Teil 1 des Artikels zum Maori-Bigfoot ist am 23. März 2021 hier erschienen
Ein neuseeländisches Missing Link
Neuseeland wurde von den Maori gerade mal 500 Jahre vor den Weißen entdeckt. „Neuseeland wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts, spätestens aber in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Polynesiern entdeckt und in mehreren Einwanderungswellen besiedelt. Die Datierung von Knochen der pazifischen Ratte und von eingeführten Samen mittels der Radiokohlenstoffmethode datieren die früheste Ankunft der Polynesier auf um 1280.“ (Wikipedia)
Dennoch wurde einmal der Fund von „Urmenschen“ aus Neuseeland gemeldet, den ich hier kurz anführen will, um das Thema von „Affenmenschen“ aus allen Blickwinkeln zu beleuchten. Wieder stoßen wir auf extrem rassistische Ansichten über die vorgebliche Unfähigkeit der Maoris zur Kultur. Sehen wir selbst – ich habe den Artikel stark um allgemeine, zeitgenössische Ansichten zur Evolution gekürzt:
„Vor einiger Zeit [= vor 1910] wurde gemeldet, dass auf der Nordinsel das Skelett eines entwickelten Menschentypus (nicht der Maori-Rasse) neben einem Schädel eines sehr niedrigen Typus (ebenfalls kein Maori) entdeckt wurde. Es ist unmöglich, den Wert oder Unwert einer solchen Entdeckung zu beurteilen, man kann nur Mutmaßungen anstellen, da sich Einzelfunde nur schwer einordnen lassen. Das Skelett vom ‚hohen Typ‘ können wir ignorieren, da es überall dort zu finden ist, wo eine hohe Zivilisation existiert haben könnte.
Der Schädel vom ‚niedrigen Typ‘ jedoch – ‚die Schädelkrone ist fast auf Höhe der Augen und des Knochens sehr dick‘, wie im Telegramm steht – wird den Betrachter bewegen, meint der ‚Sydney Daily Telegraph‘, zumindest, […] wenn er viertausend Jahre begraben war. […] Die Geschichte eines Schädels von niedrigem Typ [öffnet] den Blick auf das Zeitalter der menschlichen Herkunft aus dem anthropoiden Zeitalter. Der Schädel der Nordinsel soll nach anthropologischen Maßstäben niedriger liegen als der Neandertaler-Schädel, der selbst von einer Menschenart stammt, die dem gemeinsamen Vorfahren Darwins nahe war. […]
„sein Charakter und der Fundort wecken das Interesse“
Nicht sein angebliches Alter, sondern sein Charakter und der Fundort wecken das Interesse an diesem ehrwürdigen Kopf – immer unter der Annahme, dass er das ist, als was er beschrieben wird. Der paläolithische Mensch (sagt ein Schriftsteller, der kürzlich die Entdeckung Neuseelands rezensierte) wird erst nach und nach entdeckt. […]
In Neuseeland ist nicht zu erwarten, dass Spuren des Urmenschen gefunden werden. Obwohl hier wie auf den sogenannten älteren Kontinenten alte Feuersteinwerkzeuge gefunden wurden, ist Neuseeland arm an Relikten. […] Aber rückverfolgbares Wissen über Neuseeland beginnt praktisch mit den Maori-Einwanderern. ‚Praktisch‘, weil spätere Untersuchungen darauf hindeuten, dass die ursprünglichen Menschen hier weiß gewesen sein könnten. […] Die Frage ist, ob der Schädel vom niedrigen Typ echt ist, ob primitive Menschen mit niedrigen Augenwülsten, schlichtem Verstand […] einst in Neuseeland lebten? […]
„keine Rasse, die jetzt als Ureinwohner gilt, errichtete diese mysteriösen Relikte“
Muller kam zu dem Schluss, dass die ayranische Rasse jedenfalls aus dem heutigen Turkestan in der Nähe des Oxus stammt. Es gibt jedoch moderne Wissenschaftler, die ein pazifisches Land vermuten, das vielleicht tief unter dem Ozean versunken ist. Zur Unterstützung der letzteren Theorie können die Skulpturen auf der Osterinsel und anderen pazifischen Atollen gegen die modernen pazifischen Völker gestellt werden. Keine Maoris, keine Rasse, die jetzt als Ureinwohner gilt, errichtete diese mysteriösen Relikte. Sie wurden möglicherweise auf keiner Insel errichtet, aber vielleicht auf einem jetzt untergegangenen Kontinent.
