An einem Tag wie heute – vor 66 Millionen Jahren

von: Tobias Möser

Seit Tagen ist die Welt nicht mehr so, wie sie sein sollte. In der Nacht ist ein kleiner, aber heller Punkt im sichtbar. Wie ein Komet zieht er einen Schweif hinter sich her, doch dieser wird seit Tagen kürzer und scheint am Abend in eine andere Richtung zu deuten, als vor Sonnenaufgang. Doch dies beunruhigt die Dinosaurier auf der Erde nicht. Selbst wenn sie es bemerken würden, würden sie nicht verstehen, was das aussagt.

Chancen für die Räuber

Beunruhigender sind andere Dinge. Der Komet ist mittlerweile so hell, dass viele Tiere in der Nacht halbwegs sehen können. Die Theropoden nutzen das aus, sie haben ihre Angriffe schnell auf die Nacht verlegt. Die Pflanzenfresser kommen nicht mehr zur Ruhe, ihre Warn- und Sammelrufe hallen ständig durch die Wälder. Aber die Jäger haben Vorteile. Trotz der besseren Sicht ist ihre Tarnung im Licht- und Schattenspiel der permanenten Dämmerung besser als am Tag. Sie sehen mehr als vorher, aber lange nicht alles. Das ist ihr strategischer Vorteil: sie müssen nur einen Pflanzenfresser von vielen finden, die Pflanzenfresser müssen aber jeden Räuber erkennen. Die hellen Nächte sind die Zeit der Räuber.

Nachthimmel
Wirkte der Bolide am Nachthimmel anfangs so? Zwei Schweife, die in unterschiedliche Richtungen zeigen, sind bei Kometen häufig

Sauropode in der Nacht
Die Sauropoden sind, wie nahezu alle Dinosaurier tagaktiv und können nachts nicht gut sehen

Ein flacher, stachelbewehrter und stark gepanzerter Dinosaurier
Doch jetzt sind die Räuber auch nachts unterwegs, daher sind die Ankylosaurier noch ungenießbarer

zwei zweibeinige Dinosaurier in der Nacht
Auch diese Hadrosaurier sehen kaum etwas und finden keine Ruhe. Sie flüchten bei jeder Beunruhigung unkontrolliert

Drei kleine Flrischfresser greifen ein größeres Tier an
Zu Recht, denn die Jäger haben nachts noch mehr Erfolg als tagsüber

Tyrannosaurus frisst an einem Kadaver
Und sogar die großen Tyrannosaurier haben machen jetzt nachts Beute.

Für sie hat sich die Welt verbessert, wären da nicht die Sternschnuppen und sogar Meteore, die immer wieder kleinere und größere Lichtstreifen über den Himmel ziehen. Immer häufiger wirken sie sich auf der Erde aus. Feuerstreif, Überschallknall und schon rennen die sowieso bereits übernervösen Pflanzenfresser in heller Panik davon. Jeder noch so gut gelegte Hinterhalt ist dahin.

Die Apokalypse?

Der Tag versprach, noch schlimmer zu werden. Noch mehr Meteoriten, als in den letzten Tagen jagten über den Himmel, längst war „der Große“ auch am Tage zu sehen, doch nun schien er auch noch Hitze auszustrahlen. Die folgenden Ereignisse kann kein Augenzeuge überlebt haben: Als der etwa 10 km große Hauptkörper des Meteoriten in 100 km Höhe in die Atmosphäre eintrat, wurde er zunächst nur langsam vom Luftwiderstand abgebremst. Zwischen drei und zehn Sekunden brauchte der Brocken aus iridiumhaltigem Gestein und gefrorenen Gasen, um die Atmosphäre zu durchqueren und im Flachmeer des heutigen Golfes von Mexiko einzuschlagen.

Komet mit langem, breiten Schweif am Abendhimmel
Ähnlich wie der Koment McNaught 2006 könnte auch der KP-Bolide kurz vor dem Impakt ausgesehen haben. (Foto: Europäische Südsternwarte)

Der Bolide erreicht tiefere Zonen der Erdatmosphäre
Frühe Phase des Impaktes. Der etwa 10 km große Kern des Hauptkörpers trifft auf die Atmosphäre und fängt an, durch die Reibungshitze zu verdampfen.

Hierbei wurde seine Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt, der gesamte Meteor verdampfte. Natürlich führte das zu einer gewaltigen Explosion, deren Druckwelle um den ganzen Erdball lief. Das Meerwasser verdampfte schlagartig, die eingeschlossenen Gase wurden frei, die Einschlagenergie war so gewaltig, dass das Grundgestein aufschmolz und vom verdunstenden Wasser in die Höhe gerissen wurde. Eine oder mehrere Erdbebenwellen der Stärke 11 oder 12 liefen durch die Erdkruste in alle Richtungen.

Der Einschlag verdrängte aber auch große Mengen Wasser, die nicht vollständig verdampften. Diese Massen wurden zum ersten Tsunami, der sich ringförmig mit dreifacher Schallgeschwindigkeit vom Impakt entfernte. Kaum flossen die ersten Wellen zurück, sorgte die ungeheure Menge von aufgeworfenem und herabfallendem Gestein für eine zweite Flutwelle, die der ersten folgte und sich teilweise mit ihr vereinte.

Der erste Killer: Der Einschlag

So gewaltig der Einschlag auch war, er war der erste, aber nur regionale Killer. Neben den unzähligen Gesteinsbomben von Sandkorn bis Felsgröße töte er vor allem durch die ungeheure Hitze. Wasser verdunstete mehr oder weniger schlagartig, Heißdampf verbrühte alles Leben, Wälder verdorrten schneller, als sie sich entzünden konnten. Die dabei entstehende Thermik sorgte für lokale Stürme, die alle Feuer anfachten – bis die Druckwelle kam.

Doch der Einschlag hatte noch weitere, längerfristige Folgen. Das Material, aus dem der Bolide bestand, ist verdunstet und befindet sich in der Atmosphäre, zunächst als Gas, dann als Staub. Der Boden, den der Meteorit traf, bestand aus sulfat- und kohlenwasserstoffreichem Kalkstein. Kalkstein zerlegt sich bei Hitze, hierbei wird unter anderen Kohlendioxid frei. Dieses Kohlendioxid verblieb zunächst in der Atmosphäre und begann, für einen Treibhauseffekt zu sorgen. Das Sulfat gelangte als Schwefeldioxid ebenfalls in die Atmosphäre, während die Kohlenwasserstoffe zu Ruß und Kohlendioxid verbrannten. Zusammen mit dem iridiumhaltigen Staub schatten Ruß und Schwefeldioxid die Erde ab, was nach einigen Tagen zu einem rapiden Temperaturabfall und schließlich zu einem Impaktwinter führte.

Der zweite Killer: Die Druckwelle

Die überschallschnelle Druckwelle raste durch die Atmosphäre. Sie war der zweite Killer. Bäume wurden entwurzelt und davon geweht, Äste, Geröll, ja sogar Sand und Blätter wurden zu tödlichen Geschossen. Die Winde erreichten alles, was nicht zufällig im Windschatten sehr solider Felsen lag, und dort bestand die Gefahr, von schwereren mitgerissenen Körpern erschlagen oder von Sand und Kies bedeckt zu werden. Wer nicht in Höhlen Schutz suchen konnte, war verloren.

Weltkarte mit den Kontinenten am Ende der Kreidezeit
Karte der Erde vor etwa 69,4 Millionen Jahren. Rot markiert der Chixulub-Krater, Gelb der Réunion-Plume, der die Dekkan-Trapps ausspieh

Schwarzweißbild mit unzähligen in eine Richtung umgeworfenen Baumstämmen
Das Tunguska-Ereignis 1927 hat „nur“ große Waldflächen in Mitleidenschaft gezogen. So etwas ist am besagten Tag auch passiert.

Zunächst löschte die Druckwelle die Feuer, wie wenn man eine Kerze oder ein Streichholz ausbläst. Aber das Brennmaterial kühlte in der Impakthitze nicht ab, so brachen die Feuer schnell wieder aus. Meteoriten und geschmolzenes Gestein aus dem Impakt fachten weitere Brände an. Gewaltige Brände, die in den folgenden Stürmen genug Sauerstoff bekamen, um zu verheeren. Ein Feuersturm zog über den Südosten Nordamerikas und das heutige Mexiko hinweg. Aber nicht lange.

Der dritte Killer: Die Erdbeben

Ebenso schnell wie die Druckwelle begann sich ein Erdbeben vom Einschlagkrater weg zu bewegen. Anders als die Luft wurde es nicht verlangsamt, sondern bewegte sich mit Schallgeschwindigkeit durch Erdkruste und Erdmantel. Die ursprüngliche Stufe 11 oder 12 wird es nicht an jedem Ort erreicht haben, aber nahezu überall wird es schwere Schäden angerichtet haben. Lose Flanken an Bergen lösten sich und fielen als Lawinen zu Boden, sie werden auch lokal erste Tsunamis ausgelöst haben. Schwemmlandböden wurden kurzzeitig weich, Lockergesteine zerfielen, so dass Dünen und Flussterrassen einbrachen. So wurden die Erdbeben zu den dritten Killern, Killern mit Langzeiteffekt:

Einbrechende Flussterrassen oder Berghänge haben Flüsse kurz oder lang aufgestaut. Stauseen sind entstanden, die sich bald mit ausgerissenen Bäumen füllten. Diese Biomasse war zu viel für die Seen, viele von ihnen kippten um. Gleichzeitig wurden durch die Beben ungeheure Mengen Sedimente mobilisiert. Sie trübten Bach- und Flussläufe und gelangten früher oder später ins Meer.

blaues Wasser mit einem abgestorbenen Baum
Der saure Regen und die ungeheuren Mengen Biomasse lassen die Gewässer umkippen

Schäumender Gebirgsfluss
Erdbeben lassen Seen ablaufen und stauen Flußläufe auf. Die Landschaft verändert sich

Die Erdbebenwellen erreichten aber noch weitere Zerstörungen. Durch die starken Beben lösten sich lokale Verspannungen der Kontinentalplatten. Das führte zu weiteren Nachbeben, oft noch Tage oder Wochen später. Hierdurch verschoben sich auch Vulkanschlote unter den bisher abdichtenden Kratern. Insgesamt stieg die vulkanische Aktivität an.

Am dem Einschlag entgegengesetzten Teil der Erde trafen sich die Schockwellen und addierten sich. Dieser Punkt liegt im Indischen Ozean, etwa dort, wo sich heute der Reunion-Plume befindet. Vor 66 Millionen Jahren lag die Landmasse des Indischen Subkontinentes über diesem vulkanischen Hotspot. So kam es zu den Ausbrüchen, aus denen die Dekkan-Trapps entstanden, bis zu 2000 m mächtige Schichten aus Basalt, die sich ursprünglich über mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometer erstreckten. Sie entstanden in einem Zeitraum zwischen 500.000 und 9 Millionen Jahren. Vermutlich war der Einschlag des Meteoriten am besagten Tag Auslöser für die vulkanische Aktivitäten.

Der vierte Killer: Flutwellen

Luftdruckwelle, Erdbeben und die daraus resultierenden Bergstürze werden lokale, vielleicht regionale Tsunamis ausgelöst haben, doch der größte Tsunami war bereits unterwegs. Während am heutigen Golf immer noch Gestein vom Himmel regnete und sich im Laufe eines Tages zu einem Kraterring von 130 m Höhe auftürmte, rasten Wassermassen als vierter Killer den Kontinenten entgegen. Das erste Land, das sie erreichten, war das flache Schwemmland im heutigen südlichen und mittleren Westen der USA. Er rollte weiter durch den nach Süden offenen Western Interior Seaway, erreichte die Molassegebiete am Fuße der Rocky Mountains und wälzte sich weit auf den Kontinent, bis ins heutige Illinois. Der Tsunami begrub alles unter sich, brennende Wälder, frisch zerrüttete Schwemmländer – und Dinosaurier. Die sich zurückziehenden Wassermassen spülten die verbrannte Vegetation ins Meer. Zurück blieb ein völlig verwüstetes Land, über das möglicherweise noch weitere Tsunamis hereinbrachen.

Doch nur eine regionale Katastrophe?

In schwächerer Form erreichten die Tsunamis auch Südamerika, Nordwest-Afrika und Europa. Auch hier richteten sie großflächige Verwüstungen an. Dennoch war die Zerstörung bei weitem nicht so verheerend wie in Nordamerika. Kleinere Meteoriten werden auch hier eingeschlagen sein, was zu lokalen Bränden geführt hat. Und nicht zu vergessen: Erdbeben der Stärke 10 bis 12 sind gewaltige Killer, selbst wenn man nicht in Gebäuden lebt.

Zwei Männer mit Pferden in hüfttiefem Schlamm und Staub
So heftig die Schäden am Mt. St. Helens 1980 auch waren, bald begann die Natur, die Verwüstung zurück zu erobern. (Foto: US Geological Service)

der ausgebrochene Mount St. Helens ohne Spitze und der davor liegende Spirit Lake voller Baumstämme
Seen sind voller Baumstämme und Schlamm, oft ist der Abfluss blockiert, bis…. (Foto: US Forest Service)

Durch die Druckwelle und die Erdbeben hatte sich die Landschaft in wenigen Minuten gewaltig verändert. Viele, vor allem die großen Tiere werden diesen Kräften direkt zum Opfer gefallen sein, kleinere sollten erst später ernsthafte Probleme bekommen. Generell ist aber nichts passiert, was die Natur nicht hätte wegstecken können.

Der Overkill erfolgt durch Vulkane

Doch da waren ja noch die Vulkane. Sie stießen gewaltige Mengen schwefelhaltige Verbindungen aus. Diese reflektieren das Sonnenlicht und führten zu einer Abkühlung des Klimas. Damals, so schätzen Wissenschaftler, wurden über 300 Milliarden Tonnen Material in die Atmosphäre gepumpt, durch den Impakt, die Feuer und Vulkanismus. Die globale Temperatur sinkt nach dem Hitzepeak des direkten Einschlages um sagenhafte 26°C. Zum ersten Mal seit mindestens 100 Millionen Jahren sinkt die globale Durchschnittstemperatur unter den Gefrierpunkt.

Ausbruch eines Vulkanes mit glühender Lava und dunklen Aschewolken
Dünnflüssige Lava wie die der Dekkan-Trapps tritt heute auf Hawaii zutage, doch in Indien waren es mehrere Jahrmillionen.

Grünes Farn zwischen Lava-Gestein
Das Leben findet seinen Weg, auch die Lavafelder der Dekkan-Trapps wurden schnell besiedelt

Anders als der Krakatau, dessen Ausbruch nur fünf Tage dauert, spien die Vulkane der Dekkan-Trapps viele hunderttausend Jahre basaltige Lava. So wurde über sehr lange Zeit das Sonnenlicht gefiltert, die Temperatur der Erde sank. Pflanzen fehlten Wärme und Licht zum Wachsen, denn der Impakt und die Vulkane verschoben die Klimazonen zum Äquator. Wo es vor wenigen Tagen noch subtropisch war, herrschte nun kaltgemäßigtes Klima, wo es kaltgemäßigt war, drohten nun subpolare Bedingungen. Dies war das Ende für viele Nahrungsketten an Land: die kleineren Tiere fanden nichts zu fressen, nachdem die Kadaver der Großtiere aufgebraucht waren.

