Bergung eines Bahamonde- Schnabelwals Mesoplodon traversii (Foto: DOC)Jim Fyfe und Tūmai Cassidy gehen neben dem Bahamonde-Wal her, während er von Trevor King geborgen wird (4. Juli 2024, Foto: DOC Newsealand)
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Der Fund

Was, wo, wann?

Am Donnerstag, dem 4. Juli, wurde das Department of Conservation (DOC. Umweltschutzministerium Neuseelands) darüber informiert, dass ein etwa 5 m langer Schnabelwal in der Nähe der Mündung des Flusses Taiari angespült worden war.

Nach Untersuchung und Rücksprache mit Meeressäugetierexperten des DOC und dem Eingeborenenstamm der Te Papa stellte sich heraus, dass es sich bei dem Geschöpf um einen männlichen Bahamonde-Schnabelwal (Mesoplodon traversii) handeln kann. Die Art ist sehr selten und so gut wie unbekannt. Gabe Davies, Operations Manager des DOC Coastal Otago, sagt, falls sich dies bestätigt, wäre dies ein sehr bedeutender wissenschaftlicher Fund:

„Bahamonde-Schnabelwale sind eine der am wenigsten bekannten großen Säugetierarten der Neuzeit. Seit dem 19. Jahrhundert wurden weltweit nur 6 Exemplare dokumentiert, und alle bis auf eines davon stammten aus Neuseeland. Aus wissenschaftlicher und konservatorischer Sicht ist dies enorm.“

 

Mesoplodon traversii
Annähernde Rekonstruktion eines Bahamonde-Wal-Weibchens nach dem 2012 gefundenen Weibchen (Illustration: Yassine Mrabet, CC-BY-SA 3.0)

 

Wissenschaft und Maori

Hierbei stellt sich den Wissenschaftlern die Aufgabe, mit den Eingeborenen zusammenzuarbeiten. Die Maori-Stämme sehen in Walen gleichwertige Verwandte, die Taoka. In der Regel schätzen sie wissenschaftliche Untersuchungen, bestehen aber darauf, dass der Wal dabei und danach nach ihren Riten geehrt wird. Dies kann unter anderem eine zeremonielle Beerdigung bedeuten.

Das DOC arbeitet gemeinsam mit den Te Rūnanga von Ōtākou an den nächsten Schritten, um einen Plan für den Umgang mit dem Walkadaver zu erstellen. Ein so frisches Exemplar bietet die erste Gelegenheit überhaupt, einen Bahamonde-Schnabelwal zu sezieren.

Die Seltenheit des Wals bedeutet, dass Gespräche über das weitere Vorgehen mehr Zeit in Anspruch nehmen werden, da es sich um ein Gespräch von internationaler Bedeutung handelt, sagt Gabe Davies.

Die Vorsitzende der Te Rūnanga von Ōtakou, Nadia Wesley-Smith, sagt, dass die Rūnaka von Anfang an bei der Entscheidungsfindung mit DOC zusammenarbeiten werden.

„Es ist wichtig, sicherzustellen, dass diesem Taoka durch den gemeinsamen Lernprozess angemessener Respekt entgegengebracht wird, indem wir Mātauraka Māori anwenden, während wir mehr über diese seltene Art herausfinden.“

 

Erste Proben sind bereits archiviert

Genetische Proben wurden an die University of Auckland geschickt, die als Kurator des New Zealand Cetacean Tissue Archive (Neuseeländisches Wal-Gewebearchiv) fungiert. Es kann mehrere Wochen oder Monate dauern, bis die DNA verarbeitet und eine endgültige Artidentifikation bestätigt ist.

 

Die Forschungsgeschichte


1872 wurden ein unvollständiger Unterkiefer und zweier Zähne eines bis dato unbekannten Wales auf Pitt Island, Neuseeland gefunden. James Hector stellte sie 1873 vor. Anhand dieser Funde beschrieb John Edward Gray die Art als Mesoplodon traversii. Zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, ob die Funde relativ frisch oder subfossil waren.

Funde in Neuseeland

In den 1950er fanden Strandbesucher eine Schädelkalotte am Strand von White Island, Neuseeland. Das Stück landete unbearbeitet in einem Lager der Uni von Auckland und wurde 1995 fälschlich dem ebenfalls sehr seltenen Japanischen Schnabelwal Mesoplodon ginkgodens zugeordnet.

