Loxosceles rufescensLoxosceles rufescens, die Braune Violinspinne. Foto: Antonio Serrano, (GNU, General Public Licence)
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Unter diesem oder ähnlichen Stichworten liefen in den letzten Tagen mehrere Beiträge auch in den Massenmedien und über allgemeine Nachrichtenportale. Wir checken, ähnlich wie einige andere Anbieter auch, was dahinter steht und ob Violinspinnen wirklich gefährlich sind.

 

Was ist passiert?

In den vergangenen Tagen haben italienische Medien über zwei Todesfälle berichtet, die mutmaßlich in Folge von Bissen durch Braune Violinspinnen aufgetreten sein sollen.

  • Anfang Juli wurde ein 52-jähriger Carabiniere vermutlich bei der Gartenarbeit in der Nähe von Palermo von einer Braunen Violinspinne gebissen und stirbt nach einer Woche. Er hatte den Spinnenbiss nicht bemerkt, so dass ein direkter Zusammenhang der Verletzung mit der Spinnenart nicht hergestellt werden kann.
  • Am 3. oder 4. August 2024 wird auf dem griechischen Peleponnes ein 48-jähriger Urlauber aus Griechenland von einer Spinne gebissen und stirbt etwa eine Woche später. Es ist unklar, ob die Braune Violinspinne oder die Europäische Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) für den Biss verantwortlich sind.
  • Ein 23-jähriger Mann starb nach einem Biss am 17. August. Er wurde am 13.08. ins rechte Bein gebissen, als er auf dem Land aufräumte. Zunächst vermutete der junge Mann einen Mückenstich, dann wurde die Quaddel größer und stark zu schmerzen. Ein Abszess bildete sich, das Bein wurde nekrotisch. Der Mann wurde zunächst in Tricasse, dann in Lecce stationär behandelt, dann aber in die Poliklini Bari verlegt. Er verstarb an einem septischen Schock und Multiorganversagen.
  • Einige Tage vor dem 21.08.2024 wurde eine 25-jährige Frau in ihrer Wohnung von einer Braunen Geigenspinne gebissen, während sie duschte. Zunächst wirkte die Stelle wie ein Insektenstich, dann kam es zu Hautnekrosen. Daher wurde der Biss einer Braunen Violinspinne vermutet, die Frau wurde mit Antibiotika behandelt und in ein spezialisiertes Zentrum in Marghera eingewiesen. Die Behandlung schlägt an, die Frau ist außer Gefahr.

In keinem der Fälle gibt es den „rauchenden Colt“, die Braune Violinspinne wurde nicht direkt nachgewiesen, aber es ist hochwahrscheinlich, dass sie für die Bisse verantwortlich ist. Wie immer in solchen Fällen kommen nun auch Vorfälle in die Medien, die sonst nicht berichtet worden wären (wie die 25-Jährige aus Venedig).

 

Die Violinspinne

Die Braune Violinspinne (Loxosceles rufescens) gehört zur Familie der Sechsäugigen Sandspinnen (Sicariidae). Bisse vieler Arten dieser Familie  sind für den Menschen gefährlich. Männchen der Braunen Violinspinne werden bis zu 7,5 mm lang, Weibchen bis zu 9 mm. Damit bleiben sie deutlich kleiner, als die in Deutschland häufigen „Winkelspinnen“, die bis zu 20 mm erreichen. Ursprünglich ist die Art vermutlich in Nordafrika heimisch, wurde aber vermutlich bereits in der Antike im gesamten Mittelmeerraum verbreitet. Auch in die USA und nach Australien ist sie (natürlich wesentlich später) eingeschleppt worden.

Sie lebt normalerweise unter Steinen, wo sie ein filzartiges Netz auf dem Boden flicht, in dem sich laufende Insekten und andere Arthropoden mit den Füßen verfangen. Gelegentlich findet man sie in Menschennähe, oft in trockenen Bereichen wie Dachböden oder Kellern. Auch in Gärten sind sie nicht selten.