Die Nahrungsketten im Süßwasser wurden auf ähnliche Weise unterbrochen. Sie bekamen zusätzlich noch die neue, starke Sedimentfracht zu spüren: Bodenlebewesen wurden zugedeckt, Laich von Fischen und Amphibien konnte sich nicht entwickeln. Wasserpflanzen und Algen hatten nicht genug Licht, das erste Mal seit mehreren Millionen Jahren froren die Gewässer außerhalb der Antarktis zu. Dazu kam eine Überfrachtung mit Nährstoffen aus toten Tieren und Pflanzen. Viele Gebirgsflüsse werden aufgestaut worden sein, überall dort, wo Wasser stagniert, reichte der Sauerstoff nicht mehr aus, um die Nährstoffe oxidativ abzubauen, die Gewässer kippten um. Fische erstickten, Landtiere starben am vergifteten Wasser.

Der Regen als Vollstrecker

Durch den Impakt verdunsteten enorme Mengen Wasser. Sie verteilten sich schnell in der aufgeheizten Atmosphäre, aber fielen genauso schnell als Regen wieder herunter, sobald sich die Atmosphäre abkühlte.

Dabei vollstreckten sie, was die anderen Reiter der Apokalypse begonnen hatten. Sie wuschen Staub aus der Luft, der als Schlamm in allen Gewässern landete. Was für Landtiere nur lästig war, wurde im Wasser zum ernsten Problem. Die Wasserkörper trübten sich ein, das sowieso schon schwache Sonnenlicht drang nicht mehr zu den Wasserpflanzen, planktonischen Algen und nicht zuletzt zu den Korallen durch, sie begannen, abzusterben.

Schlammiges Ufer mit abgestorbenen Baumstümpfen
Schlamm, wohin das Auge blickt. Die Korallenriffe sind unter diesem Leichentuch begraben

Lehmiger Fluss
Der Regen nimmt den Staub und die Asche vom Land, gräbt Rinnsale und trägt sie in die Flüsse

Auf dem Land fehlte die Vegetation, die den Humus fixiert, fehlte. So konnte Regen große Mengen davon ausspülen. Flüsse brachten ihn ins Meer, wo sich die feinen Humuspartikel mit der Strömung verteilten. Sie deckten sich wie ein Leichentuch über sterbende Korallenriffe und Seegraswiesen.

Aber selbst diese apokalyptischen Zustände sind noch zu toppen. Und wieder ist es der Regen, diesmal gemeinsam mit den Vulkanen, der es vollbringt. In der Atmosphäre reagieren Kohlendioxid, Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid mit der Luftfeuchtigkeit. Es entsteht genau das, was schon in den 1980er Jahren ein großes Umweltthema war: saurer Regen. Nicht ein bisschen, von ein paar tausend Tonnen Braunkohle, sondern weltweit und von vielen Millionen Tonnen vulkanischem Auswurfmaterial. Über mindestens 500.000 Jahre. Böden laugten aus, Pflanzen wurden verätzt und die Meere versauerten.

Der Zusammenbruch des Nahrungsnetzes im Meer

Der saure Regen wird es am Ende gewesen sein: Mindestens 90% des Planktons verschwand, insbesondere Arten mit Kalkschalen. Auf dem Plankton bauen nahezu alle marinen Organismen ihre Nahrungsgrundlage auf. Fehlt es, verhungern die Planktonfresser, die kleinen Raubfische haben nichts zu fressen und die größeren Tiere schwimmen nur noch suchend durch die Meere. Der Zusammenbruch dauerte vermutlich einige tausend Jahre länger als an Land, war aber mindestens genauso nachhaltig.

Das Ende der Dinosaurier

Der Impakt hat regional, vor allem in Nord- und Mittelamerika, Teilen von Südamerika und Afrika sofort nahezu alles an Leben zerstört. Hier hat kaum ein Dinosaurier den Einschlag überlebt, und wenn doch, wird er kurze Zeit später verhungert sein.

In Europa, Teilen Afrikas, Südamerikas, Asiens, in Australien und auf der Indischen Insel wird es anders gewesen sein. Der Impakt hat große Opfer gefordert, möglicherweise sind ganze Tierarten direkt durch ihn ausgestorben. Aber er hat nicht so verheert wie in den Amerikas. Ohne die Vulkanausbrüche mag es 5.000 bis 10.000 Jahre gedauert haben, bis sich die Natur von den Impaktschäden erholt hat. Viele, vor allem große Tierarten wären ausgestorben, aber kleinere Arten, auch Dinosaurier hätten überlebt. Dass sie das Potenzial hatten, wieder zu Riesen heranzuwachsen, hatten sie mehrfach bewiesen.

Doch die fehlende Wärme und das fehlende Licht bringen die Land-Ökosysteme zum Zusammenbruch. Vielleicht hat es noch eine Generation Dinosaurier geschafft, sich fortzupflanzen. Wenn, dann war vermutlich die Gegend, in der heute Pakistan liegt, die letzte Bastion. Bis hier hatten sich die Folgen des Impaktes nur sehr abgeschwächt zu spüren bekommen, die Vulkanwolken wurden vom tropischen Windsystem zunächst vermutlich auf der Südhalbkugel gehalten und die Sonne sorgte noch für angenehme Temperaturen. Vermutlich waren es kleine bis mittelgroße Tiere, die sowohl von Aas wie von kleinen Tieren leben konnten. Sie fanden anfangs Nahrung, ihre Feinde waren größtenteils verschwunden, wenn sich Paare gefunden haben, werden sie sich vermehrt haben – bis ihnen die Nahrung ausging.

Wie starb der letzte Dinosaurier?

Im Zwielicht des Tages stapft er durch den Matsch. Einzelne Büschel Farn, vielleicht auch Gras sind gewachsen, sie reichen bei Weitem nicht, um den Boden zu bedecken. Eiskristalle knirschen unter seinen Füßen, deren Haut ist aufgeweicht, zerschnitten, entzündet. So sehr, dass er kaum auftreten kann. Seine Federn sind zur Unkenntlichkeit verschlissen, die Augen trüb und gelb verkrustet. So richtig kann er nicht mehr hören und die Knie machen auch nicht mehr das, was er will. Er ist weit gewandert, in der Hoffnung, hier Wasser zu finden – Wasser und vielleicht einen toten Fisch, eine Eidechse oder sogar ein leckeres Ei eines größeren Tieres.

Doch außer altem Holz wittert er nicht viel. Bevor er sich ran macht, mit den Krallen einen der morschen Stämme aufzukratzen, um wenigstens ein paar Käferlarven zu finden, möchte er einen Schluck Wasser trinken. Danach geht es im sicher besser. Am Ufer angekommen beugt er sich vor, legt den Unterkiefer ins Wasser, wie er es immer getan hat. Doch diesmal versagen die Knie den Dienst, der letzte Dinosaurier kippt auf die Seite. Noch einmal durchatmen…

Ein Ammoniten-Schlachtfeld
Am Strand wurden massenhaft tote Ammoniten angeschwemmt,

Ein frühes Säugetier beobachtet den letzten Dinosaurier
Starb der letzte Dinosaurier, ohne wirklich gelebt zu haben?

Oder war es weniger dramatisch?

Schon tagsüber war das Piepsen zwischen den Eiern im Sand zu hören, dem letzten Nest eines Dinosauriers. Von zehn Eiern hat sich in der vergifteten Atmosphäre nur eines entwickelt. Doch wider Erwarten konnte das Tier schlüpfen. Eine kleine Schnauze durchbricht bei Sonnenuntergang die Eierschale, wenige Minuten später schaut der Kopf aus dem Ei. Er erblickt den Sand um sich herum und ein paar dürre Ästchen, die sich nach dem fahlen Licht einer staubigen Sonne recken. Eine Mutter hat das Junge nicht mehr, sie ist vor Tagen gestorben.
Selbst wenn das Küken gesund wäre, ist das Verlassen der Eierschale ohne die Hilfe der Mutter ein schwieriger Akt. Aber es ist nicht gesund, Arme und Beine sind verkrüppelt, die Knochen verkrümmt und zu weich. Die Eierschale zu zerbrechen und einige Schritte zu laufen, so dass sich der schwarzgrüne Schwanz entfalten kann, hat seine ganze Energie verbraucht. Wie zusammengebrochen liegt es im Nest. Vorsichtig nähert sich ein braun-weiß gezeichnetes, haariges Tier. Sein Instinkt sagt dem Küken, dass es jetzt piepsen soll. Der Instinkt trügt…

Kaum wurde es kalt, wurde es auch schon wieder warm

In der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit, wie lange die Kältephase dauerte. Einig sind die Forscher, dass an ihrem Ende eine rapide Erwärmung der Erde stattfand. Das Kohlendioxid aus dem Impakt und vulkanisches Kohlendioxid aus den Dekkan-Trapps sorgten für ein Treibhausklima, so dass die Temperaturen von vor dem Impakt für etwa 50.000 Jahre sogar übertroffen wurden. Welchen Einfluss das auf das Massenaussterben hatte, wird kontrovers diskutiert.

Sind alle Dinosaurier ausgestorben?

Natürlich sind nicht alle Dinosaurier ausgestorben. Mittlerweile weiß jedes Kind, dass sie in Form der Vögel weiter existieren. Doch die Nicht-Vogeldinosaurier haben dieses Inferno vor 66,04 Millionen Jahren nicht überlebt. Ob sie nun direkt beim Impakt oder einige Jahre später gestorben sind, spielt erdgeschichtlich keine Rolle.

Mit den großartigsten Tieren aller Zeiten starben auch alle Meeresreptilien bis auf die Wasserschildkröten. Die Ammoniten wurden vom Antlitz des Planeten gefegt, ebenso verschwanden viele andere kalkschalige Meerestiere. Was kaum jemand weiß: auch die Vögel mussten Federn lassen. Alle archaischen Gruppen, z.B. Enantiornithes, Ichthyornithes, Hesperornithes sind ausgestorben, nur die „modernen“ Vögel der Neornithes überlebten den Impakt.

Sonnenuntergang hinter einem Wald mit einem fliegenden Schwarm Vögel
Vögel sind die Nachkommen der Dinosaurier, aber auch sie mussten Federn lassen

Sitzender Emu mit goldenen Augen
… wer weiß, wieviel Dinosaurier noch im Blick dieses Emu steckt?

Insgesamt nimmt man heute an, dass die Detritus-Fresser, die am unteren Rand des Nahrungsnetzes stehen, eine Schlüsselfunktion beim Überleben nach der Impakt-Katastrophe hatten. Detritus ist in großer Menge angefallen, wie ja auch oben mehrfach geschildert. Wer von Detritus lebte, hatte eine gute Chance, zu überleben. Genauso wie kleinere Generalisten, während spezialisierte Fleisch- oder Pflanzenfresser unter den Säugern ausstarben. Eidechsen und Schlangen wurden hart getroffen, Krokodile schienen den Impakt vergleichsweise gut weggesteckt zu haben. Kein Landtier mit mehr als 15 bis 25 kg überstand die Krise, hier darf spekuliert werden, ob Trinkwasser die limitierende Ressource war.
Süßwasserbiotope waren wohl ein vergleichsweise sicherer Lebensraum, denn hier sind „nur“ 50% der Arten verschwunden.

Letztlich verursachte der Impakt, der als Chicxulub-Einschlag bekannt wurde, eines der einschneidendsten Massenaussterben der Erdgeschichte. Ob es der einzige Grund war, dass Säugetiere die „Herrschaft“ von den Dinosauriern übernehmen konnten, ist unklar. Vermutlich wäre mit einer langsameren, über Jahrmillionen laufenden „Übergabe“ zu rechnen gewesen. Möglicherweise gäbe es Nichtvogel-Dinosaurier sogar heute noch.

Eine Bisonherde mit Jungtieren
Hätten sich die Säugetiere durchsetzen können, ohne die Konkurrenz der Dinosaurier?

Rekonstruktion eines großen Fleischfressers vor Hochhäusern
Wer weiß, vielleicht ist es doch besser, dass sie ausgestorben sind?

Sind die Dinos wirklich ausgestorben?

Graphic Design zum KongressOder haben einzelne Dinosaurier doch bis heute überlebt? Auf der Vortragsreihe „Auf der Suche nach Mokele Mbembe“ am 12. Oktober diskutieren wir das mit drei internationalen Referenten die Frage, ob es im Kongo-Raum noch überlebende Dinosaurier gibt.

Immer wieder gibt es entsprechende Beobachtungen, auch einige Pygmäenvölker berichten von unheimlichen Riesentieren, die sogar Elefanten töten.

12. Oktober 2019 im Galileo-Park in Lennestadt-Meggen im Sauerland. Noch gibt es Restkarten!


Literatur:

Gulik et al. (2019): The first day of the Cenozoic; https://www.pnas.org/content/early/2019/09/04/1909479116

Robertson et al. (2004): Survival in the first hour of the Cenozoic; https://doi.org/10.1130/B25402.1

Robertson et al. (2013): K‐Pg extinction: Reevaluation of the heat‐fire hypothesis; https://doi.org/10.1002/jgrg.20018

Brugger et al. (2016): Baby, it’s cold outside: Climate model simulations of the effects of the asteroid impact at the end of the Cretaceous; https://doi.org/10.1002/2016GL072241

Longrich et al. (2011): Mass extinction of birds at the Cretaceous–Paleogene (K–Pg) boundary; https://doi.org/10.1073/pnas.1110395108

Europäische Südsternwarte mit dem Foto des Kometen McNaught





Ig-Nobelpreise 2019

„Um sowas komisch zu finden, muss man wohl zu lange die Luft unter einem Labor-Abzug geschnüffelt haben“ befand ein Journalist die Verleihung der Ig-Nobelpreise abfällig. Die Redaktion hat das definitiv, deswegen waren wir uns auch einig, der Verleihung der Ig-Nobelpreise 2019 hier noch einmal Platz zu bieten:

Das Massachusetts Institut for Technology (MIT) und die Harvard University verleihen seit 1991 jedes Jahr die Ig-Nobelpreise. Diese „Ehrung“ ist eine Art Anti-Nobelpreis und satirische Auszeichnung. Sie wird an Menschen verliehen, die sich mit besonderen „Leistungen“ um die Menschheit verdient gemacht haben oder „herausragende“ Forschungsergebnisse veröffentlicht haben. (Englischsprachiges Wortspiel: ignoble = unwürdig, schmachvoll)

Die Preise selber werden von der wissenschaftlichen Zeitschrift „Annals of Improbable Research“ (dt. etwa „Annalen der absurden Forschung“ vergeben. Ziel sind dabei jährlich zehn Errungenschaften, „die Leute erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen“. Das Lachen darf durchaus bitter sein.

Die Jury

Wie üblich sucht eine Jury die Preisträger aus. Dieses “Ig-Nobel Board of Governors” setzt sich jedes Jahr neu aus Nobelpreisträgern, Ig-Nobelpreisträgern, wissenschaftlichen Autoren, Sportlern, Trägern öffentlicher Ämter und anderen bekannten oder weniger bekannten Personen zusammen. Um ein zufälliges Moment zu erreichen, wird am letzten Tag der Auswahl ein zufälliger Passant in die Jury geladen.

