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Elefantenfriedhöfe

Wer in den 1960er Jahren seine Kindheit und frühe Jugend verbrachte, der weiß von zahlreichen Tarzan-Spielfilmen und Serienfolgen, dass sich im afrikanischen Dschungel Elefantenfriedhöfe befinden, die von wilden Stämmen beschützt werden, obwohl der große weiße Jäger das Elfenbein viel besser gebrauchen kann. Das war der übliche rassistische Unsinn dieser Zeit – und von Elefantenfriedhöfen ist heute ebenfalls keine Rede mehr. Das war zu Anfang des letzten Jahrhunderts noch anders – ich führe hier unkommentiert vier Meldungen über solche angeblichen Entdeckungen auf. Achtung: Die Texte sind nichts für Tierfreunde und schon gar nicht politisch korrekt – Rassismus tobte sich noch lange nach dem Dritten Reich sehr unangenehm in deutschen Zeitungen aus.

 

Afrikanische Elefanten
Afrikanische Steppenelefanten, (Beispielbild)

 

Hans Schomburgks Bericht

So schrieb die „Schwerter Zeitung“ am 22. März 1926 auf Seite 6:

 

Elefanten-Friedhöfe

Hans Schomburgk schreibt in der B. Z. [Berliner Zeitung]:

 

Zwanzig Jahre habe ich Afrika bereist, zweimal den Erdteil durchquert, fünf Jahre sozusagen auf den Fährten der Elefanten verlebt. Bin ihnen gefolgt in ihre Zufluchtsorte, die vorher noch keines Europäers Fuß betrat. Tausende von Elefanten habe ich gesehen, habe sie tage- und wochenlang beobachtet, habe abends am Feuer gesessen mit alten Elefantenjägern aller Stämme, darunter vielen, deren Sprache ich kannte, mit denen ich mich unterhalten konnte über alte Zeiten. Immer wieder tauchte auch in diesen Gesprächen beim flackernden Scheinen des Lagerfeuers die Sage auf vom Elefantenfriedhof.

 

 

Lange Jahre war ich skeptisch, bis dann eines Tages der Zufall es wollte, daß mich nicht ein Mensch, sondern ein Elefant überzeugte, daß es wirklich Elefantenfriedhöfe gibt. Man darf sich natürlich unter diesem Elefantenfriedhof nicht einen großen Platz in Afrika vorstellen, wo alle Elefanten hinkommen zum Sterben. Nein, jeder Bezirk hat sozusagen seinen eigenen Friedhof. Es gibt auch in Europa eine bekannte Tatsache, daß ein totkrankes Tier sich zum Wasser verzieht. Kranke Tiere, wie kranke Menschen, sind naturgemäß immer durstig. Und so geht es auch dem mächtigen Riesen der Vorzeit, dem Elefanten, der, wenn er krank ist, vielleicht sogar in seinem Unterbewußtsein sein Ende herannahen fühlt, sich zurückzieht von der Herde, wegwandert aus der freien Steppe oder aus seinem Urwald, hinein in einen See oder Sumpf. Dort bleibt er stehen. Hier hat er ständig Wasser, hier steht er ungestört, und dort ereilt ihn auch der Tod. Wenn dann dieser mächtige Koloß hinsinkt, dann fallen die Krokodile über den Leichnam her, zerreißen ihn. Der Fluß spült die Knochen weg. die schweren Zähne lösen sich im Schädel, sinken auf den Boden und sind hier in kurzer Zeit vom Flußsand begraben oder vom Sumpf verschlungen. Nie wird ein Elefant im Urwald oder auf freier Steppe verenden. Dort würden unbedingt seine Gebeine gefunden.

 

Elefantenfriedhöfe?
Stinkende Elefantenkadaver, Aasgeier, Hyänen und jede Menge anderer Aasfresser, stellten sich die „großen weißen Jäger“ so die Elefantenfriedhöfe vor?

