Neues vom Beutelwolf

Beutelwölfe sind ausgestorben. Das letzte bekannte Exemplar der Tierart, die auch als tasmanischer Wolf, tasmanischer Tiger oder Thylacine bezeichnet wird, starb in der Nacht vom 6. auf den 7. September 1936. Das Weibchen namens „Benjamin“ lebte in einem kleinen Gehege im privaten Beaumaris Zoo in Hobart auf Tasmanien. Damals war man sich sicher, dass man „nur in die Wildnis gehen und einen Neuen einfangen“ müsse, wenn man denn diese langweilige Tierart überhaupt ausstellen wollte.  Doch Benjamin war die letzte ihrer Art.

Ein unverstandenes Tier

Beutelwölfe waren damals weitgehend unverstanden. Die Zoologen und Zoomitarbeiter verstanden ihr Verhalten nicht. Viele Bilder zeigen Zoo-Beutelwölfe mit weit geöffnetem Maul. Damals interpretierte man dieses Verhalten als Gähnen und hielt die Tiere für permanent müde und vor allem für faul. Aus Vergleichsuntersuchungen meinen Biologen heute ableiten zu können, dass es sich hierbei um eine Drohgebärde handelt, die „komm mir nicht zu nahe“ aussagen soll. Das war damals leichter gesagt, als getan. Die Tiere wurden – ähnlich wie man das von Hunden kannte – in zwingerartigen Gehegen gepflegt, die aus einer Box in einem Schuppen und einem wenige Quadratmeter großen Auslauf bestanden. Jede Pflegemaßnahme war zwangsläufig ein naher Kontakt und Auslauf war nicht einmal rudimentär vorhanden. Stress und mangelnde Fortpflanzungsbereitschaft waren die Folge.



Bestiarium: Zeugnisse ausgestorbener Tierarten

Mammut, Dodo, Höhlenbär und Beutelwolf waren einst weit verbreitet und regen heute nur noch als Fabeltiere unsere Fantasie an. Über Jahrtausende haben Menschen Tiere bis zur Ausrottung gejagt, ihre Habitate zerstört und empfindliche Ökosysteme erheblich beeinträchtigt. Warum ist ein so großes Raubtier wie der Java-Tiger ausgestorben? Was geschah mit dem Lachkauz? Und wie konnten Nilbarsche im Victoriasee ein ökologisches Desaster auslösen? Das «Bestiarium» gibt Antworten auf diese und viele weitere Fragen. Im Zentrum dieses reich bebilderten Werkes steht das Schicksal von 69 Tierarten, die in den letzten 50 000 Jahren wegen uns Menschen verschwunden sind.

Bestiarium: Zeugnisse ausgestorbener Tierarten ist als großformatig gebundenes Buch mit 168 Seiten im Haupt-Verlag 2014 erschienen.

 


Wesentlich gravierender war jedoch das Unverständnis der Bauern in Tasmanien. Sie stammten zu großen Teilen aus Großbritannien, aber auch aus Osteuropa. In Osteuropa waren Wölfe auch im 19. Jahrhundert noch ein großes Problem für Schafzüchter. Sofern es die Feudalherren ermöglichten, führte man gegen Wölfe Krieg. Bei den britisch stämmigen Siedlern war der Krieg gegen die Wölfe nur noch historisch bekannt. Hier kam aber die Vorstellung hinzu, dass das ideale Land wie die britischen Midlands auszusehen hat. Alles andere müsse kultiviert werden, nichtbritische Tiere galten häufig als unheilig und wurden „entfernt“.

Dass die meisten Schafe von wildernden Hunden getötet wurden und Beutelwölfe wegen ihres schwachen Bisses möglicherweise gar nicht in der Lage waren, Schafe zu töten, störte die Schaffarmer nicht.