Die Preisverleihung findet jedes Jahr im Herbst, kurz vor der Bekanntgabe der Nobelpreisträger statt. Dieses Jahr war der 12. September der große Tag.

Bekannte Preisträger oder geehrte Arbeiten

Der „Stinker“ ist das offizielle Maskottchen der Zeremonie

Unter den Preisträgern sind berühmte Persönlichkeiten, z.B. Jacques Chirac, der zum Gedenken an den 50. Jahrestag von Hiroshima einen Atomtest durchführte.  Es gab Preise für die Veröffentlichung an sich: einer wurde an Eric Topol und seine Mitautoren verliehen, sie schafften die Veröffentlichung eines medizinischen Forschungspapiers, das hundertmal mehr Autoren als Seiten hatte. Die meisten Preise wurden aber durch absurde Themen bekannt. Karl Kruszelnicki von der Uni in Sydney forschte zum Bauchnabelfussel, aber auch Produkte wie hellblaue Götterspeise, ein sich selbst parfümierender Straßenanzug und die Herstellung von Diamanten aus Tequila.

Bekannt wurden aber vor allem Arbeiten, beispielsweise der (erfolgreiche) Versuch die Passage von Nierensteinen mittels Achterbahnfahrten zu beschleunigen, die Anwendung der Strömungsmechanik zur Frage, ob eine Katze ein Festkörper oder eine Flüssigkeit ist, oder die Untersuchung des biologischen Prinzips, dass nahezu alle Säugetiere 21 Sekunden benötigen, um ihre Harnblase zu leeren (mit 13 Sekunden Standardabweichung).

Die Zeremonie

Ähnlich skurril wie die Arbeiten, ist die Zeremonie, in der die Preise verliehen werden. Grundsätzlich besteht eine Ähnlichkeit mit vergleichbaren Zeremonien: Ein Laudator stellt den Preisträger und seine Arbeit vor, oft in einer humorvoll, teilweise sarkastischen Rede. Als Laudatoren lesen dieses Jahr Eric Maskin (Wirtschaftswissenschaftler, Nobelpreisträger 2007), Rich Roberts (Biochemiker, Nobelpreisträger 1993) und Jerry Friedman (Physiker, Nobelpreisträger 1990). Ist der Preisträger anwesend, was in den letzten Jahren immer häufiger der Fall ist, dann darf er eine Dankesrede halten. Früher hatte sie eine maximale Länge von 5 Wörtern. Heute rennt nach einer gewissen Zeit ein die achtjährige „Miss Sweetie-Poo“ auf die Bühne und ruft dem Redner „Hör auf, mir ist langweilig“ zu.

In den letzten Jahren wurden die Geehrten während ihrer Dankesrede mit Papierfliegern beworfen. Das mussten die Initiatoren dieses Jahr aus Sicherheitsgründen abwandelt. Ein bedauernswerter Mensch darf in schwerer Sicherheitskleidung eine Zielscheibe vor dem Bauch über die Bühne tragen. Diese darf das Publikum während der Zeremonie zweimal bewerfen.

Ein anderer, nicht unwesentlicher Teil sind die 24/7-Lectures. Hier darf ein Top-Wissenschaftler in 24 Sekunden sein Arbeitsfeld erklären, um es danach in 7 Wörtern zusammenzufassen.

Die traditionelle Willkommens- und Abschiedsreden werden wie seit 2007 wieder von Jean Berko Gleason, einer bekannten Sprachwissenschaftlerin gehalten. Man darf gespannt sein:

Die Preisträger

Der Ig-Nobel-Preis für Anatomie geht an Roger Mieusset und Bourras Bengoudifa aus Frankreich. Beide Wissenschaftler haben die Temperatur des Hodensackes bei nackten und bekleideten französischen Briefträgern gemessen.

Im Fachbereich Biologie hat das Komitee eine Arbeit einer sechsköpfigen Gruppe aus sechs Nationen gewürdigt. Ling-Jun Kong und ihre Kollegen entdeckten, dass sich tote magnetisierte Kakerlaken anders verhalten, als lebende magnetisierte Kakerlaken.

Shigeru Watanabe aus Japan erhält den Ig-Nobelpreis für Chemie. Seine Methode zur Schätzung der Menge der Spucke, die ein Säugling am Tag produziert, konnte er direkt auf der Bühne vorführen: Er hatte drei seiner Söhne, die vor 25 Jahren seine Versuchsobjekte waren, dabei. Bevor er erste Ergebnisse darstellen konnte, wurde er (leider?) von „Miss Sweetie-Poo“ unterbrochen.

Ebenfalls sehr groß war eine Arbeitsgruppe aus dem Vereinigten Königreich, Saudi-Arabien, Singapur und den USA, die das Komitee für den Versuch, das Wohlbefinden beim Kratzen einer juckenden Körperstelle zu messen, mit dem Ig-Nobelpreis für Frieden ausgezeichnet hat.

Iman Farahbakhsh aus dem Iran konnte leider nicht persönlich anwesend sein. Für die von ihm entwickelte Wickelmaschine für Säuglinge bekommt er den 2019er Ig-Nobelpreis für Ingenieurswissenschaften.

Wesentlich angenehmer scheint die Forschung von Silvano Gallus aus Italien und den Niederlanden gewesen zu sein. Seine Arbeit besagt, dass Pizza gegen Krankheiten und frühen Tod schützt – vorausgesetzt, sie wird in Italien gemacht und gegessen – und enthält keine Salami.

Die Tiertrainerin Karen Pryor und Theresa McKeon werden mit dem Ig-Nobelpreis für Medizinausbildung geehrt. Sie setzten das Klickertraining bei der Ausbildung von Chirurgen ein.

Biologisch interessant ist die Arbeit, die mit dem Ig-Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Patricia Yang und sechs weitere Wissenschaftler aus insgesamt sechs Ländern hat es gebraucht, um herauszufinden, warum der Kot von Wombats würfelförmig ist.

Wer weiß, wie dieses Wissen weiterverwendet wird. Vielleicht geht einer der nächsten Ig-Nobelpreise an einen Tierzüchter, der Hühner entwickelt, die würfelförmige Eier legen?

Psychologe Franz Strack aus Deutschland fand heraus, dass es Menschen zum Lächeln bringt und glücklicher macht, wenn sie einen Stift zwischen den Zähnen halten, und dass dieser Effekt nicht auftritt, wenn der Stift zwischen den Lippen gehalten wird. Einige Zeit später fand er genau das Gegenteil heraus. Dafür bekommt er den Ig-Nobelpreis der Kategorie Psychologie.

Der Ig-Nobelpreis in der Kategorie Wirtschaft ging an ein dreiköpfiges Team aus der Türkei, den Niederlanden und Deutschland. Habip Gedik, Timothy A. Voss und Andreas Voss untersuchten, auf aus welchen Ländern die Banknoten am besten gefährliche Bakterien verbreiten.

„Stop it, I’m bored!“


Literatur:

Journal for Improbable Research

Seite des Ig-Nobelpreises beim Journal for Improbable Research

Das Who is Who 2019





Presseschau Kalenderwoche 37/2019

Wie immer montags gibt es auch heute die Presseschau mit Meldungen aus Zoologie, Kryptozoologie und Tierischem zum Schmunzeln aus der vergangenen Woche. Viel Spaß beim Lesen.


Autounfall mit Hamster

Keiler schläft in der Abendsonne
„Ein Hamster mit sehr großen Zähnen“.. ruht friedlich in der Abendsonne

Aus Attaching bei Freising in Bayern kam der Anruf, der die Polizei sicherlich ins Grübeln brachte. Ein Taxifahrer meldete den Beamten einen Wildunfall, aber keinen gewöhnlichen: er habe einen „großen Hamster mit sehr großen Zähnen“ angefahren. Trotz Vollbremsung konnte der 49-Jährige den Unfall nicht verhindern, das Tier verstarb noch an Ort und Stelle.

Was wie ein interessanter Fall für die Kryptozoologie klingt (ein großer Hamster mit sehr großen Zähnen, vielleicht eine Art Wer-Wombat?), löste sich beim Eintreffen der Polizei schnell auf. Der Taxifahrer hatte ein mittelgroßes Wildschwein erwischt. Der Polizeisprecher hierzu: „Der Taxifahrer war nüchtern!“

Ein NfK-Mitglied hierzu: „Man stelle sich den Unfall in einem Land vor, wo nicht sofort die Polizei zum Unfallort eilt, um die Sache aufzuklären, sondern wo nur die Erzählung des Autofahrers übrigbleibt. Schon könnte ein neuer Kryptide geboren sein.“


Neanderthaler-Fußspuren lassen umdenken

Portrait eines Modells eines älteren Neanderthaler-Mannes
War es seine Gruppe, die in Le Rozel am Strand lebte?
Neanderthaler-Modell aus dem Neanderthal-Museum in Mettmann

Forscher finden an einem Strand bei Le Rozel in der Normandie hunderte Fußspuren von Neanderthalern. Insgesamt fanden die Forscher um Dominique Cliquet von der Universität Rennes 257 Fußspuren und 8 Handabdrücke. Die 80.000 Jahre alten Spuren lassen vermuten, dass eine kleine Gruppe dieser Menschen zeitweilig an dem Ort lebte.

Die Zusammensetzung der Gruppe hat die Forscher überrascht. Ihre Analyse ergab, dass sie mindestens von 4, vermutlich eher 10 bis 13 Personen stammten. Eine 28 cm lange Fußspur ordnen sie einem erwachsenen Mann zu, der mit 1,89 m für Neanderthaler ungewöhnlich groß war. Bemerkenswert ist jedoch, dass ein Großteil der Spuren von Kindern stammt.

Bisher ging man davon aus, dass Neanderthaler etwa 1,77 m Körpergröße erreichen konnten. Ebenso vermutete man eine andere Zusammensetzung der Gruppen. Das einzige andere Spurenbild aus der Höhle El Sidrón in Spanien zeigt 7 Erwachsene, 3 Jugendliche, 2 Kinder und ein Kleinkind.

Die gesamte Arbeit kann man hier nachlesen: https://doi.org/10.1073/pnas.1901789116


Norwegen: seltsame Krankheit tötet Hunde

Rund 200 Hunde waren Anfang dieser Woche in Norwegen von einer seltsamen Darmerkrankung betroffen. Sie zeigen blutigen Durchfall, Erbrechen und Abgeschlagenheit. Etwa 25 Hunde sind bereits daran gestorben, meldet das norwegische Veterinäramt. Bei zehn Nekropsien ergab sich eine deutliche Verschiebung der Darmflora: Sie wiesen einen „unnatürlich hohen“ Befall durch Clostridium perfringens und Providencia alcalifaciens auf. Die meisten Krankheitsfälle werden aus Oslo und der Umgebung gemeldet.

Die Behörden riefen die Hundebesitzer auf, die Tiere an der Leine zu führen und den Kontakt mit anderen Hunden zu vermeiden. Bisher gibt es keine Hinweise, ob andere Tiere oder Menschen betroffen sein können.


Zweifarbiger Hummer gefunden

Männer halten vier verschiedene, ungewöhnlich gefärbte Maine-Hummer in die Kamera
Die „seltenen“ Hummer des Maine Center for Coastal Fisheries (Foto: Maine Center for Coastal Fisheries)

Captain Daryl Dunham, Hummerfischer vor der Küste von Maine staunte nicht schlecht. Er zog in einem seiner Hummerkörbe einen extrem ungewöhnlich gefärbten Hummer an die Oberfläche. Die linke Körperhälfte des Tieres ist blaubraun gefärbt mit orangefarbenen Abzeichen, die rechte Körperhälfte leuchtet orange. Beide Körperhälften sind wie durch einen scharfen, geraden Strich getrennt.

Eine solche Färbung kommt nur durch eine seltene Mutation in der frühen Embryonalphase zustande. Die Körperzelle, die sich zur rechten Seite der Außenhaut (für die Fachleute: das ektodermale Keimblatt) differenziert, hat das Gen für dunkle Farbe „verloren“.

Der Hummer wird nicht in den Topf wandern (dann würde er seine Besonderheit verlieren und einheitlich rot), sondern wird für eine Weile im Maine Center for Costal Fisheries in einem Aquarium ausgestellt. Danach wird er „mit allen Ehren“ in die New England Bay entlassen, wo er herkam. Das Center pflegt noch weitere ungewöhnliche Hummer, zwei Calico-Lobster mit einem hohen Anteil orangefarbener Flecken und ein blaues Tier, eine andere seltene Farbmutation. Alle gehören der Art Homarus americanus an.

CNN hat ausgerechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Calico-Hummer zu fangen bei 1: 30 Millionen liegt, der blaue ist etwas häufiger mit 1: 2 Millionen, während das neu gefangene Tier bei 1: 50 Millionen liegt. Die Wahrscheinlichkeit, diese Tiere in einem Aquarium zu halten, liegt bei 1:90 Octilionen – aber nicht lange: Hummer sind territorial, in einem Aquarium überlebt nur das größte Tier.

Quelle: CNN travel


Astronomen finden Wasser auf Exoplaneten – Leben könnte möglich sein!

Ist das noch Kryptozoologie? Egal: Astronomen konnten mit Hilfe des Weltraumteleskopes „Hubble“ auf einem Exoplaneten das erste Mal Wasserdampf nachweisen. „Wasser auf einer potenziell bewohnbaren Welt jenseits der Erde zu finden, ist unfassbar aufregend“, erklärt Angelos Tsiaras vom University College London die Entdeckung. Wasserdampf in der Atmosphäre, das kennen wir. Auf der Erde nennt man das Wolken.

K2-18b, so heißt der Planet, kreist um einen Zwergstern im Sternbild Löwe und hat rund die achtfache Masse und mehr als den doppelten Durchmesser der Erde. Er gehört damit zur Klasse der Super-Erden. „K2-18b ist nicht die ‚Erde 2.0‘, da er deutlich schwerer ist und eine andere Zusammensetzung der Atmosphäre hat.“ bremst Tsiaras die Erwartungen. Hinweise auf Leben habe man bisher keine gefunden.

Wer eine längere Zusammenfassung auf Deutsch lesen möchte, möge hier klicken

Wer die Originalarbeit in der „Nature Astronomy“ lesen möchte, klicke bitte hier.


Wie man mit Magenknurren Feinde vertreibt

Unser Chefredakteur meint „Das ist doch ganz normal. Wenn ich Hunger habe, bin ich unausstehlich. Wer mein Magenknurren hört, flüchtet freiwillig.“ Aber wir machen trotzdem eine Meldung draus, denn nicht der Chefredakteur ist gemeint, sondern die Westatlantische Reitkrabbe Ocypode quadrata.

Sandfarbene Krabbe mit weißen Scheren im Sand
Knurrt mit dem Magen, um Feinde zu vertreiben – nicht der Chefredakteur, sondern Ocypode quadrata

Eigentlich ist sie nichts besonderes, sie sieht aus wie eine normale, etwas blasse Krabbe, lebt am Strand der Ostküste beider Amerikas, von Rhode Island bis Brasilien, vor allem im Bereich Florida bis in die Karibik. Sie fressen Aas und kleine Strandlebewesen. Die Männchen kämpfen stark ritualisiert untereinander.