 

Aasgeier würden sich ansammeln. Hyänen und anderes Raubgesindel finden sich am Kadaver ein, die – wie ich selbst häufig beobachten konnte, – direkte Wechsel dorthin austreten, und diesen Leichengräbern der Natur würde der Eingeborene folgen und den toten Riesen finden. Manchmal kommt es natürlich vor, daß man auf der Jagd auch tote Elefanten findet, und manche Zähne habe ich auf diese leichte Weise erbeutet. Aber hier handelt es sich immer um angeschweißte Tiere, die auf dem Wege zu ihrem Sterbeplatze verendet sind. Ich habe Elfenbein gefunden, das schon Jahre im Walde gelegen hatte, über die schon die Grasfeuer verschiedene Jahre hinweggefegt waren. Es war außen brüchig und gesprungen, aber der innre Teil war immer noch zu verwerten. Elfenbein zersetzt nicht so leicht. Die äußere Masse, die sich bildet, schützt den Kern. Nie wird ein gesunder Elefant sich in einen Sumpf begeben, in dem er versinkt. Jeder Fachmann weiß, wie sorgfältig der Elefant mit dem Rüssel jeden Schritt Weges prüft, bevor er den Fuß setzt, weiß, wie schwer es fällt, einen Elefanten in einer Fallgrube zu fangen. Natürlich wäre es möglich, Elefanten durch Feuer und Schüsse, getrieben von Tausenden von Menschen, in einen Sumpf zu treiben. Aber das könnte man doch nie als Elefantengrab ansprechen, denn die Jäger würden sich dort der im Sumpf stecken gebliebenen Tiere bemächtigen. Wenn sich Elefanten in erstorbene Krater zurückziehen, so tun sie es nur, weil sie dort Ruhe haben und vom Menschen wenig belästigt werden. Aber in all diese Krater führen Wildwechsel hinein, die es dem Elefanten und auch anderem Wilde immer ermöglichen, mit Leichtigkeit das Versteck zu verlassen, sobald sich Jäger nähern. Daß man nie einen eines natürlichen Todes gestorbene Elefanten findet, liegt daran, daß sie sich zum Wasser zurückziehen. Nur dem Zufall habe ich es zu verdanken, daß ich eines Tages in Ostafrika einen solchen Platz fand.

Es war im Juni 1908. Ich lagerte bei einem Dorfe an einer großen Steppe, durch die der Ruaha-Fluß führt. Hier sammeln sich in einem bestimmten Monat sämtliche Elefanten des ganzen Bezirks. Ich war krank, konnte nicht auf Jagd gehen. Da wurde mir gemeldet, daß sich ein einziger Bulle auf den Teil der Steppe eingestellt hatte, der selbst in der Trockenzeit ständig ungefähr 1½ Meter, an vielen Stellen auch weit mehr, unter Wasser steht. Diesen Bullen habe ich fünf Tage lang beobachtet, in dieser ganzen Zeit hat er sich auch keinen Meter von dem Platz gerührt, wo er sich an dem ersten Tage eingestellt hatte. Da erzählten mir die Jäger, daß er dorthin gekommen sei, zu sterben. Nachdem ich vom Fieber genesen, zog ich aus, und es gelang mir, mich mühselig an den Elefanten heranzupürschen. Vom Fieber geschwächt, durch den Sumpf zu waten, in dem ich stellenweise bis zur Brust versank, mich durchzuarbeiten durch Gras-Tunnel, die von Flußpferden ausgetreten waren, und die von tausenden und abertausenden Moskitos belebt wurden, war kein Vergnügen. Näher und näher kam ich an den Riesen heran. Tiefer wurde das Wasser. Fast zur Raserei trieben mich die Moskitos, und doch durfte ich noch nicht einmal mit der Hand danach schlagen; denn schon waren wir auf 30 Schritt an den noch immer unbeweglich dastehenden Elefanten herangekommen.

 

Ein einzelner Elefant

 

Als wir aus dem Tunnel herauskamen, stand er vor uns, vollständig frei, beinahe bis an den Leib im Wasser, unbeweglich; kaum ein Zeichen, daß überhaupt noch Leben in ihm war. Nur hier und da schlagen die Ohren, bewegt sich ganz langsam der Rüssel. Ich war so schwach, daß ich kaum die schwere Doppelbüchse halten konnte. Und doch wußte ich. daß der erste Schuß tödlich sein mußte, denn an Flucht oder Ausweichen war im zähen Morast und im verwachsenen Gras nicht zu denken. Langsam hob ich die schwere Büchse, zielte, setzte wieder ab. zielte wieder, bis ich den tödlichen Fleck gefunden – 2 Zentimeter hinter dem Ohrloch. Und als der Schuß über die weite Ebene donnerte, brach der Riese im Feuer zusammen. Das Kleingehirn war getroffen. Noch einige Zuckungen, ein tiefer, schwerer Seufzer, der jedem Jäger ins Herz schneidet, und das mächtige Tier war verendet.

