Breaking News: Tierunfall in Brixen / Südtirol

In Südtirol, in der Nähe von Brixen ist eine Leiche entdeckt worden, die offenbar von einem oder mehreren großen Raubtieren schwer zugerichtet ist. Bei dem Toten handelt es sich nach Medienangaben um Albert S., einen Bauern im Ruhestand, der in einem Seniorenheim in der Gegend lebte.

Laut MSN wurde sein Ablauf des Abends wie folgt rekonstruiert:

  • Am Sonntagnachmittag (18.02.) machte sich Albert S. aus einem Seniorenheim in Feldthurns auf den Weg in den Nachbarort Pinzagen, das an Brixen grenzt. Dies sind laut google maps etwas mehr als 3 km.
  • In Pinzagen trank er in einem Gasthaus ein Mineralwasser und erzählte dort, dass er noch zu einem Weingut gehen wolle. Dort sollten ihn Freunde im Auto mit ins Seniorenheim bringen.
  • Als er nicht im Seniorenheim ankam, informierte das Heim die Familie von Albert S., die wiederum gegen 21:30 Uhr die Notrufzentrale alarmierte. Feuerwehr, Bergretter und mehrere Suchhunde machten sich auf, Albert S. zu finden, ohne Erfolg.
  • Am Montagmorgen (19.02.) fand ein Ehepaar beim Gassigehen mit einem Hund den Vermissten. Er lag etwa 450 m vom Gasthof (Sportbar Pfeffersberg?) entfernt an einem Wanderweg auf einer Wiese. Der 73-jährige war schwer unterkühlt und wies schwere Verletzungen am Hals, Armen, Ober- und Unterkörper auf. Ein Augenzeuge berichtete Ippen-media, dass ihm Teile des Gesichtes fehlten. Zu seinem Glück war er zu diesem Zeitpunkt ohne Bewusstsein.
  • Da bereits nach ihm gesucht wurde, waren Rettungskräfte schnell vor Ort und konnten den Mann zunächst stabilisieren. In einer ersten Meldung wurde von einer Reanimation gesprochen, dies scheint eine Fehleinschätzung zu sein. Er wurde daraufhin mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Bozen geflogen, so die Feuerwehr. Im Krankenhaus verstarb er gegen 18:20 Uhr am Abend.

 

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Pinzagen liegt unmittelbar südwestlich von Brixen

 

Laut Carabinieri wurde der Mann schwer zugerichtet, sie vermuten einen großen Hund, Schakal oder Wolf als Verursacher. Im Krankenhaus wurde bestätigt, dass die Verletzungen zu einem Tierangriff passen. Hier wurden DNA-Proben entnommen.

 

Familie hat einen Wachhund

Die Carabinieri schließen einen kriminellen Angriff mit einem Hund als Waffe aus. Nun wurde bekannt, dass die Familie von Albert S. einen Wachhund besitzt. Dieser könnte ebenfalls als Verursacher in Frage kommen. Die Ergebnisse der DNA-Analyse werden Mittwoch erwartet.

 

Fundort
Der Fundort des Verletzten (Foto: Freiwillige Feuerwehr Tschötsch)

 

Fundort bei Brixen
Der Fundort aus größerer Entfernung. (Foto: Freiwillige Feuerwehr Tschötsch, Facebook)

Der Blätterwald begann zu rauschen, zumal in einiger Entfernung vor ein paar Tagen ein Wolf gesichtet wurde. Spekulationen über einen tödlichen Wolfsangriff nahmen die Schlagzeilen ein, obwohl die Carabinieri eher den Familienhund in Verdacht hatten. Doch dann kam es völlig anders:

 

Die Staatsanwaltschaft äußert sich

Am Mittwoch, 21.02. veröffentlichte die Staatsanwaltschaft einen Teil des Obduktionsberichtes:

Bei der makroskopischen Untersuchung konnten zunächst traumatische Verletzungen durch Fremdeinwirkung ausgeschlossen werden. Dagegen scheinen die festgestellten Hautläsionen auf die Einwirkung von Tieren, wahrscheinlich Caniden, zurückzuführen zu sein, da bildliche Exkoriationen vorhanden sind, die auf einen Tierbiss hindeuten. In jedem Fall waren diese Läsionen eher oberflächlich, d. h. sie betrafen keine vaskulären/nervösen Strukturen von signifikanter vitaler Bedeutung, und obwohl sie einen gewissen Blutverlust durch Verletzung peripherer Gefäße zuließen, scheinen sie nicht mit dem Auftreten eines hämorrhagischen Schocks vereinbar zu sein.

 

In Anbetracht der Art, der Lage und der Tiefe der Verletzungen und in Ermangelung signifikanter zuvor bestehender pathologischer Zustände kann der Tod auf die Folgen schwerer Unterkühlung (d. h. Erfrierungen) zurückgeführt werden, ein Umstand, der auch durch die von den Rettungskräften zum Zeitpunkt der Entdeckung festgestellte Körpertemperatur (22 °C) unterstützt wird.

 

Nach der Entnahme der erforderlichen Proben, einschließlich der Proben für histologische und toxikologische Untersuchungen, und der Entnahme von Wundabstrichen für eventuelle genetische Vergleiche (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Patient in einem Krankenhaus untergebracht und behandelt wurde), steht der Erteilung der Genehmigung zur Bestattung des Leichnams aus medizinischer und rechtlicher Sicht nichts mehr im Wege.

 

Dieses Zitat stammt von suedtirolnews.it  in der Fassung vom 21.02.2024, 19:31 Uhr

Zusammenfassung

Kurz zusammengefasst bedeutet die Meldung, dass Albert S. nicht durch Fremdeinwirkung erheblich verletzt wurde. Die festgestellten Tierbisse sind eher oberflächlich, lebenswichtige Blutgefäße wurden nicht verletzt. Der Tod ist letztlich durch schwere Unterkühlung eingetreten, Albert S. hatte nur noch eine Körpertemperatur von 22° C.

 

Ergebnisse einer DNA-Untersuchung an Speichel wurden (noch) nicht veröffentlicht.

 

 

Die Staatsanwaltschaft hat Teile eines Untersuchungsergebnisses veröffentlicht, die mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Klar erscheint, dass Albert S. an oder auf dem Wanderweg, an dem man ihn fand, irgendwie zu Fall gekommen sein muss.

Die Gründe, warum der Spaziergang von Albert S. an dieser Stelle endete, können vielfältig sein:

  • Er kann sich selbst verletzt haben, z.B. auf einem Stein umgeknickt sein,
  • Er kann einen medizinischen Notfall, von Schwindel bis Herzinfarkt erlitten haben oder
  • Seine Körpertemperatur kann bereits hier unter einen Wert gefallen sein, der koordiniertes Laufen zuließ.

Dies wird sicher im Bericht des Pathologen zu finden sein. Die Staatsanwaltschaft hat es aber, möglicherweise aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre von Albert S. nicht veröffentlicht. Hierbei muss auch beachtet werden, dass in den italienischen Medien der vollständige Name von Herrn S. genannt wurde und die Familie in der Nähe lebt.

 

Oberflächliche Bisse?

Die direkte Todesursache, Erfrieren bzw. zu geringe Körpertemperatur zu kennen, führt jedoch nur halb zum Ziel. Bemerkenswert an dem Fall sind nun einmal die Bissverletzungen von Schakal, Hund oder Wolf. Diese wurden als nur oberflächlich bestätigt.

 

Wie kommt es zu oberflächlichen Verletzungen durch einen Hundeartigen? Waren es Testbisse eines Fuchses (auch ein Hundeartiger), eines Schakals oder – ja – eines Wolfes, der testen wollte, ob der leblose Körper tot war? War es der Wachhund der Familie, der das Gegenteil beabsichtigte, nämlich ein offenbar schwer mitgenommenes Familienmitglied zum Haus zu bringen, wo Hilfe wäre?

 

Sicher erscheint in jedem Fall, dass kein großes Raubtier versucht hat, an Albert S. zu fressen. Dann wären ganz andere Verletzungen zu finden gewesen.

 

Gibt es doch noch eine DNA-Analyse?

Wir wissen es nicht, denn wir wissen nicht, wer für die Bisse verantwortlich ist. Die für heute angekündigte DNA-Analyse wurde noch nicht veröffentlicht. Da aber fest steht, dass das oder die Tiere nicht den Tod von Herrn S. verursacht haben, ist die Frage, ob die Staatsanwaltschaft die Analyse überhaupt zu Ende führen lässt. So etwas ist teuer und Ermittlungsbehörden haben nie genug Geld.
Volkes Stimme schreit erneut, die Veröffentlichung der Teile des Obduktionsberichtes wird dem Informationshunger nicht genügen. Die DNA-Analyse muss her, man will wissen, ob ein Wolf beteiligt war. Bleibt sie unter Verschluss, lassen sich Vermutungen weder in die eine noch in die andere Richtung bestätigen.

