Schädel des Seemonsters von
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El Médano, auf Spanisch „die Sanddüne“, liegt in der spanischen Provinz Santa Cruz de Tenerife und ist ein Ortsteil der Gemeinde Granadilla de Abona auf der Kanareninsel Teneriffa. Der Strand liegt an einer kleinen Bucht an der Südostküste. Während die Region vielen ein Begriff als Surferparadies ist, weiß heute kaum noch jemand, dass 1935 hier die Überreste eines Tieres gefunden, das als „Seemonster von El Médano“ bekannt wurde …


 

Literatur- und Presseschau

Autor Ulrich Magin, der auch für das Netzwerk für Kryptozoologie schreibt, informiert im Jahr 2011 kurz in seinem Buch „Investigating the Impossible“ über diesen Fall:

 

 

Im August 1935 berichtet ABC: ‚TENERIFE – Die Überreste des marinen Monsters, dass das Meer an den Strand geworfen hat. Der Kopf und der Körper messen gut drei Meter. ‘ Das begleitende Bild zeigt deutlich einen Fischer neben einem Manta-Rochen. (ABC Seville, 23 August 1935, p. 39).

 

 

Der Artikel der spanischen Zeitung ABC de Sevilla bezieht sich erkennbar auf weitere, zuvor veröffentlichte Presseberichte. So berichtet Heraldo de Madrid am 09. August 1935:

 

 

Das Seemonster erschien am Medano-Strand

Ist es ein vorsintflutliches Tier?

 

TENERIFE 9 – Am Strand von Medano erschien der Kadaver eines Seemonsters, das vom Kopf bis zum Beginn der Wirbel dreieinhalb Meter lang ist.

Ein Teil des Kopfskeletts, korrespondierend zum Oberkiefer, verblieb am Strand, ein ganzes Stück entfernt vom Ufer, und ein anderer Teil wird durch den Studenten Antonio Gonzalez, vom Sommer-Camp, der auch einige Wirbel und Zähne mitnahm, abgeholt.

 

Bislang war es nicht möglich das Seemonster zu klassifizieren, aber viele stimmen überein, dass es vielleicht ein prähistorisches Tier war, das viele Jahrhunderte im Meeresschlamm verbrachte.

Einer der Halswirbel wurde an den gelehrten Naturforscher D. Agustin Cabrera Díaz, Direktor des Instituts, übersandt, um herauszufinden, ob der Fund wissenschaftlichen Wert hat.

 

 

Auch international finden sich Zeitungsartikel, so zum Beispiel im kanadischen Ottawa Journal vom 9. August 1935:

 

Seltsames Seemonster

TENERIFFA, Aug. 9, – Der Kadaver eines seltsamen Seemonsters wurde heute am Strand von Medano angeschwemmt. Der Kopf und ein drei Meter langes Rückgrat verblieben, der Kopf enorm und ohne Augen. Es hatte keine Schuppen aber war nicht verwandt zur Walfamilie, soweit Naturalisten entdecken konnten.

 

 

Der Autor Ricardo Campo sammelte weitere Zeitungsartikel und veröffentlichte im März 2014 auf seinem Blog eine Zusammenfassung seiner Rechercheergebnisse (im Folgenden gekürzt wiedergegeben):

 

Die Überreste des Monsters von Medano. Dass sich die Strandschönheit einfach so in dem Fund ablichten lässt, spricht dafür, dass alle schnell zerfallenden (und stinkenden) Materialien bereits verwest sind. (Erklärung der Nummern im Text)

Im August 1935 erschien am Strand von El Médano ein riesiges Ungeheuer […] Die Zeitung La Prensa schrieb am 14. August: ‚Der Fund hat große Aufmerksamkeit erregt, zahlreiche Menschen sind nach Médano gekmmen, weil die Nachricht sie herlockte. Obwohl man zuerst annahm, es handle sich um das Skelett eines Wals, haben weitere Erkundungen diese Ansicht widerlegt. Der Kopf des angeblichen Ungeheuers misst dreieinhalb Meter in der Länge und ist völlig mumifiziert. Der Oberkiefer befindet sich ebenfalls am Strand. ‘ Auf dem Foto hat sich ein Badegast im Kiefer niedergelassen. Das übrige Skelett, verschiedene Wirbel und riesige Rippen nahm ein Forscher namens Antonio Cabrera Diaz mit.

