Jeder weiß, dass Tiger nur in Asien, nicht aber in Afrika vorkommen. In Witzen entlarvt sich der Großwildjäger, der in der Serengeti Tiger gejagt haben will, mit seiner Münchausiade selbst.
Allerdings – so richtig herumgesprochen hat sich das nicht bei allen. In dem Filmklassiker „Land of the Pharaohs“ von Howard Hawks (1955) sind Thronbezug, Sesselstoff und Kleidung des Pharaos Cheops aus Tigerfell gefertigt!
Tiger waren in Asien weit verbreitet und kamen in vorgeschichtlicher Zeit auch noch in kleinen Teilen Europas vor. Aber nicht in Afrika
Out of Place in der Weltliteratur
Es gibt noch eine zweite fiktive Erzählung, die Tiger in Afrika ansiedelt – den Literaturklassiker „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe (1719). Die ersten vierzig Seiten beschrieben Reisen in das Afrika südlich von Marokko.
Statue von Alexander Selkirk in seinem Geburtsort Lower Largo in Schottland. Selkirk gilt als Vorbild für Robinson Crusoe.
Und so lesen wir in „Leben und Abenteuer des Robinson Crusoe“, aus dem Englischen übertragen von Karl Altmüller, 1869 erschienen in Hildburghausen im Verlag des Bibliographischen Instituts, auf der Seite 34:
„Ich hatte meine Hoffnung darauf gesetzt, daß mir, wenn ich mich immer längs der Küste hielte, bis ich in die Region käme, wo die Engländer ihren Handel trieben, eins von ihren Schiffen aufstoßen und uns aufnehmen werde. Soviel ich nach meiner Berechnung herausgebracht, mußte ich damals in der Gegend sein, die zwischen dem Kaiserreich Marokko und den Negerstaaten liegt und wo die Küste nur von Bestien bewohnt ist. Die Neger haben diesen Landstrich verlassen und sich aus Furcht vor den Mohren nach Süden zurückgezogen, während die Mohren die Gegend wegen ihrer Unfruchtbarkeit nicht des Anbaus werth halten. Beide Völkerschaften haben auch deshalb jene Strecke aufgegeben, weil so erstaunlich viel Tiger, Löwen, Leoparden und andere wilde Thiere dort hausen. Die Mohren benutzen die Gegend daher nur zum Jagen, indem sie armeenweis zu zwei- bis dreitausend Mann dorthin ziehen. Beinahe hundert Meilen lang sahen wir an der Küste nur wüstes Land, bei Tage wie ausgestorben, des Nachts erfüllt vom Geheul und Gebrüll der Bestien.“
Der Roman schildert das Leben und die Abenteuer des Robinson Crusoe, eines Seemannes aus York, welcher siebenundzwanzig Jahre ganz allein auf einer unbewohnten Insel lebte, wohin es ihn als Schiffbrüchigen und einzigen Überlebenden verschlagen hat.
Der erste moderne englische Roman und gleichzeitig ein zeitloses Leitbild der Weltliteratur, das einen beispiellosen Einfluß auf die Romanliteratur ausgeübt hat.
Leben und Abenteuer des Robinson Crusoe ist ein unveränderter, hochwertiger Nachdruck der Originalausgabe aus dem Jahr 1869. Sie ist 2020 bei Hansebuch erschienen und hat 328 Seiten
Und Defoe kommt auf Seite 132 noch einmal auf Tiger in Afrika zurück:
„Während der ganzen Zeit, in welcher diese Angelegenheiten mich beschäftigten, schweiften, wie man sich denken kann, meine Gedanken auch oftmals nach dem fernen Lande hinüber, welches ich von der andern Seite der Insel aus erblickt hatte. Ich wünschte im Stillen an jener Küste zu sein, die ich für das feste Land und für eine bewohnte Gegend hielt, und von wo aus ich mich auf eine oder die andere Art weiter zu befördern und vielleicht endlich Mittel und Wege zur Flucht zu finden hoffte.
Die Isla Robinson Crusoe liegt weit vor der Küste Chiles. In der Umgebung hätte Robinson weniger Tiger denn Tigerhaie fürchten müssen.