 


 

Tierangriffe in Mitteleuropa – Eine kurze Zusammenfassung

Herr S. ist gestorben, er kann nicht erzählen, was ihm passiert ist. Ein Tier war nicht für seinen Tod verantwortlich, jedoch hat ein oder mehrere Tiere an ihm gefressen, als er noch lebte.

 

Zwei Alpenbraunbären im Schnee
Zwei Alpenbraunbären im Schnee

 

In der Gegend wurde erst vor Kurzem ein Wolf gesichtet, sie gehört aber auch zum zumindest potenziellen Streifgebiet von Bären aus dem Life Ursus-Projekt im Naturpark Adamello-Brenta. Über den Tod eines Joggers und weitere Probleme, die mit den Bären im vergangenen Jahr und in Zukunft auftreten, haben wir bereits einen Artikel veröffentlicht.
Auch wenn Brixen etwa 70 km nordöstlich des Naturparkes liegt: Das ist keine Entfernung für einen Bär, insbesondere, wenn er hungrig ist. Nur wenige Kilometer östlich wurden sie bereits beobachtet und auch, wie sie weiter wanderten – bis nach Deutschland.

Die Frage ist nur, ob sie jetzt, Ende Februar, überhaupt schon aus dem Winterschlaf erwacht sind. Häufig ist es so, dass nicht ausreichend ernährte Tiere früh erwachen und auf die Suche nach Nahrung machen. Ob dies jetzt schon passiert und was an Fallwild zur Verfügung steht, konnte die Redaktion nicht herausfinden. Sicher ist, dass Bären um diese Jahreszeit als besonders gefährlich gelten. Dennoch haben die Behörden und die Presse nie einen Bär in Betracht gezogen.

 

War es ein Wolf oder ein anderer Hundeartiger?

Anhand der Gebissabdrücke werden die Gerichtsmediziner eindeutig zwischen Hundeartigen und Bär unterscheiden können. Goldschakale sind erst seit kurzem in Südtirol nachgewiesen (wir berichteten). In jedem Fall halte ich einen einzelnen Goldschakal (Canis aureus) selbst dann für zu klein und schwach, um sich mit einem ausgewachsenen Menschen zu messen.

 

Goldschakal
Der Goldschakal liegt in der Größe zwischen Wolf und Fuchs

 

Bleibt also ein Hund oder ein Wolf. Für Wölfe bietet die derzeitige Winterlandschaft in Nordtirol das selbe Problem, wie für Bären: Sie liefert relativ wenig Nahrung, die Jagd im Schnee ist zudem kräftezehrend. Hier stellt sich dann allerdings die Frage, wieso sie den Sack nicht zugemacht und ihre Beute nicht gefressen haben. Natürlich kann es sein, dass die Finderin und ihr Hund sie verjagt haben, aber das wiederum hätte die Finderin sicher bemerkt. Hinzu kommt, dass ein Wolf in einer solchen Situation möglicherweise aggressiv auf den Hund der Finderin reagiert hätte („Da kommt ein anderer Wolf und macht mir die Beute streitig!“), entsprechendes wäre erwähnt worden.

Wolfsangriffe in Mitteleuropa

1950 – 2000

Land total fatal
Kroatien 1 0
Estland 1 1
Lettland 12 3
Litauen 22 0
Slowakien / Slowakei 2 1
Europa ohne UDSSR / Russland 38 5

2000 – 2020

Land total grundlos räuberisch Tollwut Tollwut-Verdacht nicht bekannt Angegriffene Tote
Finnland 2 0 1 0 0 1 2 0
Kroatien 1 0 1 0 0 0 1 0
Europa ohne Russland 3 0 2 0 0 1 3 0

 

Angriffe von Hunden auf Menschen

In Deutschland sind zwischen 2000 und 2020 insgesamt 72 Menschen durch Hundebisse ums Leben gekommen. Dies verteilt sich über die einzelnen Jahre wie folgt:

 

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022
4 5 6 4 4 5 3 0 5 0 0 0 8 0 0 3 4 5 4 4 6 0 6 5 4

Quelle: Statista.com Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor

 

Laut dieser hundundhaustier.de kommt es in einem durchschnittlichen Jahr in Deutschland zu ca. 28.000 Verletzungen durch Hundebisse. Sie führen eine Studie zwischen 1979 und 1988 auf, bei der folgendes herauskam:

  • 53% der tödlichen Angriffe erfolgte durch einen einzelnen Hund,
  • 24% der tödlichen Angriffe erfolgten durch zwei Hunde,
  • 8% der tödlichen Angriffe erfolgen durch drei Hunde,
  • 15% der tödlichen Angriffe erfolgten durch vier oder mehr Hunde.
  • Nur 25% der tödlichen Angriffe erfolgten außerhalb des Grundstücks des Hundebesitzers.

 

Haupttodesursache ist dabei nach einer anderen Studie Verbluten (65%) in Folge zahlreicher Verletzungen, Halsverletzungen (35%) und Schädel-Hirn-Trauma (25%) und Infektionen (15%, Mehrfachnennung möglich). In 50% aller Fälle handelt es sich bei dem Angreifer um den Familienhund. (Quelle 1; Quelle 2).

 

Wolf
Wolf im Schnee

 

Zahlen bitte!

Anzahl der tödlichen Angriffe auf Menschen in Mitteleuropa seit dem Jahr 2000:

  • Bären: 1
  • Wölfe: 0
  • Hunde: 81 (nur Deutschland)
  • Jagdunfälle: 65 (Quelle, nur Deutschland)
  • Mensch (Mord): ca. 7200 (nur Deutschland)

 


Quellen:

Stol.it vom 19.02.2024

 

Krone.at vom 20.02.2024

 

DiePresse vom 20.02.2024 mit Material von APA

 

innsalzach24.de vom 20.02.2024

 

msn.com vom 21.02.2024




Aktuell: Die Bayerische Kurzohrmaus wiederentdeckt

Es ging in den letzten Tagen groß durch die Medien, sogar die Tagesschau hat nicht nur auf ihrer Webseite, sondern auch in der Hauptausgabe um 20 Uhr davon Berichtet: Umweltschützern ist es gelungen, die extrem seltene Bayerische Kurzohrmaus, Microtus bavaricus, wieder zu entdecken.

Wie meist können wir in der Geschwindigkeit nicht mit den großen Medien mithalten, sondern befassen uns kurze Zeit später mit so einer Meldung, dafür haben wir mehr Hintergrund.

 

Maus vor Riesenaffe

In der vergangenen Woche hatte ich eine Fortsetzung des Gigantopithecus-Artikels angekündigt. Es soll bzw. wird in diesem Artikel um die Frage gehen, wie weit Gigantopithecus als Erklärung für Bigfoot-Sichtungen herhalten kann.

 

Diesen Artikel habe ich um eine Woche nach hinten verschoben, er wird am 22.2. erscheinen. Die aktuelle Meldung um die Bayerische Kurzohrmaus erscheint der Redaktion wichtiger.

 

 

Wer ist die Bayerische Kurzohrmaus?

Die Bayerische Kurzohrmaus ist ein Nagetier aus der Familie der Wühler, sie zählt darin zur Gattung der Feldmäuse. Die Maus erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 88 – 106 mm und eine Schwanzlänge von 32 – 44 mm. Mit 18 – 28 g sind sie mittelgroße Mäuse, etwa in der Größenklasse von Haus-, Wald- oder Gelbhalsmaus. Die meist als „Wühlmaus“ bezeichnete Ostschermaus wird mit über 100 g deutlich größer.

Microtus bavaricus hat flauschig wirkendes, gelblich braunes Fell, das leicht rot überhaucht wirken kann. Die Fußrücken sind bei erwachsenen Exemplaren weiß behaart. Jungtiere wirken eher stumpf graubraun.
Die Ohren sind so kurz, dass sie im normalerweise vollständig oder fast vollständig im Fell verborgen sind. Auch die Augen sind klein und komplett schwarz.

 

Bayerische Kurzohrmaus
Eine Bayerische Kurzohrmaus, 2014 in Rofan/ Tirol gefangen. Foto: Nadja Hattinger CC-BY-SA 4.0

 

Die nächsten Verwandten der Bayerischen Kurzohrmaus sind die Alpen-Kleinwühlmaus Alpen-Kleinwühlmaus (Microtus multiplex) und Illyrische Kurzohrmaus (M. liechtensteini). Alle drei Arten sind einander so ähnlich, dass man sie nur molekularbiologisch oder an der Kombination einzelner Maße von Schädel und Zähnen unterscheiden kann.

 

Wie lebt die Bayerische Kurzohrmaus?