Ocypode quadrata sind dafür bekannt, drei verschiedene Arten von Geräuschen zu produzieren, was für Krabben bereits sehr viel ist: Ein raspelndes Geräusch mit dein Beinen, das oft als Warnung gegenüber anderen Tieren eingesetzt wird. Dazu kommt ein blubberndes Geräusch im Kiemenraum und sie nutzen die Scheren als Instrument, um am Substrat ein reißendes Geräusch zu erzeugen. Jetzt haben Wissenschaftler eine vierte Geräuschquelle entdeckt: Sie reiben die Zähne ihres Vormagens aneinander und erzeugen ein Geräusch, das entfernt an ein Quaken erinnert. Viele Feinde wie Möwen, Waschbären, andere Reitkrabben und Menschen können die Frequenz (etwa 2 Kilohertz) sehr gut wahrnehmen. Vermutlich wird es als Abwehrgeräusch verwendet.

Hier gibt es das Geräusch zu hören und einen Röntgenfilm von der Entstehung.


Insektizide hindern Zugvögel am Weiterfliegen

grauer Vogel mit schwarz weißer Kopfzeichnung und gelbem Schnabel
Die Dachs-Ammer ist ein wichtiger Zugvogel in Nordamerika

Neonicotinoide sind eine gängige Klasse bei den Insektiziden. Eine Studie aus Kanada zeigt nun, dass sie nicht nur für Insekten gefährlich sind, sondern auch Zugvögel beeinträchtigen.

Die Forscher fingen am frühen Morgen Dachs-Ammern (Zonotrichia leucophrys) bei einem Zwischenstopp im kanadischen Ontario. Dann verabreichten sie einigen eine geringe, anderen eine höhere Menge des Neonicotinoids Imidacloprid. Die Menge sei etwa so viel, wie einige gebeizte Samen enthalten. Nach 36 h durften die Vögel weiter fliegen. Tiere, die die höhere Dosis des Nervengiftes erhalten hatten, fraßen in den folgenden 6 h nichts und nahmen danach nur ein Drittel des Futters zu sich, das die Tiere der Kontrollgruppe fraßen. Das wirkte sich auf ihre Kondition aus: Sie hatten in den sechs Stunden bereits durchschnittlich 6% ihres Körpergewichtes verloren, was 17% ihres Fettspeichers entspricht.

Die behandelten Vögel blieben 3,5 Tage länger in der Umgebung von Ontario, als die unbehandelten Tiere. „Das sind nur ein paar Tage, aber wir wissen, dass ein paar Tage signifikante Auswirkungen auf die Überlebensrate und die Fortpflanzung haben kann“ beschreibt Studienleiterin Margaret Eng von der University of Saskatchewan in Saskatoon die Konsequenzen.

Ähnlich wie einige andere moderne Untersuchungen betrachtet auch dieses Paper die Auswirkungen von Pestiziden, die unterhalb der Schwelle akuter Vergiftungen liegen. Das getestete Imidacloprid wird unter den Markennamen Admire, Confidor und Gaucho vertrieben. Es ist mit etwa 40% Marktanteil das am häufigsten gehandelte Neonicotinoid.

Die Originalarbeit: Eng et al. (2019): A neonicotinoid insecticide reduces fueling and delays migration in songbirds; Science: Vol. 365, Issue 6458, pp. 1177-1180 DOI: 10.1126/science.aaw9419

Deutsche Bearbeitung von Bea Riebesehl bei Spektrum.de: Zugvögel – Neonikotiniode verzögern Weiterfliegen


Mr. 100.000 Volt – stärkster Zitteraal entdeckt

Zitteraale kennt jedes Kind. Electrophorus electricus lebt in Südamerika und produziert Strom, um sich zu orientieren und seine Beutetiere zu betäuben. Schon Alexander von Humboldt berichtet tief beeindruckt von seinen Fähigkeiten. Viele Zooaquarien pflegen die Tiere, denn sie sind trotz ihrer Größe von potenziell über 2 m dankbare Pfleglinge und sorgen für eine gewisse Sensation bei den Besuchern. Tatsächlich faszineren sie auch durch ihr gemütliches Auftreten und die ungewöhnliche Schwimmweise mit undulierendem Afterflossensaum.

Zeichnung verängstiger Pferde, die von Zitteraalen angegriffen werden
Am Orinoco benutzte Humboldt Pferde, um die Zitteraale eines Gewässers zu ködern.

Zitteraale waren viele Jahre immer wieder Forschungsobjekte, hauptsächlich wegen ihrer Stromproduktion, aber auch wegen der „normalen“ Verwendung eines elektrischen Feldes zur Orientierung und Kommunikation untereinander. Taxonomisch sind sie seit der Erstbeschreibung von Linné 1766 beinahe unbeachtet geblieben. Jetzt haben sich Forscher des Smithsonian National Museum of Natural History den Zitteraalen genetisch und morphologisch angenähert – und siehe da: aus einer beschriebenen Art wurden auf einmal drei. Sie unterscheiden sich genetisch eindeutig, auch wenn sie nahezu gleich aussehen.

Die bekannte Art Electrophorus electricus lebt im Norden Südamerikas, vor allem in den Guyanas und Surinam, E. varii bevölkert das Amazonasbecken im Norden Brasiliens und E. voltai erreicht schließlich den tieferen Süden Brasiliens. Die Arten haben sich während der Entwicklung der heutigen Überschwemmungsregenwälder im Amazonasgebiet vor etwa 3 Millionen Jahren aufgetrennt.

Natürlich haben die Wissenschaftler auch die elektrischen Fähigkeiten der Tiere untersucht. Hierzu haben sie die Zitteraale in ein aufblasbares Schwimmbecken gesetzt und die Stärke der Entladungen gemessen. Die stärksten Stromschläge kann E. voltai (der nach Alessandro Volta, einem Pionier der Elektrophysik benannt wurde) austeilen. Seine „Zaps“ erreichen 860 V, wesentlich mehr als die vorher bei Zitteraalen gemessenen 650 V.

Der Originalartikel in Nature Communication


Kleinster fossiler Affe entdeckt

Parvimico materdei haben ihn die Paläontologen genannt. Er lebte im frühen Miozän Südamerikas, vor etwa 18 Millionen Jahren. Bisher weiß man noch nicht viel über ihn, aber er könnte ein neues Licht auf die Evolution der Primaten der Neuen Welt werfen – wenn man denn mehr von ihm findet.

Schon die Fundgeschichte ist eine Geschichte purer Geduld. Das Team um Richard Kay, Professor für evolutionäre Anthropologie der Duke University und Kollegen von der National University of Piura in Peru legte diese Geduld an den Tag. Sie entdeckten, dass eine Sandbank des Flusses „Madre del Dios“ fossilreich war und begannen, das Sediment zu sieben. Nachdem sie über 900 kg durchsiebt hatten, fanden sie hunderte fossiler Knochen anderer Tiere und einen Zahn in der Größe von zwei Stecknadelköpfen. „Das ist bei Weitem der kleinste fossile Affe, der weltweit gefunden wurde“ sagt Kay über den Fund.

Anders als das rezente Zwergseidenäffchen (Cebuella pygmaea), das ähnlich groß ist, hat sich Parvimico vermutlich von Früchten und Insekten ernährt.

Da bisher nur ein einzelner Zahn entdeckt wurde, kann sonst nicht viel über Parvimico gesagt werden. Weitere Forschung wird hoffentlich neue Ergebnisse bringen.

Die Originalarbeit: Kay, R. et al. (2019): Parvimico materdei gen. et sp. nov.: A new platyrrhine from the Early Miocene of the Amazon Basin, Peru; Journal of Human Evolution,Volume 134, September 2019, 102628; https://doi.org/10.1016/j.jhevol.2019.05.016


CIA ließ Tiere für sich spionieren

Gerüchte und Verschwörungstheorien hierzu gab es schon lange. Nun wurden Archivdokumente veröffentlicht, die das Tiertrainingsprogramm der CIA beschreiben. Die Trainer haben unter anderem Katzen, Hunde, Delfine, Raben, Tauben und viele andere Tiere zu trainieren versucht, meist mit wenig Erfolg.

So sollten Katzen Abhörvorrichtungen herumtragen, Delfine neben Soviet-U-Booten schwimmen und akustische Signale aufzeichnen. Besonders beliebt waren offenbar Vögel, aber außer Anfangserfolgen hatte die CIA keine echten Erfolge. Die CIA hat alle Tier-Trainings aufgegeben, während die US-Navy noch Delfine und Seelöwen im Dienst hat.

Was genau gemacht wurde, kann man unter anderem beim Daily Star nachlesen.


Riesiger Flugsaurier entdeckt

Das Fossil lag bereits etwa 30 Jahre im Archiv, da die Ausgräber dachten, sie hätten im Alberta’s Dinosaur Provincial Park in Kanada einen Quetzalcoatlus ausgegraben – einen bereits bekannten, gewaltigen Flugsaurier aus Texas. Doch vor vier Jahren stellte Michael Habib ein Flugsaurier-Experte fest, dass die Fossilien zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit denen von Quetzalcoatlus hatten, aber „die Proportionen irgendwie nicht stimmten“.

Weiß-roter Flugsaurier im Flug von oben
Cryodrakon boreas in einer Paläoart von David Maas, passenderweise mit einem angedeuteten Maple Lead auf dem Rücken.

So kam es zu einer näheren Untersuchung der Fossilien, bei am Ende feststand, dass es sich um eine bisher unbekannte Gattung und Art handelt. „Dieser Typ Flugsaurier [Azhdrachiden] ist sehr selten, von den meisten Arten kennen wir nur einen einzigen Knochen“ erzählte Habib der SciTech Daily. „Unsere neu beschriebene Art basiert auf einem Teilskelett. Das sagt uns eine Menge über die Anatomie dieser großen Flieger, wie sie flogen und wie sie lebten.“

Cryodrakon boreas

Cryodrakon boreas (von Kryos: gefroren, Drakon: Drachen und boreas: der Nördliche, mythisch die Personifizierung des Nordwindes) lebte vor 77 Millionen Jahren in der späten Kreidezeit. Alberta war damals eine tropische Flachlandschaft in der Nähe des Western Interior Seaways. Wie die meisten Azhdrachiden war er sehr groß und hatte -verglichen mit heutigen fliegenden Tieren- sehr ungewöhnliche Proportionen. In der Luft wirkte er beinahe wie ein Flugzeug, mehr als neun Meter Spannweite und ziemlich schlanke Flügel haben ihm eine elegante Erscheinung gegeben. Am Boden bewegte er sich auf allen Vieren fort, die Flügel tragenden Finger hochgeklappt. Obwohl er hier die Höhe einer weiblichen Giraffe erreichte, kam er mit dem Schnabel auf den Boden.

Das war auch notwendig, denn Cryodrakon ernährte sich räuberischvor allem von Eidechsen, Säugetieren und Dinosaurierbabies.

Anders als in einigen Medien berichtet, ist Cryodrakon nicht der größte Flugsaurier. Einige Azhdrachiden erreichten vermutlich 12 bis 13 m Spannweite und damit das doppelte Gewicht.

Weiteres über Cryodrakon gibt es unter anderem bei National Geographic, der Washington Post und in der Erstbeschreibung im Journal of Vertebrate Zoology.


Luchsportrait, das Tier sieht nach rechts
Portrait eines europäischen Luchses

Luchs-Wilderer zu 3000 € Geldstrafe verurteilt

Das Amtsgericht Cham hat am 12.09.2019 einen Jäger zu einer Geldstrafe von € 3000,- verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann in seinem Revier im Bayerischen Wald einen freilebenden Luchs gefangen und getötet hat. Der Jäger hat die Vorwürfe bestritten, ein Zeuge berichtete jedoch ausführlich, wie ihm der Jäger von den Wildereien geprahlt habe.

Interessant ist die Frage, ob der Jäger in der Folge auch zivilrechtlich belangt werden kann. Einige Naturschutzorganisationen haben viel Geld in die Wiederansiedlung des Luchses investiert, so dass die Tiere finanziell zu bewerten sind. Allerdings wurden sie mit dem Aussetzen herrenlos, nominell ist dem ehemaligen Besitzer damit kein Schaden entstanden.

Im Bayerischen Wald wurden in den letzten Jahren immer wieder illegal Luchse gewildert. Am Mittwoch unterzeichneten der Bayerische Jagdverband, der Landesbund für Vogelschutz und der WWF Deutschland in Regensburg eine gemeinsame Erklärung gegen Wilderei und Artenschutzkriminalität. Die Naturschutzverbände fordern von der Bayerischen Landesregierung eine „Anti-Wilderer-Offensive“.


16.000 Jahre alte Stein-Artefakte in Idaho ausgegraben



Wissenschaftler der Oregon State University haben bei Cooper’s Ferry im US-Bundesstaat Idaho Steinartefakte ausgegraben, die zwischen 15.000 und 16.000 Jahren alt sind. Unter den 189 Objekten befinden sich Pfeil- oder Speerspitzen, Steinmesser und Schaber.

„Die Stelle liegt am Salmon River, einem Zufluss des größeren Columbia-River-Systems“ sagt Professor Loren Davis, der die Ausgrabungen leitete. „Frühe Gruppen bewegten sich an der Pazifikküste nach Süden und könnten mit dem Columbia-River die ersten Stelle zwischen den Gletschern gefunden haben, an der sie einfach ins Landesinnere laufen und paddeln konnten. Der Columbia-River war eine der ersten Möglichkeiten, von der Küste ins Inland vorzudringen“.

Neben den Stein-Artefakten fand das Team auch Holzkohle, vom Feuer zerbrochene Steine und 86 Knochenfragmente von mittelgroßen und großen Tieren.

Warum ist uns das eine Meldung wert? Die Fragmente sind mit die ältesten, die bisher in Nordamerika gefunden wurden. Genetische Untersuchungen legen eine Besiedlung Amerikas zwischen 15.000 und 13.000 v. Chr. stattfand. Die ältesten direkten Nachweise sind etwas über 14.000 Jahre alt, sie stammen aus Oregon und Texas. Die jetzigen Funde sind also mindestens 700 Jahre, möglicherweise fast 2000 Jahre älter.

Literatur: Loren G. Davis et al. 2019. Late Upper Paleolithic occupation at Cooper’s Ferry, Idaho, USA, ~16,000 years ago. Science 365 (6456): 891-897; doi: 10.1126/science.aax9830


Ig-Nobelpreise verliehen

Die Harvard-Uni in Cambridge bei Boston in den USA verleiht jedes Jahr die als Anti-Nobelpreise bekannten Ig-Nobelpreise. Dies ist eine satirische Auszeichnung, um wissenschaftliche Leistungen zu ehren, die „Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen“.