Zwei Beutelwölfe
Zwei Beutelwölfe in einem Zoo

Ein Beutelwolf droht
Ein Beutelwolf beim Drohgähnen. Man beachte die ungewöhnlich kurzen Füße

Die Ausrottung

Bereits 1830, kurz nach dem Beginn der organisierten Schafzucht auf Tasmanien setzte dir Regierung bereits erste Abschussprämien für den Beutelwolf aus. Die damaligen Jäger brachten häufig ehemalige Militärgewehre mit ins Land. Sie hatten keinen gezogenen Lauf, ein Steinschloss und man musste für jeden Schuss manuell Schwarzpulver einstreuen und mit einer gegossenen Bleikugel stopfen. Für den Jäger bedeutete das: er hatte einen einzigen Schuss, und diesen mit einer Genauigkeit, die ihn aus 100 m ein Scheunentor treffen ließ – vielleicht.

Doch der Krieg wurde so verbissen geführt, dass die Beutelwölfe in nur 30 Jahren in schwer zugängliche Bereiche ganz im Süden Tasmaniens abgedrängt wurden. 1910 galten sie als selten, Zoos und Museen begannen, sich für die Tiere zu interessieren. 1930 wurde das letzte Exemplar in Freiheit getötet. Mitte 1936 stellte Australien die Tiere unter vollständigen Schutz, kurz bevor Benjamin starb.

Wie wenig man die Tierart verstanden hatte, zeigte sich bei der Autopsie des letzten Tieres. Bei dem vermeintlichen Männchen fand man einen Beutel und gut ausgebildete Zitzen, dafür keinen Penis.

Das Ende als Anfang

Damit hätte die Jahrmillionen lange Geschichte des Beutelwolfes ein Ende. Es folgte noch eine Formalie: 50 Jahre nach dem letzten Nachweis eines lebenden Tieres wurde die Art 1986 offiziell für ausgestorben erklärt.

Doch nach 1936 und auch nach 1986 gab es eine Reihe von Einzelbeobachtungen, die den Beutelwolf in der tasmanischen Wildnis, oft sogar in der Nähe von Straßen betrafen. Das „Department of Primary Industries, Parks, Water and Environment“ sammelte diese Beobachtungen. Warum ist derzeit unklar. Ob man dem eigenen Beschluss, die Tiere als ausgestorben zu erklären, misstraute oder ob andere Absichten dahintersteckten, ist unklar.



Der Beutelwolf Thylacinus cynocephalus

Seit 30 Jahren sammelt der Verfasser Daten über den Beutelwolf. In rund 30 Museen Europas, Australiens und der USA fotografierte und vermaß er Präparate, Schädel und Skelette und trug in mehreren Publikationen zum Wissen über die Art bei. In den Archiven von Launceston und Hobart/Tasmanien sichtete er das z. T. unveröffentlichte Bild- und Textmaterial und befragte letzte Augenzeugen; Wissenschaftlern und Hobbyzoologen verdankt er manche wertvollen Hinweise.

Der Beutelwolf: Thylacinus cynocephalus gilt auch 20 Jahre nach der Publikation immer noch als das deutschsprachige Standardwerk zum Beutelwolf. Es ist 1997 bei der VerlagsKG Wolf als Paperback erschienen und hat 196 Seiten.


Ähnlich wie in den USA und Großbritannien gibt es auch in Australien einen „Freedom of Information-Act“, hier als „Right to Information (RTI)“ bezeichnet. Die Behörden sind auf Anfrage der Bürger gezwungen, nicht geheime Informationen frei zugänglich zu machen (wir berichtete in diesem Zusammenhang über Sasquatch-Files, die das FBI (nicht) hat).
Eben jenes „Department of Primary Industries, Parks, Water and Environment“ veröffentlichte vor Kurzem eine Liste mit Sichtungsberichten zwischen dem 1. September 2016 und dem 19. September 2019. Das hochaktuelle Dokument enthält immerhin acht Sichtungsprotokolle, mit teilweise sehr detaillierten Berichten, nur die Namen der Personen sind unkenntlich gemacht. Die Übersetzungen sind teilweise gekürzt.