Sie gilt als Endemit in den Nördlichen Kalkalpen. Sie war nur von zwei Standorten bekannt. Einer dieser Standorte liegt in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. Er besteht aus mäßig feuchten Bergwiesen in der Nähe eines Baches, etwa auf 730 m Höhe.

Ein anderer Fundort ist liegt knapp 50 km weiter östlich, bei Achenkirch in Österreich. Die Tiere hier bewohnen einen offenen Fichtenmischwald, der bis 2005 als Waldweide genutzt wurde. Er liegt in 730 bis 1100 m Höhe und wird ebenfalls von zahlreichen Bächen durchzogen.

 

Über die Lebensweise der Bayerischen Kurzohrmaus ist so gut wie nichts bekannt. Sie lebt unterirdisch und gräbt flache Gänge. Die anfallende Erde schiebt sie zu kleinen Erdhaufen auf der Oberfläche auf. Eine besondere Aktivitätszeit gibt es wühlmaustypisch nicht, Aktivität wird immer wieder durch kurze Schlafphasen unterbrochen. Vermutlich ernährt sich die Art von Wurzeln, Knollen, Zwiebeln und anderen unterirdischen Pflanzenteilen, gelegentlich wird sie auch oberirdisch Gräser und Kräuter fressen.

Die nahe verwandte Alpen-Kurzohrmaus ist besser bekannt. Sie ist häufiger tag- als nachtaktiv und lebt vermutlich monogam paarweise in exklusiven Revieren, d.h. sie dulden keine weiteren Artgenossen in ihren Revieren. Die Fortpflanzung findet das ganze Jahr statt, im Winter jedoch seltener. Ihre Würfe sind mit üblicherweise 2 – 3 Jungen relativ klein.

 

 

Wieso ist die Bayerische Kurzohrmaus etwas besonderes?

Genau die kleinen Erdhügel waren es, die den jungen Biologen Claus König ab 1959 auf ihre Spur bringen sollten. Er untersuchte das Nahrungsspektrum der Singvögel im Alpenraum und entdeckte die Hügelchen auf einer Wiese vor Garmisch-Partenkirchen. Zusammen mit seiner Frau, Säugetierforscherin am Senckenberg-Museum in Frankfurt fing er dann in Mausefallen 23 Tiere fing. Er bestimmte sie als bisher unbekannte Art und beschrieb sie 1962 als Pitymys bavaricus.

 

Erdhaufen der Bayerische Kurzohrmaus
Typische Wühlhaufen der Bayerischen Kurzohrmaus Foto: Claus König, 2023, auf Wikipedia mit unklarer Lizenz

 

Weitere Fundorte gab es nicht, auch Nachsuchen am Typusfundort blieben erfolglos. Nachdem im einzigen bekannten Verbreitungsgebiet der Maus 1980 eine Klinik gebaut wurde, galt das inzwischen als Microtus bavaricus bezeichnete Tier als verschollen, möglicherweise ausgestorben.

 

1976 und 1977 gab es einige Fänge in einem Gebiet in Österreich, bei Achenkirch, ca. 47 km östlich von Garmisch-Partenkirchen. Sie blieben zunächst unbestimmt oder wurden für die Liechtenstein-Kurzohrmaus (Microtus liechtensteini) gehalten.

Erst als die österreichische Wissenschaftlerin Friederike Spitzenberger bei einer Routineuntersuchung im Jahr 2000 im selben Gebiet ein Exemplar in einer Falle fing, erkannte man die Tiere von 1976 und 77 als nicht mit M. liechtensteini identisch. Eine genetische Untersuchung bestätigte, dass es sich um eine eigene, wenn auch mit M. liechtensteini eng verwandte Art handelt. Weitere morphologische Untersuchungen zeigten, dass die Tiere aus dem Wald bei Achenkirch zu M. bavaricus gehören.

 

Bayerische Kurzohrmaus
Jungtier von Microtus bavaricus, Foto: Nadja Hattinger, 2011; CC-BY-SA 4.0

 

Nun gab es also einen zweiten Fundort für die Phantom-Maus. Damit hätte man eigentlich erwarten können, dass sich die Forscher aus dem Alpenraum nur so stritten, wer die Art offiziell wieder entdecken könnte – doch weit gefehlt. Es gibt in Europa relativ wenig Wissenschaftler, die sich mit rezenten Säugetieren befassen, auch bei Hobbyforschern sind eher Vögel und Schmetterlinge beliebt.

  • 2004 gelingt es Friederike Spitzenberger bei Archenkirch, eine lebende Microtus bavaricus zu fangen, filmen und fotografieren. Sie stellt fest, dass es sich um eine urtümliche Art handelt, die sich wohl nur hier gegen modernere Wühlmäuse behaupten kann.
  • 2005 endet die Waldweide im Fundort bei Achenkirch. Das Vorkommen gerät in Gefahr, falls die Beweidung für den Fortbestand der Mäuse notwendig ist.
  • 2010 gelangt eine konservierte Bayerische Kurzohrmaus in die Zoologische Staatssammlung München. Sie stammt aus Österreich, dem Revier Nesselreith, etwa 30 km südwestlich von Garmisch-Partenkirchen. Ein neuer Fundort.
  • 2017 finanziert das Landesamt für Umwelt Bayern ein umfangreiches Forschungsprojekt zu Microtus bavaricus. Leiter ist David Stille.
  • Im Rahmen dieses Projektes werden an mehreren Stellen in Bayern über 100 Kameras mit speziellen Auslösern aufgestellt.
  • 2021 wurden 2 Männchen und 1 Weibchen aus dem Gebiet um Achenkirch in den Zoo nach Innsbruck gebracht. Dort vermehrten sich die Tiere gut, bereits im ersten Jahr kamen zehn Jungtiere auf die Welt, von denen acht aufgezogen wurden. 2023 gelangte ein Paar in den Tierpark Berlin Friedrichsfelde und weitere Tiere nach Wien ins Haus des Meeres. In Friedrichsfelde vermehrten sich die Tiere ebenfalls gut, so dass ein Paar im selben Jahr an den Zoo Berlin weitergegeben werden konnte. Wo die Tiere in den Ausstellungen zu sehen sind, konnte ich nicht herausfinden.
  • Am 21 Juli 2023 meldet ein Beobachter bei Naturgucker.de eine Bayerische Kurzohrmaus in den Donauauen bei Teugn vor den Toren Regensburgs, also weit out-of-place.
  • David Stilles Projekt hat 2023 erste Erfolge. In einem Suchgebiet in Garmisch-Partenkirchen haben 96 Kameras insgesamt 1,4 Millionen Fotos von Kleinnagern aufgenommen. Darunter sind 8 Bilder mit Kurzohrenmäusen. Ohne eine genetische Untersuchung ist unmöglich zu sagen, ob es sich um Bayerische Kurzohrenmäuse handelt.
    Inzwischen ist die Jagd nach einem der seltensten Säugetiere in Deutschland zum Medienereignis geworden. Arte und der BR begleiten die Mäusejäger. Doch in den Fallen sind zunächst nur häufige Arten zu finden.

Mit dem Altmeister kommen die Erfolge – am Ende

Die Kamerateams bitten auch den mittlerweile 90-jährigen Claus König zum Fundort. Der ehemalige Direktor des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart ließ es sich nicht nehmen, die Bergwiesen selbst zu begutachten. „Wir haben einige auffällige Erdhaufen gefunden“, erzählt König der ZEIT. „Genau dort, wo meine Frau und ich damals Erfolg hatten.“ Doch auch die Fallen in den Grabgängen fingen zunächst nur Erde. Kein Wunder, schieben die Mäuse doch eine Menge Erde in den Gängen vor sich her, die dann den Fallenmechanismus auslöst.

Eine Woche lang machten sich die Mäusejäger mit 65 Fallen auf die Jagd. König hat noch Tipps auf Lager: „Zugluft mögen die Mäuse nicht, die Kästen müssen immer gut mit Erde bedeckt sein“. Doch dann, am letzten Morgen der Fangaktion ist etwas in der vorletzten Falle: auf 1050 m Höhe, in einem Schneeheide-Kiefernwand guckt Bayerns erste Bayerische Kurzohrmaus seit über 60 Jahren aus der Falle.
Doch die heutige Forschung ist tierfreundlich. Anstatt die Maus für eine Museumssammlung zu präparieren, setzen König und Stille sie in eine Klarsichtbox mit Streu und Futter, so dass die Filmleute bedient werden können. Selbst eine DNA-Probe lässt die Maus freiwillig zurück, in Form von abgeschlifferten Darmzellen auf ihrem Kot.