Die Arbeiten, die geehrt werden, sind nicht weniger skurril als die Vergabezeremonie: Redner treten in etwas ungewöhnlichen Kostümen auf und die zu Ehrenden tragen eine Zielscheibe auf der Brust. Während der Dankesrede versucht das Publikum, diese Zielscheibe mit Papierfliegern zu treffen. Früher durfte die Dankesrede nur fünf Wörte lang sein, heute kommt nach einer gewissen Zeit ein Kind auf die Bühne und schreit „Hör auf, mir ist langweilig.“

Die zahlreichen Papierflieger wurden bis zu seinem Tod im letzten Jahr nach den Dankesreden traditionell von Roy Glauber weggefegt. Nur 2005 war er verhindert, er „musste“ in Stockholm seinen eigenen Physik-Nobelpreis abholen. Ob in diesem Jahr einfach ein neuer Besenmeister auftritt oder ob die Zeremonie verändert wird, ist noch nicht bekannt.

Wir werden in naher Zukunft über die Inhalte der Ig-Nobelpreise berichten.


Problemgänse in den Städten

Kanadagans mit Küken im Gras
Sind Kanadagänse problematisch?

Ganz und gar nicht „verborgen“ sind zahlreiche Kulturfolger unter den Wasservögeln. In NRW gehören, wie vielerorts in Deutschland vor allem Kanadagänse und Nilgänse dazu, in der Stadt Neuss am Niederrhein kommen noch Schneegänse hinzu. Im Neusser Stadtwald liegt der Baggersee „Jröne Meerke“ (hochdeutsch: Grünes Meerchen), auf dessen Insel sich eine größere Gänsepopulation angesiedelt hat. Da der Stadtwald als Erholungsgebiet stark genutzt wird, sieht die Stadt durch den Gänsekot hygienische Probleme. Sie fürchtet Salmonellen und Fäkalkeime, so dass bereits ein Kinderspielplatz geschlossen wurde. Ebenso befürchtet sie die Eutrophierung des Sees.

Nun arbeitet die Stadt an einem „Wildgansmanagement“. Ein Abschuss ist nicht vorgesehen, wäre auch jagdrechtlich nur bei Kanada- und Graugänsen möglich, Nil- und Schneegänse unterliegen nicht dem Jagdrecht. Der Umweltausschluss hat vorgeschlagen, im kommenden Jahr Eier zu zerstören oder einen Steg auf die Insel zu bauen, über den Füchse die Nester erreichen könnten.

Die Stadt Düsseldorf nutzt einen anderen Trick: sie richtete an Gewässern zusätzliche Brutplätze für die sehr konkurrenzstarken Höckerschwäne ein. Diese dulden im Umkreis um ihre Nester keine brütenden Gänse.


EU erweitert die Liste invasiver Arten

Ein mittelgroßer, brauner Vogel mit gelbem Schnabel und gelben Beinen auf einer Wiese
Der Hirtenstar oder common myna (Acridotheres tristis) ist eine der gefährlichsten invasiven Arten

Die in diese Liste aufgenommenen, invasiven Arten dürfen nicht mehr gehandet werden, der nichtgewerbliche Besitz ist weiterhin gestattet, wenn die Tiere bereits vor der Aufnahme in die Liste gehalten wurden und ausbruchsicher gehalten werden.

Zu den neu aufgenommenen Tieren gehört  der Sonnenbarsch Lepomis gibbosus, der bereits in großen Teilen Europas etabliert ist. Ebenso wurde der Korallenwels Plotosus lineatus aufgenommen. Diese Art ist als Lesseps’scher Migrant durch den Suezkanal ins Mittelmeer gelangt und hat sich dort etabliert. Durch die giftigen Flossenstacheln kommt es gelegentlich zu Verletzungen bei Fischern.

Ebenso wurde der Hirtenstar oder Hirtenmania (Acridotheres tristis) auf die Liste genommen. Die Art stammt aus dem indischen Raum zwischen Afghanistan und Sri Lanka und wurde in vielen subtropischen Gebieten zur Insektenbekämpfung ausgesetzt. Sie ist konkurrenzstark und verdrängt einheimische Vögel. Hirtenstare gelten als eine der 100 schlimmsten invasiven Arten der IUCN-Zählung aus dem Jahr 2000. Von daher ist es nicht begreiflich, wieso die EU erst 20 Jahre später reagiert.

Die Erweiterung der Liste enthält noch eine Reihe von Pflanzen: Link zu EUR-Lex


Seltsame Affen in Santa Fe (Texas)

Die Einwohner einer Kleinstadt in Texas stehen vor einem Rätsel. Zahlreiche Bürger berichteten, dass ein Affe durch die Nachbarschaft streift und Ärger macht. Die erste Meldung kommt vom frühen Montagmorgen, als eine Frau bei der Verwaltung in Santa Fe anrief. Sie behauptete, das Tier vor ihrem Haus gesehen zu haben. Patricia de la Mora erzählte einem Fernsehsender von der Sichtung und sagte, sie sei mitten in der Nacht von einem lauten Sturm geweckt worden und habe seltsame Geräusche hinter dem Haus gehört. 

„Ich kann nicht schlafen, es ist ungefähr zwei Uhr“, erinnerte sie sich, „ich schaue aus dem Fenster und sah einen großen Affen.“Sie beobachtete das Tier kurz, zog aber dann den Vorhang zu. „Ich wollte nicht, dass er mich sieht.“ Als die alarmierte Polizei eintraf, war der Affe nicht mehr vor Ort, auch eine längere Suche im näheren Umkreis verlief ergebnislos.

Am folgenden Tag rief eine Person aus de la Mora’s Nachbarschaft  mit einer ähnlichen Geschichte an. Wie beim ersten Fall verliefen die Untersuchungen ergebnislos. Als mehrere Bewohner ihre Erlebnisse mit dem Affen in den sozialen Medien teilten, stellte sich heraus, dass das Rätsel weitere Kreise zieht. Unter anderem sah sich eine Person gezwungen, 20 Minuten im Auto zu bleiben, um nicht angegriffen zu werden. Eine anderere Bewohnerin behauptet, der stinkende Affe habe versucht, ihre Katze zu stehlen.

Offizielle Reaktionen

Was daran stimmt, ist unklar, wie üblich dürften zahlreiche Trittbrettfahrer auf die Story aufgesprungen sein. Es gibt keine Fotos oder Videos, daher ist eine Bestimmung nicht möglich. Mrs de la Mora sagte, es sei ein sehr großer Affe. Steve Lightfoot, ein Sprecher des Texas Parks and Wildlife Department behauptete, dass es nach den Beschreibungen eher ein Schimpanse sei. (Siehe Anmerkung).

Obwohl es noch keinen handfesten Nachweis gibt, glauben die Behörden dass es den Affen gibt: „Ich sage nicht, dass es keinen Affen gibt, ich bin mir sogar sicher, dass irgendwo einer abgehauen ist.“ sagt ein Sprecher der Polizeibehörde Santa Fe.

Bis der Fall abgeschlossen ist, sollen sich die Bewohner dem Tier nicht nähern. Wer es sieht, soll versuchen, das Tier zu fotografieren und der Polizei alle Sichtungen melden. Der lokale Bayou Animal Services versucht, das Tier einzufangen.

Anmerkung:

Durch die Übersetzung geht verloren, dass die Augenzeugen von „monkey“ sprechen. Allgemein werden damit Tieraffen und Gibbons angesprochen. Der genannte Schimpanse würde – wie alle Menschenaffen – mit „ape“ bezeichnet. Die Offiziellen gehen jedoch von einem Schimpansen aus.

Auf der Website der Stadt Santa Fe, des Santa Fe Police Department und dem Bayou Animal Service ist nichts über den Affen zu finden.

Quellen mit zusätzlichen Informationen:

Newsweek: Texas Police Warn a Primate May Be on the Loose in Santa Fe

Coast to Coast: Strange Monkey Mystery Grips Texas City


11. Zugvogeltage

Vogelfreunde erwarten in den kommenden Wochen Millionen von Zugvögeln im Wattenmeer. Der einzigartige Lebensraum ist eine Drehscheibe des ostatlantischen Vogelzuges, da sich hier viele Tiere Reserven für den Weiterflug anfressen können.

Dies lockt jedes Jahr eine andere wandernde Tierart an: Tausende von Besuchern kommen und beobachten die Naturschauspiele. Die 11. Zugvogeltage bieten ihnen ein vielfältiges Programm aus Information und Unterhaltung: Rund 300 Veranstaltungen gibt es zwischen dem 12. und 20. Oktober in der Gegend zwischen Cuxhaven und Borkum. Hierzu gehören Exkursionen, Zeichenworkshops, Ausstellungen, kulinarische Angebote und Kinder-Aktionen.

Partnerland ist dieses Jahr Estland.

Zum Programm der Zugvogeltage


Feld-Ornithologisches

Am Montag, den 9.9.19 wurde im Tister Bauernmoor bei Tiste (Landkreis Rothenburg an der Wümme, südwestlich von Hamburg) ein Jungfernkranich beobachtet. Das Tier ist definitiv unberingt und nicht identisch mit einem Jungfernkranich aus den Niederlanden, der seit 2017 mehrfach in Niedersachsen gesehen wurde. Dieser trägt einen Metallring am rechten Fuß.  Am Freitag, 13.9. und Sonntag 15.9. konnte er wieder beobachtet werden. Er war an mindestens einem der Tage mit Graukranichen unterwegs.
Jungfernkraniche sind sehr seltene Irrgäste in Europa, in den 1990ern gab es anerkannte Wildbeobachtungen aus den Niederlanden.

Am Donnerstag zeigten sich in der Nähe von Timmendorfer Strand drei Schwarzkopf-Ibisse. Falls es sich nicht um Gefangenschaftsflüchtlinge handelt, könnte dies ein Erstnachweis für Deutschland sein.

Der Rosapelikan scheint sich im Meldorfer Speicherkoog wohl zu fühlen, er wird beinahe jeden Tag dort beobachtet.


Zu guter letzt: Bauender Kugelfisch

Viele Tiere bauen Nester, um potenziellen Geschlechtspartnern zu beweisen, das sie fit sind. Andere räumen Balz-Arenen frei, um bei der Balz alle Zufälle aus der Welt zu schaffen. Aber dieser kleine Kugelfisch treibt das auf die Spitze:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=B91tozyQs9M?start=4]




Freitagnacht-Kryptos: Der Mokeló in Zentralafrika, Teil 3

Der Mokeló in Zentralafrika: Teil 1 und Teil 2

Am 9. Juni 1848 wird die Diskussion im „Ausland“ (S. 549), um was es sich beim Mokeló handeln könnte, mit einem Abgleich mit den Hundeartigen fortgesetzt:

Ein Goldschakal (Canis aureus)

„III. Wir kommen nun zum Hundegeschlecht. Der schnelle Lauf, das Jagen, der Muth womit er den Panther angreift, stellen den Mokeló fast unbedingt in diese Gattung. Mit einer bereits bekannten Species scheint er sich aber auch nicht überein bringen zu lassen. Die drei Schakalarten Afrika’s (Canis aureus Thunbg. C. anthus Cuv. hochbeiniger und dunkler gefärbt als der gem. Schakal, wohnt in Senegambien; Canis mesomelas Schreb. mit schwarzem Rückenkreuz) sind weder an Größe, noch an Kraft so ausgezeichnet, daß sie sich mit dem Mokeló vergleichen ließen. Sie erreichen alle nur die Größe eines Halbhundes. Wenn irgendein Raubthier mit dem Mokeló identificirt werden kann, so ist es der Simir oder wilde Hund Afrikas, Canis pictus Rüppel. von Burchell unter dem Namen Hyaena venatica, von Temmink als Hyaena picta bekannt gemacht.

Die afrikanischen Wildhunde

Der wilde Hund Afrikas ist ein ungeheures Thier, so groß als der größte Neufundlandshund, also über 6“ (1,8 m) lang, über 3“ (0,9 m) hoch, mit langen Beinen, ein vortrefflicher Läufer. Die Schnauze ist doggenartig, dick und schwarz, die Grundfarbe des Leibes gelbbraun, mit großen gelben und weißen schwarz geränderten Flecken unregelmäßig geschäckt (ein Umstand, dessen Dgalo allerdings nirgendwo gedenkt); der Schwanz ist kurz, kahl, am Ende mit einem Wedel, fast wie bei einem Esel versehen. Der Umstand, daß die Füße nur 4 Zehen haben, bestimmte Temmink, den Simir unter die Hyänen zu stellen, jedoch weist ihm der Mangel des Rückenkammes und Drüsensackes, sein ganz vollständiges Gebiß, endlich seine Lebensweise seine Stellung bei den Hunden an.

Dieser wilde Hund ist durch ganz Afrika verbreitet, jedoch überall selten, von den Gränzen der Capcolonie bis nach Arabien, wo er Simir heißt und von allen Raubthieren am meisten gefürchtet wird. Er jagt in Rudeln von 4–10 Stück alles, was ihm vorkömmt, Gazellen, Elennantilopen, Büffel, Nashörner, Panther und Löwen, Strauße und Zebra, schont jedoch in der Regel den Menschen, ja beweist sich ihm sogar freundlich. Sein Muth und seine Stärke sind so groß, daß ihrer mehrere sogar den Löwen anfallen und zerreissen. Statt des Rückenkammes hat er einen schwarzen Strich; er bellt ähnlich wie die verwilderten Haushunde, paart sich auch mit diesen und mit den großen Racen [Rassen] der zahmen Hunde, z. B. mit dem von den Engländern zur Löwenjagd eingeführten Neufundlandsdog fruchtbar.

Gruppe von afrikanischen Wildhunden im trockenen Gras
„Der wilde Hund Afrikas ist ein ungeheures Thier…“

Portrait eines afrikanischen Wildhundes
„die Schnauze ist doggenartig, dick und schwarz“

Ja, sicher, der afrikanische Wildhund!

In allen diesen Eigenschaften erkenne ich den Mokeló Dgalos so genau, daß ich keinen Anstand nehmen würde, denselben mit unserm wilden Hunde zu identificiren, wenn nicht folgende Punkte entgegenständen, nämlich geringere Größe des Simir, rudelweises Jagen desselben und zwar bei Tage; endlich die Flecken im Pelze, von welchen letztern Dingen Dgalo nirgendwo spricht. Den Simir oder wilden Hund Afrika’s kannte bereits der Capuciner Zucchelli. Er erwähnt unter dem Namen Mebbia eines Thieres ob seiner Eigenschaft, die Löwen und Panther zu zerreißen, wodurch die Mebbien die Reiserouten sichern, in seiner Missions- und Reisebeschreibung nach Congo 1717.

Von den neuern Reisenden trafen ihn Barrow, Lichtenstein und Burchell, – Rüppell schickte sogar aus der Wüste von Corti und Cordofan [im Sudan] 7 lebende, aber noch junge Exemplare ein. Der Can. Venaticus ist eine vom Haushunde und von allen Hyänen wirklich verschiedene Hundeart, und gehört unter die Subdivision Megalotis (Illiger.) seiner außerordentlich breiten und langen Ohren wegen, wohin auch der Ambukol, Fenneck oder großohrige Fuchs Afrika’s (Megalotis Zerda) und der Agouara-Gouazou oder der rothe Wolf Azaras in Südamerika (Canis jubatus L.) zu rechnen sind. Wenn wir auch, bis weitere Erkundigungen näheren Aufschluß über den Mokeló geben, nicht zu entscheiden wagen, ob er mit dem Simir eins ist, so sprechen wir uns doch dahin bestimmt aus, daß er ein Hund und zwar eine dem Simir nahe stehende Art ist.