 

Als wir den Elefanten untersuchten, stellte sich heraus, daß er von Eingeborenen angeschossen war und sich schwerkrank in seinen Zufluchtsort gerettet hatte, um dort zu sterben oder zu genesen. Der gefallene Elefant lag fast vollständig vom Wasser verdeckt. Wir mußten die Zähne unter Wasser herausschlagen, eine Arbeit, die viele Stunden in Anspruch nahm. Wäre er unbemerkt verendet, so hätte niemand etwas von seinem Tode gewußt. Denn schon in derselben Nacht wären die Krokodile gekommen, hätten den Elefanten aufgerissen, und in wenigen Tagen wären nur noch die Knochen übrig geblieben, die dann im Sumpf versinken.

 

 

Der zweite Elefantenfriedhof, den ich kenne, befindet sich auf der Wasserscheide des Kongo und Zambesi, im Walunda-Lande. In einem großen, von den Eingeborenen „Squeaker“ genannten Dschungeln liegen zwei Seen, die ich entdeckte, Shikanda und Sengwe genannt. von unergründlicher Tiefe. Auch hier sollen sich nach Aussagen der Eingeborenen Elefanten zum Sterben zurückziehen, die sich in den See einstellen und im Wasser dann versinken. Und so gibt es in jedem Elefanten-Revier einen Sumpf oder See oder verborgenen Platz im großen Fluß, wo die kranken Tiere sich hinziehen zum Sterben. Es gibt also nicht einen Elefantenfriedhof, sondern Elefantenfriedhöfe in Afrika.

 

 

Schomburgks Bericht war äußerst populär, ich habe unter anderem ein Jahrzehnt lang Nachdrucke gefunden, etwa in den „Westfälischen neuesten Nachrichten“ vom 8. November 1930, in der „Haaner Zeitung“ vom 12. März 1934, und noch in dem „Niederrheinischen Tageblatt“ vom 14. März 1934

 

Elefantenherde
Elefantenherde in Amboseli, Kenia

 

Der gesamtafrikanische Elefantenfriedhof

 

Einen weiteren Friedhof meldet die „Bruchsaler Post“ vom 19.12.1950:

 

 

Das „Tal des Elfenbeins“

Geheimnisvolles Dunkel um den „Elefantenfriedhof“ im ostafrikanischen Urwald

Mit den heutigen großen Investitionen in Afrika und den damit verbundenen weitgreifenden Erschließungsplänen wird wieder die Frage nach dem „Tal des Elfenbeins“ diskutiert, jenem geheimnisvollen, legendenumwobenen Gebiet, wo sich nach bisher allerdings unbestätigten Erzählungen der Schwarzen ein riesiger „Elefantenfriedhof“ befinden soll, zu dem sich diese Tiere zurückziehen, wenn sie ihr Ende herannahen fühlen. Über diesen „Elefantenfriedhof“, der sich irgendwo im ostafrikanischen Wildparadies, entweder in Uganda oder in Kenya befinden soll, wird schon seit mehr als achtzig Jahren gesprochen, seit Livingstone und Stanley als erste Weiße den dunklen Erdteil von Ost nach West durchquerten, doch gefunden hat ihn bisher noch keiner der vielen Forscher, die seitdem Afrika bereisten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die schwarzen Händler über das „Tal des Elfenbeins“ absichtlich einen Schleier breiten, um zu verhindern, daß es von den Weißen entdeckt und damit ihre Erwerbsquelle zerstört wird.