 

Über diese Jagd hat ARTE eine 44minütige Sendung produziert. Sie ist zwischen dem 13.02.2024 und dem 19.05.2024 verfügbar: Die Bayerische Kurzohrmaus – Rettung einer bedrohten Art

 

Bayerische Kurzohrmäuse sind offenbar weiter verbreitet

Inzwischen verfügt das Meldesystem Gbif über elf Meldungen zur Bayerischen Kurzohrmaus Microtus bavaricus. Drei der Fundorte sind in Österreich, sieben in Deutschland und einer in Kroatien.

 

Mittlerweile gehen die Biologen davon aus, dass die Bayerischen Kurzohrmäuse eine spezielle Nische zum Überleben gefunden haben. Sie nutzen in den Höhenlagen Biotope, in denen es anderen Mäusen zu feucht ist.

Im Rahmen des Klimawandels ist aber das nicht genug, befürchten Stille und König. Wird es wärmer, drängen moderne Mäuse aus den tieferen Lagen nach oben und vertreiben die dort lebenden Tiere. Ob es für die Bayerische Kurzohrmaus ausreicht, in höhere Lagen auszuweichen, ist unsicher.

 

 

Hoffentlich wird im Rahmen dieses kleinen Hypes auch ein Licht auf einige andere in Deutschland endemische Arten geworfen. Es gibt sogar eine endemische, verschollene Art, von der auch sonst kein Fundort außerhalb Deutschlands bekannt ist.


Literatur und andere Quellen zu Microtus bavaricus

 

C. König: Eine neue Wühlmaus aus der Umgebung von Garmisch-Partenkirchen (Oberbayern): Pitymys bavaricus (Mammalia, Rodentia). – Senck. Biol. 43 (1): 1-10, Frankfurt a. M. (1962)

 

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2024-02/wuehlmaus-wiederentdeckt-bayerische-kurzohrmaus-artenschutz-tiere/komplettansicht

 

https://www.gbif.org/occurrence/search?taxon_key=2438594

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Claus_K%C3%B6nig

 

http://www.earthsendangered.com/profile.asp?gr=&view=all&ID=6&sp=2311

 

https://en.wikipedia.org/wiki/Bavarian_pine_vole

 

https://www.zootierliste.de/?klasse=1&ordnung=113&familie=11336&art=55009425&subhaltungen=1

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Bayerische_Kurzohrmaus

 

https://www.iucnredlist.org/species/13461/90865453

 

https://web.archive.org/web/20081020065057/http://www.nabu.de:80/m05/m05_05/03058.html




Medium der Woche: Reisen im Kongogebiet

Reisen im Kongogebiet: Expeditionen im Auftrag der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland. 1884-1886

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an galt insbesondere Zentral- und Äquatorialafrika als ein wenig bekannter, weitgehend dunkler Fleck auf den Landkarten, den es noch zu entdecken galt. Deswegen brachen ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Forschungsexpeditionen in diese ferne Weltgegend auf. Deutsche Unternehmungen hatten es dabei nicht immer leicht, befand sich doch recht bald schon fast der gesamte Kontinent im Kolonialbesitz der anderen europäischen Großmächte oder gehörte wenigstens zu deren politischem Einflussgebiet.

 

leben hier Dinosaurier?
Der Kongo bei Kisangani im Sonnenaufgang – Kolonien waren ebenso eine Frage des nationalen Prestiges wie der Staatsfinanzen

 

Da das Deutschland des 19. Jahrhunderts zunächst alles andere als ein nationalstaatlich verfasstes Gebilde war und man auch im 1871 gegründeten Deutschen Reich kolonialen Erwerbungen eher skeptisch gegenüberstand, waren die Möglichkeiten für deutsche Reisegesellschaften, an den großen Entdeckungen dieser Zeit teilzuhaben, eher eingeschränkt. Um dem Abhilfe zu schaffen, wurde im April 1873 die Deutsche Gesellschaft zur Erforschung Äquatorialafrikas gegründet, ein Verein, dessen Aktivitäten vor allem verschiedene deutsche Landesherren, reiche Kaufleute sowie die Hansestädte finanzierten.

Ganz offen wirtschaftliche und politische Absichten verfolgte die im Dezember 1876 in Berlin gegründete Deutsche Afrikanische Gesellschaft, die bereits im April 1878 mit dem zuerst genannten Verein zur Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland fusionierte.

 

Regen über Ruwenzori
Regen über dem Regenwald im Kongo

Richard Büttner

Büttner wurde 1858 in Brandenburg a. H. geboren. Er studierte in Berlin, wo er 1883 mit seiner Dissertation „Flora advena marchica“ promoviert wurde. Büttner war naturwissenschaftlicher Teilnehmer an der Expedition der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland (1884–1886), die unter der Leitung von Eduard Schulze der „Erforschung des südlichen Kongobeckens“ dienen sollte. Sie drang in damals aus europäischer Sicht unerforschte Gebiete vor.

 

Einige Arten wurden nach seinen Belegen beschrieben, er selbst beschrieb u. a. Xyris congensis. Nach ihm benannt wurde Aloe buettneri sowie die Furchenzahn-Waldmaus (Leimacomys buettneri).[2] In den Jahren 1890/1891 leitete er eine Forschungsstation in Bismarckburg in Togo. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Lehrer in Berlin. Dort gründete er den ersten Lehrstuhl für afrikanische Sprachen in Deutschland. Er starb unverheiratet am 11. September 1927 in Berlin-Karlshorst.

(Wikipedia)

 

Reisen im Kongo

 

Kryptozoologisches

Richard Büttners Aufzeichnungen sind meines Wissens nach nie kryptozoologisch untersucht worden. Es ist nicht auszuschließen, dass er hier einige heute noch unbekannte Tier- und Pflanzenarten beobachtet und beschrieben hat, ohne sie seiner Sammlung zuführen zu können.

 

Sicher eine spannende Sache – nicht nur für die Mitarbeiter unseres Afrika-Archivs.

 

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Reisen im Kongogebiet

Reisen im Kongogebiet: Expeditionen im Auftrag der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland. 1884-1886 ist 2014 bei Edition Erdmann erschienen. Die inzwischen vergriffene Druck-Ausgabe hat als gebundenes Buch 341 Seiten und ist für etwa 15 bis 20 Euro zu bekommen. Das E-Book ist noch erhältlich.

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Ein Denkmal für eine Panzerechse

Bereits in der Vergangenheit habe ich mich hier mit Exoten in der Kanalisation beschäftigt und nun ist es wahr geworden! Dem, nach den Ninja Turtles wohl berühmtesten (angeblichen) Bewohner der Kanalisation New Yorks wurde ein eigenes Denkmal gesetzt. Der schwedische Künstler Alexander Klingspor entwarf einen Alligator, der auf einem Deckel zur Kanalisation sitzt (1). Ein Motiv, das auf der altbekannten Geschichte beruht, die Halter solch exotischer Haustiere, hätten die Tiere in die Kanalisation entsorgt, nachdem sie ihnen zu groß und unbequem wurden. Seither hausen sie im Untergrund New Yorks.

 

Fake- Krokodil
Ein Krokodil – oder doch nur ein Modell? Foto: André Kramer

 

Dass derartige Vorkommnisse nicht immer nur reine Erzählungen sind, konnte ich in dem oben genannten Artikel hier im Netzwerk bereits aufzeigen.

 

Krokodile in Großstädten?

Tatsächlich aber ist es so, dass Sichtungen angeblicher Panzerechsen (Krokodile, Alligatoren, Kaimane) in den Großstädten im Norden der USA oder gar in Europa, nur allzu oft auf Verwechslungen beruhen.

Dieses Jahr machte ich einen Spaziergang mit meinem Hund und an einem kleinen Kanal, mitten in der Innenstadt, staunte ich plötzlich nicht schlecht. Schwimmt da etwa ein Krokodil im Wasser? Der Kopf des Tieres war eindeutig zu erkennen, daran bestand kein Zweifel. Also schaute ich mir das vermeintliche Tier einige Sekunden an. Eine Attrappe. Eine gut gemachte. Ein bisschen enttäuscht war ich aber doch. Gerne hätte ich eine eigene kryptozoologische Begegnung gehabt.

 

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Schwimmender Krokodilkopf mit Fernbedienung

Eigentlich handelt es sich bei diesem „Krokodil“ nur um ein ferngesteuertes Modellboot im Design eines Krokodilkopfes. Dies hat aber durchaus seine Vorteile: Die Technik ist vielfach erprobt und robust, durch Massenproduktion relativ günstig.
Für den Schreckeffekt dürfte die erreichbare Höchstgeschwindigkeit nicht relevant sein, besser wirkt es, das Fahrzeug am Ufer zwischen Wasserpflanzen zu platzieren und gelegentlich kurz eine kleine Bewegung zu machen. Auch die Länge von immerhin 32 cm ist realistisch für ein nicht mehr ganz kleines Krokodil.