Der Biss verläuft, auch aufgrund der schlanken Giftklauen der Spinne oft schmerzlos. Die erste Reaktion besteht meist aus Pusteln oder Rötungen an der Bissstelle, Juckreiz und Schmerzen folgen. Ein schwereres Symptombild kann sich später zeigen, in den meisten Fällen scheint es keine weiteren Folgen geben. Für das schwerere Symptombild werden häufig Bakterien verantwortlich gemacht, die ins Gewebe übertragen werden. Dann entstehen über etwa zehn Tage hinweg langsam wachsende Nekrosen um die Bissstelle, die mehrere Zentimeter erreichen können. Dies geht meist mit einer starken Entzündung und leichten Hämolyse einher, die jedoch sehr selten zu Todesfällen führt. Dennoch ist dieser Verlauf nicht erfreulich.

Die Spinne verfügt über ein potentes Gift, das auch das Enzym (Phospholipase D) beinhaltet. Phospholipase D spaltet die Phospholipasen, aus der Zellmembranen bestehen und löst so eine Reaktion im Komplementsystem aus, aktiviert Neutrophile und führt dadurch direkt oder indirekt zu Hautläsionen und einem systemischen Effekt. In seltenen Fällen kann das Gift in tiefere Gewebeschichten eindringen, wo es die gleichen Effekte hervorruft.

Ein weiterer Giftbestandteil ist das seltene Enzym Sphingomyelinase D (SMD). SMD katalysiert die Umwandlung von Sphingomyelin (SM) – Baustein einer Zellmembran – in Ceramid-1-Phosphat (Cer-1-P), das in mehrere Signalwege eingebunden ist. Im Gefäßepithel und in roten Blutzellen ist die Konzentration von SM hoch, die Konzentration des Produkts Cer-1-P hingegen sehr niedrig. Wie die Zellen nun auf eine Injektion von SMD reagieren, ist Gegenstand aktueller Forschung.

Den Tieren wird zudem nachgesagt, sarkophage Bakterien wie Clostridium perfringens und methicillinresistente Staphylococus aureus (MRSA) an den Beißklauen tragen, die für Gewebenekrosen und -entzündungen zumindest mitverantwortlich sind. Dies konnte in einer kleinen Studie zumindest für MRSA widerlegt werden, hier besteht aber noch weiterer Forschungsbedarf.

 

Welche Gefahren gibt es tatsächlich?

Tatsächlich ist die Gefahr durch Bisse der Braunen Violinspinne sehr gering. Sie gehört zu den häufigeren Spinnen im Mittelmeerraum, so dass Bisse regelmäßig vorkommen und vor allem aus Süd- und Mittelitalien, der Mittelmeerregion Frankreichs, aus Griechenland, Spanien und der Westtürkei bekannt sind. Auch in den anderen Mittelmeeranrainerstaaten wird es zu Bissen kommen, die aber nicht berichtet werden. Auf Kreta gilt sie als eine der häufigsten Spinnen überhaupt.

Bisse der Braunen Violinspinne mit medizinischen Folgen sind erst seit relativ kurzer Zeit bekannt. Dies verwundert, ist doch die Spinne und ihre Giftigkeit in den Mittelmeerländern allgemein bekannt. Tatsächlich waren aus Europa vor den oben beschriebenen Sachverhalten nur wenige Fälle bekannt, die medizinisch relevant waren:

  • 2008 wurde ein Vorfall aus der Türkei gemeldet, der nach 20 Tagen zu ernsthaften Nekrosen geführt hat.
  • 2013 ein Fall eines 80-jährigen Mannes aus Fréjus in Südfrankreich, bei dem die Spinne zweifelsfrei als L. rufescens identifiziert wurde.
  • Im Sommer 2016 wurde ein Todesfall aus Süditalien infolge eines möglichen Bisses von Loxosceles rifescens berichtet. Aufgrund von Unstimmigkeiten wird er jedoch nicht allgemein anerkannt.
  • 2021 wurde ein 19-jähriger Urlauber aus Wales auf Ibiza in die Hand gebissen. Ihm mussten in der Folge zwei Finger amputiert werden.
  • Im August 2023 starb ein Mann in Latium (Italien) aufgrund einer allergischen Reaktion. Das hätte auch bei einem Wespenstich passieren können.