Das große Rätsel

Vor einigen Jahren erschien in einem deutschen Verlag ein Buch, dessen interessanter und spannender Inhalt sich mit dem „Tal des Elfenbeins“ befaßte. Der Autor, der mit seiner Erzählung den Berichten der Eingeborenen folgte, stellte in den Mittelpunkt der Handlung eine Forscherin, die es unternimmt, im innerafrikanischen Urwald nach dem sagenhaften „Elefantenfriedhof“ zu suchen. Nach unsäglichen Strapazen findet sie ihn auch, doch kehrt sie, überwältigt von dem phantastischen Anblick der sterbenden Riesen und der gewaltigen, hier angehäuften Elfenbeinmenge, nicht mehr in die Zivilisation zurück, sondern nimmt ihr Geheimnis mit ins Grab. Diese aus Tatsachen und Phantasie gemischte Darstellung und andere mehr oder minder glaubhafte Berichte von Eingeborenen und Großwildjägern haben viele Expeditionen auf die Beine gebracht, die jedoch alle erfolglos zurückkehren mußten. Über Hunderte von Kilometern wurden die Spuren der ostwärts wandernden Dickhäuter durch Urwald und über Savannen verfolgt, aber dann waren sie plötzlich verschwunden.

Wo sterben diese Tiere?

Obwohl seit dem Eindringen der Weißen in Afrika viele Jahrzehnte verflossen sind und seither die-Zivilisation riesige Landstriche der afrikanischen Wildnis entriß, kann sich bis heute kein Weißer rühmen, jemals auch nur einen Elefantenkadaver gesehen zu haben. Ja, selbst die Eingeborenen wollen davon nichts wissen. Darf man ihnen glauben? Vielleicht stimmt es, was einmal ein britischer Forscher schrieb, nämlich, daß die Eingeborenen Afrikas die Elefanten als Bundesgenossen in ihrem Kampf gegen die weißen Eindringlinge betrachten und ihnen niemals die reiche Schatzkammer zeigen werden, die das kostbare Elfenbein birgt. Wie dem auch sein mag, die schwarzen Händler werden ihre Quellen freiwillig niemals verraten. Man schätzt die Zahl der heute in Afrika lebenden Elefanten auf rund 200 000. Davon soll es in Uganda allein 20 000 geben. Experten haben berechnet, daß bei einem Durchschnittsalter von hundert Jahren – so alt werden die in der Wildnis lebenden Elefanten [heute geht man von 50 Jahren aus] – jährlich etwa 2000 Dickhäuter sterben müssen. Wo aber blieb diese beachtliche Zahl der dem Tode geweihten Rüsseltiere? Wer diese Frage beantworten kann, ist auf dem Wege ein reicher Mann zu werden, denn gewaltige Mengen von den Stoßzähnen der Elefanten gelieferten Elfenbeins müssen irgendwo in den weiten, den weißen Spähern noch unbekannten Gebieten der afrikanischen Wildnis lagern.

 

Kadaver eines Elefanten, sind das die Elefantenfriedhöfe?
Kadaver eines Elefanten, sehen so die legendären Elefantenfriedhöfe aus?

 

Jagd nach Reichtum

Afrikanische Großwildjäger erklären, daß angeschossene oder erkrankte Elefanten immer bestrebt seien, tiefes Wasser zu erreichen, und knüpfen daran die Vermutung, daß sich die Elefanten, wenn sie ihr Ende nahen fühlen, in den an den Ufern von dichtem Strauchwerk und Gestrüpp bewachsenen Flüssen oder Seen Ostafrikas selbst ertränken. Diese Ansicht wird auch von dem britischen Afrikaforscher Professor Riddley von der Universität Oxford vertretet, der nachgewiesen hat, daß auch Mammuts, die Vorgänger der Elefanten, auf diese Weise den Tod suchten. Da jedoch nüchtern denkende Geschäftsleute – und diese haben seit Kriegsende in vermehrtem Maße in Afrika Einzug gehalten – von Vermutungen nicht viel halten, sondern die im Urwald schlummernden Reichtümer finden wollen, wird die Jagd nach dem Elfenbein fortgesetzt Man will mit Hilfe der Eingeborenen noch einmal genau den Spuren der alten Elefanten folgen und, koste es was es wolle, den gewaltigen „Elefantenfriedhof“ Innerafrikas finden, wo die massigen Rüsseltiere ihr Grab gefunden haben und wo das Elfenbein ruht. F.M.

 

Afrikanische Elefanten

„Besuch auf einem Elefantenfriedhof“

So lautet die Überschrift eines langen Beitrags in der „Neuen Mannheimer Zeitung“ vom 7. August 1937 auf der Seite 5:

Geburt und Tod der Urwaldriesen – Stirbt der Elefant aus?