 

Der „ferngesteuerte Krokodilkopf„, quasi ein Mock-Croc, verfügt über einen eingebauten Li-Akku mit 500 mAh und die Vierkanal-Fernbedienung hat eine Reichweite von 30 m.

 

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„Ist das ein Krokodil?“ – „Ja, aber kein echtes“

Attrappen von Panzerechsen sorgen aber regelmäßig für Pressemeldungen, so zuletzt Ende September diesen Jahres im brandenburgischen Elsterwerda. Die örtliche Polizei weiß zu berichten, dass eine Krokodilsichtung durch einen Passanten einen Einsatz auslöste. Vor Ort entdeckten die Beamten nach vorsichtigem Nähern an das „Tier“, dass es sich ebenfalls nur um eine Attrappe aus Kunststoff handelte und entsorgten diese (2). Bereits im Juni diesen Jahres wurde in Neuensorg in Bayern ein vier Meter langes Krokodil in einem Wald gemeldet. Auch hier handelte es sich um ein Modell aus Plastik, aufgestellt von örtlichen Bogenschützenverein (3).

 

Fake- Krokodil 2
Jetzt wird klar: Das ist ein Fake, wenn auch ein guter. (Foto: André Kramer)

 

Das Krokodil der Unstrut in Sachsen-Anhalt füllte das Sommerloch der Zeitungen 2020 und entpuppte sich nach mehreren Monaten der Suche als ein Plüschtier (4) und 2018 sorgte ein Kunststoffkrokodil für einen Polizeieinsatz in Werne in Nordrhein-Westfalen (5).

Eine Liste mir prominenten Namen

Die Liste ließe sich vermutlich noch unendlich erweitern, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nachweise von Panzerechsen weit außerhalb ihres eigentlichen Verbreitungsgebiets immer wieder gemeldet werden. Zu vermuten ist hier (und zum Teil auch nachgewiesen), dass die Halter solcher exotischen Tiere diesen verlustig werden.

Und damit ist dann auch der Bogen zu den Alligatoren in der Kanalisation New Yorks gespannt.

 

Ein Medienstar wurde der Kaiman „Sammy“ im Sommer 1994. Sein Besitzer nahm diesen mit zu einem leinengeführten Ausflug in einen Baggersee bei Dormagen in Nordrhein-Westfalen, wo das Tier dann das Weite suchte und verschwand. Nach Wochen der Suche und Berichterstattung (6) wurde Sammy schließlich lebendig eingefangen (7). Noch im gleichen Jahr fanden Kinder, ebenfalls in Nordrhein-Westfalen, genauer am Ufer des Rursees, den Kadaver eines verendeten Sumpfkrokodils, das Untersuchungen zufolge an Unterkühlung starb (8)


Quellen

 




Medium der Woche: Dune

Dune ist Meilenstein der Science-Fiction-Literatur, ein Epos, das zu Recht seinen Platz unter den Klassikern ebenso wie in der modernen Literatur findet. Ein Werk, das zwischen der Illias, der Arthussaga, Faust und dem Herrn der Ringe platziert werden kann. Und doch zeigten die letzten Tage, von welcher Aktualität es ist.

Dune - Der Wüstenplanet

 

Die Handlung

Frank Herberts „Dune“, auf Deutsch „Der Wüstenplanet“ spielt in einer Zeit, die genauso Zukunft wie Vergangenheit sein könnte: Die Menschheit hat den Weltraum besiedelt, diese Besiedlung ging mit einer Reihe von Meilensteinen einher, unter anderem der Überwindung künstlicher Intelligenz, der Wiederherstellung eines autoritären Lehnssystems und der Entdeckung zahlreicher bewusstseinserweiternder, aber auch anderer Drogen. Herrscher über das bekannte Universum ist der Padisha-Imperator. Seine Familie erhält ihre Position durch geschickte Verteilung von Macht der Fürstenhäuser, Diplomatie und eine extrem schlagkräftige Armee.

 

Herzog Leto Atreides ist Kopf eines dieser Fürstenhäuser. Er beherrscht „nur“ einen Planeten, eine Wasser- und Landwelt, Caladan. Damit ist das Haus Atreides im Rat der Fürstenhäuser eines der kleineren und ärmeren. Als er dort immer beliebter wird, befiehlt der Imperator einen Tausch des Lehens: Das Haus Atreides muss Caladan verlassen und wird auf dem wüstenartigen Planeten Arrakis angesiedelt.
Dies ist Falle und Chance zugleich: Arrakis als Wüstenplanet gilt als kaum bewohnbar. Es ist heiß, trocken und die Landschaft besteht vor allem aus Felsen, Steinen, Sand und Staub. Die „zivilisierten“ Siedlungen liegen im nördlichen Bereich des Planeten, weiter südlich gilt er als lebensfeindlich, allenfalls ein paar Wüstenläufer leben dort – als Gewürzsammler. Das Gewürz, eine andere Bezeichnung für eine Droge, von Arrakis wird je nach Übersetzung als Spice, Melange oder einfach nur das Gewürz bezeichnet. Es ist altershemmend und kann das Bewusstsein stark erweitern. Spice ist nicht künstlich herstellbar und der einzige Stoff im Universum, das den Navigatoren der mächtigen Raumgilde ermöglicht, soweit in die Zukunft zu sehen, dass sie interstellare Transporter sicher navigieren können.
Die vorherigen Lehnsherren des Planeten, das Haus Harkonnen, hat den Planeten mit Gewalt, Druck und Korruption beherrscht und versucht, maximalen Profit zu erzielen. Nach der Machtübergabe stellen die Reste ihrer Strukturen eine offensichtliche Bedrohung dar. Doch nicht nur sie …

 

 

Die Protagonisten

Der Sohn des Herzogs, Paul Atreides, beobachtet diesen Umzug zunächst mit nahezu kindlicher Naivität. Durch diese Beobachtung lernt der Leser nicht nur die primäre politische Ebene kennen. Auf anderen Ebenen agieren weitere Organisationen, von profanen Kaufleuten über die Raumgilde, bis hin zu esoterisch angehauchten Orden, die unterschiedliche Aufgaben haben.

Spätestens als ihn eine Zauberin des Ordens seiner Mutter einer rituellen Prüfung unterzieht, zeigt sich, dass er ein besonderer Mensch ist.

 

Bereits kurz nach der Machtübernahme des Hauses Atreides auf Arrakis überfallen Truppen der Harkonnen und des Imperators die Hauptstadt. Der alte Herzog stirbt, Paul wird dadurch neuer Herzog – ein Herzog ohne Armee, auf der Flucht.

So gelangt er durch Hilfe zunächst unsichtbarer Kräfte zu einem Stamm der Sandläufer, die sich selbst „Die Fremen“ nennen. Die verstehen es meisterhaft, in der Wüste nicht nur zu überleben. Paul und seine Mutter, die aufgrund ihrer Ausbildung bald die Funktion einer Priesterin übernimmt, lernen die Fremen mit der Zeit kennen, auf persönlicher wie politischer Ebene. Es gibt nicht nur eine oder ein paar der Dorfgemeinschaften, sondern viele tausend besiedeln den ganzen Planeten. Sie stellen alles zum Leben notwendige her. Sie sammeln Wasser und das Gewürz. Und sie unterstehen alle einem gewissen Liet – ein Mann, den Paul bereits kennt.

Liet hat in den Fremen einen gemeinsamen Traum geweckt. Sie wollen das wenige Wasser des Planeten zum Terraforming einsetzen, Oasenlandschaften entstehen und schließlich verschmelzen lassen, um einen satten Wasserkreislauf in Gang zu setzen. Paul scheint hier in eine Schlüsselrolle hineinzuwachsen, denn irgendjemand hat auf Arrakis eine Legende gesät: Ein junger Mann wird von einer Außenwelt kommen und die Fremen in die Freiheit führen.

Politik, Ökologie und ökonomische Zwänge

Doch in der Wüste lebt Shai Hulud, der Sandwurm. Nein, kein Regenwurm, kein Minhocao, sondern eine gewaltige Kreatur, die mehr als 400 m lang werden kann. Er verteidigt sein Revier, auch gegen Menschen. Bestimmte Waffen locken ihn an, ist er einmal da, kann er verheeren. Doch die Fremen wissen ihn zu nutzen – unter anderem als Reittier.

 

 

Als er den Tod seines Vaters realisiert, beginnt Paul, die Fremen auszubilden. Sie sind zähe, Kämpfer mit viel Mut. Paul bringt ihnen Taktiken und Strategien einer Guerillaarmee bei. Nachdem die immer größeren, lokalen Nadelstiche bei den Harkonnen und dem Imperator nicht verborgen bleiben können, führt er sie schließlich in einen Krieg um den Planeten.