An die Gefahren, die mir dabei drohen würden, dachte ich gar nicht. Wie leicht hätte ich den Wilden in die Hände fallen können, und zwar solchen, die ich Ursache hatte für schlimmer zu halten als die Löwen und Tiger in Afrika. Wäre ich einmal in ihre Gewalt gerathen, dann war tausend gegen eins zu wetten, daß sie mich tödten, vielleicht gar auffressen würden; denn ich hatte gehört, daß die Bewohner der karaibischen Küste Cannibalen oder Menschenfresser seien, und nach meiner Berechnung der Breitengrade wußte ich mich nicht weit von dieser Küste entfernt. Aber auch wenn keine Cannibalen dort lebten, mußte ich doch annehmen, die Bewohner jener Gegend würden mich wahrscheinlich tödten.“
Belege für kryptide Katzen sind diese Buchpassagen nicht, wohl eher Hinweise auf Defoes mangelnde Kenntnisse in Zoologie.
Anmerkung der Redaktion:
So klein ist die Welt
Als reales Vorbild für die Romanfigur Robinson Crusoe gilt Alexander Selkirk. Er gilt als Raufbold und Kleinkrimineller. Um der britischen Justiz zu entfliehen, heuerte er 1704 auf dem englischen Kaperschiff St. George an. Der Kapitän war niemand anderes als William Dampier.
William Dampier, etwa 1697
Auch diese Kaperfahrt von Dampier blieb erfolglos, so dass Selkirk bald das Schiff wechselte und auf die Cinque Ports gelangte. Über die Gründe kann heute nur spekuliert werden. Möglich ist, dass seine Unfähigkeit, sich Regeln zu unterwerfen, der Grund war. Er könnte aber auch Bohrmuschelschäden an der St. George entdeckt haben.
Vor der heute Isla Robinson Crusoe genannten Insel bemerkte er Bohrmuschelschäden an dem Schiff und versuchte, einen Teil der Mannschaft zum Bleiben zu bewegen. Als er erkannte, dass er mit seiner Meinung allein stand, soll er einer Anekdote nach ausgerufen haben: „Ich habe es mir anders überlegt.“ „Ich aber nicht“, erwiderte der Kapitän kühl und ließ sich zum Schiff zurückrudern.
Die Cinque Ports kam tatsächlich kurze Zeit später – vermutlich wirklich durch Bohrmuschelschäden – in Seenot. Die Mannschaft konnte sie mit knapper Not vor Malpelo Island, 4200 km nördlich im Golf von Panama auf Grund setzen. Die überlebenden Crew-Mitglieder wurden von Spaniern gefangen genommen. Hierdurch geriet Selkirk in Vergessenheit und musste bis 2. Februar 1709 auf der Insel verbringen. Erst mit dem Besuch des Kaperschiffes Duke wurde er gerettet. Der Navigator des Kaperschiffes war ein gewisser William Dampier.
Selkirk sagte nach seiner Robinsonade 1712 bei einem Zivilprozess gegen Dampier aus. Er, Dampier habe bei der Fertigstellung der Schiffe St. George und Cinque Ports vergessen, die Besitzer darauf hinzuweisen, die Schiffe gegen Bohrmuscheln zu schützen. Andere Zeugen bestätigten das.
One Reply to “Freitagnacht-Kryptos: Tiger in Afrika”
Ich will schnell noch einen weiteren literarischen Tiger in Afrika hinzufügen: Als Edgar Rice Burroughs 1912 sein erstes Tarzan-Buch schrieb, „Tarzan of the Apes“, da gesellte er Tarzan einen Tiger als Kampfgefährten hinzu, Sabor. Als Kritiker ihn darauf hinwiesen, dass es in Afrika keine Tiger gibt, soll er sehr zerknirscht gewesen sein und sich geschworen haben, künftig besser zu recherchieren. (nach Irwin Porges: Edgar Rice Burroughs. Ballantine Books, New York 1975, Band 1, S. 226)
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Ich will schnell noch einen weiteren literarischen Tiger in Afrika hinzufügen: Als Edgar Rice Burroughs 1912 sein erstes Tarzan-Buch schrieb, „Tarzan of the Apes“, da gesellte er Tarzan einen Tiger als Kampfgefährten hinzu, Sabor. Als Kritiker ihn darauf hinwiesen, dass es in Afrika keine Tiger gibt, soll er sehr zerknirscht gewesen sein und sich geschworen haben, künftig besser zu recherchieren. (nach Irwin Porges: Edgar Rice Burroughs. Ballantine Books, New York 1975, Band 1, S. 226)