William Dampier 1 – ein Freibeuter mit Beobachtungsgabe

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Warum sollte das Netzwerk für Kryptozoologie über einen seit über 300 Jahren toten Piraten berichten, der nicht einmal mit einem Riesenoktopus gekämpft hat?

 

Die Antwort ist ganz einfach – William Dampier schrieb mehrere Bücher über seine Reise in damals kaum bekannte Weltgegenden, und er schrieb mit viel Detailtreue über die Tiere, die er dort antraf. Unter diesen Texten sind mehrere, die für Zoologen und Zoologiehistoriker und – ja, auch – für Kryptozoologen von Interesse sind.
Diese Webseite hatte bereits einen Artikel über Dampiers Beobachtung eines möglichen Flusspferdes in Australien.

 

Lebenslauf eines Piraten

William Dampier
William Dampier, etwa 1697

Das genaue Geburtsdatum kennen wir nicht, aber William Dampier wurde am 5. September 1651 getauft. Sein Sterbedatum ist ebenfalls unbekannt, es war aber vermutlich im März 1715.

 

Dampier war vieles – Seemann, dreimaliger Weltumsegler, Pirat, Schriftsteller, Hydrologe, und er besuchte als einer der ersten Briten den Südkontinent Australien und beschrieb ihn. Denn Dampier war vor allem eines: neugierig und mitteilsam. Er trachtete weder nach Ruhm noch nach Reichtum, war aber begierig darauf, die Welt zu sehen und zu begreifen. Hans Walz, der das Nachwort zu Dampiers deutscher Ausgabe geschrieben hat (Dampier 1970, S. 282) meint, er sei ein „unräuberische[r] Seeräuber“ gewesen. Wer seine Bücher liest, kann das bestätigen.

 

Dampier kam in Hymerford House in East Coker, Somerset, zu Welt (Literaturfans kennen den Ort von einem Gedicht von T.S. Eliot, der in den Four Quartets übrigens auch über Seeungeheuer dichtet). Nach seiner Schulausbildung segelte er auf einem Kaufmannsschiff nach Neufundland und Java, dann verpflichtete er sich 1673 bei der Kriegsmarine.

Diese Laufbahn beendete er krankheitsbedingt sehr rasch, die Folgejahre schlug er sich mit abenteuerlichen Jobs auf der gesamten bekannten Welt durch – er war Plantagenbesitzer in Jamaica, Holzfäller in Mexiko, wurde dann wieder Seemann. In England heiratete er um 1679 seine Frau Judith, die nicht viel von ihm gehabt haben kann, denn kurz darauf ging er wieder zur See.

 

William Dampier: Der unräuberischste Pirat aller Zeiten?

1679 diente er als Freibeuter unter Captain Bartholomew Sharp in den spanischen Besitztümern in Mittelamerika, überfiel mit ihm Darien (Panama), Flotten im Pazifik und spanische Kolonien in Peru und an der Golfküste. Er ließ sich in der englischen Kolonie Virginia nieder, von wo er 1683 mit John Cooke um Kap Hoorn segelte und Peru, die Galápagos und Mexiko überfiel. Cooke starb in Mexiko, die Fahrt ging unter Edward Davis weiter und quer über den Pazifik nach Guam und Mindanao.

 

Große Parade zur Feier der Ankunft auf den Philippinen

 

Es ist diese Raub- und Kaperfahrt, die Dampier detailreich in dem auf Deutsch erschienenen Buch beschreibt, und er zeigt sich darin als ziemlich unfähiger Seeräuber, der zwar tötet, aber relativ erfolglose Nadelstiche gegen Spanien durchführt. Der Raub von ein paar Nahrungsmitteln ist der größte Coup, der ihm gelingt. Auf den Philippinen verbrachte er viele Monate mit Handeln und Umhersegeln zwischen Mindanao, Manila und anderen Inseln, dabei streifte er 1688 auch Neu-Holland oder, wie wir heute sagen, Australien.

 

Ein fähiger Navigator, Kundschafter und Beobachter

Im selben Jahr erlitt Dampier Schiffbruch auf den Nikobaren und segelte von dort in einem Kanu nach Aceh in Sumatra – eine bedeutende seemännische Leistung.

 

So stellte sich ein Kupferstecher 1815 William Dampiers Fahrt zwischen den Nikobaren vor

 

1691 kehrte er nach England zurück, aber sein Plan, Geld durch die Ausstellung seines tätowierten Sklaven Jeoly zu verdienen, zerschlugen sich, und er verkaufte ihn anteilsweise an Mitbesitzer. Neben diesem Sklaven brachte er keine Güter mit nach England, bloß seine Tagebücher, die er oft unter großen Mühen gerettet hatte und die die Grundlage seines 1697 erschienenen Buchs „A New Voyage Round the World“ bildeten.

 

Die HMS Roebuck

Am 14. Januar 1699 segelte er in königlichem Auftrag mit der „HMS Roebuck“ nach Australien, um den Kontinent für William III. zu erkunden. Dieser Reise verdanken wir ausführliche botanische und zoologische Notizen (leider nie auf Deutsch erschienen). Er fuhr weiter nach Timor und Neuguinea, Neuirland und Neubritannien (heute: Bismarck-Archipel). Auf der Rückreise erlitt er am 21. Februar 1701 Schiffbruch auf Ascension und erreichte an Bord eines englischen Schiffes die alte Heimat erst im August 1701.