Oder doch verwildete Haushunde?

Es gibt zwar in den Wäldern des heißen Afrikas auch verwilderte Haushunde von der Größe eines Bullenbeißers, welche Dhole heißen, ziemlich die Form eines Wolfshundes haben und von den hibernischen Windhunden der Capcolonisten abstammen; da jedoch diese einen Fahnenschwanz haben und nur im Norden der Colonie bei den Batlapinen und Kaffern gefunden werden, so können sie der Mokeló nicht seyn. Das Verfolgen und Zerreißen der Raubthiere scheint übrigens sämmtlichen wahren Hunden, wilden, verwilderten und zahmen charakteristisch. So erzählt Rengger von den verwilderten Hunden in Paraguay, daß sie den Jaguar erwürgen, O. Fabricius dasselbe vom sibirischen Hunde gegen den Eisbären.

Einzelner Wildhund im hohen Gras
Die „African Painted Dogs“ gelten als die erfolgreichsten Jäger des Kontinentes

Einzelner Wildhund auf einer Staubpiste
Und doch sind sie im Bestand bedroht

In Polen, den Pyrenäen und Abruzzen ist der Hund der unerbittlichste Verfolger der Wölfe. Erst in neuester Zeit ist uns die schätzenswerthe Nachricht von dem Vorhandenseyn einer wilden Hunderasse in den westlichen Ghats und in Dekkan zugekommen, wo man solche Thiere Colsune nennt. Dieses windhundartige Raubthier ist der Can. dukhunensis von Sykes (Zool. Proced. 1833), dessen Kühnheit Sykes besonders hervorhebt, indem er den Cheeta oder Guepard (Jagdpanther, felis jubata) und selbst den Königstieger verfolgt und zerreißt. Dasselbe Thier heißt in Nepal Buansu, wo es Hodgson geradezu unter dem Namen C. primaevus beschreibt.

Oder doch eine neue Hundeart?

Da uns morphologische und anatomische Haltpunkte zur nähern Bestimmung des Mokeló fehlen, so müssen wir aus seinen hervorstechenden Eigenschaften ihn zu enträthseln suchen, die ihn uns als eine eigne, neue Hundeart Centralafrikas erscheinen lassen. Daß er vom Simir wirklich verschieden ist, läßt sich mit ziemlicher Sicherheit annehmen. Es ist nur zu wünschen, daß ein so großes interessantes Thier den Augen des Zoologen nicht länger entgehen möge; – mich sollte es freuen, durch diese Zeilen die Augen eines Naturalisten auf ein Land gelenkt zu haben, das allem Anscheine nach große zoologische Schätze in seinem Schooße verbirgt.

Findet dieser Artikel geneigte Leser, so werden wir uns vielleicht im folgenden näher über Gegenstände aus Tumale’s Fauna verbreiten, welche nach Dgalo’s Angaben bislang kaum bekannt seyn dürften.“


Literatur:

Turschek, L. (1848): Der Mokeló in Zentralafrika; in: Das Ausland: Wochenschrift für Länder- und Völkerkunde, Band 22, 1848





Der Loch Ness-Aal – oder was die eDNA-Analyse (nicht) geliefert hat

 

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Berthold Brecht

Was vorher geschah:

eDNA: Professor Gemmel hält die Welt in Atem

eDNA-Analyse: Geheimnis um Nessie „gelüftet“

Professor Neil Gemmell hat mit der Ankündigung, in seinen eDNA-Proben aus Loch Ness sei etwas ungewöhnliches, einen großen Medienzirkus heraufbeschworen. Die Pressekonferenz letzte Woche in Drumnadrochit am Ort der meisten Nessie-Sichtungen war gut besucht, The Sun hat sie sogar live gestreamt.

„Nur“ Aal-DNA

Direkt zu Anfang hat Gemmell, der von der Universität in Otago auf der Südinsel Neuseelands kommt, einige Spekulationen ausgeschlossen. So hat er keine reptilische DNA im Loch gefunden, ebenso fehlte die DNA von Haien, Stören und Welsen. Auf der Pressekonferenz wies Gemmell mehrfach darauf hin, dass seine Arbeitsgruppe in jeder Probe Aale nachweisen konnte.

Kasten: eDNA

Die Methode der Lebensraumuntersuchung mit eDNA ist vergleichsweise jung. Jedes Lebewesen verliert permanent DNA-haltiges Material (wie man spätestens aus den CSI-Serien weiß). Diese DNA gelangt in die Umwelt und wird dort mehr oder weniger schnell abgebaut. Mittels moderner Methoden der Vervielfältigung (PCR) kann man sehr kleine DNA-Mengen finden und analysieren, so dass Wasserproben von einigen 100 ml ausreichen, um ein Lebewesen in einem Lebensraum nachzuweisen.
Prof. Gemmell und sein Team haben 250 Wasserproben aus allen möglichen Ecken des Loches genommen und analysiert.

Leider hat die Arbeitsgruppe bisher noch keine vollständige Liste der Vergleichssequenzen und der Treffer veröffentlicht. Die Daten der Pressekonferenz sind also als teilweise Vorveröffentlichung zu werten.

„Wir fanden erhebliche Mengen menschlicher DNA und vieler Arten, die direkt mit uns zusammenleben, so wie Hunde, Schafe und Rinder“ beschreibt er seine Funde. „Außerdem fanden wir Wildtiere wie Hirsche, Dachse, Füchse, Hasen, Wühlmäuse und zahlreiche Vögel.“

Tafel, die Plesiosaurier, Haie und Welse als Nessie ausschließt und einen Riesenaal vorschlägt
Der Stein bzw. die Tafel des Anstoßes. Gemmell et al. fanden riesige Mengen Aal-DNA, aber keine Menge Riesenaal-DNA. Image Credit: University of Otago

Was tatsächlich Aufsehen erregte

Gemmell betonte auch bei der Pressekonferenz, dass er große Mengen Aal-DNA feststellen konnte. Er stellte sich selbst die Frage, ob sie von vielen kleinen Aalen oder von einem großen Aal stamme. Dabei passierte ihm offensichtlich eine Verwechslung von Meter und Fuß, als er sagte „Aale können 4 bis 6 Meter lang werden“. Diesen Fehler konnte er auf der Pressekonferenz nicht mehr korrigieren, jedoch auf einer später herausgegebenen Tafel. Hier wird der größte bekannte Europäische Aal mit 6 Fuß Länge gezeigt. Diese Tafel ist in mehrfacher Hinsicht eindeutig: bei den von Gemmell festgestellten Aalen handelt es sich um Europäische Aale Anguilla anguilla und nicht um Meeraale wie Conger conger, die durchaus größer werden. Gleichzeitig gibt sie eine Maximallänge von 1,8 m (oder 6 Fuß) an. Das ist bereits sehr optimistisch.

Neil Gemmell kommt aus Neuseeland. Der dort vorkommende Neuseeländische Langflossenaal Anguilla dieffenbachii erreicht tatsächlich eine Länge von 1,8 m und etwa 15 kg. Könnte das der Grund einer Verwechslung sein?

Wie groß können Europäische Aale werden?

Ein Mann in einem feinen Anzug hält einen großen, toten Aal hoch
Rekordfang 1960 im Steinhuder Meer, ein Aal von 123 cm und über 5 kg.

Dekker et al. untersuchten fast 100.000 Silberaale, also potenziell geschlechtsreife Tiere aus dem Ijsselmeer und fanden eine Maximallänge von 101 cm, bei einem Gewicht von 2137 g.

Fishbase liefert ähnliche Größen. Ein sehr großer Aal wurde 105,0 cm lang und stammte aus der Laguna Comacchio bei Ravenna in Italien. Weitere Tiere mit 112 cm und 135 cm stammen aus Frankreich und Italien. Angaben von 143 cm und 150 cm aus Irland werden als zweifelhaft erachtet.

Schottische Aale wurden ebenfalls intensiv untersucht, so in Loch Davan und Loch Kinord. Der größte in Loch Davan nachgewiesene Aal stammt aus einer Untersuchung von 1999 und maß 69 cm in der Gesamtlänge. Das größte Tier aus dem Loch Kinord wurde mit 71 cm nur unwesentlich größer (Carss et al.).

Die Einträge auf Sportfischerseiten zeigen etwas größere Tiere, die als Rekorde gelten. So werden bei fishing-worldrecords.com folgende Daten angegeben:

  • 123 cm, 5,38 kg aus dem Steinhuder Meer im Jahr 1960, mit Bildbeleg.
  • 7,00 kg ohne Länge aus dem Orlik Reservoir in der tschechischen Republik, 1987
  • 8,25 kg ohne Länge aus dem Cuckmere River im Vereinigten Königreich in den 1920ern.

Größere Längenangaben stammen meist aus populären Werken oder Übersichtspostern und sind nicht durch nachgewiesene Untersuchungen belegt.

Was passiert, wenn…

Aal auf dem Boden eines Aquariums
Der Europäische Aal Anguilla anguilla (Foto by Gerhard M, CC 3.0)

Europäische Aale beginnen im Alter von 15 bis 20 Jahren, kurz vor der Geschlechtsreife in den Atlantik zu wandern. Dort schwimmen sie in großen Tiefen in die Sargassosee vor der Ostküste der USA, wo sie laichen und sterben. Was genau dort passiert, ist nicht im Detail erforscht. Auf dem Weg in die Sargassosee werden die Geschlechtsorgane stark vergrößert, insbesondere die Weibchen wandeln einen großen Teil der Muskelmasse, aber auch innerer Organe in Laich um.

Was passiert, wenn man die Tiere am Abwandern hindert? Wachsen sie unaufhörlich weiter und erreichen so deutlich mehr Gewicht und Länge als oben angegeben? Ist so ein Loch Ness-Aal entstanden?

Bisher gibt es keine Belege dafür, dass so etwas passiert. Aale werden seit dem Beginn der Zoo-Aquaristik in den 1880er Jahren in Aquarien gehalten. Sie halten sich in ausreichend großen und passend eingerichteten Behältern sehr gut und erreichen im Vergleich zu freilebenden Tieren ein biblisches Alter. Sie werden im Aquarium oft 40 Jahre und älter. Das älteste in einem Zoo belegte Exemplar wurde 88 Jahre alt. 2014 starb der mutmaßlich älteste Aal in einem Hausbrunnen in Schweden in einem Alter von 155 Jahren. Bei keinem dieser Tiere wird eine ungewöhnliche Größe gemeldet.

Was wäre mit einer Mutation?

Spielfigur "Hulk"
Groß, stark und vor allem grün. So funktionieren Mutationen in Hollywood, aber nicht in der Biologie

Die populären Vorstellungen zu Mutationen sind sehr divers und unterscheiden sich oft grundlegend vom tatsächlichen Ablauf. Hollywood hat hier je nach Mode verschiedene Gründe geschaffen, von „Weltraumstrahlung“ über Radioaktivität, Gifte (vor allem grüne) und nicht näher benannte Maschinen sind hier sehr beliebt. Meist wird ein Tier oder Mensch mehr oder weniger absichtlich und lange diesem ausgesetzt und hinterher kommt wahlweise ein Riese, Hulk, Spiderman, Tier-Mensch-Mischwesen oder sonst etwas heraus, das dann in der Geschichte wahlweise Probleme bereitet oder sie löst.

Doch die Biologie macht es etwas anders. Hier wird komplett auf Knall- und Raucheffekte verzichtet, auch grüner Schleim spielt nur selten eine Rolle. Strahlung und mutagene Substanzen, beispielsweise Benzol sind die wichtigsten äußeren Faktoren.

In aller Regel gehen Mutationen „ins Leere“, sie wirken sich nicht auf den Organismus aus. Entweder kann eine Zelle die durch die Mutation entstandenen Schäden auffangen oder geht zugrunde. Weitere Folgen sind in extrem seltenen Fällen Tumore. Damit Mutationen für ein besonderes Größenwachstum sorgen, müssen ganz bestimmte Gene betroffen sein. Dies können Gene sein, die das Größenwachstum begrenzen, in dem sie die Freisetzung von Wachstumshormonen steuern.

Der größte, aktuell lebende Mensch ist vermutlich Sultan Kösen. Der Kurde misst 251 cm und wiegt 155 kg. Damit hat er einen ziemlich normalen Körperbau und ist „nur“ viel größer als die meisten anderen Menschen. Für Statistiker sehr praktisch: er ist 1,41 mal so groß, wie ein Durchschnittsmensch und wiegt ziemlich genau 2 x soviel.

Ein wenig Statistik

Gaußsche Normalverteilungskurve in Blau und Weiß
So sieht die Gauß’sche Normalverteilung aus, wenn man sie grafisch darstellt.

Wie bei Menschen gibt es auch bei Aalen mittelgroße Tiere, sehr große Tiere, sehr kleine Tiere und alles dazwischen. Je mehr man sich einem Mittelwert annähert, um so mehr Aale dieser Größe finden sich. Diese Verteilung hat Carl Friedrich Gauß als Normalverteilungskurve bezeichnet (siehe Bild). Sie besagt einiges, was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist:

  • Der Mittelwert ist ablesbar
  • Die Standardabweichung σ (Sigma) beschreibt die Breite der Verteilung. Dabei gilt:
  • 50% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 0,675 σ
  • 90% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 1.645 σ
  • 95% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 1,960 σ
  • 99% aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 2,576 σ
  • 68,27% aller Messwerte weichen weniger als 1 σ vom Mittelwert ab oder
  • „je 15,865 % der Messwerte sind größer als Mittelwert + σ bzw. kleiner als Mittelwert – σ“.
  • 95,45% aller Messwerte weichen weniger als 2 σ vom Mittelwert ab oder
  • „je 2,275 % der Messwerte sind größer als Mittelwert + 2σ bzw. kleiner als Mittelwert – 2σ“.
  • 99,73% aller Messwerte weichen weniger als 3 σ vom Mittelwert ab oder
  • „je 0,135 % der Messwerte sind größer als Mittelwert + 3σ bzw. kleiner als Mittelwert – 3σ“.

Je weiter ich mich vom Erwartungswert, dem „Mittelwert“ der Verteilung entferne, desto unwahrscheinlicher ist ein Wert.

Am Beispiel der Aale

Einzelmaße der Aale und eine einfache Statistik
Längenverteilung der Aale im Text und eine einfache Auswertung

Um das Beispiel mit der Körpergröße wieder aufzugreifen: Bei einer (realen) Stichprobe wurden die Gesamtlängen von 37 gefangenen Aalen gemessen. Die Ausgangswerte kann man hier nachlesen: Growth parameters for Anguilla anguilla. Ich habe die beiden größten und kleinsten Werte als Ausreißer nicht zugelassen und so 37 Längenangaben für europäische Aale in der Rechnung. Die Durchschnittslänge liegt bei 75,8 cm, die Standardabweichung bei 21,9 cm.

