.
- Der bilduntere Vorderfuß zeigt fünf Krallen, eine davon ein Stück oberhalb der anderen.
- Die Ohren sind spitz und laufen in einer deutlich ausgezogenen, häutigen Spitze aus. (4)
- Die Prämolaren und Molaren von Ober- und Unterkiefer (5 und 6) bilden eine deutlich sichtbare Fleischschere.
- Zwischen den verlängerten Eckzähnen und den Prämolaren ist eine deutliche Lücke (7).
- Zwischen den 3 Schneidezähnen (pro Kieferast) und den Eckzähnen im Oberkiefer steht ebenfalls eine Lücke (8). Hier scheint der Eckzahn des Unterkiefers rein zu passen.
Die üblichen Verdächtigen
Die Mumie soll aus Mexiko stammen. Dem entsprechend müssen die ortsüblichen „Verdächtigen“ überprüft werden. Dies sind Nagetiere (z.B. Bisam, div. Squirrels, Biber etc.), Kleinbären (Nasenbär, Waschbär), Hundeartige (Kojote, Haushund) und Katzen (Hauskatze, Rotluchs).
Nagetiere
Unter den Nagetieren kommen in Mexiko nicht viele Kandidaten in Frage. Am ehesten passen die Bisamratte, die an der Grenze zu den USA vorkommt und die Nutria, die in Mexiko weiter verbreitet ist. Aufgrund des Gebisses kann man Nagetiere aber schnell ausschließen, da die auffälligen Nagezähne fehlen. Statt dessen sind deutlich sichtbare Eckzähne vorhanden.
Nasenbären
Nasenbären fallen ebenfalls schnell durchs Raster. Die charakteristische Schnauze fehlt völlig, der Kopf wirkt eher kurz und rund. Auch das Gebiss weicht deutlich von der Mumie ab. Beim in Mexiko vorkommenden Weißrüssel-Nasenbären sind die Eckzähne gerade und kräftiger, als bei der Mumie. Hinzu kommen weniger spezialisierte Prämolare und Molare.
Nasenbären sind wie alle Bären Sohlengänger, die Mumie stammt aber von einem Zehengänger.
Waschbären
Auch der Waschbär ist Sohlengänger, dazu haben seine nicht einziehbaren Krallen eine völlig andere Form. Die Beine des Waschbären sind deutlich kürzer als die des Kadavers, dazu hat er runde Ohren.
Ebenso gibt es deutliche Unterschiede im Gebiss, die Fleischschere der Backenzähne fehlt, sie stehen auch deutlich dichter an den kräftiger und gerader ausgeprägten Eckzähnen.
Die Hundeartigen
Ein Kojote[1], Rot- und Graufuchs könnte ebenfalls in Frage kommen. Sie tragen an den Hinterpfoten vier Zehen, an den Vorderpfoten fünf Zehen, von der eine zurückgezogen ist. Dies entspricht dem Bild des Kadavers. Jedoch hat dieser rückziehbare Krallen, die bei Hundeartigen starr sind. Auch die Fleischschere im Gebiss ist bei Hundeartigen nicht so stark ausgeprägt.
Die Katzenartigen
Sie sind die letzten in Frage kommenden Verdächtigen – und genau sie teilen alle die genannten Merkmale von rückziehbaren Krallen über spitze Ohren bis hin zu hochspezialisierten Backenzähnen. Bei der Mumie handelt es sich mit Sicherheit um eine Katzenartige. Da der Schwanz und die Behaarung fehlen, ist eine weitere, sichere Unterscheidung zwischen Rotluchs und Hauskatze nicht möglich. Ein schwaches Unterscheidungsmerkmal findet sich noch im Gebiss. Der letzte obere Backenzahn des Luchses hat eine stark ausgeprägte dritte, caudale Spitze (Pfeil). Bei der Hauskatze ist diese schwächer ausgebildet. Im Bild ist keine solche Spitze zu sehen.
Letztlich wird auch hier die Wahrscheinlichkeit ein deutliches Wort bei der Bestimmung mitreden. Rotluchse sind auch in Mexiko nicht sehr häufig. Hauskatzen findet man hingegen gerade in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte sehr regelmäßig.
Damit kann der vermeintliche Chupacabra ganz sicher als Katzenartige, wahrscheinlich als Hauskatze identifiziert werden.
Literatur
Das Portal Contexto Tucuman