 

Ein Roman von ungewohnter Aktualität

„Der Wüstenplanet“ ist der erste von zunächst drei Romanen, dem Dune-Zyklus. Er erschien 1965, vor fast 60 Jahren. Ganz klar, er steht im Kontext der 1960er Jahre. Bewusstseinsverändernde Drogen, Reisen nur mit dem Geist, vereinigte Religionen, Raumfahrt, das alles liegt irgendwo zwischen Flower Power, Technikgläubigkeit und New Age.

Betrachtet man die vielen Gleichnisse und Ebenen, die zahlreiche philosophische und politisch-theoretische Inhalte verknüpfen, wird aus einer eher einfachen Story eine Verbindung aus Tech-Talk, Entwicklungsroman, Weltenbeschreibung, New Age-Elementen und Fantasy. Doch vor diesem Hintergrund bleibt die ganze Geschichte hochmodern. Nicht umsonst nutzt Frank Herbert für seine Fremen zahlreiche Elemente einer prototypischen arabisch-islamischen Bevölkerung. Doch sie sind mehr. Ein gemeinsames, langfristiges Ziel schweißt sie von innen zusammen, genauso wie die feindliche Umgebung Abweichler nicht duldet.

Das altershemmende Gewürz (Spice, Melange) ermöglicht im Roman das Hellsehen und Raumreisen. Ohne seine gewünschten und unerwünschten Auswirkungen fällt das Imperium der Padisha auseinander. Es trägt Elemente von Erdöl, aber auch von den Rauschdrogen dieser Welt in sich. Über eine Gleichsetzung des Fremen-Aufstandes mit dem Freiheitskampf in der arabischen Welt in den 1960er und 1970er Jahren sollte sich jeder Leser selbst Gedanken machen. In einigen seiner Visionen sieht Paul den Aufstand der Fremen in Form eines Dschihads durch das Universum ziehen. Ein Vergleich zum Wiedererstarken des militanten Islamismus nach 9-11, der letztlich auch zum aktuellen Terror in Israel führt, ist sicher nicht zu weit hergeholt.

 

 

Die Medien: Bücher, Filme, Miniserien und Hörbücher

Frank Herbert hatte den „Wüstenplanet“ als ersten Teil einer Trilogie geplant. Hier baut er seine Welt auf. Er stellt die Umstände, handelnden Personen und Gruppierungen dar. Obwohl dieser Roman als abgeschlossene Geschichte gilt, erweitert er sich in den folgenden Romanen „Der Herr des Wüstenplaneten“ und „Die Kinder des Wüstenplaneten“ zu einer monumentalen Erzählung. Mit dem Fortschreiten entfernt sich die Handlung auch immer weiter aus dem aus unserer Welt bekannten. Es empfiehlt sich, die Romane bald nach einander zu lesen, da man sonst den Kontakt zum Dune-Universum verliert und nur schwer wieder eintauchen kann.

 

Später schoben Frank Herbert und andere Autoren noch sechs Bücher nach, die den Zyklus erweitern. Keines dieser Bücher kann es mit der ungeheuren Kraft des ersten Romans und mit Abstrichen der ersten Trilogie aufnehmen.

 

Die Verfilmungen

Der Dune-Zyklus galt lange Zeit als nicht verfilmbar. Auf der einen Seite machte eine Zukunftswelt mit zahlreichen Science-Fiction-Elementen eine große Zahl teurer Special Effects nötig. Auf der anderen Seite wurde viel der Handlung durch eine bestimmte Geisteshaltung, Vorbereitung und die unterschiedlichen Personen getragen. Hinzu kommt eine ungeheure Vielzahl der handelnden Personen, die für einen Zuschauer schwerer zu verfolgen ist, als für einen Leser.

David Lynch, Meister des Skurrilen und der Mystik, 1984

Die erste Verfilmung von David Lynch, 1984 wurde als Erfolg gefeiert. Sie war es, die den Roman berühmt machte und eine gewisse Dune-Euphorie entfachte. Die teils dem Steampunk, teils dem Brutalismus entliehene Ästhetik, die guten Schauspieler, die ihre Figuren auf skurrile Weise darstellten hätten einen herausragenden Film entstehen lassen können. Dennoch litt sie unter zahlreichen Schwächen. Wären die Special-Effects auf dem Niveau vom sechs Jahre älteren Star Wars gewesen, hätte sich Lynch in der Story noch näher mit der Mystik der Romanvorlage befasst – Der Film hätte die Chance gehabt, Star Wars als meistgesehenes SciFi-Universum zu verdrängen.
Die lange Geschichte –  die Hörbuchform hat 24 h Laufzeit – musste auf 2 h gekürzt werden, was leider dazu führte, dass viel vom „Fleisch“ der Erzählung entfernt werden musste.

Dazu kam ein seltsamer Ansatz Lynchs: Viele Hauptfiguren entsprachen in Auftreten und Aussehen nicht der Romanvorlage. Dies mag durch die herausragenden Schauspieler begründet sein, von David Steward bis Kyle McLachlan, Sting, Jürgen Prochnow, Sean Young, Max von Sydow. Doch andere Elemente entstammen der Feder von Lynch, sie tragen sehr zur Skurrilität der Personen bei. Sie wirken rund, jedoch oft völlig anders, als im Roman.


„Spice, pures unbehandeltes Spice“

Paul Atreides in der David Lynch-Verfilmung


Eine Fernseh-Miniserie, 2000

Die zweite Verfilmung, eine Fernseh-Miniserie aus dem Jahr 2000 geht die Sache anders an. Hier hat der Regisseur mehr Zeit, die Story zu greifen und darzustellen. Die Figuren sind deutlich näher an der Romanvorlage, jedoch sind die Schauspieler nahezu durchgehend eine bis zwei Klassen schlechter als bei David Lynch.
Die Ästhetik zeigt nicht mehr die Steampunk-Elemente Lynchs, sondern schreibt eher dessen Brutalismus nach, was zumindest in der ersten Folge recht eindrucksvoll wirkt. Leider sind die Special Effekts nun als billige und offensichtliche cgi ausgeführt, in der 2. und weiteren Folgen scheint auch das Budget nicht mehr für Aufnahmen außerhalb des Studios und gemalten Kulissen gereicht zu haben.

Die Erzählung ist, wie auch die Figuren, enger am Roman orientiert. Viel der Handlung wird durch Dialoge getragen, teils entwickelt sich hier sogar unfreiwillige Komik. Die zahlreichen, auch kleineren Rollen sind oft ohne Charisma, so dass es schnell auch zu Verwechslungen kommen kann. Die Spannung bleibt oft außen vor, so dass die Fans zu Recht enttäuscht waren. Einzig Uwe Ochsenknecht als Fremenführer Stilgar ist ein echter Lichtblick.


Die Menschen, die ein Ding zerstören können, kontrollieren es!

Paul Atreides im Roman


2021: Ein erneuter Kinofilm

Eine weitere Verfilmung aus dem Jahr 2021 wurde von der Hoch-Kritik hoch gelobt, kam jedoch unter die Räder der Corona-Epidemie. Ein zweiter Teil, Dune 2 soll im März 2024 in die Kinos kommen, der Regisseur plant auch einen dritten Teil.

Die Zeitschriften-Kritik ist erfrischend divers. Zahlreiche Kritiker werfen ihren Blick nicht nur auf die Art der Verfilmung, die Qualität von Drehbuch, Schauspielern, Dialogen und Special Effects. Sie betrachten auch die Interpretation der Romanvorlage einschließlich ihrer Schwächen und folgen den Gleichnissen Herberts, von der Sicht der Kolonialherrschaft bis zur aufoktroyierten Ideologie …

Ich habe diese Verfilmung nicht gesehen, kann mir daher kein eigenes Urteil erlauben.

 

Das Hörbuch

Mir liegt eine Hörbuchfassung von Lübbe Audio, 2008. vor. Sie besteht aus zwei Boxen mit je 12 CDs und ca. 24 Stunden Gesamtspielzeit. Inhaltlich ist sie extrem dicht am Roman, auch die Sprecher, Marianne Rosenberg, Jürgen Prochnow und Simon Jäger sind herausragend.
Leider ist diese Version vergriffen und nur noch gebraucht erhältlich. Der hohe Preis, jede Box ist erst für über 40 € erhältlich, ist gerechtfertigt.


Ich darf mich nicht fürchten. Die Furcht tötet das Bewusstsein. Die Furcht führt zu völliger Zerstörung. Ich werde ihr ins Gesicht sehen. Sie soll mich völlig durchdringen. Wenn sie weg ist, wird nichts sein – nichts außer mir.