Doch diese Beweise können den Urmenschen immer noch nicht erklären, während der ‚niedrige‘ Schädel (seine Authentizität voraussetzt) […] ‚zuerst eine tierhafte, gestikulierende, zunächst unvollständige Rasse‘ nahelegt, die dann von einer höheren Kultur ersetzt wird – Eingeborenen oder Einwanderern – mit hoher Zivilisation, dann den heutigen Inselbewohnern und danach dem weißen Mann. […] Die Natur liefert ein Relikt der fernen Vergangenheit, und es kann sein, dass ein solches in Neuseeland aufgetaucht ist, um das Problem auf neue und rätselhafte Weise zu stellen.“
(Nelson Evening Mail, 8. Januar 1910, S. 2)
Das Monster von Moehau
Spekulationen um neuseeländische Gorillas enden also zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst. Die Spekulationen um einen Urmenschenschädel habe ich nicht weiterverfolgt, es handelt sich dabei eher um eine alternativ-archäologische denn eine kryptozoologische Frage.
Bleibt die Bigfoot-Inkarnation des 20. Jahrhunderts, das Moehau-Monster.
Es wird in mehreren Bigfoot-Büchern kurz gestreift, aber selten näher ausgeführt. 2,10 Meter sei er hoch, dieser Riesenaffe, meint John Green nur kurz (John Green: Sasquatch – the Apes among Us. Surrey, BC: Hancock House 2006, S. 135), Janet und Colin Bord wissen noch, dass das Moehau-Monster bzw. der Coromandel-Man auf der Halbinsel Coromandel östlich von Auckland (Nordinsel) leben soll (wie der Gorilla von 1870) und dass periodisch erfolglose Expeditionen nach ihm ausgeschickt werden. (Janet und Colin Bord: The Evidence for Bigfoot and other Man-Beast. Wellingborough: Aquarian Press 1984, S. 80)
Weiterführende Informationen bietet nur das generell sehr zuverlässige Buch von Robyn Gosset über die Rätsel Neuseelands, das neben Seeungeheuern, angeblichen archäologischen Funden, Geisterberichten, verschwundenen Schiffen und Inseln auch dem Moehau-Monster zwei Seiten widmet.
Als Kind (wohl um 1940 bis 1950) hörte sie während eines Urlaubs auf der Coromandel-Halbinsel zum ersten Mal von den „kleinen rothaarigen Männchen“ am Mount Moehau. Ihr Onkel erzählte ihr von einer Höhle, die er entdeckt habe, und die die Maoris nicht aufsuchten, in der die Gebeine kleiner Wesen mit roten Haaren lägen – und eine zweite Höhle, in der die Knochen lagen von 2,15 Meter hohen Riesen. Neuseeland hat also Orang Pendek und Bigfoot!
Man ging auf die Suche
1970 machte sich eine Expedition mit 40 Australiern unter der Leitung des Großhändlers J. P. Grey auf, um das Moehau-Monster zu finden. Berichte erschienen im New Zealand Herald. Demnach war das Monster über zwei Meter groß, von silbrigem-weißem Haar bedeckt, und hätte große, rosa, leer blickende Augen. Der Körper ähnele dem eines Affen, mit langen, herabhängenden Armen und kurzen dünnen Beinen. Sein durchdringender Schrei könnten noch aus großer Entfernung gehört werden.
Die Zeitung führte nach Grey den Augenzeugenbericht einer Frau aus Sydney an (also aus Australien). Mrs. Vera Marshall war Anfang Oktober 1969 mit ihrem Mann im Wald unterwegs, als ihnen ein Ungeheuer wie ein Gorilla über den Weg lief und sich dann rasch in den Busch zurückzog. Vor 60 Jahren, so Gosset, sei ein Gorilla aus einem an der Coromandel-Halbinsel gestrandeten Schiff entkommen (das ist wohl eine der oft zu findenden Pseudoerklärungen für Monsterberichte).
Grey wollte aber auch nach den kleinen Männchen suchen, die der Legende nach vor den Maoris in die Berge geflüchtet waren.
Im April 1970 erzählte J. Reddy, ein Landrat von Coromandel, Robyn Gosset, dass die ganze Legende vom Moehau-Monster ein Scherz gewesen sei. Zuerst habe man großsprecherisch aus einer nur vier Meter tiefen Höhle eine Höhle gemacht, die sich bis Port Charles an der anderen Seite der Halbinsel erstreckte, dann noch die Riesen dazu erfunden. Der Scherz sei dann aber über alle Maßen gewachsen.
Eine andere Erklärung hatte Bob Grey. Früher arbeitete auf der Halbinsel ein großer, dampfgetriebener Kran, der Baumstämme aus dem Wald schleppte. Man nannte ihn das Moehau-Monster, und Leute, die die Anspielung nicht verstanden, dachten, es sei von einer Art Yeti die Rede. (Robyn Gosset: New Zealand Mysteries. Auckland: The Bush Press of New Zealand 1996, S. 102–104)
Nur eine Überlieferung?
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die ursprünglichen Meldungen vom Maori-Gorilla von 1870 in Erinnerung blieben und damit das Bewusstsein, dass irgendwo da draußen ein Riesenaffe lebte. Nur: Beweise sind inexistent, Sichtungsberichte äußerst rar.