1993 wurde ebenfalls eine Schädelkalotte, jedoch beschädigt am Strand von Robinson Crusoe Island, die zu Chile gehört, gefunden. Anhand dieser wurde die Art Mesoplodon bahamondi beschrieben.

2010 strandeten zwei Tiere, eine Mutter und ein männliches Kalb am Opape Beach in der Bay of Plenty in Neuseeland. Sie wurden zunächst als Camperdown- oder Gray-Schnabelwal (Mesoplodon grayi) fehlidentifiziert. Tatsächlich stellten sie die ersten Funde von Mesoplodon traversii dar, die sicher belegen, dass die Art zu dem Zeitpunkt noch existierte und wie sie aussehen. Sie lieferten auch Material für eine genetische Untersuchung, deren Ergebnisse 2012 in Current Biology veröffentlicht wurden. Durch diese Arbeit konnten auch die drei älteren Funde sicher M. traversii zugeordnet werden, so dass M. bahamondi nur noch ein jüngeres Synonym darstellt.

2017 strandete ein Tier, ebenfalls in Neuseeland, bei Gisborne, so das DOC in seiner Pressemeldung. Über diesen Fund ist so gut wie nichts bekannt geworden, selbst die deutsche und englischsprachige Wikipedia kennt diesen Fund nicht. Eine Veröffentlichung hierzu konnte ich nicht finden. Es ist daher zweifelhaft, ob das gefundene Tier tatsächlich M. travsersii ist.

Beim 2024er-Fund handelt es sich um das erste erwachsene Männchen dieser Art, von dem mehr als nur ein paar Skelettteile bekannt wurden.

 

 

 

Zweizahnwale

Mesoplodon peruvianus
Eines der wenigen „offenen“ Bilder von Mesoplodon peruvianus und das einzige uns verfügbare, das einen lebenden, gesunden Mesoplodon zeigt. Quelle: NOAA

Die Zweizahnwale der Gattung Mesoplodon stehen innerhalb der Familie der Schnabelwale. Sie gehören zu den kleineren Walen. Die Längen der bekannten Arten liegen zwischen 3,9 und 6,2 m, oft werden die Weibchen ein wenig größer als die Männchen. Die Rückenflosse oder Finne ist dreieckig, nicht sehr groß und liegt im Vergleich zu anderen Walen relativ weit hinten am Körper. Die Flipper sind in der Regel eher kurz und weit vorne angelegt, die Schwanzflosse ist oft sehr breit.

Alle Arten tragen zwei relativ gut entwickelte Zähne im Unterkiefer, weitere Zähne fehlen oder sind nur als Rudimente ausgebildet und bleiben funktionslos. Bei Männchen einiger Arten reichen die Zähne so weit nach oben, dass sie bei geschlossenem Maul gut sichtbar sind.
Bei der Jagd werden diese Zähne nicht benutzt, vermutlich auch nicht für innerartliche Kämpfe.

Zweizahnwale sind Hochseebewohner der kühlen und gemäßigten Zonen, meist streng in nördliche und südliche Arten getrennt. Nur eine Art, der Blainville-Schnabelwal (Mesoplodon densirostris) lebt in den tropischen Gewässern aller Ozeane. Die meisten Beobachtungen sprechen dafür, dass Zweizahnwale in Paaren oder kleinen Gruppen zusammenleben. Die Tiere können sehr tief tauchen und jagen hauptsächlich Kalmare in der Tiefsee.

 

Aktuell sind 16 Arten gültig beschrieben. Die Tatsache, dass man so wenig über sie weiß, könnte auf weitere, unbekannte Arten hinweisen.

 

 

Bahamonde-Schnabelwale

Mesoplodon traversii
Mesoplodon traversii, Fund von 1872, damals als Dolichodon layardii fehlidentifiziert

Mesoplodon traversii, im Englischen spade-toothed whale genannt, ist eine mittelgroße Zweizahnwalart. Das größte bekannte Tier, das Weibchen von 2010 erreichte 5,3 m Länge (angegeben als 17,4 ft.). Die gefundenen Schädelkalotten lassen vermuten, dass die Tiere ausgewachsen zwischen 5 und 5,5 m erreichen, auch der aktuelle Fund bewegt sich in diesem Rahmen.

