eDNA steht für environmental-DNA, freie DNA in der Umwelt. Jeder Organismus verliert ständig Zellen (wie spätestens seit den CSI-Serien bekannt ist), diese zerfallen und geben DNA frei. Da DNA in der Umwelt ziemlich stabil ist, bleiben beispielsweise in einem Gewässer längere Zeit DNA-Spuren eines Tieres (oder Pflanze, Pilz, Mikroorganismus) erhalten. Biologen nutzen diese eDNA seit einiger Zeit, um festzustellen, welche Lebewesen in einem Biotop vorkommen. Die Methode hat verschiedene Vorteile: man kommt sehr einfach an Proben, da man nur Wasser sammeln muss. Organismen werden nicht verletzt, nicht einmal gestört. Mit Hochleistungsrechnern ist nicht nur die Bestimmung sehr genau erledigt, die Forscher können auch direkt auf die Verwandtschaft einzelner Populationen schließen.
Loch Ness wurde beprobt
So war es nur eine Frage der Zeit, bis man Loch Ness auf diese Weise beprobt hat. Vor Kurzem wurden die ersten Ergebnisse vorab bekannt gegeben und mit ihnen eine „überraschende“ Entdeckung. Bisher ist nur bekannt, dass es eine Überraschung gab, die Wissenschaftler halten den Erwartungsdruck hoch:
“Wir haben jede einzelne der Haupthypothesen zum Loch Ness Monster geprüft. Bei drei von ihnen können wir vermutlich sagen, dass sie falsch sind und eine von ihnen könnte ein Treffer sein.“ sagte Professor Neil Gemmell der Zeitung „The Scotsman“. Gemmell ist Genetiker und Reproduktionsspezialist an der Universität von Otago (Neuseeland). Er leitet die Untersuchung der Proben von Loch Ness auf der Suche nach Meeresorganismen und natürlich Nessie selbst.
Die schottischen Süßwasserlochs sind möglicherweise ein Evolutionshotspot für Salmoniden. Erst kürzlich haben Biologen in einem kleinen Loch im Süden Schottlands vier bisher unbekannte Forellenarten entdeckt. Es ist nicht auszuschließen, dass jeder Loch ursprünglich eine eigene Fischfauna entwickelt hat oder auf dem Weg dorthin war, bis er diese Entwicklung von Menschen gestört wurde.
„Nessie nicht Ziel der Untersuchung“
Natürlich weckt die Erwähnung des mythischen Monsters einiges an Aufmerksamkeit, aber das eigentliche Ziel der Untersuchung ist ein Profil der zahlreichen unterschiedlichen Organismen und Mikroorganismen in dem schottischen See.
Bis jetzt hat das Team um Neil Gemmell 15 Arten Fische und fast 3.000 Arten Bakterien festgestellt, so berichtet der Scotsman. Eigentlich wollten sie die Ergebnisse schon im Januar 2019 publizieren, aber die Klassifikation der sehr vielfältigen Organismen dauerte länger als erwartet. Auch mehrere fehl geschlagene Versuche, eine TV-Reportage über die Untersuchungen zu drehen, haben die Arbeiten verzögert.
Thesen und eDNA
Professor Gemmell sagte bereits vor Beginn der Untersuchungen, er bezweifle, dass ein Monster in Loch Ness existiere. Er sei aber offen, wenn die Ergebnisse der DNA-Untersuchungen darauf hindeuten. Bisher gibt es vom Monster nur einige Handzeichnungen, schlechte Fotos und zweifelhaft klingende Geschichten*.
“Gibt es in dem See etwas Mysteriöses? Mhm, das hängt davon ab, was man glaubt,“ sagt Gemmell. „Gibt es etwas Überraschendes? Ja, einige Befunde haben uns verblüfft.“
“Wir haben erreicht, was wir tun sollten: die Biodiversität von Loch Ness zum Zeitpunkt Juni 2018 detailliert zu dokumentieren.“ fährt er fort. “Wir haben jede einzelne der Haupthypothesen zum Loch Ness Monster geprüft. Bei drei von ihnen können wir vermutlich sagen, dass sie falsch sind und eine von ihnen könnte ein Treffer sein.“
Eine der wichtigsten Erklärungen unterstellt, dass Nessie in Wirklichkeit ein großer Fisch ist, beispielsweise ein Stör oder Wels. Unwahrscheinlichere Thesen erklären das Monster als Plesiosaurier oder Dinosaurier, der unbemerkt seit mehr als 65 Millionen Jahren in Loch Ness den Veränderungen der Erde trotzt.
Leider hat Neil Gemmell noch nicht damit rausgerückt, was er denn gefunden hat. Seine Ergebnisse – und damit auch genetische Hinweise für eine Erklärung von Nessie möchte er nach dem vollständigen Abschluss aller Analysen bekannt geben: Eine Pressekonferenz in Schottland ist für Juli 2019 angekündigt. Bis dahin hält er uns in Atem.
Und so ist die Sache ausgegangen: Nessie-Pressekonferenz am 05.09.2019
Weitere Artikel zum Thema in unserem „Dossier Loch Ness“
Quellen
Otago.ac.nz: First phase of hunt for Loch Ness monster complete – vom 28.06.2018
The Scotsman: Loch Ness monster study makes ‘surprising’ find – vom 01.06.2019