Der bekannte australische „Kryptozoologe“ Rex Gilroy (der alles, wirklich alles, glaubt, und alles, wirklich alles selbst gesehen und gefunden hat) veranstaltete übrigens 1994 ebenfalls eine erfolglose Expedition und suchte nach dem Monster von Coromandel. Dass die Anrainer der Insel konventionelle Erklärungen bevorzugen und die Augenzeugen und Expeditionen aus Australien stammen, spricht ebenfalls Bände.
Der Maeroroe
Ein zweites, menschenartiges Ungeheuer soll in Neuseeland hausen, der Maeroroe. J. Harris Beattie sammelte in den 1920ern Sagen über Begegnungen mit dem Wesen in Southland, der südlichsten Provinz der Südinsel um Dunedin, Invercargill und Queenstown. Der Maeroroe wird als wilder Mensch geschildert, der seine Fingernägel 10 cm lang wachsen lässt, um damit Fische aufzuspießen.
Die Maori erzählten Beattie, der Maeroroe existiere noch. Es sei ein wilder Waldmensch, mit langen Haaren und enormer Kraft, aber auch sehr listig. Man habe große Furcht vor dem wilden Mann des Owaka-Waldes. Eine junge Maori-Frau sei von einem der Ungeheuer verschleppt worden, als sie nach eine Woche zurückkam, war sie in einem Schockzustand.
Der Maeroroe ist ein Kobold und als solcher Hüter des Waldes. Er spricht zu den Jägern, wenn sie zu viel Flachs geerntet oder viele Tiere getötet haben. Auch die junge, verschleppte Frau hatte einen Singvogel getötet, ohne ihn zu essen. Warne das Ungeheuer, müsse man gehorchen, oder man sei in großer Gefahr. Berühmt war auch das Flötenspiel der wilden Menschen.
(Robyn Gosset: New Zealand Mysteries. Auckland: The Bush Press of New Zealand 1996, S. 105)
To Bigfoot or not to Bigfoot?
Zoogeografisch ist ein Menschenaffe in Neuseeland kaum vorstellbar, und auch die bislang gemeldeten Sichtungen machen sein Vorhandensein nicht wahrscheinlicher.
Was immer den ersten Bericht 1870 ausgelöst haben mag – Seehund, entlaufener Gorilla oder Maori-Frau –, ein paar Zeitungsberichte die dann hundert Jahre lang ohne Folge blieben, sind kein besonders überzeugendes Argument für eine noch unentdeckte Tierart.
Am besten betrachten wir die Meldungen über Gorillas und Affenmenschen aus dem 19. Jahrhundert als Belege für einen Rassismus, den wir noch heute bekämpfen müssen. Man bedenke, dass noch 1936 eine neuseeländische Zeitung berichtete, die Maori stammten von Gorillas ab! (Wairarapa Daily Times, 9. März 1936, S. 5)
Auch angebliche Sasquatch-Berichte des vorvergangenen Jahrhunderts sind oft nichts weiter als solche schalen rassistischen Scherze auf Kosten der Indianer.
Aber noch etwas zeigt sich, was ich immer betone: Wenn man sucht, dann findet man Sichtungen und Beobachtungen von Bigfoot, Seeungeheuern und Dinosauriern überall, auch dort, wo eine zoologische Lösung praktisch nicht mehr denkbar ist.
Wer sich mit den großen Kryptiden beschäftigt, nicht irgendwelchen Lemuren auf Madagaskar oder Rallen auf Südseeinseln, muss stets vor Augen haben, dass er sich letztendlich nur mit einem kulturell erzeugten Konstrukt auseinandersetzen könnte. Dass bei Nessie- und Bigfoot-Forschungen kaum ein Fortschritt zu erzielen ist, trotz ständig höherer Sichtungsfrequenz, kommt auch daher, dass sich manche Leute weigern, zuzugeben, dass Kryptozoologie, wenn es um die Großen geht, einfach nur die Beschäftigung mit Sagen, Mythen, kulturell konditionierten Fehldeutungen und Erfindungen ist.
Anmerkungen
- Zusätzlich zu den genannten Quellen finden sich die Nachrichten auch in folgenden (und noch einem dutzend weiterer) Zeitungen: Otago Daily Times, 10. Oktober 1870; Wairarapa Standard, 12. Oktober 1870, S. 3; West Coast Times, 12. Oktober 1870; Otago Witness, 15. Oktober 1870; North Otago Times, 28. Oktober 1870; Marlborough Press, 2. November 1870)
- Da ich bei meiner Suche nach Gorillas in Neuseeland auf mehrere Meldungen über Gorillas in Australien gestoßen bin, sollen diese hier noch kurz vermerkt sein. Gorilla am Lake Macquarie (Colonist, 14. April 1868) – Gorilla bei Tenterfield, New South Wales (Wanganui Herald, 27. Juli 1896, S. 2) – Gorilla in Myrtleford, Victoria (Auckland Star, 12. März 1932, S. 8)
Über Sichtungen des Orang-Letjo in Sumatra berichtet der Manawatu Standard, 2. Juli 1932, S. 7.