Daraus lässt sich erwarten, dass

  • 68% eine Körperlänge im Bereich 75,8 cm ± 21,9 cm und
  • 95% im Bereich 75,8 cm ± 43,8 cm haben und
  • 99,7% im Bereich 75,8 cm ± 65,7 cm haben
  • 0,15% größer als 141,5 cm sind, in dieser Stichprobe wären diese Gruppe nicht vertreten.

68 % von 37 Aalen sind 25 Tiere. Diese 25 Tiere müssten im Bereich zwischen 53,9 und 97,7 cm liegen. Tatsächlich liegen 23 Tiere in diesem Bereich.

95% von 37 Aalen sind 35 Tiere. Diese 35 Tiere müssten im Bereich zwischen 32 cm und 119,6 cm liegen. Tatsächlich liegen 36 Tiere in diesem Bereich.

Ein Aal von „nur“ 2 m Länge liegt bereits 5,67 Standardabweichungen vom Mittelwert entfernt. Seine mathematische Wahrscheinlichkeit in dieser Stichprobe liegt bei etwa 1: 100.000.000. Und das nur, wenn biologische Gründe nicht dagegen stehen:

Der Korpulenzfaktor, zum Ausschluß des „Aal-Syndroms“

Zwei Dampfloks, eine normal groß und eine auf die doppelte Länge verlängert
Auch wenn es so aussieht: die Lok unten ist nicht doppelt so groß, wie die Lok oben. Nur doppelt so lang. Höhe und Breite sind gleich geblieben.

In vielen Berichten sind außergewöhnlich lange Fische für ihre Länge zu leicht. Eine Verdoppelung der Länge bedeutet nicht eine Verdoppelung des Gewichtes. Ich habe das am Beispiel des Dampflokmodells rechts dargestellt: Der Fisch wäre einfach nur in die Länge genudelt: aus einem Barsch wird ein Aal, das „Aal-Syndrom“.

Eine Verdoppelung der Länge unter Beibehaltung der Körperproportionen bedeutet, dass sich auch Körpertiefe und Körperhöhe verdoppeln, das Gewicht also in der dreifachen Potenz zunimmt. Um dieses zu überprüfen, liefert der Korpulenzfaktor (KoFa). Er berechnet sich aus Gewicht (g) x 100 / Länge (cm)³.

Der Rekordaal aus dem Steinhuder Meer von 1960 wog 5,38 kg bei 123 cm Länge. Hieraus ergibt sich ein Korpulenzfaktor von 0,289 oder etwa 0,290.

Ein 200 cm-Aal würde mit einem ähnlichen KoFa würde bereits 23 kg wiegen. Man beachte die oben genannten Rekordmaße von 7,00 kg und 8,25 kg. Das Tier wäre bereits fast dreimal so schwer, wie der bisher schwerste je gefangene Europäische Aal.

Ein von Gemmell postulierter Aal mit 4 m Länge hätte bei dem gleichen KoFa ein Gewicht von satten 185 kg. Wie soll ein Tier, dessen ganzer Körperbau auf etwa 2 bis 4 kg ausgelegt ist, ein solches Vielfaches dieses Gewichtes überhaupt anfressen, erhalten und dann auch noch (schnell) bewegen?

Was Gemmell nicht gefunden hat: den Riesenaal!

Ein freundlich aussehnder, kahlköpfiger Mann im Portrait
Prof. Neil Gemmell, Leiter der Studie

Die Arbeitsgruppe um Neil Gemmell hat keinen Riesenaal gefunden. Sie haben viel Aal-DNA gefunden. Die DNA-Proben geben keinen Hinweis auf die Größe der Aale, das hat er selbst in der Pressekonferenz betont. Dennoch ließ sich der Professor auf Spekulationen über einen Riesenaal ein. Bereits die von ihm angegebenen „normalen“ Maße sind für europäische Aale jenseits des Erreichbaren. Dass sein „um 50% größerer“ Aal jetzt auf einmal doppelt so lang ist, also achtmal so schwer ist, scheint nicht aufzufallen. Leider kennen sich Genetiker oft in der Zoologie ihrer eigenen Untersuchungsobjekte nicht wirklich aus.

So hat Prof. Gemmell Spekulationen über einen Riesenaal Tür und Tor geöffnet. Alle möglichen Phantasten springen jetzt in diese Lücke und spekulieren bereits über „verborgene Populationen“ von Riesenaalen im Loch Ness.


Leseempfehlung:

18. Juni 2019: eDNA-Analyse findet „etwas ungewöhnliches“ in Loch Ness – Professor Gemmell hält die Welt in Atem

05. September 2019: eDNA-Analyse: Geheimnis um Nessie „gelüftet“


Literatur:

Sci News: Scientists Find Significant Amount of Eel DNA in Loch Ness

Carss, et al. (2005): Spatial and temporal trends in unexploited yellow eel stocks in two shallow lakes and associated streams. J. Fish Biol. 55(3):636-654.

Dekker, et al. (2008): Minimal and maximal size of eel. Bull. Fr. Pêche Piscic. Number 349: 195-197.

Fishing World Records: Website Anguilla anguilla

ORF.at: Mutmaßlich ältester Aal der Welt verendet





Bigfoots am Mount St. Helens

 

Der Mount St. Helens ist ein aktiver Vulkan im Süden des US-Bundesstaates Washington. Er ist Teil der Kaskadenkette und damit des pazifischen Feuerrings. Mit heute etwa 2540 m Höhe überragt er die umliegenden, etwa 1400 m hohen Bergrücken der Kaskadenkette deutlich. Durch seine Höhe und Form spielt er in der Mythologie der umliegenden First Nations der Klickitat und Binnen-Salish eine große Rolle.

Durch einen verheerenden Ausbruch bekannt

In der westlichen Kultur wurde der Mount St. Helens vor allem durch einen verheerenden Ausbruch am 18. Mai 1980 bekannt. Er galt als „ruhender Vulkan“, brach aber nach einer Serie von Erdbeben wieder aus. Der gesamte nördliche Berggipfel rutschte den Hang herab. Asche und Gaswolken wurden bis in eine Höhe von 18 km befördert. Pyroklastische Ströme, in denen Temperaturen von über 640° C gemessen wurden, rasten mit Geschwindigkeiten von über 400 km/h die Bergflanken herab.

Ein Lahar, der mit hoher Geschwindigkeit die Bergflanke herabsauste, sorgte für weitere Verwüstung. Lahare sind Lawinen, die entstehen, wenn sich pyroklastische Ströme mit Eis und Schnee mischen und diese aufschmelzen. So stieg der Wasserstand am Fuß des Berges binnen kürzester Zeit um 9 m über die normalen Hochwassermarken.

Insgesamt starben mindestens 57 Menschen, 1500 Wapitis und 5000 weitere Hirsche. Der Ausbruch wird mit einem Vulkanexplositiätsindex von 5 bewertet, etwa vergleichbar mit dem Pompeji-Ausbruch des Vesuvs, 79 n.Chr.

ein spitzer, oben schneebedeckter Bergkegel vor einem blauen See
Der Mount St. Helens vor seiner Aktivität 1980, Blick über den Spirit Lake. Foto: US Geological Service

Ein schneebedeckter Berg mit einem deutlichen Krater vor einem blauen See
Der Mount St. Helens am 19. Mai 1982, zwei Jahre nach der verheerenden Explosion. Foto: US Geological Service

Der Mount und der Sasquatch

Gemälde mit einem ausbrechenden Vulkan und einem Kanu, dessen Insassen das Licht einfangen
Der aktive Mount St. Helens bei Nacht, Gemälde von Paul Kane

Nicht nur für die First Nations, sondern auch für die ersten Pioniere und Naturbeobachter schätzten den Mount als charakteristische Wegmarke. So kamen sie relativ früh auch mit der Mythologie der First Nations in Kontakt. Einer der ersten war der kanadische Ethnologe und Maler Paul Kane, der auf seiner zweiten Reise den Westen der USA erforschte. Hierbei lebte er im Jahr 1847 eine Woche unter den indigenen Völkern im direkten Umkreis des Mount St. Helens. Hierbei erfuhr er von menschenfressenden Kreaturen namens Skookum.

Anmerkung: Das Wort Skookum ist in verschiedenen Versionen bei den waldbewohnenden First Nations der US-Westküste bekannt. Es beinhaltet eine Warnung vor etwas physisch Überlegenem (Skookum Wasser = starke Stromschnellen), oft bezieht sich das Wort auf Orte, aber auch auf Lebewesen. Oft wird der Begriff in Verbindung mit Sasquatch-Beobachtungen verwendet. Durch die nicht immer klare Trennung von physischen und Geistwesen in ihrer Mythologie ist es schwierig, auszumachen, was Skookum in einem konkreten Fall bedeuten soll.

Der Fred Beck-Vorfall am Mount St. Helens

Wesentlich jünger ist ein Vorfall aus dem Sommer 1924. Ein Goldsucher namens Fred Beck und vier andere Schürfer bezogen ihren Claim namens „Vander White“. Er lag bzw. liegt 2 Meilen ost-südöstlich der Kraterregion des Mt. St. Helens. Hier bauten sie eine „Cabin“ nahe eines tiefen Canyons. Meist handelt es sich bei diesen „Cabins“ um sehr einfach zusammengezimmerte Blockhütten, die aus kaum oder unbearbeiteten Stämmen bestehen, deren Zwischenräume manchmal mit Lehm verschmiert wurden. Beck’s Hütte hingegen bestand zumindest teilweise aus Brettern. In der Regel sind Cabins eher einfache Hütten, meist nur mit einer Tür, ohne Fenster. Sie dienen meist gleichzeitig als Schlafplatz, Lager und Wetterschutz. Das Holz arbeitet beim Trocknen und bei wechselnden Temperaturen, so dass immer wieder Löcher im Lehmverputz entstehen. Oft, aber nicht immer haben sie eine gemauerte Feuerstelle.

Große Fußspuren – und die Verursacher

Die Goldgräber entdeckten schon kurz nach ihrem Eintreffen große Fußspuren, die sie keinem bekannten Tier zuordnen konnten. Die größten maßen in der Länge 19 Inches (48 cm). Eines Abends hörten sie charakteristisches Pfeifen und hämmernde Geräusche, die etwa eine Woche lang jede Nacht zu hören waren. Später, als Beck mit einem anderen Mann an einer nahen Quelle frisches Wasser holte, sahen sie aus einer Entfernung von knapp 100 m eine seltsame Kreatur. Becks Begleiter schoss dreimal auf die Kreatur, die verschwand. Kurze Zeit später erschien sie in ungefähr 180 m Entfernung erneut, diesmal schoss Beck dreimal, worauf die Kreatur wieder verschwand.

Karte der Region um den Mount St. Helens
Karte der Region um den Mount St. Helens, NACH dem Ausbruch. Der Krater öffnet sich nach Norden. Der besagte Ape Canyon liegt ost-südöstlich davon und ist blau markiert

Vergilbte Fotoaufnahme von vier Männern, die an einer Bretterhütte stehen
Zeitungsfoto, das die Untersucher bei der belagerten Hütte zeigt. Von links nach rechts: Burt Hammerstrom, freier Journalist; Bill Welch, Waldaufseher an der Spirit Lake Ranger Station; Frank (Slim) Lynch, Reporter aus Seattle; and Jim Huffman, Waldaufseher für den Spirit Lake district. Sie haben auch Fußabdrücke festgestellt, aber wenn Fotos gemacht wurden, sind sie bisher nicht veröffentlicht worden.

Nächtlicher Besuch

Als Beck am Abend seinen Kollegen davon erzählte, war man sich einig, die Hütte am nächsten Morgen zu verlassen. In der Nacht wurde die Hütte aber bereits von mehreren dieser Kreaturen angegriffen: Sie begannen mit Steinen zu werfen. Da es keine Fenster gab, konnten die Männer die Angreifer nicht richtig sehen. Später kamen die Kreaturen aufs Dach und versuchten, die Türe der Hütte einzureißen, eine der Kreaturen griff durch eine kleine Öffnung („chinking space“) nach einer Axt und konnte nur mit einem Schuss vertrieben werden. Während des gesamten Angriffes, der die ganze Nacht dauerte, feuerten die Männer ihre Waffen durch die Wände und das Dach.

Als das Licht am nächsten Morgen ausreichte, verließen die Männer fluchtartig die Hütte, ohne ihre Ausrüstung mitzunehmen. Beck entdeckte an einer Schlucht eine der Kreaturen und schoss aus etwa 70 Metern auf sie. Das Wesen stürzte etwa 120 m tief in die Schlucht.

Später stellte Fred Beck mit einem seiner Begleiter einige Szenen für eine Zeitung nach. Die Schlucht wurde später Ape-Canyon genannt.

Die Location ist nach der Explosion des Mt. St. Helens 1980 zwar teilweise überformt, aber nicht weggesprengt oder unter Lava oder Schlamm begraben worden.  Die Hütte war bis in die 1960er Jahre noch zu finden, danach ist sie abgebrannt. Die Umgebung ist nach dem Ausbruch nicht wieder zu erkennen.

Erste Gerüchte

Wenn die lokalen First Nations eine Kreatur namens Skookum kennen und Fred Beck mit seinen Leuten die Wahrheit sagt, dann könnte es im Umkreis des Mount St. Helens eine Population von Sasquatches geben. Wenn es sich hierbei um physische Wesen handelt, sind auch sie zwangsläufig durch den Ausbruch des Vulkanes in Mitleidenschaft gezogen worden.

Bei den Erkundungen des durch den Ausbruch verwüsteten Gebietes hätte man also eine gute Chance gehabt, einen oder mehrere Sasquatch-Kadaver bergen zu können. Genau davon geht der US-Autor Nick Redfern aus…

„Jemand“ hat gehört…

Bei Mysterious Universe schreibt er, dass das United States Army Corps of Engineers einige große, haarige, affenartige Körper aus dem Gebiet geflogen haben soll. Der Rest der Story wirkt wie ein ziemlich stereotyper Verschwörungsroman, bei dem es um Vertuschungen einer „bösen“ Regierung geht.

Redfern bezieht sich zunächst auf eine Meldung bei bigfootencounters: Auf dem Ray Crowe’s Western Bigfoot Meeting brachte „someone“ das Gespräch auf die Folgen des Mt. St. Helens-Ausbruch. Der Zeuge will gehört haben, dass das Army Corps of Engineers etwa zwei Monate nach dem Ausbruch zwei Körper toter Bigfoots aus Ausbruchsgebiet herausgeschafft habe. Ein anderer Zeuge bestätigt die Bergung zweier Körper, legt diesen Zeitraum jedoch deutlich früher, zwei Wochen nach dem Ausbruch. In beiden Fällen sollen sie in einem Netz von einem Helikopter weggetragen worden sein.

Ein dritter Zeuge bestätigt, dass ein Kran oder Bagger ein Loch ausgehoben habe, in dem man die Kadaver verbrannter Hirsche, weiterer Tiere und auch Sasquatches vergraben habe. Er nennt den Betreiber des Krans: die „Manatowaka Company“.