Furcht-Litanei der Bene Gesereth


Die Bücher als deutsche Übersetzung

Es gibt mehrere Übersetzungen der englischsprachigen Originale Frank Herberts. Die Unterschiede der Übersetzungen findet man vor allem in der Art, wie sich die handelnden Personen ausdrücken, aber auch in der Übersetzung einzelner Begriffe wieder. So wird die altershemmende Substanz, die auf Arrakis abgebaut wird, je nach Übersetzung als Gewürz, Gewürz-Melange, Melange (als Eigenname) oder wie in David Lynchs Film als Spice (ebenfalls wie ein Eigenname verwendet) bezeichnet.
Die meisten Leser werden zunächst mit Lynchs Film in Kontakt gekommen sein. Hier ist die Verwendung der Übersetzung „Spice“ elementar, der Begriff trägt einen großen Teil der Mystik. Wird er nun in einer älteren Übersetzung als „Gewürz“ übertragen, irritiert das nicht nur. Der eher profane Begriff nimmt viel von der Mystik.



Dennoch lassen sich alle Übersetzungen, die mir in die Hände gekommen sind, gut lesen. Mein Favorit ist bisher die Übersetzung von Robert Hahn, die 2001 bei Heyne erschienen ist. 2016 ist ebenfalls bei Heyne eine weitere Version entstanden, Jakob Schmidt hat Herberts Text neu übersetzt. Die Leseprobe bei Amazon wirkt poetischer, aber auch moderner als die Übersetzung Hahns, jedoch ist die Sprache an einigen Stellen nicht ganz glatt.

 

Die Medien

 

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Die Übersetzung von 2016

Die neuste Übersetzung vom „Wüstenplanet“ ist 2016 bei Heyne erschienen, Jakob Schmidt ist der Übersetzer. In der Print-Ausgabe hat das Werk 800 Seiten, es ist auch als Audio CD, als Download und für den e-book-Reader erhältlich.

Die Übersetzung von 2001

Die von mir bevorzugte Übersetzung stammt aus der Feder von Ronald M. Hahn und ist 2001 bei Heyne erschienen. Sie wirkt profaner, aber auch sprachlich runder, als die aktuelle Übersetzung.
Auch sie ist als Taschenbuch mit satten 890 Seiten und für den e-book-Reader erhältlich.

 

Der Film von David Lynch, 1984

David Lynchs Film von 1984 ist ein Meilenstein in der SciFi-Verfilmung, nicht wegen der Special Effects, die eher vom alten Schlag sind. Die Ästhetik zwischen Brutalismus und Steam-Punk sowie die zahlreichen, herausragenden Schauspieler (u.a. Max von Sydow, Jürgen Prochnow, Sting, Patrick Steward und natürlich Kyle McLachlan) geben dem Film eine ganz eigene Aura.

Derzeit ist „Dune“ auf DVD und Blu-Ray erhältlich.

 

Die TV-Miniserie

Die TV-Miniserie von 2000 kommt in der Extended-Version in einer Box mit 3 DVDs. Natürlich in Pal, Breitbild und zweisprachig Deutsch / Englisch in Dolby 5.1. Neben den TV-Sendungen haben die Produzenten üppige 180 Minuten Extras zugefügt, so dass eine Laufzeit von über viereinhalb Stunden entsteht.

 

Dune: Der Wüstenplanet – der komplette TV-Mehrteiler ist auf DVD und Blue Ray erhältlich.

 

Das Hörbuch

Hier wird eine neue Bearbeitung von 2020 vorgeschlagen, da die Preise für die oben vorgestellte Version durch die Decke gehen. Diese Version ist bei Random House Audio erschienen und hat eine Dauer von 24 h und 44 Minuten. Sprecher sind Mark Bremer und Uta Dänekamp, sie sprechen die Übersetzung von Jakob Schmitt.

 

Das Hörbuch ist als Audio CD und im Download erhältlich.

 

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Wer war Paul Kammerer?

Paul Kammerer
Paul Kammerer

Als Paul Kammerer am 17. August 1880 in Wien geboren wurde, konnte natürlich noch niemand ahnen, welchen Weg er im Leben einschlagen und wo es ihn hinführen sollte. Als viertes Kind des Fabrikbesitzers Carl Kammerer konnte er auf ein angenehmes Leben in großbürgerlichem Wohlstand hoffen. Der erste Sohn wurde traditionell als Erbe der Fabrik eingesetzt und ausgebildet. Auch der zweite Sohn bekam in der Regel eine kaufmännische Ausbildung. Er war quasi die „Reserve“, falls der ältere versterben oder sich als untauglich herausstellen sollte.

 

Jüngere Kinder bekamen in der Regel eine gute, aber nicht auf die Fabrikleitung ausgerichtete Ausbildung. So schickten seine Eltern den jungen Paul auf das Franz-Josephs Gymnasium in Wien, das heute als eine der fortschrittlichsten Schulen seiner Zeit gilt. Ungenannte Quellen sagen ihm großes Talent im Umgang mit Tieren, insbesondere Amphibien nach. Schon als Kind verwandelte er die elterliche Villa in ein Terrarium. Als achtjährigem gelang es ihm bereits die Zucht von Amphibien im Terrarium.

 

Dieses Talent sollte ihn in Zukunft noch weit führen, möglicherweise zu weit.

Ein Studium der Zoologie und Musik

So konnte Paul ab 1899 an der Universität in Wien Biologie studieren. Doch dies reichte dem talentierten jungen Mann nicht. Bereits im Jahr 1900 nahm er am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Unterricht beim renommierten Musikpädagogen Robert Fuchs. Er war als Lehrer von Gustav Mahler und Alexander Zemlinsky bekannt.

Ein einschneidender Schub für seine Karriere waren seine ersten Veröffentlichungen. Sie trafen genau das, was Privat-Assistent Hans Leo Przibram vom Vivarium im Wiener Prater suchte:

 

 

 

„Wir suchten bei der Errichtung der biologischen Versuchsanstalt nach einem Mitarbeiter, der die Terrarien und Aquarien anlegen und dem Kleingetier die Anstalt wohnlich machen sollte. Durch einen Zeitungsartikel Kammerers über seine Tierpflege auf ihn aufmerksam gemacht, suchte ich ihn auf und fand einen begeisterten und geschickten Mitarbeiter. In ihm steckte eine Anlage zur musikalischen Betätigung und ein Großteil Künstlernatur ebenso wie die Fähigkeit zur genauesten Naturbeobachtung und insbesondere eine Liebe zu allen lebendigen Geschöpfen, die ich sonst noch an keinem anderen gesehen habe. Hier lag der Angelpunkt seines ganzen Wesens.

 

Er richtete namentlich die für biologische Versuche so wichtige Pflege der Amphibien und Reptilien vorbildlich ein. Ich habe kaum jemanden gekannt, der dafür alle Voraussetzungen so erfüllt hätte wie er. Dies war allerdings nicht unbedingt ein Vorteil, denn der Hauptwert der experimentellen Methode besteht gerade darin, daß unter gleichen Versuchsbedingungen immer wieder dieselben Resultate erzielt und bei Nachprüfung bestätigt werden können. Gelingt es dem Nachuntersucher nicht, die Tiere ebensolange oder ebenso viele Generationen hindurch am Leben zu erhalten wie dem ersten Beobachter, wie soll dann eine Nachprüfung zu einer Bestätigung und dadurch Sicherheit der Befunde führen?“

 

 

Kammerers Mythos

Und hier begann bereits die Tragik Kammerers Talent. Er konnte seine Pflegeanleitungen noch so detailliert verfassen, sie waren außerhalb seines Einflussbereiches nicht immer nachvollziehbar. Viel davon mag im besonderen Fingerspitzengefühl Kammerers gelegen haben, was ihm bei Berufskollegen bald einen legendären, etwas mythischen Ruf erschuf.

 

Vivarium im Prater
Das Vivarium im Prater, ca. 1880. Foto: M. Frankenstein

 

So wurde Paul Kammerer bereits 1904 promoviert. Bis 1908 konnte er etwa 130 Artikel veröffentlichen. 1906 heiratete die Baronesse Felicitas Maria Theodora von Wiedersperg. Bereits im folgenden Jahr kam eine Tochter auf die Welt. Paul setzte sich durch, so dass sie auf den Namen Lacerta (= Eidechse) getauft wurde.

 

Das Vermögen seiner Familie und der seiner Frau ermöglichten ihm mehrere Foto- und Sammelreisen, von denen aber wenig überliefert ist. 1910 schließlich habilitierte er sich an der Universität Wien. Durch seine sehr erfolgreich durchgeführten Experimente wurde Kammerer bald sehr bekannt.

