Wisente sind die europäischen Bisons, etwas leichter und weniger bullig, als das amerikanische Präriebison, was an sich für einen Waldbewohner auch ganz praktisch ist. Seit dem Frühmittelalter wurden sie stark bejagt, irgendwann galten sie als „das edelste aller Wilde“ und waren dem König vorbehalten – genauso wie der Auerochse, mit dem sie oft verwechselt wurden.
Anders als der Auerochse überlebte das Wisent aber diese Jahrhunderte des Jagddruckes, auch wenn es vor etwa 100 Jahren kurz vor dem Aussterben stand. Im Rahmen des Rewilderings hat eine Forschergruppe July Pilowsky von den Universitäten Kopenhagen und Adelaide die Ursachen für das Verschwinden der Tiere analysiert und dabei nicht nur die Zeit nach dem Abzug der Römer, sondern 21.000 Jahre betrachtet.
Bereits mit dem Ende der Eiszeit vor 14700 Jahren begann, der Lebensraum der Wisente zu – schrumpfen. Dies führte zu einer Konzentration auf das Kerngebiet der Verbreitung, die man heute noch vom Wisent kennt: Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Im Norden und Osten ihres Verbreitungsgebietes setzten die Menschen dem Tier durch die Jagd zu, im Westen und Süden war es die veränderte Landnutzung und vor allem Rodung der Wälder. Ab dem 15. Jahrhundert beschleunigte sich der Niedergang, die Forscher vermuten, dass die Einführung und Verbesserung von Handfeuerwaffen, also Jagdgewehren eine große Rolle spielten.
Wie ist die Lage der Wisente heute?
Nach einigen ehrgeizigen Wiederansiedlungsprogrammen leben etwa 7300 Wisente in Freiheit. Dabei stehen ihnen sehr unterschiedliche Lebensräume zur Verfügung, von den Niederlanden bis zu den französischen Alpen. Deutschland als eines der Länder, die früher große Herden beherbergten, ist mit nur etwa 40 Tieren in einem ständig von der Schließung bedrohten Projekt im Rothaargebirge beteiligt.
Ein Problem hierbei ist die schlechte Vernetzung und die geringe Größe der 47 Einzelprojekte. Nur 8 der Populationen weisen mehr als 150 Tiere auf. Einige der großen Herden werden zugefüttert, was die natürliche Selektion verringert.
Im Rahmen der Studie versuchten die Wissenschaftler herauszufinden, wo man die großen Rinder am besten ansiedeln könne. In den Waldgebieten in Polen, Belarus, Russland und der Ukraine erscheint es am förderlichsten – politische Probleme außen vor.
Als Ökosystem-Ingenieure sind sie eigentlich genau durch das gefragt, was ihnen im Rothaargebirge Probleme macht: Sie entrinden Altbäume und weiden Setzlinge ab. So schaffen sie auf die Dauer Grasland-Habitate und drängen die Wälder zurück. Sie wären also dort gut unterzubringen, wo eine offene Landschaft erwünscht ist: In Heidegebieten. Gerade in Deutschland gibt es eine ganze Reihe (ehemaliger) Truppenübungsplätze, die teilweise auch von Wölfen bewohnt sind, wo man die Tiere gut unterbringen könnte, ohne dass ein Waldbauer ihre Schäden beklagt.
Quelle
Pilowsky, J. et al.: Millennial processes of population decline, range contraction and near extinction of the European bison; Proceeding of the Royal Society, Vol. 290, Issue 2013: https://doi.org/10.1098/rspb.2023.1095