 

 

 

Das Diario de Las Palmas brachte die Meldung ebenfalls, glaubte aber nicht, dass es ein Wal war, sondern eine so seltene Tierart, dass man sie noch nie zuvor auf der Insel gesehen hatte. Andere Augenzeugen gaben an, ‚dass es ein wirkliches Seeungeheuer war, wohl ein vorsintflutliches Tier, das bis jetzt im Meeresschlamm gefangen gewesen war.‘ Einen Wirbel nahm Augustin Cabrera Diaz mit, der Leiter des Instituts von La Laguna, um ihn zu untersuchen. Er hat aber seine Ergebnisse nicht veröffentlicht.“ […]

 

 

 

Im Falle des „Ungeheuers von El Médano“ scheint nach den vorliegenden Daten alles darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Cuvier-Schnabelwal (Ziphius cavirostris) handelt. Das berichtete mir Alberto Brito, Professor für Meeresbiologie an der Universität von La Laguna, nachdem er das Foto betrachtete, das die Pressemeldungen begleitete.

 

Das Seemonster von El Médano: Analyse und Identifizierung

Ziphius-cavirostris
Schädel des Cuvier-Schnabelwals Ziphius cavirostris

Das Foto der La Prensa vom 14. August 1935 zeigt, wie bereits im Zitat beschrieben, einen Badegast im Schädel des „Seemonsters“ sitzend. Der Schädel ist von dreieckiger Grundform und verfügt offenbar über eine Art „Rückenlehne“. Die Fotografie ist aktuell nicht in einer hohen Qualität verfügbar, dennoch lassen sich Einzelheiten erkennen. Im Vergleich mit einem Schädel von Ziphius cavirostris (siehe Abbildung rechts) besteht eine auffällige Diskrepanz in Form und Abmessungen (die Gesamtlänge dieser Schnabelwalart beträgt bis zu sieben Metern, wovon nur etwa ein Meter auf die Schädellänge selbst entfällt).

Zur Erklärung der Nummern auf dem Foto:
1: Oberkieferäste
2: Zwischenkiefer
3. Hirnschädel
4. Atemgang

 

Zur weiteren Untersuchung dient im Folgenden das Foto aus dem Zeitungsbericht von ABC Sevilla. Es zeigt einen Mann, der am Strand neben einem aufgerichteten Schädel mit triangulärer Grundform steht. Der Schädel weist voneinander abgrenzbare craniale Knochen auf und verfügt an der Basis über einen auffälligen bassin- beziehungsweise halbschalenartigen Bereich. Hinter dem Schädel ist die Spitze eines von diesem verdeckten, säulenartigen und offenbar gleichgroßen einzelnen Knochens zu erkennen.

 

Der Medano und ein Pottwalschädel
Der Schädel von Medano und ein Pottwalschädel in dorsaler Ansicht

Der Schädel ist dorsal auf dem Foto abgebildet. Die Kiefer (1) sind lang und massiv, die Zwischenkiefer (2) sind klar und deutlich zu erkennen. Das Hinterhauptsbein steht rechtwinklig zum Kiefer. Dieser typische bassin- beziehungsweise halbschalenartige Kamm (3), bestehend aus Oberkiefer, Stirn- und Hinterhauptsbein, ist unverwechselbar und entwickelte sich im Zusammenhang mit dem einzigarten Spermaceti-Organ. Die vergrößerte linke Nasenhöhle (4) ist als „weißes Loch“ erkennbar. Bei dem verdeckten, säulenartigen Knochen (5) handelt es sich – nach seiner Form und Position zu schließen – um den Unterkiefer.