 

Erfolgreiche Experimente, Anfeindungen und ein fataler Fehlschluss

Eines seiner bekanntesten frühen Experimente betraf Feuer- und Alpensalamander. Er zwang die Tiere, im Lebensraum der jeweils anderen Art zu brüten. Dabei entdeckte er beim Nachwuchs der Feuersalamander Eigenschaften des Alpensalamanders und anders herum. Die erste wissenschaftliche Sensation war perfekt. Kammerer war scheinbar der Nachweis gelungen, dass Lebewesen bestimmte Eigenschaften neu erwerben können, um besser mit veränderten Lebensumständen zurecht zu kommen. Diese Eigenschaften würden auch auf die Nachkommen übertragen, schloss Kammerer.

 

Feuersalamander
Eine seiner Aufsehen erregenden Arbeiten gelang Kammerer mit Feuer- und Alpensalamandern

 

Diese Schlussfolgerung kommt der Lamarck’schen Evolutionsvorstellung sehr entgegen, die damals noch als mögliche Alternative zur zufallsbestimmten Darwin’schen Anschauung galt. Doch insbesondere Vertreter des Sozialdarwinismus und der Eugenetik wie der Rassenhygieniker Fritz Leng und der Eugenetiker Ludwig Plate begannen, sich kritisch bis polemisch mit Kammerers Forschung auseinander zu setzen. Zudem wurde er auch von Institutskollegen als „Halbjude“ angegriffen.

 

Vermutlich auch wegen dieser Angriffe wurde Kammerer ein glühender Verfechter des Lamarckismus. Diese Lehre wollte er zunächst in der Biologie belegen, um schließlich einen wissenschaftlichen Gegenpol zur Eugenetik und Rassenlehre der politischen Rechten bilden zu können.

Die rassistische Ideologe behauptete, Abstammung sei Schicksal. Kammerer setzte ihnen, auch aufgrund seiner Experimente entgegen: „Wir sind nicht Sklaven der Vergangenheit, sondern Werkmeister der Zukunft.“

 

Diese Idee übertrug Kammerer auch auf den Menschen.  In einem Vortrag sagte er: „Indem man Kinder gut erzieht, schenken wir ihnen mehr als kurzen Gewinn ihres eigenen Lebens; ein Extrakt davon geht dorthin, wo der Mensch wahrhaft unsterblich ist – in jene wunderbare Substanz, aus der in ununterbrochener Folge die Enkel und Urenkel entstehen.“

Seine Kritik an der Eugenik verschaffte ihm Spott im damals ideologisch stark aufgeladenen biowissenschaftlichen Diskurs. Kammerer geriet zwischen die Fronten eines mit großer Härte ausgetragenen Expertenstreites.

 

Grottenolm
Portrait eines Grottenolms (Foto: Arne Hodalic, CC 1.2+)

Doch zunächst gelang ihm ein weiteres Aufsehen erregendes Experiment. Er konnte Grottenolme im Labor vermehren, was auch heute noch eine bemerkenswerte Leistung darstellen würde. Dabei zeigte er, dass junge Grottenolme, die er am Tageslicht pflegte, zwar Pigmentflecken auf der Haut, aber keine funktionierenden Augen ausbilden. Jungtiere, die er unter Rotlicht hielt, entwickelten hingegen große, funktionelle Augen und konnten sehen.

 

Die beste Gesellschaft Wiens

Als bekannter Wissenschaftler, Fabrikantensohn und Ehemann einer Baronesse gehörte Paul Kammerer bald auch zur Wiener Gesellschaft. Sein Netzwerk schloss bekannte Namen wie den Dirigenten Bruno Walter, den Soziologen Rudolf Goldscheid und den Physiker Albert Einstein ein. Kammerer pflegte Affären mit bekannten Damen wie der Musikerin und Szenefrau Alma Mahler, der Tänzerin Grete Wiesenthal und der Malerin Anna Watt. Außerdem war er der Freimaurerei zugetan.

Vom Biologen Richard Goldschmidt ist folgende Schilderung über Kammerer überliefert:

 

 

„Er hatte eine glänzende, wenn auch etwas theatralische Vortragsweise. Außerdem war er gut gewachsen und elegant gekleidet, er wirkte daher mit seiner dunklen Künstlermähne und seinen feinen Gesichtszügen recht imponierend. (…)

Er war ein äußerst sensibler, dekadenter, aber hochbegabter Mann, der sich des Nachts nach einem langen Tag im Laboratorium hinsetzte und Symphonien komponierte. Eigentlich war er von Haus aus gar kein Wissenschaftler, sondern was die Deutschen einen ,Aquarianer‘ nennen, ein ‚Amateur‘ (sic!), der Kleintiere züchtet. Darin besaß er denn auch außerordentliches Geschick, und ich halte die Ergebnisse, die er über den direkten Einfluß der Umwelt vorgelegt hat, im großen und ganzen für richtig.“

 

 

Alma Mahler
Alma Mahler, im Alter von etwa 20 Jahren.

1911 wurde Alma Mahler, Witwe von Gustav Mahler und Geliebte Kammerers zu seiner Assistentin. Passend zu ihrem Ruf als Femme fatale setzte er sie bei Versuchen mit Gottesanbeterinnen ein. Ob Kammerer sich dieser Ironie bewusst war, wird sich wohl nie klären lassen.
Sie jedenfalls schrieb zu einem seiner Versuche:

 

 

„Nun übergab er mir einen mnemotechnischen Versuch mit Gottesanbeterinnen zu bearbeiten. Er wollte es herausbringen, ob diese Tiere durch die Häutung ihr Gedächtnis verlieren oder ob dieser Akt nur eine oberflächliche Hautreaktion ist. Zu diesem Behuf sollte ich ihnen eine Gewohnheit beibringen. Es misslang insofern, als diesen Viechern nichts recht beizubringen war. Ich musste sie unten im Käfig füttern, da sie a priori immer in der Höhe und im Licht fressen. Der Käfig war unten verdunkelt. Sie waren nicht dazu zu bringen, ihre schöne Gewohnheit, Kammerer zu Liebe, aufzugeben.“

 

 

Erste Zweifel an Kammerers Objektivität kamen Alma Mahler jedoch relativ früh:

 

 

„Er wünschte die Ergebnisse seiner Forschungen so glühend herbei, dass er unbewusst von der Wahrheit abweichen konnte.“

 

 

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Die folgenden Ereignisse um Geburtshelferkröten, die aufstrebende Rechte und politisch gewordene Biologie verlaufen für Kammerer, der währenddessen als einer der größten Biologen nach Charles Darwin gefeiert wird, fatal:

 

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Der Fall Paul Kammerer

1926 erklimmt Paul Kammerer einen Hügel im Schneebergmassiv. Dann setzt er sich einen Revolver an die Schläfe und seinem Leben ein Ende.

Kurz zuvor ist Kammerer, den man als größten Biologen seit Darwin feierte, die Fälschung von Experimenten vorgeworfen worden. Der Fall erregt weltweit Aufsehen und ist bis heute ungeklärt.

Klaus Taschwer rollt das Leben des „Krötenküssers“ neu auf. Des Vaters der Epigenetik, der sich nicht nur in der Biologie, sondern auch als Komponist und Liebhaber von Alma Mahler einen Namen machte – und er liefert die erste heiße Spur im „Cold Case Kammerer“, die zu einer antisemitischen Verschwörung führt. Ein wahrer Krimi, der das kreative Milieu Wiens um 1900 zu neuem Leben erweckt.

Der Autor rollt nicht nur den historischen Fall neu auf. Taschwer findet auch neue Erkenntnisse zu den Versuchsergebnissen Kammerers und bringt neue Fakten in die Debatte um eine bewusste Fälschung seiner Versuche. Dabei liest sich das Ganze geschmeidig und flüssig, absolut nicht trocken, wie man es bei der Auswertung biologischer Versuche erwarten würde.

 

Der Fall Paul Kammerer ist ein Tatsachenthriller, 2016 bei Carl Hanser in deutscher Sprache erschienen und hat als gebundenes Buch 352 Seiten. Es ist heute nur noch antiquarisch oder für den Kindle erhältlich. Für gute Exemplare zahlt man 25 bis 30 €.

 

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Der Krötenküsser

Dem Wiener Biologen Paul Kammerer (1880 1926) brachten seine Experimente mit blinden Grottenolmen und Geburtshelferkröten in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts beträchtlichen Ruhm ein. Sein anfänglicher Erfolg wurde allerdings bald zum wissenschaftlichen Skandal. 1971, lang nach dem Tod des „Krötenküssers“, recherchierte Arthur Koestler den Fall Kammerer neu. In der Bibliothek der Erinnerung wird der seit über 30 Jahren vergriffene Titel erstmals wieder aufgelegt.

 

Der Krötenküsser“ von 2010 ist die Neuauflage eines Werkes von 1971. Es ist in deutscher Sprache erschienen und hat als gebundenes Buch 300 Seiten.

 

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