Benjamin, die letzte ihrer Art

Tasmanien, die Sichtungspunkte sind mit Nummern markiert

Die Liste

Sichtung 1

Datum: 2. September 2016

Ort: Union Bridge Road, südlich von Sheffield, wo die Straße zwischen Mount Roland und Gog Range verläuft

Zeit: ca. 6:15 Uhr abends, an einem nicht näher genannten Tag im Juni oder Juli

Dauer: 4-5 Sekunden

Details:

Sichtung 2

Datum: 3. Januar 2017

Ort: Murchison Highway, vermutlich südlich Hellyer Gorge State Reserve, ca. 16 km nördlich von Waratah

Zeit: 27.12.2016, gegen 19 Uhr

Dauer: höchstens ein paar Sekunden

Details: Das Tier lief in einer Entfernung von etwa 150 bis 200 m vor das Auto des Zeugen. Es überquerte die Straße in einer sehr auffälligen Gangart, halb Trott, halb Laufen. Der Schwanz stach aus diesem Tier heraus, war mindesten 1 Fuß, eher 2 Fuß lang und wurde sehr gerade gehalten. Es sah sandfarben aus, die Zeugen haben keine Streifen erkennen können (Unter Vegetation und sehr dichten Wolken, bei großer Entfernung). Der Zeuge meinte, es sei zu groß für eine Katze und der Schwanz bewegte sich beim Laufen nicht, er hielt seine steife Position.

Sichtung 3

Datum: 24. April 2017

Ort: außerhalb von Launceston

Zeit: Am Sonntag, 23.4.2017 um 19:30 Uhr

Dauer: ein paar Sekunden

Details: Das Tier lief den Zeugen in einer Entfernung von 20 bis 30 m vor das Auto, stoppte, und drehte sich um. So konnten die Zeugen das Tier gut sehen. Der Schwanz war nicht fellig wie bei einem Fuchs, es hatte kräftige Streifen an der Seite.

Sichtung 4

Datum: 18. Februar 2018

Ort: King William Saddle – Lyell Highway

Zeit: 17:15 oder 18 Uhr

Dauer: Sekunden

Details: Hinter der Derwent-Brücke, vom Zeugen zunächst als größere Katze erkannt. Das Tier bewegte und verhielt sich anders, als eine Katze. Es hatte die Größe eines großen Fuchses, war aber nicht flauschig und haarig, wie ein Fuchs. Es bewegte sich eher gleitend, den Körper immer in der selben Höhe haltend, während ein Fuchs eher hüpft und läuft. Das Tier hatte Streifen auf dunkelbraunem Fell.

Sichtung 5

Datum: 25. Februar 2018

Ort: Corinna

Zeit: 15:30 Uhr

Dauer: 12 – 15 Sekunden

Details: Die Zeugen sahen das Tier, als es vor ihnen eine Schotterstraße überquerte. Es stoppte bei etwa 3/4 der Strecke, blieb stehen, betrachtete das Auto und zog dann davon. Das Tier hatte einen steifen und starken Schwanz, der an der Basis sehr dick war und Streifen am Rücken. Es hatte die Größe eines großen Kelpie, größer als ein Fuchs, kleiner als ein Deutscher Schäferhund. Das Tier war ruhig und nicht verängstigt, beide Zeugen sind 100%ig sicher, einen Beutelwolf gesehen zu haben.

Sichtung 6

Datum: 26. November 2018

Ort: Hartz Mountains (aufgrund der Größe nicht in der Karte darstellbar)

Zeit: ungenannt

Dauer: ungenannt

Details:  die Zeugin glaubt, einen Beutelwolf mit zwei Jungtieren bei den Hartz-Bergen am Samstag gesehen zu haben

Sichtung 7

Datum: 29. Juli 2019

Ort: Sleeping Beauty Mountain

Zeit: ungenannt

Dauer: ungenannt

Details:  Zeuge sah einen Fußabdruck auf dem Weg hoch zum Sleeping Beauty Mountain, konnte ihn nicht fotografieren, googelte zuhause nach und glaubt, es handle sich um den Abdruck eines Beutelwolfes

Sichtung 8

Datum: 15. August 2019

Ort: Midlands (aufgrund der Größe nicht auf der Karte darstellbar)

Zeit: ungenannt

Dauer: ungenannt

Details:  Zeuge glaubt, er habe auf seinem Land vor sieben Jahren einen Beutelwolf gesehen.

Diese und zahlreiche weitere, nicht durch das Department veröffentlichte Berichte von Beutelwolf-Sichtungen lassen das Aussterben des Beutelwolfes zumindest fragwürdig erscheinen.