Wenn sich zwei Großwildjäger in Afrika treffen, so fangen sie bald an, darüber zu streiten, ob und wo es„ Elefantenfriedhöfe“ gibt. Es ist eine alte Erfahrung, daß man nie tote Elefanten findet, die durch Krankheit, Alter oder aus anderen natürlichen Gründen verendet sind. Ein Elefant, der durch Pfeil oder Kugel schwer angeschossen ist, geht dem Jäger gleichfalls verloren, wenn er sich noch eine Zeitlang schnell bewegen kann. Die grünen Zweige der Urwaldbäume schlagen hinter so einem todwunden Riesen zusammen – und sehr selten glückt es dem weißen Jäger, seinen Verbleib zu erforschen.

Woher kommen die Elefanten?

Weniger bekannt dürfte es sein, daß auch der Geburtsort des afrikanischen Elefanten ein Geheimnis ist. Hochtragende Elefantenmütter findet man nie bei der Herde, man weiß aber auch nicht, wo sie sich sonst aufhalten – man kann nur eines Tages feststellen, daß sich eine altbekannte Schar wieder einmal um eine Elefantenkuh und ihr Kälbchen vermehrt hat. Ich habe zwanzig Jahre meines Lebens als Elefantenjäger in Afrika verbracht, besonders in Ostafrika, und schon in den ersten Jagdjahren gewann ich die Ueberzeugung, daß an den Erzählungen der Neger von „Elefantenfriedhöfen“ etwas dran sein müsse. Zugleich begann ich mir den Kopf darüber zu zerbrechen, woher der ständige Zuwachs an Elefanten kommen mag, der bis in die Gegenwart anhält. Daß 1936 nicht weniger als 2300 Elefanten allein in Uganda abgeschossen wurden, ist dem Tierbestand kaum anzumerken.

Elefanten am Wasser
Elefanten müssen in der Regel tatsächlich jeden Tag trinken

Der Elefant muß täglich trinken.

Wohl als erstem Weißen ist es mir kürzlich gelungen, einen kleinen „Elefantenfriedhof“ zu entdecken und zugleich das Rätsel des Geburtsortes der Elefanten zu lösen. Ich ging davon aus, daß so eine Stelle, zu der sich alte und verwundete Tiere zurückziehen, vieles und bequem erreichbares Futter haben muß. Ferner muß klares Wasser in Mengen vorhanden sein, denn jeder Elefant muß innerhalb 24 Stunden mindestens einmal tüchtig trinken. Und schließlich mußte der Platz abgeschlossen und schwer erreichbar sein. In meinen Jagdgebieten, den Elgeyo- und Suk-Distrikten in Britisch-Uganda, wandten sich angeschossene Elefanten stets nordwärts. Mit großer Schläue und Geschicklichkeit verwischten sie dabei ihre Spuren; oft verschwanden die gewaltigen Tiere vollständig, manchmal konnte ich nach stundenlangem Suchen die Spur wiederfinden und dem Tier den Fangschuß geben – immer aber fand ich, daß die Richtung ihrer Flucht nordwärts war. Das brachte mich auf den Gedanken, daß in dieser Richtung ein Elefantenfriedhof liegen müsse, und ich beschloß, danach zu suchen. Dazu mußte ich einem schwerverwundeten Elefanten heimlich auf der Spur bleiben und sehen, wohin er sich wendet, wenn er sich unbeobachtet glaubt. Von eingeborenen Trägern durfte ich dabei nicht viel Hilfe erwarten. Die Neger geben vor, daß Geister die Ruhestätte der toten Elefanten umschweben, aber in Wahrheit liegt ihnen natürlich daran, keine Weißen an die Plätze herankommen zu lassen, an denen sich das Elfenbein toter Elefanten bequem und in Mengen sammeln läßt.