Die meisten Urlauber werden keinerlei Kontakt zu einer Braunen Violinspinne haben. Da unter unseren Lesern jedoch zahlreiche „ungewöhnliche Urlauber“ sind, die gerne draußen unterwegs sind und auch gerne mal in oder unter Steine gucken, sprechen wir eine kleine Warnung aus. Falls Ihr gebissen werdet, wascht die Stelle mit Wasser und Seife und deckt sie steril ab. Eine antibakterielle Salbe oder Creme kann vorsorglich eingesetzt werden. Sollte es dennoch zu einer deutlichen Rötung kommen, geht zum Arzt und lasst euch ein Antibiotikum verschreiben.

 

 

Wird sie nach Deutschland kommen?

Bisher scheint Loxosceles rufescens noch nicht in Deutschland aufgetaucht oder unerkannt geblieben zu sein. Mögliche Transportwege sind Transportkisten für Obst und Gemüse sowie Topfpflanzen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich in Deutschland außerhalb von geheizten Gebäuden halten kann. In den Niederlanden gibt es Nachweise in geheizten Treibhäusern, außerhalb nicht.

Medizinisch relevant sind in Deutschland vor allem drei Spinnenarten, der Ammen-Dornfinger (Cheiracanthium punctorium), die Wasserspinne (Argyroneta aquatica) und die Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus). Der Dornfinger ist nur regional verbreitet, die Wasserspinne vom Aussterben bedroht und die Cheliceren der Gartenkreuzspinne können die menschliche Haut nur an sehr dünnen Stellen (z.B. zwischen den Fingern, an den Lippen) durchdringen. Nur das Gift des Dornfingers ruft Symptome hervor, die über die eines Wespenstiches hinaus gehen.

 

Quellen

Rai News.it vom 13.07.2024: Palermo, muore un carabiniere morso da un ragno violino

Rai News.it vom 17.08.2024: Morso del ragno violino, l’infettivologo: „Il problema sono le complicanze, non il contatto in sè“

Rai News.it vom 21.08.2024: Donna morsa da un ragno violino a Venezia: è stata punta nella doccia di casa

Rai News.it vom 17.08.2024: Morso da un ragno violino mentre lavora in campagna: ragazzo di 23 anni muore per shock settico

Baxtrom C, Mongkolpradit T, Kasimos JN, Braune LM. Common house spiders are not likely vectors of community-acquired methicillin-resistant Staphylococcus aureus infections. J Med Entomol. 2006;43(5):962–965. (Link)

Pneumatikos IA, Galiatsou E, Goe D, Kitsakos A, Nakos G, Vougiouklakis TG. Acute fatal toxic myocarditis after black widow spider envenomation. Ann Emerg Med. 2003;41(1):158. [PubMed]

González Valverde FM, Gómez Ramos MJ, Menar-guez Pina F, Vázquez Rojas JL. Latrodectismo mortal en un anciano. Med Clin. 2001;117(8):319 [PubMed]

https://cordis.europa.eu/article/id/89806-analysing-spider-venom/de

Mario Pezzi et al.: Spider Bite: A Rare Case of Acute Necrotic Arachnidism with Rapid and Fatal Evolution; Case Reports in Emerg Med; 2016: https://doi.org/10.1155/2016/7640789

n-tv.de: Todesfälle in Italien – Wie gefährlich ist die Braune Violinspinne wirklich? vom 19.08.24

https://www.scielo.br/j/jvatitd/a/GNnkwqZXkmKRhHK5J8vv59S/?lang=en

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3752741/

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7534902/

 

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.