Der Soldat im Ruhestand

Auch der zweite Teil der Story passt in die Stereotype. Lange nach dem Eintritt in den Ruhestand fühlt sich ein ehemaliges Mitglied der Nationalgarde nicht mehr an seine Geheimhaltungspflichten gebunden. Er erzählte 2012, dass nicht alle der geborgenen Bigfoots tot waren. Einige waren ernsthaft verbrannt oder verletzt. Angeblich hätten sogar ein oder zwei unverletzte Bigfoots das Militär an eine Stelle gelotst, an der mehrere verletzte, haarige Riesen lagen. Sanitäter der US Army hätten ihre Wunden wie bei Menschen behandelt.

Redferns Bewertung

Nick Redfern bewertet die Gerüchte als faszinierend. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass die Glaubwürdigkeit der Zeugen massiv darunter leidet, dass sie weder Namen noch ihren damaligen Rang oder ihre Funktion beim Militär nennen. Er hält die Geschichten für unklar und kontrovers, aber potenziell bahnbrechend.

Realitätscheck

Heute ist es unmöglich, den Wahrheitsgehalt der Skookum-Erzählungen der First Nations vor 1847 nachzuvollziehen. Wie oft bei solchen Mythen trennen die Mitglieder der First Nations nicht klar zwischen physischer und spiritueller Welt, so dass hinter dem Skookum-Phänomen alles Mögliche stecken könnte. Ein mehr oder weniger aktiver Vulkan ist definitiv ein gefährlicher Ort, selbst wenn gerade kein großer Ausbruch stattfindet. Von warmen Quellen, die unvermittelt kochend und damit tödlich heiß werden über ätzende oder betäubende vulkanische Gase bis zu kleinen Lawinen, aufbrechende Spalten und Erdbeben: Er ist unberechenbar, lebensgefährlich und kann Körper einfach verschwinden lassen: Skookum.

Auch die Story von Fred Beck und seinen Leuten ist heute nicht mehr nachvollziehbar, obwohl sie vor nicht einmal 100 Jahren in vielen Zeitungen erschien. Die Goldsucher hatten in ihrer Panik alles andere zu tun, als physische Beweise zu sichern. Die Hütte ist abgebrannt, die Umgebung des Ape Canyon durch den Ausbruch völlig überformt.

„Grau, mein Freund, ist alle … „

Mir ist bei den Recherchen zum Mt. St. Helens Ausbruch aufgefallen, dass immer die sehr hartnäckige vulkanische Asche als Hauptproblem genannt wird. Hierbei handelt es sich um feinen Staub aus mineralischen Bestandteilen. Menschen sind daran gestorben, als sie sie einatmen mussten. Der Highway 90 von Seattle nach Spokane wurde für eine Woche stillgelegt: Die Asche verstopfte Luftfilter, kontaminierte Ölsysteme, verklumpte in Vergasern und zerkratzte bewegliche Oberflächen. Tausende Autofahrer sind so gestrandet. Der Flugverkehr um den Mount St. Helens stand 14 Tage still. Sogar für Stromausfälle sorgte die Asche, wenn sie Isolatoren überbrückte und Kurzschlüsse verursachte.

Zwei Männer mit Pferden in hüfttiefem Schlamm und Staub
Bob Brown (li.) und sein Bruder John versuchen, drei Pferde aus dem Weyerhaeuser „19 Mile Camp“ in Kid Valley, Washington zu bringen. Die Weide wurde durch den Toutle River in Folge der Eruption des Mount St. Helens überflutet. Foto: US Geological Service

Luftbild eines Hubschraubers, der neben einem Kleinlaster gelandet ist. Es gibt tiefe Spuren im Staub und einen abgedeckten Leichnam
Ein Mitglied der Nationalgarde identifiziert eines der Opfer der Eruption. Dieses Bild zeigt die Auswirkungen der vulkanischen Asche. Sie wurde stark vom landenden Heli verblasen und trotzdem hinterlässt der Nationalgardist tiefe Fußspuren im lockeren Staub. Foto: US Geological Service

In einer solchen Situation soll das US Army Corps of Engineers eine groß angelegte Bergungsaktion gestartet haben? Helikopterflüge waren offenbar begrenzt möglich, denn ein Filmteam wurde schon am 23. Mai am Mount St. Helens abgesetzt und einige Tage später wieder aufgenommen. Aber haben die Behörden das Risiko auf sich genommen, zahlreiche Hubschrauber loszuschicken, um Wildtierkadaver zu bergen?

Ist die Bergung von Wildtierkadavern realistisch?

Oben wird von 1500 Wapitis und 5000 weiteren Hirschen berichtet. Ein Wapiti-Bulle wiegt zwischen 300 und 450 kg, eine Kuh zwischen 200 und 250 kg, ein neugeborenes Kalb um die 15 kg. Bei den „weiteren Hirschen“ handelt es sich in erster Linie um Weißwedel- und Maultierhirsche, die wesentlich kleiner sind. Hier kann man 70 bis 150 kg für einen Hirschbullen und 50 bis 100 kg für eine Hirschkuh einsetzen, 10 kg für ein Neugeborenes.

Der Ausbruch des Mount St. Helens hat am 18. Mai stattgefunden, also mitten im Hochfrühling. Die Hirsche sind noch ausgezehrt vom Winter, haben aber bereits wieder an Gewicht zugelegt, die Jungtiere sind auf der Welt. Man kann also von Gewichten eher im unteren Bereich der Variationsbreite ausgehen. Geschlechterverhältnisse und Gewichte sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:

Hirschbullen Hirschkühe Jungtiere Gesamt
Wapiti
5000 Tiere
720 Tiere
bei 325 kg => 234 t
2850 Tiere
bei 215 kg => 612,75 t
1430 Tiere
bei 20 kg => 28,6 t
5000 Tiere
875,35 t
Weißwedelhirsche
10.000 Tiere
1250 Tiere
bei 110 kg => 137,5 t
5000 Tiere
bei 75 kg => 375 t
3750 Tiere
bei 12 kg => 45 t
10.000 Tiere
557,5 t
Maultierhirsche
5000 Tiere
550 Tiere
bei 82 kg => 45,1 t
2200 Tiere
bei 55 kg => 121 t
2250 Tiere
bei 10 kg => 22,5 t
5000 Tiere
188,6 t

Sehr viel zu transportieren, aber wurde es überhaupt transportiert?

Hieraus ergibt sich ein unglaubliches Gesamtgewicht von 1621,45 t der umgekommenen Hirsche. Zieht man hier Schätz- und Rundungsfehler ab, geht davon aus, dass nur 1/3 der umgekommenen Hirsche geborgen weden könnten, weil die anderen vollständig verbrannt oder in der vulkanischen Asche verschüttet sind, so müsste man immer noch mit 500 t toten Tieren rechnen. Hinzu kommen als weitere Großtiere Schwarzbären, die im Gebiet um den Mount St. Helens vorkommen, jedoch in wesentlich geringerer Zahl.
Ein wesentlicher Faktor in dieser Betrachtung wurde aber noch nicht beachtet: Haus- bzw. Nutztiere. Die Bewohner im betroffenen Gebiet haben ungezählte Rinder und Pferde gehalten, unter denen es mit Sicherheit Opfer gab. Sie sind schwerer als Wapiti-Bullen und leben näher an den Siedlungen. Will man die Kadaver entfernen, um Seuchen zu verhindern, hätten sie höhere Priorität.
Grob überschlagen hätten hier also zwischen 500 und 700 t an toten Tieren sicher entsorgt werden müssen. Ob das passiert ist, ist unklar.

Eine Bergungsaktion per Hubschrauber?

Laut den Zeugen, die Redfern zitiert, waren eine große Zahl von Hubschraubern und mindestens ein Kran beteiligt. Da die Sasquatches angeblich die Mitarbeiter der US-Army zu verletzten Artgenossen geleitet haben, kann dies nur wenige Tage nach dem Ausbruch gewesen sein. Zu dieser Zeit war die Asche aber noch locker und wäre mit jeder Flugbewegung der Hubschrauber in gewaltigen Mengen aufgewirbelt worden.

1980 standen der US Army und der Nationalgarde von Washington folgende Transporthubschrauber zur Verfügung:

Modell Tragkraft max.
Foto eines zweirotorigen Transporthubschraubers Boeing CH-47 „Chinook“ 7 bis 10,5 t
Foto eines einrotorigen mittelgroßen Hubschraubers Bell UH-1 Iroquois, meist „Huey“ genannt 1 bis 1,5 t
Foto eines sehr altmodisch aussehenden Hubschraubers Sikorsky H-34 ca. 2 t

Es ist leicht vorstellbar, wie viele Flüge notwendig gewesen wären, um solche Mengen an Kadavern zu entfernen, insbesondere wenn die starken Chinooks nur in begrenzter Zahl zur Verfügung standen. Von starker, militärischer Hubschrauberaktivität ist jedoch nirgendwo zu lesen. Von daher ist davon auszugehen, dass die zuständigen Stellen (das USACE und die Nationalgarde) nur wenige Kadaver in den Quellbereichen der Flüsse entfernt haben – wenn überhaupt.

Wesentlich wichtiger war eher die Entsorgung von Kadavern im Nahbereich der Siedlungen. Dies haben Anwohner und Behörden aufgrund der Asche nicht mit Hubschraubern, sondern mit Fahrzeugen, die über staubgeschützte Aggregate verfügten, z.B. Baustellenfahrzeugen erledigt.

Was ist mit dem Kran?

Ein Kran mit halboffener Hydraulik, großen, fettgeschmierten Lagern und Elektroantrieb wäre für vulkanische Asche sehr anfällig gewesen. In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie der Kran dorthin gekommen ist. Die Straßen waren unpassierbar. Wieso sollte man einen Kran einfliegen? Für Hebeaufgaben sind Helikopter besser geeignet. Zum Ausheben von Gruben sind Bagger das Mittel der Wahl und sie stehen dem US Army Corps of Engineers zur Verfügung. Allerdings waren die Straßen unpassierbar.

Wenn man aber auf einen Kran der „Manatowaka Company“ zugriff, dann vermutlich, weil er zufällig vor Ort war.

Die „Manatowaka Company“ oder doch nicht?

rot lackierter Seilbagger
Ein „dredge crane“ der Manitowoc Company, vielleicht eine Verwechslung? Foto: Nate Dawg, CC 4.0

Bisher hat sich laut der Website Bigfootencounters.com niemand die Mühe gemacht, herauszufinden, ob es 1980 im Süden des Bundesstaates Washington eine Firma diesen Namens gab. Möglicherweise liegt hier auch eine Verwechslung vor. Gibt man den Namen „Manatowaka Company“ in eine Suchmaschine ein, landet man unter dem gar nicht so unähnlichen Namen „Manitowoc Company“ einige Treffer.

Die „Manitowoc Company“ ist ein Traditionsunternehmen, das Krane und Bagger herstellt und unter dem Namen Manitowoc Raupenkrane vertreibt (andere Produktlinien haben teilweise andere Namen). Der Name ist groß an den Fahrzeugen angeschrieben. Mit einem solchen Gerät wäre man tatsächlich halbwegs mobil gewesen und hätte Kadaver bergen können. Warum auch nicht?

War das Militär überhaupt da?

Bisher habe ich keinen Hinweis gefunden, dass die US Army mit militärischen Einheiten vor Ort war. Das oben genannte US Army Corps of Engineers war 1980 am Mount St. Helens und hat im Rahmen einer Sofortmaßnahme den Flusslauf des Cowlitz-Rivers freigeräumt, um das Risiko von Überschwemmungen zu bannen. Allerdings besteht das USACE größtenteils aus Zivilisten, es ist eher dem deutschen THW als einer Pioniereinheit vergleichbar.

Es gibt ebenfalls Hinweise auf den Einsatz der Nationalgarde. Diese hat bereits vor dem Ausbruch des Vulkans die Straßen der Gegend weiträumig abgesperrt. Einsätze, insbesondere Hilfsaktionen nach dem Ausbruch sind wahrscheinlich, aber für mich derzeit nicht zu belegen.

Im Gegenteil: Einen Großteil der Aufräumarbeiten erledigten die Gemeinden selber. Viele haben lokale Aschedeponien geschaffen und direkt mit Erde abgedeckt. Andere haben die staubige Masse in alten Minen untergebracht. Auch auf den Kosten von etwa 1,1 Milliarden US$ blieben sie zunächst sitzen. Der Kongress bewilligte Beihilfen von 950 Millionen US$, die über drei verschiedene Organisationen ausgeschüttet wurden.

Fazit

Die Geschichte ist mehr als dünn. Redferns Beitrag liest sich wie ein schlechter Verschwörungs-Roman. Sogar der geheimnisvolle Zeuge, der alles gesehen haben will, ist dabei. Natürlich bleibt er anonym. Eigentlich fehlt hier nur der einschüchternde Anruf beim Autor oder bei Zeugen, die danach die Aussagen plötzlich ändern.

Schaut man sich die Story etwas genauer an, stimmen auch die Fakten nachdenklich. Es gibt keine Hinweise auf eine zentral geplante und koordinierte Sammlung und Entsorgung verendeter Tiere. Sie wäre aufgrund der Vielzahl von Flügen gar nicht zu vertuschen gewesen.
Dort, wo verbrannte Tierkadaver herumlagen, also mit den Sasquatches zu rechnen wäre, war Helikopterflug nur sehr begrenzt möglich. Jede Annäherung an den Boden hätte die leichte Asche aufgewirbelt, sie wäre zwangsläufig in den Turbinen gelandet und hätte viel Ärger bis hin zu Abstürzen verursacht. Insgesamt wurden mindestens acht Flugzeuge durch die Asche beschädigt, jedoch kein Helikopter. Bei einer großen Zahl von Hubschrauber-Flügen wäre unter diesen Bedingungen fast zwangsläufig mit Unfällen zu rechnen gewesen.
Einheiten, die eine größere Zahl von Helikoptern hätten einsetzen können, waren gar nicht vor Ort.

Der Kran, mit dem ein Loch ausgehoben worden sein soll, ist mit großer Sicherheit ein Produkt eines ähnlich klingenden Herstellers und nicht im Betrieb der genannten Gesellschaft. Ob die Erinnerung dem Zeugen einen Streich spielte, oder ob es doch eine Gesellschaft mit diesem Namen gab, ist unklar.

In der Summe gibt es zu viele Fehler, wenn man nur ein wenig in die Materie eintaucht.


Anmerkungen:

Die Wiederbesiedlung des durch die Eruption verwüsteten Gebietes wäre einmal einen Artikel wert. Spannend ist der direkte Vergleich zwischen den Gebieten, in denen das Forstunternehmen Weyerhaeuser die Natur unterstützen wollte und den Gebieten, in denen die Natur frei arbeiten konnte. Da beide Gebiete oft dicht beieinander liegen, könnte man hier von einem natürlichen Labor sprechen. Das wäre auch einmal einen Artikel wert, völlig ohne Sasquatch.


Literatur:

Zur Story von Nick Redfern: Mysterious UniverseDie Bigfoot-Encounters: Cowlitz County Bodies

Im Prinzip dieselbe Story, nur von Washington Bigfoots: Bigfoot Bodys removed after 1980 Mt St Helens eruption

Das USACE am Mt. St. Helens.

Die deutsche Webseite von Manitowoc-Cranes

ICAO: Manual on Volcanic Ash, Radioactive Material and Toxic Chemical Clouds