Pottwal-Schädel, Düsseldorf
Pottwalschädel aus dem Aquazoo Düsseldorf als Referenz, ist „er“ das El Médano?

 

In der Gesamtschau von Artikeln und morphologischen Merkmalen anhand der beiden Fotografien kann die Art einem Zahnwal und hier eindeutig zu einem Pottwal (Physeter macrocephalus) gehörend bestimmt werden.

 

Pottwal bei den Kanarischen Inseln
Pottwal bei den kanarischen Inseln. Sie waren früher wegen der Pottwale wichtige Walfangstützpunkte

 


Danksagung und Schlußwort

 

Meinen tiefsten Dank an Ulrich Magin für die fortwährende Zusammenarbeit, den initialen Hinweis auf den Artikel in der ABC Sevilla und die Übersetzung des Artikels von Ricardo Campo.


Zu dem Artikel gab es zahlreiche Reaktionen, die wir euch ungern vorenthalten wollen


Literatur

  • anonymus (1935). El monstruo marino aparecido en la playa del Medano. Heraldo de Madrid (Madrid), 9 August.
  • anonymus (1935). Strange Sea Monster. The Ottawa Journal (Ottawa), 9 August.
  • anonymus (1935). Los restos del monstruo marino aparecido en el Médano. La Prensa
    (Santa Cruz de Tenerife), 14 August.
  • anonymus (1935). -. ABC de Sevilla (Madrid), 22 August.
  • Behrmann, G. (2000). Anatomie des Zahnwalkopfes (Anatomy of the Toothed Whale Head). Auflage, Bremerhaven, unpublished, 1.
  • Campo, Ricardo (2014). Grandes Monstruos Varados.
    http://mihteriohdelasiensia.blogspot.de/2014/03/grandes-monstruos-varados.html
  • Magin, Ulrich (2011). Investigating the Impossible. Anomalist Books (New York)
  • Seite „El Médano“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. Januar 2015, 05:00 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=El_M%C3%A9dano& (Abgerufen: 3. Februar 2016, 18:54 UTC).

 

Bild-Nachweise

  • Elliot, D. G. (1904). The land and sea mammals of Middle America and the West Indies (Vol. 4, No. 2). Field Columbian Museum. https://www.flickr.com/photos/biodivlibrary/7115360353 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
  • anonymus (1935). -. ABC de Sevilla (Madrid), 22 August.
  • Norris, K. S., & Harvey, G. W. (1972). A theory for the function of the spermaceti organ of the sperm whale (Physeter catodon L). NASA Special Publication, 262, 397.

Von Markus Hemmler

Markus Hemmler ist hauptberuflich als Bürokommunikationsspezialist im öffentlichen Sektor tätig. Sein persönliches Interesse gilt der Geschichte von meist „Cold Cases“ der aquatischen Monster: der Untersuchung und Identifizierung toter Tierkadaver, die als Meeres- oder Seeungeheuer und dergleichen bezeichnet werden. Durch seine Recherchearbeiten hat er nicht nur zahlreiche „Seeungeheuer“-Fotografien aufgespürt, wie etwa die Orkney-Kadaver von Deepdale Holm und Hunda aus den Jahren 1941/42, des südafrikanischen Trunko aus dem Jahr 1924 und seinem „Sohn“ aus dem Jahr 1930. Auch die extensive Aufarbeitung der Geschichte dieser Fälle, darunter des Cape-May-Kadavers von 1921, des Suez-„Seeelefant“ von 1950 und des Gourock-„Monsters“ von 1942. zählen zu seinem Werk. Darüber hinaus hat ermittelt Hemmler mit großem Interesse auch an den wenigen deutschen U-Booten aus dem Weltkrieg, die Verbindungen zu Seeungeheuern haben.