Elefantenherde
Elefantenherde

Ein kleines Elefantenhospital

Eines Tages schoß ich am Fuße der Elgeyo-Hügel einen Elefantenbullen schwer, aber zu weit hinten an, so daß das Tier auf die bekannte rätselhafte Art noch im Urwald verschwinden konnte. 200 Pfund Elfenbein mit ihm! Ich eilte sofort nordwärts, wenn auch im Unterholz keine Spur zu finden war. Nach einigen Stunden fand ich tatsächlich die blutgetränkte Fährte des wunden Dickhäuters – um sie dann wie⸗ der zu verlieren. Zwei Tage ging die Jagd so fort, mit abwechselndem Finden und Verlieren der Fährte, aber unentwegt nach Norden. Schließlich hatte der Elefantenbulle sich sicher geglaubt, seine Spur war klar bis zum Ufer des Turkwell-Flusses zu verfolgen. Auf der anderen Seite des Flusses tauchte sie indessen nicht wieder auf. Das verwundete Tier mußte also auf einer Insel stecken, die unweit des Platzes, an dem ich neben der Spur stand, mitten im Flusse lag. Und so war es auch. Leise setzte ich in der Nacht mit einem Begleiter über und traf dort den dickhäutigen Gesellen, den ich mit einem besseren Schuß erlegte. Auf der Insel aber fand ich dann nicht weniger als zwanzig Elefantenskelette – nur ohne Elfenbein, die Eingeborenen waren mir zuvorgekommen.

Eine Woche auf der Elefanteninsel.

Eine volle Woche hindurch hielt ich mich auf der Insel verborgen – gut verborgen, denn meine eigenen Erfahrungen und die Erzählungen der Neger hatten mir gezeigt, daß die Elefanten hier völlig ungestört sein wollten und sehr bösartig wurden, wenn jemand versuchte, ihre Ruhestätte zu entweihen. Fast täglich kamen einzelne Elefanten in dieser Zeit auf die Insel – vom Süden, der Seite, von der ich selbst gekommen war, näherten sich aber nur alte oder kranke Elefanten, während vom Norden tragende Elefantenkühe die Insel betraten. Auch auf der Insel selbst hielten sich Geburt und Tod streng zwischen Nord und Süd getrennt voneinander. Bis zum Flußufer wurde einer der beiden Elefanten, die während meiner Beobachtungszeit zur Todesseite der Insel wollten, von einem jungen Elefanten begleitet – zur Insel schwamm er allein herüber. Das Schwimmen der Elefanten ist ein höchst eigentümliches Rollen, das die Riesenleiber sicher, wenn auch langsam durch das Wasser trägt.

 

 

Große Elefantenlager noch unentdeckt

Bei der Insel im Turkwell-River, die ich entdeckte, kann es sich nur um einen der kleinsten Elefantenfriedhöfe gehandelt haben, der außerdem für die Zukunft kaum noch Raum bietet. In Gesprächen mit alten Wanderobo-Massai, die in den Wäldern am Elgon-Berg leben, erfuhr ich, daß im Karamaja-Distrikt ein weit größerer Platz zu finden sein müsse, an dem sich die Elefanten zum Sterben niederlegen. Zweifellos wäre die wissenschaftliche wie die materielle Beute des Entdeckers eines solchen Platzes sehr groß. Für den Zoologen hätte es hohen Wert, Geburt und Tod der grauen, urweltlichen Kolosse beobachten zu können; und der Händler sähe sich durch das Elfenbein reich belohnt, denn die Eingeborenen wagen sich an die größeren Ruheplätze der Elefanten anscheinend nicht heran, sie berichten, daß Elefantenbullen die „Friedhöfe“ in weitem Umkreis bewachen und jeden Näherkommenden zu Brei zerstampfen.

 

 

Eine andere Frage ist es allerdings, ob man diese letzten ungestörten Schlupfwinkel wilden Tierlebens überhaupt antasten soll oder ob man es nicht den Elefanten gönnen sollte, in ihren verzweifelt verteidigten Friedensstätten ruhig zu sterben …

Von Ulrich Magin

Ulrich Magin (geb. 1962) beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Kryptozoologie, insbesondere mit Ungeheuern in Seen und im Meer. Er ist Mitarbeiter mehrerer fortianischer Magazine, darunter der „Fortean Times“ und Autor verschiedener Bücher, die sich u.a. mit Kryptozoologie befassen: Magischer Mittelrhein, Geheimnisse des Saarlandes, Pfälzer Mysterien und jüngst Magische Mosel.