Im Gefängnis – aber nicht wegen Piraterie

Dort wurde er, weil er seinen Lieutenant George Fisher in Brasilien ins Gefängnis gesteckt hatte, wegen Grausamkeit vor das Kriegsgericht gestellt und verurteilt – er verlor große Teile seiner Einkünfte aus der Fahrt.

 

Aber noch war Krieg mit Spanien, und so wurde Dampier weiter gebraucht. Als Kommandeur der „St George“ lief er am 11. September 1703 aus Kinsale, Irland, aus. Sie umfuhren Kap Hoorn und segelten an Chile entlang. Ziel war Santa María im Golf von Panama. Er belagerte die Stadt ohne Erfolg, wie er auch sonst ein schlechter Piratenkapitän war. Bemerkenswert an der Reise ist die Tatsache, dass das begleitende Schiff, die „Cinque Ports“, im Mai 1704 den Seemann Alexander Selkirk auf einer abgelegenen Insel absetzte. Er wurde für Daniel Defoe das Vorbild für seinen Roman „Robinson Crusoe“.

Dampiers Karte vom Golf von Panama – einmal mehr zeigt sich, dass dieser Mann ein schlechter Seeräuber, aber ein toller Entdecker war.

Nachdem Dampiers Kaperversuch auf die Galeone „Nuestra Señora del Rosario“ scheiterte und ein Schiff wurmstichig vor Peru aufgegeben werden musste, schlug er sich in die Karibik durch, wo ihn die Spanier natürlich ins Gefängnis warfen. Nach seiner Freilassung schaffte es Dampier 1707 nach England zurück.

 

Dampiers dritte und letzte Weltumsegelung

 

1708 folgte die dritte Weltumseglung im Freibeuterschiff „Duke“. Es ging rund um das Kap Hoorn, Selkirk wurde von seiner Insel befreit, und der Kapitän, mit dem Dampier fuhr, war ein guter Pirat, vermochte es, Schiffe zu kapern und Geld einzunehmen. Weitere Stationen der Reise waren Guam, Batavia und das Kap der Guten Hoffnung. Am 14. Oktober 1711 erreichte Dampier London.

Dampier's Reise von 1679 bis 1691
William Dampiers 2. Weltumseglung 1679 bis 1691

Dampiers Anteil aus der Beute reichte bei weitem nicht. Er starb vier Jahre später, das genaue Datum, sogar der Ort seines Grabes, sind nicht bekannt, Sein Testament wurde am 23. März 1715 beglaubigt. Er starb mit 2000 Pfund Schulden.


Werke

A New Voyage Round the World (1697)

Voyages and Descriptions (1699)

A Voyage to New Holland (1703)

A Supplement of the Voyage Round the World (1705)

The Campeachy Voyages (1705)

A Discourse of Winds (1705)

A Continuation of a Voyage to New Holland (1709)


Dampier auf Deutsch

Nur ein Buch von Dampier ist auf Deutsch erschienen, nämlich „A New Voyage Round the World“ von 1697. Der deutsche Titel ist lang und barock: „Neue Reise Um die Welt. Worinnen umständlich beschrieben wird, Die Erd-Enge oder Isthmus von America, vielerley Küsten und Insuln in West-Indien, die Insuln des grünen Vorgebürges, die Durchfahrt an dem Lande des Fuego, die Mittägigen Küsten von Chili, Peru und Mexico, die Insuln Guam, […]. Dabey gehandelt wird Von der unterschiedenen Beschaffenheit des Erdbodens aller dieser Länder, von ihren See-Häfen, Pflantzen, Früchten und Thieren, Ingleichen von ihren Einwohnern, deren Sitten und Gewohnheiten […]. 4 Bände. Aus dem Englischen in die Frantzösische und nunmehr in die Hoch-Teitsche Sprache übersetzet. Verlegts Michael Rohrlachs seel. Wittib und Erben, Leipzig 1702–1714“

 

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William Dampiers Schriften, „neu“ bearbeitet

Wer mehr über Dampier und seine Reisen, vor allem die „romantischen Details“ erfahren möchte, ist mit diesem Werk bestens bedient. Herausgeber Hans Walz hat sein Buch von 1702 modern bearbeitet und umfangreich ergänzt.

 

William Dampier – Freibeuter 1683-1691 ist 1970 bei Edrmann erschienen und hat 284 Seiten im Hardcover.

 

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Eine Auswahl von Texten aus diesem Buch, ins moderne Hochdeutsch transportiert, erschien 1970 bei Erdmann in Tübingen und ist leider nur noch antiquarisch erhältlich. Es handelt sich um die Version von 1702, stark gekürzt, vor allem bei den Tierbeschreibungen, und mit Materialen aus anderen Büchen Dampiers ergänzt.

 

Das Buch ist dennoch für alle geografisch und zoologisch interessierten Leser ein Genuss.  Dampiers deutsche Auswahl beginnt gleich mit seiner Beschreibung des Flamingos, von Seekälbern (= Seehunden) und Seelöwen. Und bald darauf folgen Dampiers Beschreibungen zu Schildkröten, die in geradezu abenteuerlicher Weise Fakten und Mythen durcheinanderquirlen. Ob Dampier Tiere, Pflanzen, Völker oder Gebäude beschreibt – immer ist er ein sorgfältiger und nüchterner Beobachter und unterhaltsamer Erzähler.


Der zweite und letzte Teil dieses Artikels erscheint nächsten Dienstag und betrifft einige zoologische und kryptozoologische Beobachtungen Dampiers.

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