Bemerkenswert für die Art ist die ungewöhnliche Größe und Form der Zähne. Wie alle Arten der Gattung Mesoplodon haben sie nur ein entwickeltes Zahnpaar im Unterkiefer. Sie erreichen bei M. traversii bis zu 23 cm (angegeben als 9 inch) und sind ungewöhnlich breit. Auf dem vom DOC veröffentlichten Bild ragen die Zähne nicht aus dem Maul. Bei den Männchen einiger Arten ist das der Fall, wozu es dient ist jedoch – wie so vieles – unbekannt.

Abgesehen von der ungewöhnlichen Zahnform und -größe ist der Bahamonde-Schnabelwal ein eher durchschnittlicher Vertreter der Gattung. Er ist schlank, mit einem deutlich abgesetzten Schnabel und einer weit nach hinten verlagerten, dreieckigen Rückenflosse. Der Rücken ist dunkel, fast schwarz gefärbt, der Bauch deutlich heller. Die Funde von 2010 trugen an der Seite eine hellere Zeichnung, die einen weiten Bogen über Augen und Brustkorb zog. Augen, Rostrum und Flipper sind dunkel. Die Schwanzflosse erscheint auf dem einzigen Foto, das das DOC bisher veröffentlicht hat, relativ klein zu sein. Hier ist auch nur die schwarze Rückenfärbung zu erkennen.

Über die Stellung des Bahamonde-Wals innerhalb der Gattung ist noch wenig bekannt, eine DNA-Untersuchung von 2012 ist uneindeutig, auch weil zwei eng miteinander verwandten Individuen für qualifizierte Untersuchungen nicht ausreichen. Die Analyse einer Control region stellt M. traversii als Schwesterart zum Hector-Schnabelwal (M. hectori) in eine Gruppe mit dem Sowerby-Schnabelwal (M. bidens) und dem Layard-Schnabelwal (M. layardii). Die Analyse des Cytochrome b-Gens lässt sie als Schwesterart des Sowerby-Schnabelwals (M. bidens) erscheinen, die wiederum gemeinsam eine Schwestergruppe zum Andrew Schnabelwal (M. bowdoini) bilden.
Morphologisch scheint die Art in einer Gruppe mit den anderen, südlichen Arten M. hectori, M. grayi und M. bowdoini zu stehen.

Neue Daten, auch aus dem aktuellen Fund können hier weiter helfen.

 

Wie geht es weiter?

Der Wal wurde nach dem Fund vom örtlichen Bauunternehmer Trevor King Earthmoving vorsichtig vom Strand entfernt. Lokale Rūnaka-Mitglieder sowie das Otago Museum waren ebenfalls vor Ort, um zu unterstützen und zu dokumentieren.

Der Kadaver befindet sich in einem Kühlhaus, um die Überreste zu konservieren, bis die nächsten Schritte entschieden sind.

 


Literatur

Kirsten Thompson et al. 2012. The world’s rarest whale. Current Biology, vol. 22, no. 21, R905-R906; doi: 10.1016/j.cub.2012.08.055 https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(12)01059-7

Robert Pitman: Mesoplont Whales: (Mesoplodon spp.) in Encyclopedia of Marine Mammals (2nd Ed.), 2009, pp 721-726 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/B978012373553900167X

Deutsche und englischsprachige Wikipedia zu Mesoplodon traversii und Mesoplodon

Webseite mit Pressemeldungen des DOC https://www.doc.govt.nz/news/media-releases/2024-media-releases/worlds-rarest-whale-washes-ashore-in-otago/

Von Tobias Möser

Tobias Möser hat Biologie, Geologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon als Kind war er vor allem an großen Tieren, Dinosauriern, später Walen interessiert. Mit der Kryptozoologie kam er erst 2003 in näheren Kontakt. Seit dieser Zeit hat er sich vor allem mit den Wasserbewohnern und dem nordamerikanischen Sasquatch befasst. Sein heutiger Schwerpunkt ist neben der Entstehung und Tradierung von Legenden immer noch die Entdeckung „neuer“, unbekannter Arten. 2019 hat er diese Website aufgebaut und leitet seit dem die Redaktion.